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THEIST – ATHEIST - Christoph Zimmer

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CHRISTOPH ZIMMER<br />

<strong>THEIST</strong> <strong>–</strong> AT HEIST<br />

θ ε ο ς<br />

α θ ε ο ς<br />

� �<br />

1


2<br />

www.zmm.cc DR. CHRISTOPH ZIMMER 920@who.net<br />

Copyright © 2011 Dr. <strong>Christoph</strong> <strong>Zimmer</strong>. All rights reserved.<br />

w w w . z m m . c c


„Wenn daraus, dass ein Satz uns einleuchtet, nicht f o l g t , dass er wahr ist, so ist<br />

das Einleuchten auch keine Rechtfertigung für unseren Glauben an seine<br />

Wahrheit.“ WITTGENSTEIN, TLP 5.1363<br />

„Etwas „der Logik widersprechendes“ in der Sprache darstellen, kann man<br />

ebensowenig, wie in der Geometrie eine den Gesetzen des Raumes<br />

widersprechende Figur durch ihre Koordinaten darstellen; oder<br />

die Koordinaten eines Punktes angeben, welcher<br />

nicht existiert.“ WITTGENSTEIN, TLP 3.032<br />

3


4<br />

Inhalt<br />

1. Einleitung 5<br />

2. Was ist das Gegenteil wovon? 12<br />

3. Wie Theist das Wort „atheistisch“ übersetzt 18<br />

4. Wort „Gott“ 25<br />

5. Theismus, Monotheismus, Polytheismus, Pantheismus 29<br />

6. Zirkularität 35<br />

7. Gottesbeweise 38<br />

8. Wetten und Wahrscheinlichkeiten 44<br />

8.1. PASCALS Wettbetrug 44<br />

8.2. UNWINS 67%-iger Gott <strong>–</strong> The ultimate truth 50<br />

9. Gottesgen und Gentheismus 55<br />

10. Zusammenfassung 58<br />

Namenregister 67


6<br />

zum Gegenstand empirischer Naturwissenschaft, auf den sie früher oder später<br />

stoßen müßte.<br />

1.2. Um sich die lästige Verifizierung seiner Existenzaussage vom Halse zu<br />

schaffen, hebt er das Problem auf des Glaubens Sockel. Dort oben ficht ihn das<br />

niedere Wahr oder Falsch nicht mehr an. 2 Seine Wahrheit nicht von dieser Welt.<br />

Was schert ihn dann der Atheist?<br />

Wenn theistische Aussage besagt, Gott existiere, kann Theist nicht jener sein, der<br />

an Gott glaubt, ihn für möglich, wahrscheinlich, denkbar hält, für irgendwie annehmbar,<br />

seine Existenz bloß nicht auszuschließen wagt. Besonders der Gläubige<br />

kann Theist nicht sein, unter gar keinen Umständen. Wenn Gott existiert, dann<br />

nicht deswegen, weil jemand vorgibt, es zu glauben.<br />

„y glaubt, daß Gott existiert“,<br />

ist nicht dasselbe wie<br />

„Gott existiert“.<br />

Will man sagen, Gott existiere, kann man mit Glaube sich nicht herauswinden.<br />

Will man sagen, jemand glaube, Gott existiere, drückt das nicht aus, daß Gott existiert.<br />

Entweder existiert Gott, dann braucht man nicht an ihn zu glauben, oder y glaubt,<br />

daß Gott existiert, dann handelt es sich um etwas ganz anderes, das mit theistischer<br />

Aussage nicht zusammenpaßt. „y glaubt, daß Gott existiert“, spricht über jemandes<br />

Glaube, „Gott existiert“ behauptet, es gäbe etwas, das Gott wäre. Das<br />

sind völlig verschiedene Angelegenheiten.<br />

Glaube hat mit der Frage, ob Gott existiert, nichts zu tun. Behauptet man Tatsachen,<br />

ist der zusätzliche Glaube, daß sie wahr, nur nichtssagende Wiederholung.<br />

Wenn etwas der Fall, fügt Glaube, daß es sich so verhält, dem nichts hinzu. In bezug<br />

auf Tatsachen ist Glaube unnütz. Existierte Gott, hätte sich Glaube an ihn erledigt.<br />

Soll aber Glaube statt Tatsache Resultat des Bemühens sein, kann die Mühe man<br />

sich sparen. Erkenntnis hängt von Tatsachen ab, nicht von Glaube. Gälte Glaube<br />

schon statt Tatsache als für Erkenntnis genügend, hinreichend, beschränkte er sich<br />

selbst auf des Eventuellen Fragwürdigkeit.<br />

2 „Dem Gläubigen steht es nicht frei, für die Frage „wahr“ und „unwahr“ überhaupt ein Gewissen<br />

zu haben: rechtschaffen zu sein an dieser Stelle wäre sofort sein Untergang.“ NIETZSCHE, Antichrist,<br />

54.


