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INTERNATIONALE BEZIEHUNGEN - Carl Bechstein Gymnasium

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Die nach Moskau zweitgrößte Stadt<br />

Russlands trägt seit 1991 wieder ihren<br />

ursprünglichen Namen – Sankt Petersburg,<br />

vormals Leningrad, kurzzeitig auch Petrograd.<br />

4,7 Millionen Einwohner leben in der<br />

aus 42 Inseln und vielen Kanälen bestehenden<br />

Metropole an der Newa, die deshalb<br />

auch „Venedig des Nordens“ genannt wird.<br />

Granitsteinerne Uferbefestigungen sollen<br />

vor Hochwasser schützen – seit seiner<br />

Gründung durch Zar Peter I. (1703) ist die<br />

Stadt rund dreihundert Mal von schweren<br />

Überschwemmungen heimgesucht worden.<br />

Das Territorium am Finnischen Meerbusen<br />

hatte Peter der Große dem Schwedenkönig<br />

Karl XII. nach langen, erbitterten Kämpfen<br />

abgetrotzt zu einer Zeit, in der England als<br />

seefahrende Nation zur führenden Macht<br />

des Westens aufgestiegen war. St. Petersburg,<br />

so beschloss der reformfreudige Zar,<br />

sollte das „Fenster zum Westen“ werden.<br />

Tausende von Leibeigenen bauten in wenigen<br />

Jahren Straßen, Brücken und Gebäude<br />

in einer Region, wo vorher nur Sumpfgebiet<br />

war. Handwerker, Ingenieure und Baumeister<br />

aus ganz Europa prägten das Bild der<br />

neuen Stadt. Zentrum war die Admiralität,<br />

eine Schiffswerft für Kriegsschiffe, im Mündungsbereich<br />

der Newa gelegen. Nördlich<br />

davon entstand der Winterpalast, der bis<br />

1917 Hauptresidenz der Zaren blieb. Heute<br />

befindet sich dort die Eremitage, eine der<br />

größten Kunstsammlungen der Welt. Die<br />

Peter-Paul-Festung auf der „Haseninsel“<br />

sollte den erkämpften Zugang zur Ostsee<br />

sichern. Die Isaak-Kathedrale, die größte<br />

Kirche Russlands, zur Zeit Katharina der<br />

Großen erbaut, sollte die Position Russlands<br />

als neue Großmacht dokumentieren.<br />

St. Petersburg hat auch im 20. Jahrhundert<br />

Geschichte geschrieben. Matrosenaufstände,<br />

Attentate, die Februarrevolution und<br />

schließlich der Schuss vom Panzerkreuzer<br />

Aurora im Petrograder Hafen als Startsignal<br />

für die Oktoberrevolution 1917 – eine politische<br />

Wende internationalen Ausmaßes<br />

nahm hier ihren Anfang. Das politische<br />

Handeln von Lenin, Trotzki und später Stalin<br />

ist untrennbar mit diesen Ereignissen<br />

verbunden.<br />

Ein Einschnitt in der Geschichte der Stadt<br />

war die von den Deutschen verübte Leningrader<br />

Blockade vom September 1941 bis<br />

zum Januar 1944, während der mehr als<br />

eine Million Leningrader ihr Leben verloren.<br />

Dmitri Schostakowitsch komponierte<br />

in dieser Zeit die „Leningrader Symphonie“,<br />

die dem Mut und Durchhaltewillen<br />

der hungernden Leningrader gegenüber den<br />

deutschen Vernichtungsplänen gewidmet<br />

war.<br />

In der Sowjetzeit verlor die Stadt an Bedeutung.<br />

Sichtbares Zeichen dafür war der<br />

zunehmende Verfall vieler Gebäude und<br />

Straßen. Zu neuer Blüte gelangte Petersburg<br />

erst wieder zum 300jährigen Jubiläum im<br />

Jahre 2003: Im Heumarktviertel – in den<br />

engen Straßen und verwinkelten Hinterhöfen<br />

am Gribojedow-Kanal hat Dostojewski<br />

seine Romanhelden verortet – entstanden<br />

in kurzer Zeit moderne Bürokomplexe und<br />

Einkaufspassagen. Ex-Bundeskanzler<br />

Schröder und Präsident Putin weihten das<br />

aufwändig rekonstruierte Bernsteinzimmer<br />

im Katharinenpalast ein. Die Adelspaläste<br />

Sonderausgabe · Internationale Beziehungen · Russland 11<br />

„Es gibt, müssen Sie wissen, Nastenka, in Petersburg recht seltsame Winkel. In diese Gegenden scheint nicht mal dieselbe Sonne<br />

hereinzuschauen, die allen anderen Petersburgern lacht, sondern eine andere, neue, eigens für diese Gässchen bestellte, die alles<br />

in ein anderes, besonderes Licht taucht. In diesen Winkeln, liebe Nastenka, lebt man ein Leben, das es allenfalls in einem<br />

unendlich fernen, uns unbekannten Lande geben mag ... Dieses Leben stellt eine Mischung von etwas völlig Phantastischem,<br />

Ersehnt-Idealem und zugleich (leider, Nastenka!) auch Grauem, Prosaischem und Alltäglichen, um nicht zu sagen unwahrscheinlich<br />

Trivialem dar.“<br />

FJODOR DOSTOJEWSKI IN „WEISSE NÄCHTE“ (1848)<br />

ST. PETERSBURG – FENSTER ZUM WESTEN<br />

und Zarenresidenzen am Newski-Prospekt<br />

wurden für 40 Milliarden Rubel saniert.<br />

In den Nebenstraßen des Newski-Prospekts<br />

und in den Außenbezirken der Metropole<br />

sieht der Besucher jedoch auch die Verlierer<br />

einer Gesellschaft, die nach der Perestroika<br />

ins wirtschaftliche Chaos geraten waren –<br />

Bettler, Straßenkinder und Obdachlose.<br />

Trotz sinkender Einwohnerzahlen sind<br />

bezahlbare Wohnungen noch immer<br />

knapp. Jeder fünfte Einwohner lebt nach<br />

wie vor in Kommunalkas – Gemeinschaftswohnungen,<br />

in denen sich mehrere Familien<br />

Küche und Bad teilen. Auch unter Putin<br />

hat sich die Situation nicht wesentlich<br />

verbessert, obwohl die Wirtschaft boomt.<br />

Allerdings: Oligarch und Aluminium-<br />

König Oleg Deripaska – mit einem<br />

geschätzten Vermögen von 16,4 Milliarden<br />

Euro der zweitreichste Mann Russlands –<br />

kaufte unlängst für 202 Mio Euro 269 Hektar<br />

Bauland am nördlichen Stadtrand von<br />

Petersburg. 40000 Wohnungen für 100000<br />

Menschen nebst Infrastruktur will er dort<br />

errichten. Ob er selbst – wie der Legende<br />

nach einst Peter I. – zum Spaten greift,<br />

bleibt offen.<br />

Regierungschef Putin hat übrigens als<br />

gebürtiger Petersburger immer noch engen<br />

Kontakt zu seiner Heimatstadt: Jekaterina,<br />

die 22jährige Tochter des russischen Präsidenten,<br />

wohnt in Petersburg bei der Großmutter<br />

und studiert am Orientalistik-Institut<br />

der Staatlichen Universität Sankt Petersburg<br />

Japanologie.<br />

Jasmin Sliwinski,<br />

Julie Nikolaus, Jg.11<br />

sw/BJ

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