1.4. Dies kontrastiert in auffälliger Unordnung mit der Wichtigkeit, die Theist<br />

„glauben“ gewöhnlich zuzumessen pflegt. Er müßte die Bedeutung von<br />

(3) y glaubt, daß Gott existiert,<br />

zumindest so anzunehmen bereit sein, daß sie in allen Aussagen, die er zu Argumentationen<br />

zu verknüpfen unternimmt, dieselbe ist, unabhängig davon, welcher<br />

Individuenname anstelle von „y“ vor „glaubt“ gesetzt zu werden möglich.<br />

Wiederum ist dieses geringe Erfordernis zuviel, viel zuviel, wird es nicht als Aufgabe,<br />

gar als Pflicht empfunden, eigenes Reden durch Rationalität minimal nur<br />

auszuzeichnen, damit in gleicher Weise alle es verstehn.<br />

Ist es dasselbe, wenn HANS, LILLY und SAMANTHA im Vergleich zu MOSE, JESUS, PAULUS<br />

und ZEPHANJA, von Mullahs, Klerikern, Rabbis nicht zu reden, glauben, Gott existiere?<br />

Ist diesbezüglich Glaube JESU dem SAMANTHAS gleich? Natürlich nicht, das<br />

würde Religion in keinem Fall goutieren. Woher weiß man dann, welche Namen<br />

für „y“ einsetzbar? Man wende sich offiziell nach Rom, Mekka und Jerusalem,<br />

dort hält man die aktuellen Listen vor.<br />

Wenn Bedeutung von (3) variieren soll nach Maßgabe des verwendeten Individuennamens,<br />

wird die Bedeutung des Prädikats verschwommener Vagheit ausgeliefert.<br />

Wenn seine Bedeutung von Genehmigung abhängt, ob der Betreffende gefällt,<br />

dessen Name die Leerstelle besetzt, wird Bedeutung zu ausufernder Unbestimmtheit<br />

vervielfältigt. Wenn in verschiedenen Aussagen die Bedeutung des Prädikats<br />

„... glaubt, daß Gott existiert“ nicht ein und dieselbe, ist es für konsistente<br />

Zusammenhänge nutzlos, vernünftiger Kommunikation nicht dienlich, für Argumentation<br />

unbrauchbar.<br />

Wäre „y glaubt, daß Gott existiert“ für „es ist der Fall, daß Gott existiert“ so wichtig,<br />

würde Religion die Menge der für „y“ einsetzbaren Namen nicht leichtfertig<br />

beschränken mögen, nur ihren favorisierten Idemisten vorbehalten, reduzieren.<br />

Welchen Unterschied macht es, ob einer glaubt, daß Gott existiert, oder 6 Milliarden?<br />

Keinen. In bezug auf Existenz Gottes ist Anzahl Gläubiger vollkommen irrelevant.<br />

Nur in bezug auf Religionsbusiness macht es natürlich einen Unterschied.<br />

1.5. Ob Religion sagt, Gott existiere, oder HANS das Gegenteil, ist, ob es Gott<br />

gibt, unerheblich. Deshalb hat sie sich bequemerweise auf Autorität versteift, über<br />

Wahrheitsbedingungen sich ein für alle Mal zu erheben. Obwohl feststeht, daß<br />

Wahrheit nicht davon abhängen kann, wer etwas sagt, gefällt sich Religion seit jeher<br />

in der Attitüde, ihr stünden Sonderquellen zu Gebote, die ihre Wahrheit garantierten.<br />

9


10<br />

Was Figuren des MOSE, JESUS zugeschrieben, von literarischen Autoren, von anderen<br />

biblischen, heiligen Schriftstellern für gut befunden, hätte höhere Wertigkeit<br />

als das, was ansonsten noch verlautet. Zwar gelangen auch jene mit ihren Sprüchen<br />

wahrhaftig nicht auf Tatsachenniveau, doch hat das System viele erst einmal<br />

ausgegrenzt, als irrelevant, unmaßgeblich beiseite geschoben, und die übrigen<br />

Hierarchie unterworfen.<br />

Indem Religion auf alles Monopol errichtet, 5 das Gott und Glaube zu betreffen<br />

scheint, verengt sie Quantität derer, die darüber zu sprechen sich ermächtigt fühlen<br />

dürfen, auf immer geringere Bereiche. Wenn nur Autorisierte „richtig“ von<br />

Gott zu sprechen in der Lage, werden es immer weniger, denen etwas beizutragen<br />

erlaubt. Selbst wenn sie alle glaubten, Gott existierte, wird „y glaubt, daß Gott<br />

existiert“ zur religiösen Falle.<br />

Keinem Ketzer hat genützt, daß auch er an Gott geglaubt. Die meisten erhielten<br />

den Titel gerade wegen ihres Glaubens, den sie nur nicht politisch korrekt geäussert.<br />

Religionsestablishment traut Glaube nicht über den Weg. Sehr viele schließt<br />

es aus, mögen sie noch so sehr glauben, was ihres Glaubens Fundament.<br />

Und nähme einer die Religion des Wortes ernst, vertraute darauf, was gesagt wird,<br />

den schönen Spruch, „und Gott war das Wort“, als wäre es verläßlich, hätte faßbare<br />

Bedeutung, als sagte es etwas Bestimmtes, wird ihm, bevor er sich's versieht,<br />

in roher Rücksichtslosigkeit periphrastischer Belehrung des Wortes Willkür eingebleut,<br />

daß „glaubt“ in „JESUS glaubt, daß Gott existiert“ nie und nimmer, nicht im<br />

entferntesten Bedeutung von „SAMANTHA glaubt, daß Gott existiert“ haben könne.<br />

Das zumindest müßte von religionsunterworfenem Gläubigen begriffen zu haben<br />

man doch wenigstens verlangen können.<br />

Besonders in Wort- und Schriftreligion ist man schlecht beraten, wollte man das<br />

Wort für bare Münze nehmen. Dort werden Heerscharen von Pharisäern dafür bezahlt,<br />

daß Bedeutung immer ganz anders ausfällt, daß Gott, der ohne Hilfe seiner<br />

Stellvertreter und Propheten sich nicht zu äußern weiß, von Interpreten, die seine<br />

Schriften schreiben, seine Botschaft kundtun, sein Wort passend vorgelegt erhält.<br />

5 Religion ist von allen rechtlichen Einschränkungen frei, die Firmen, Konzernen bei Monopolisierung<br />

im Wege stehn. Kartellgesetze, Wettbewerbskommissionen interessieren sich für globales<br />

Religionsbusiness nicht, obwohl eines der größten überhaupt. Mit Hilfe des „weltanschaulich<br />

neutralen Staates“ werden Religionsmonopole gesetzlich geschützt und ihre Finanzierung<br />

aus allgemeinen Steuern gewährleistet. Der deutsche Staat preßt allen Bürgern jedes Jahr 20<br />

Milliarden Euro ab, um sie den Kirchen zu schenken, die die Summe größtenteils für sich selbst<br />

verbrauchen. Dafür verletzt er sogar permanent das Grundgesetz, auf das sonst er sich soviel<br />

zugute hält. <strong>–</strong> FRERK, CARSTEN: Violettbuch Kirchenfinanzen. Wie der Staat die Kirchen finanziert.<br />

Aschaffenburg 2010.


1.6. Meist wird all dies ganz anders ausgebreitet. Theismus, Glaube, Kontradiktionen,<br />

Affirmationen und ihre Negationen, unterschiedlicher Aussagen metasprachliche<br />

Schichtung semantischer Ebenen, syntaktische Struktur, Wahrheitsbedingungen,<br />

im großen Mix theistischer Beliebigkeit zu zähem Brei dialektisch angerührt.<br />

Zuerst der Unterschied von (1) und (2) ignoriert, verfälscht, die divergenten Elemente<br />

untermengt, und falls von Ferne andeutungsweise schwach ein Unterschied<br />

vielleicht vermutet, schnell hinuntergespielt, als unbeachtlich weggewischt. In<br />

Jahrtausenden theistischer Scheinwissenschaft hat man (1) und (2) vor allem vermischt,<br />

als wesensverwandt in communicatio idiomatum gestellt.<br />

11


2.5. Theistisch und atheistisch sind Gegensätze in bezug auf Aussagen, nicht<br />

in bezug auf Tatsachen. Kontradiktion von theistisch und atheistisch ist kein Gegensatz<br />

hinsichtlich dessen, ob Gott existiert. Denn ob Gott existiert, hängt von<br />

außersprachlicher Wirklichkeit ab, und diese ist nicht Gegenstand theistischer<br />

oder atheistischer Prädikation.<br />

Ob Gott existiert, entscheidet Empirie. Atheistische und theistische Aussage sind<br />

nicht empirisch, sondern metasprachlich. Daher ist ihr Gegenstand nicht Gottes<br />

Existenz, sondern die Aussage, er existiere. Atheistische Aussage besagt das Gegenteil<br />

der theistischen. Ob sie wahr ist, hängt nicht davon ab, ob Gott existiert<br />

oder nicht, sondern davon, ob sie sagt, daß er nicht existiert.<br />

Hier bahnt sich vielleicht Verzweiflung an. Wenn wir davon sprechen, daß es in<br />

Wirklichkeit einen Teil von ihr gäbe, der aus bestimmten Gründen gerade wichtig,<br />

ist diese Wirklichkeit von unserem Sprechen immer unabhängig. Wenn wir wissen<br />

wollen, ob unser Reden diese Wirklichkeit betrifft, statt bloß leeres Gerede zu<br />

sein, müssen unsere Aussagen sich auf diese Wirklichkeit beziehen, wenn sie<br />

wahr sein sollen. Gibt es das fragliche Objekt aber nicht, sind Aussagen, die es zu<br />

betreffen scheinen, natürlich falsch. Diese Falschheit ergibt sich jedoch nicht aus<br />

der Negation, der Form unserer Aussage, sondern aus der Wirklichkeit. Daß etwas<br />

nicht existiert, ist nicht dasselbe wie sagen, daß es nicht existiert.<br />

17


18<br />

3. Wie Theist das Wort „atheistisch“ übersetzt<br />

3.1. Dem Alpha privativum, einem Negationspräfix, entspricht in Logik Negation.<br />

Deshalb wird theistische Aussage durch atheistische verneint, ihr kontradiktorisches<br />

Gegenteil.<br />

In Wörterbüchern jedoch liest man, „ἄθεος“ bedeute „gottlos“ 8 , „ohne Gott“ 9 , also<br />

etwas ganz anderes als das Gegenteil von „Gott existiert“. „Ohne Konservierungsmittel“<br />

z.B. versteht niemand so, als ob es keine Konservierungsmittel gäbe.<br />

Sie sind in fraglichem Produkt nur nicht enthalten.<br />

Die Analogie offenbart den Sinn, den Theist wünscht, nicht die Kontradiktion, die<br />

Unvereinbarkeit des Gegenübers von Theist und Atheist verlangt. Entweder ist<br />

„atheistisch“ das Gegenteil von „theistisch“, dann bedeutet „atheistisch“ „es ist<br />

nicht der Fall, daß Gott existiert“, aber bestimmt nicht „ohne Gott“, oder „atheistisch“<br />

wird zu einer abgemilderten Ausdrucksweise von „theistisch“ verdreht,<br />

dann können Theismus und Atheismus nicht Gegensätze sein.<br />

Wie gesagt, Theismus ist unsauber von Anfang an. Seine Parteigänger stellen<br />

„atheistisch“ so meist dar, daß es jedenfalls nicht das Gegenteil von „theistisch“,<br />

seine Bedeutung, als schlösse „Gottes Existenz“ sie ein, statt aus, 10 derart vage gehalten,<br />

es theistischer Dialektik gelänge, „atheistisch“ in theistische Variante umzumodeln.<br />

3.2. Das geht bis zu MARX und ENGELS, welche, theologisch-dialektischer Tradition<br />

Jünger, Atheismus so bestimmen:<br />

8 CANCIK-LINDEMAIR, HILDEGARD: Gottlosigkeit im Altertum. Materialismus <strong>–</strong> Pantheismus <strong>–</strong> Religionskritik<br />

<strong>–</strong> Atheismus. In: Atheismus: Ideologie, Philosophie oder Mentalität? Hg. RICHARD FABER, SU-<br />

SANNE LANWERD. Würzburg 2006, 15-33. <strong>–</strong> SIKORA, PIOTR: Ateism, Agnosticism, and Apothatic Theism.<br />

Polish Journal of Philosphy 4, 2010, 65-80.<br />

9 BAUER, WALTER: Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und<br />

der übrigen urchristlichen Literatur. Berlin, New York 5 1971, 40. SCHMOLLER, ALFRED: Handkonkordanz<br />

zum griechischen Neuen Testament. Stuttgart 13 1963, 16. <strong>–</strong><br />

http://de.wikipedia.org/wiki/, Atheismus, einer der vielen klerikal eingefärbten Artikel. Zu Beginn<br />

wird Papyrus 46 erwähnt, der zu den bedeutendsten Bibelhandschriften aus der Zeit um<br />

200 gehört, neutestamentliche Briefe enthaltend, darunter den deuteropaulinischen Epheserbrief,<br />

weil dort, 2, 12, das Wort „atheos“ vorkommt. Als hätte es historisch-kritische Textforschung<br />

nie gegeben, wird die Epistel wie bis vor über 100 Jahren als „Schrift von Paulus“ vorgestellt.<br />

10 Am weitesten treiben das die Italiener, die Atheisten umgangssprachlich jene nennen, welche<br />

obligatorischer Messe fernbleiben.


„Atheismus, [letzte] Stufe des Theismus, der negativen Anerkennung Gottes“ 11 .<br />

Dieser Atheismus bleibt bis ins Mark theistisch. Nicht nur, daß er mit Theismus<br />

zusammenhinge, stufenweise sich aus ihm ergäbe, läßt kontradiktorisches Verhältnis<br />

gar nicht zu, sondern auch, daß „negative Anerkennung Gottes“ in subjektivem<br />

Verhalten sich erschöpft, verhindert Atheismus als gegenteilig. Wer Gott nicht<br />

anerkennt, sagt nicht, daß er nicht existiert.<br />

Mit diesen Atheisten ist es nicht weit her. Die marxistischen Synenantianer kochen<br />

Atheismus in der Suppe des Theismus auf. Ihre desipiente Dialektik ist von<br />

logischem Verständnis völlig frei. 12<br />

Sie ziehen das Problem in Niederungen psychologisierenden Meinens und Beliebens,<br />

wo Atheismus unterdessen in Weigerung, bockiges Nichtanerkennenwollen<br />

umgewandelt worden ist. Marxistischer Pseudoatheismus interessiert sich für Anerkennung,<br />

nämlich seiner selbst als des Allerhöchsten, mit welcher Anerkennung<br />

Gottes nicht konkurrieren soll.<br />

Dialektischer Atheismus war der Grund, weshalb jede Menge Theologen Marxisten<br />

sind und waren. 13 Es mußte ihnen sofort klar gewesen sein, daß er in Religion<br />

sich bestens integriere. Sie lehrten unumwunden, auch atheistisch an Gott zu<br />

glauben. 14 BLOCH, „der deutsche Philosoph der russischen Oktoberrevolution“:<br />

„Nur ein Atheist kann ein guter Christ sein, gewiss aber auch: nur ein Christ kann<br />

ein guter Atheist sein.“ 15<br />

11 Die heilige Familie. MEW 2, 116.<br />

12 ZIMMER, Aufklärung ohne Dialektik, Kap. Dialektik, www.zmm.cc.<br />

13 Marxismus war Kriegsgewinnler. Deshalb konnte er von nach 1945 führenden „Intellektuellen“<br />

für 2 Generationen fast zur in „Kultur“ und „Geisteswissenschaft“ beinahe alles beherrschenden<br />

Grunddoktrin durchgesetzt und ausgebreitet werden, der sich große Teile europäischen Christentums<br />

willig unterworfen haben. Theologen wollten sogar in der Apostelgeschichte erwähnte<br />

Christen zu Kommunisten machen, nur weil diesen angeblich „alles gemeinsam“ gewesen,<br />

πάντα κοινὰ, Apg 4, 32. Gerade Theologie ließ nichts unversucht, Sozialismus „biblisch zu begründen“.<br />

Als größten Theologen pflegen viele BARTH zu nennen, Genosse gleich zweier Parteien,<br />

zusammen mit eingefleischten Kommunisten wie ULBRICHT, PIECK u.a. auch noch Mitglied des<br />

berüchtigten NKFD, 1943 gegründet in Krasnogorsk unter Mitwirkung der Hauptverwaltung für<br />

Aufklärung beim Generalstab der Streitkräfte der UdSSR. Der „Kirchenvater des 20. Jahrhunderts“,<br />

weil er die Wende von der liberalen Theologie des deutschen Protestantismus zum Irrationalismus<br />

forciert, ein Sozialist, wie er im Buche steht, belehrt in dem Jahrhundert, in dem<br />

aufgrund von Sozialismus die Greuel der Geschichte kulminieren, die Deutschen, die von Sozialismus<br />

bis heute nicht geheilt, und auch alle andern, daß demokratischer Sozialismus als Zukunftsaufgabe<br />

festzuhalten sei. ASMUSSEN hat BARTHS und seiner Adepten krause Befunde zutreffend<br />

als Religionsbolschewismus beschrieben.<br />

14 SÖLLE, DOROTHEE: Atheistisch an Gott glauben. Beiträge zur Theologie. Olten, Freiburg 1968.<br />

15 BLOCH, ERNST: Atheismus im Christentum: Zur Religion des Exodus und des Reichs. Frankfurt am<br />

Main 1968, 24. <strong>–</strong> In Tübingen wollen „progressive Linke“ die Universität, gegründet 1477, in<br />

„Ernst-Bloch-Universität“ umbenennen, das Prinzip Hoffnung am finsteren Mittelalter des So-<br />

19


20<br />

3.3. Atheismus religiöser Dialektik schert aus Religionsgeschichte in keiner<br />

Weise aus. 16<br />

„Wenn man nach dem Vorkommen von A. [Atheismus] in der Geschichte der Religionen<br />

fragt, so steht dabei die Vorstellung von Gott nicht in Frage. Nur in zweierlei<br />

Hinsicht kann von A. [Atheismus] in der Religionsgeschichte die Rede sein,<br />

einmal in dem Sinn, daß der Begriff von Gott oder Göttlichem gar nicht gebildet<br />

wird [...] und in dem Sinn, daß der Begriff von Gott oder Göttlichem geleugnet<br />

wird“ 17 .<br />

Atheismus „leugne“ schlimmstenfalls den „Begriff“ von Gott. „Der naive A. [Atheismus]<br />

deckt sich dann im großen und ganzen mit der Religionslosigkeit überhaupt“<br />

18 . Und da Religionslosigkeit nur schwer bzw. nicht zu finden ist, könne<br />

Atheismus eigentlich es gar nicht geben.<br />

„A. [Atheismus] (Gottlosigkeit) ist die bewußte Ablehnung der Religion und ihres<br />

Gottesglaubens [...], darüber hinaus aber in seiner konsequentesten Form, daß<br />

man die Existenz Gottes auch theoretisch verneint.“ 19<br />

Selbst in dieser „konsequentesten Form“ ist Atheismus „theoretische Verneinung“<br />

von Gottes Existenz, die sich dadurch nicht stören läßt. 20<br />

zialismus orientiert.<br />

16 „Der Atheismus ist eine Form der Religion, vielleicht sogar der echten.“ GEYER, HANS F. [= HANS<br />

RÜTTER]: Gedanken eines philosophischen Lastträgers. Zur Phänomenologie des 20. Jahrhunderts.<br />

Zürich 1962 (Lebendige Bausteine; III), 49. <strong>–</strong> Aus der an Kuriosem unerschöpflichen<br />

Theologiegeschichte: „Die Unterdrückung des Gottesbewußtseins durch das Weltbewußtsein ist<br />

der Atheismus.“ D. CHR. ERNST LUTHARDT'S Kompendium der Dogmatik. Völlig umgearb. u. erg. v.<br />

D. Dr. ROBERT JELKE. Leipzig 14 1937, 83. Die gesamte Geschichte muß umgeschrieben werden,<br />

wenn Atheismus Theismus unterdrückt, statt umgekehrt. <strong>–</strong> „Daß eine Philosophie, die Gott vernichtet,<br />

die Selbständigkeit des Geistes und die (sittliche) Freiheit leugnet, also der bare M a t e -<br />

r i a l i s m u s [...] ausgeschlossen sei, versteht sich von selbst.“ K. R. HAGENBACH'S Encyklopädie<br />

und Methodologie der Theologischen Wissenschaften. Hg. v. MAX REISCHLE. Leipzig 12 1889, 74.<br />

„Materialismus“ und „Atheismus“, die ewigen Totschlagargumente. Sie zeigen vor allem, wie<br />

primitiv Theist von seinem Gotte denkt, wenn Philosophie schon reicht, ihn „zu vernichten“. <strong>–</strong><br />

„Der Atheismus ist nur die andere Seite des abstrakten Monotheismus.“ WEBER, OTTO: Grundlagen<br />

der Dogmatik. 2 Bde. Berlin 3 1977, I, 398. Entsprechend kennt der Autor nur „sogenannte<br />

Atheisten“, 226. <strong>–</strong> „Die Abwesenheit Gottes wird vom christlichen Glauben vielmehr erfahren<br />

als eine eigentümlich aufdringliche Weise seiner Präsenz als Gericht.“ ROHRMOSER, GÜNTER: Atheismus<br />

I/3. Philosophische Aspekte der Gesch. des neuzeitlichen Atheismus. TRE 4, 371. Abwesenheit<br />

als Anwesenheit, stammt von EBELING, Gott ist da, weil er nicht da ist. <strong>–</strong> Ausnahme, sehr<br />

rar: „Ein a b s o l u t e r A . [Atheismus], die generelle Leugnung des Numinosen, gehört nicht<br />

mehr in den unmittelbaren Bereich der Rel. [Religion]“. FIGL, JOHANN: Atheismus. 4 RGG 1, 873.<br />

17 BETH, KARL: Atheismus: I. Religionsgeschichtlich. 2 RGG I, 602. Sperrung getilgt.<br />

18 Ebd.<br />

19 FABRICIUS, CAJUS: Atheismus: III. Systematisch-theologisch. 2 RGG I, 607.<br />

20 Im „Atheismusstreit“, 1789-1799, in dessen Folge FICHTE seiner Professur für Philosophie in Jena<br />

verlustig ging, hat keiner der Beteiligten behauptet, daß Gott nicht existiert. Sie behandelten le-


Zur Steigerung der Konsequenz tritt die „extreme Form“ des Atheismus noch hinzu,<br />

„die namen- und konturlose Profanität des Sinnverzichtes“ 21 .<br />

Obwohl Bedeutung mittlerweile „extrem“, steht „Sinnverzicht“ zu Theismus nicht<br />

einmal mehr in irgendeiner Relation.<br />

Theist läßt Atheisten als Marionette tanzen, die gar nicht anders kann, als Gott<br />

tapfer stets vorauszusetzen. Handhabung der Negation schlägt deshalb kuriose<br />

Volten, wie in einigen der beliebten semigeistlichen Bonmots.<br />

Atheist, damit er Gott bestreiten kann, müsse ihn erst einmal vorausgesetzt, gesetzt<br />

haben, um nicht zu sagen eingesetzt. Er setze Gott voraus und „negiere“ ihn,<br />

womit er sich widerspräche.<br />

Auch in der Theologischen Realenzyklopädie wird Atheist beschrieben, als wäre<br />

er Theist, der zwangsläufig Gott vorauszusetzen hätte:<br />

„Die Bestreitung der Existenz Gottes setzt deren Behauptung als Gegenposition<br />

voraus. Will der Atheismus als Gottesleugnung konsequent sein, so muß er danach<br />

trachten, mit der Negation seines Gegenstandes sich selbst abzuschaffen.“ 22<br />

Das ist neuestes Lexikonwissen. Gott inzwischen des Atheismus Gegenstand geworden.<br />

Muß er ihn dem Theismus dann nicht weggenommen haben?<br />

Es ist kaum möglich, noch mehr Unsinn so zu konzentrieren. „Behauptung“ von<br />

Gottes Existenz bedeutet nicht, daß Gott existiert. Diese Behauptung zu negieren,<br />

„bestreitet“ Gott nicht, als ob es ihn gäbe. Ob er existiert, hängt ab von Wirklichkeit,<br />

nicht davon, was behauptet wird.<br />

Abschaffen das Entscheidende. Atheist hätte sich endlich abzuschaffen, nachdem<br />

Ungezählte abgeschafft worden sind, und inzwischen wieder abgeschafft werden.<br />

Theistische Moral.<br />

Der sprachgegängelte Theist hält natürlich seine Wörter hoch. Es sei ihm aufgefallen,<br />

daß Atheist Gott im Namen führe, und so, wie messerscharf er schließt,<br />

Gott wiederum von Atheist vorausgesetzt. „Negation Gottes“ setze voraus, daß<br />

Gott sicher existiert.<br />

Im Worte „Atheist“ kommen Buchstaben vor, nicht Gott. Man hält es nicht für<br />

möglich, fühlt Theist sogar aufgrund der Syntax sich bestärkt, daß ohne Gott Atheist<br />

nicht denkbar sei.<br />

diglich die Frage, welche Rolle Gott für „die Moral“ zu spielen hätte.<br />

21 LOCHMANN, JAN MILIČ: Atheismus. 3 EKL 1, 303.<br />

22 MÜLLER-LAUTER, WOLFGANG: Atheismus II. Systematische Darstellung. TRE 4, 382.<br />

21


22<br />

Ausgerechnet der Theist, dialektisch durch und durch kontaminiert, der seiner coincidentia<br />

oppositorum in liederlicher Liebedienerei die schmutzige Schleppe<br />

nachzutragen sich nicht schämt, dem zur Korrektur der eignen gröbsten Schnitzer<br />

es an Einsicht stets gemangelt, der Verneinung logisch nicht gelten lassen mochte,<br />

weil er in graduiertem Unverständnis trotz großer Anstrengung einen Widerspruch<br />

einwandfrei zu formulieren untüchtig, der kurz zuvor ausdrücklich noch die<br />

Nichtwidersprüchlichkeit von „theistisch“ und „atheistisch“ in albernen Psychologemen<br />

vorgetragen, wirft sich auf, Atheisten Widersprüche anzukreiden, die sie<br />

nicht geäußert haben.<br />

Er karikiert Atheismus als Position, die wider besseres Wissen einen Gegenstand<br />

„negiere“, der jedermann vor Augen stünde, um sie als wirklichkeitsfremd, an<br />

Realitätsverweigerung leidend, als zu beschränkt, das Offensichtliche zu begreifen,<br />

„wissenschaftlich“ auszuschalten, zu verleumden.<br />

Immer wieder beschreibt Theist Atheismus als alles mögliche, nur nicht so, wie es<br />

Kontradiktion erfordert. Nach seinem hemiplegischen Verständnis liegt Gottes Existenz<br />

allem und jedem längst zugrunde, unbeachtlich wie sich die Tatsachen verhalten.<br />

Atheismus könne Existenz Gottes nicht betreffen, und folglich zu Theismus<br />

nicht gegensätzlich sein.<br />

Daß in so vielen Beiträgen die Negation, das Wesentliche an dem Ausdruck<br />

„atheistisch“, logisch glattweg ignoriert, das gehaltlose Prädikat „... ist Gott“, verglichen<br />

mit der Form „es ist nicht der Fall, daß ...“, für wichtiger genommen wird,<br />

erhellt, daß „theistisch“ und „atheistisch“ gemeintheologalphilosophisch nicht als<br />

einander ausschließend verstanden werden, obwohl, daß „Theist“ die Negation<br />

von „Atheist“ und umgekehrt, von apparenter Evidenz.<br />

Theologie hatte mit der Negation immer schon Probleme. Auch Philosophie<br />

kommt hier nicht besser weg. Im 20. Jahrhundert entwickelt sie sinnlose Widersprüchlichkeit<br />

programmatisch zur Methode, nachdem sie von der negativen<br />

Theologie des DIONYSIOS AREOPAGITA und CUSANUS wörtlich abgeschrieben, um eine<br />

neue Dialektik zu entwickeln, die alle logischen Gesetze verworfen, ausgeschieden<br />

hat. 23 Mit marxistischer Dialektik und der ihr noch eins draufsetzenden „negativen<br />

Dialektik“ erreichte das als Wissenschaft verbrämte Schwadronieren die<br />

Klimax philosophischer Bradynoia.<br />

3.4. Wohl die wichtigste Bedeutung von „atheistisch“, auf die Theist am Ende<br />

immer zielt, ist „gottlos“, „böse“ 24 . Theistische Tücke kippt hier in Niedertracht,<br />

23 ZIMMER, Aufklärung ohne Dialektik; Negation und via negationis, www.zmm.cc.<br />

24 Alttestamentliche Vorstellungen nötigen, „Sünde“ „Gottlosen“ zuzuordnen, „Gerechtigkeit“ jedoch<br />

den „Frommen“. „Mehr und mehr aber hat sich der Gegensatz zwischen Gerechtigkeit


zeigt unaufrichtigen Charakter.<br />

Ist Atheist böse, muß Theist gut sein. Plötzlich will er den Gegensatz, den er bislang<br />

mit Eifer emsig, beflissen und unablässig abgestritten hat, mir nichts, dir<br />

nichts ganz stringent verstanden wissen. Weshalb? Er gedenkt, ihn ethisch auszuschlachten.<br />

Indem einfache Tatsachenfrage, die sich so simpel wie nur irgend möglich stellt,<br />

er umwertet, verfälscht, als wären gut und böse unverständlich, ohne Maßstab,<br />

wenn das, was er in seiner Unzulänglichkeit als Gott uns zuzumuten wagt, für gut<br />

und böse nichts bedeute.<br />

Wer sich für gut und böse unterfängt, biblischen Maßstab anzugeben, aus höheren<br />

Sphären direkt auf uns herabgesunken, und führte ihn zurück auf fragwürdige<br />

Fabeln, wird solch Moral zur Farce. Ein MOSE auf dem Sinai zeigt tumbem Volke<br />

seine Tafeln, gründet Ethik und Moral auf Lüge und Betrug, sein tönernes 25 Werk<br />

in Händen, als stammte es von Gott.<br />

Das darf man nicht vergessen. Die 10 Gebote entstammen nicht nur Lüge, sie beginnen<br />

auch mit Lüge, und zwar gleich im allerersten Satz: „Ich bin Jahwe, dein<br />

Gott ...“. 26<br />

und Gottlosigkeit in der israelitischen und jüdischen Geschichte zugespitzt bis dahin, daß zwei<br />

entgegengesetzte Gruppen und Klassen von Menschen einander gegenübertreten, von welchen<br />

die Gottlosen in den alttestamentlichen Schriften vom Standpunkte der Gerechten, der streng<br />

Gesetzlichen und Frommen charakterisiert werden. Die Gottlosen sind danach den Menschen<br />

und ihren socialen Ordnungen gegenüber die Urheber von Frevel, Gewaltthat, Bedrückung,<br />

Rechtsschädigung.“ SIEFFERT, ANTON: Gottlosigkeit. 3 RE 7, 38. Diese Gemeinheit des religiösen<br />

Denkens, die auch das Neue Testament kritiklos weiterführt, schleppt sich bis zur Vulgarität der<br />

heutigen politischen Korrektheit fort. Den Maßstab, auf naiven Dualismus bauend, bastelt man<br />

sich so zurecht, daß vom Standpunkt der Gerechten Welt, Mensch ganz einfach ethisch, moralisch<br />

beurteilt werden können, und zwar ohne jeden Zweifel, mit sicherer, selbst dem jüngsten<br />

Gerichte standhaltender Gewißheit. Weltbild dieser Art nennt modern man fundamentalistisch,<br />

in Wahrheit ist es dünkelhafte Amoral, Produkt erbärmlicher Ethik verächtlichen Benehmens.<br />

25 In der Wikipedia werden daraus wieder „Steintafeln“ gemacht.<br />

http://de.wikipedia.org/wiki/Zehn_Gebote. <strong>–</strong> Bezeichnend auch, daß MOSE seine Tafeln, durch<br />

die doch Gott gesprochen haben soll, von Gott selbst gemacht, und die Schrift war seine Schrift,<br />

in die Tafeln eingegraben, Ex 32, 16, aus Wut, daß andere Menschen nicht ihm sich sofort unterworfen,<br />

zerschmettert und zerschlägt. Größere Respektlosigkeit, als MOSE seinem JAHWE gegenüber,<br />

mag selbst ein Ketzer nicht bekunden. Mehr noch, als MOSE kurz darauf neue Tafeln fabriziert,<br />

versucht er nicht etwa, das göttliche Material so weit wie möglich aufzunehmen, zu<br />

retten, Bruchstücke und Fragmente zu sichern, weiterzuverwenden, nein, er überläßt es der Vergänglichkeit.<br />

So wichtig kann es also nicht gewesen sein. Dafür vergißt er nicht, Befehl zu geben,<br />

daß ein jeglicher seinen Bruder, Freund und Nächsten erst einmal abzuschlachten hat, Ex<br />

32, 27, damit man Ethik auch in existentieller Dimension erfaßt.<br />

26 Ex 20, 2; Dt 5, 6. <strong>–</strong> ZIMMER, Aufklärung ohne Dialektik, Kap. Quantitative Moral und Reduktionsethik,<br />

www.zmm.cc.<br />

23


24<br />

Vielleicht kommen Bibelarchäologen dereinst mit Tafeln an, auf denen 10 Gebote<br />

stehen. Hätte das irgend etwas mit Gott zu tun? Nein. Mit religiöser Begründung<br />

von Ethik und Moral? Nein. Hätte es überhaupt Bedeutung für Moral? Nein, keine.<br />

Oder sollte sie darin bestehen, daß Moral und Anstand schon in principio ausgeschlossen<br />

sind?<br />

Daß scheingeistige Verweise auf Ethik und Moral, als mit Gott zusammenhängend<br />

hinzunehmen viele mit Vorliebe bereit, beruht u.a. darauf, daß sie die heiligen<br />

Schriften und den dort sich geoffenbart habenden Willen Gottes nur unzureichend<br />

kennen, in denen so grandios in fremden Sprachen er sich kundgetan. Sie<br />

verwechseln immer den Willen Gottes mit dem Willen derer, die ihnen erklären<br />

wollen, was Gottes Wille angeblich gewesen.<br />

Es ist kaum größere Entartung denkbar, als daß wir den Sklavenhaltern aus Vorderasien<br />

und ihrer Subkultur des Blutes, Brandes und der Verstümmelung unsere Begriffe<br />

von Anstand, edlem Wesen zu verdanken hätten, als ob wir biblischer Obszönität<br />

bedürften, zu wissen, was gut und recht.<br />

Je mehr Moral strafende Götter nötig hat, desto tiefer sinkt sie, desto niedriger<br />

steht sie, desto beschämender ihr gemeines Niveau. Wenn Mensch nicht aus sich<br />

selbst zu Werten fände, sein Leben anständig zu ordnen, hat er ethisch abgedankt.<br />

Wenn er Moral auf solchen Grundlagen errichtet, ist seine Ethik aus Amoral<br />

entworfen.<br />

Als vernunftbegabtem Wesen ist es ihm Pflicht und Schuldigkeit, auf Vernunft Moral<br />

allein zu gründen, statt in Semitismen und Koine befangen, im Läppischen religiöser<br />

Defizienz falscher Schriften sich Regel, Richtschnur grundlos sicher wähnend,<br />

minderwertigen Instanzen dubioser Provenienz zweifelhafte Werte zu entlehnen.<br />

Wer Religion benötigt, zu wissen, wie er sich verhalten soll, hat sich selbst schon<br />

aufgegeben, Vernunft nicht nur verlassen und vergessen, sondern fremdem Wollen<br />

hingeopfert, untergeordnet, und damit Ethik vollkommen verfehlt, die eignes Denken<br />

erfordert hätte. Sich einer Herde einzupassen bedarf nicht Menschseins, nicht<br />

Charakters.<br />

Gehorsam oder Ungehorsam gegen Gott 27 zeigt, in welchen Tiefen des Theismus<br />

Submoral angesiedelt ist. Wer sich durch Gleichnisreden auf probatäischen Rang<br />

hinunterdrücken läßt, 28 lernt noch nicht einmal Manieren, geschweige denn Moral.<br />

27 NIETZSCHE, Antichrist, I, 26, die „Idiotenformel“.<br />

28 Pastoraltheologie ventiliert Wertschätzung und Stellung gläubigen Demos aus der Perspektive<br />

vorbildlicher Kleintierhaltung.


4. Wort „Gott“<br />

4.1. Ist es zuviel verlangt, daß Theist angibt, was „Gott“ bedeute? Daß er über<br />

Gott nichts aufs Tapet zu bringen weiß, liegt auf der Hand. Doch nicht einmal<br />

über das Wort „Gott“, seine biblischen, griechischen, hebräischen Entsprechungen<br />

vermag er etwas zu sagen, trotz in für Laien nicht vorstellbarer Akribie philologischen<br />

Forschens, die in über 100 Jahren wirklich nichts, das Überlieferung zu<br />

erfassen erlaubt, vergessen hat.<br />

„Die Frage der Etymologie von θεός ist bis heute noch nicht gelöst, so daß für das<br />

Wesen des griech Gottesbegriffes hieraus nichts zu gewinnen ist.“ 29 „Die Etymolo-<br />

gie des Wortes ’ aelōhīm ist [...] umstritten.“ 30 Bezüglich „JAHWES“: „Eine sichere Etymologie<br />

des Gottesnamens kann nicht gegeben werden.“ 31<br />

Diese Ergebnisse theologischer Exegese hindern Dogmatik freilich nicht, ihre Systeme<br />

aufzurichten. Theistisch spielt es keine Rolle, was Wort „Gott“ bedeutet. 32<br />

Philosophie, theologischer Professionalität gelegentlich mißtrauend, aber nicht<br />

von ihr sich lösen könnend, zieht Etablierung von Bedeutungspostulaten vor, indem<br />

„Gott“ z.B. „das Absolute“, „das Vollkommene“, „ens realissimum“, usw. zugeordnet<br />

werden.<br />

Man kann sich fragen, was trister ist, semantische Unbestimmtheit, totaler Vagheit<br />

ausgeliefert, einzugestehen, oder durch nicht enden wollende Abfolgen inkonsistenter<br />

Bestimmungen dessen, was „Gott“ bedeuten soll, rationale Prädikation<br />

endgültig auszuschließen.<br />

4.2. Für den Nutzen der Definition genügt es nicht, daß sie als Zeichenregel 33<br />

formal korrekt, sie muß sich überdies allgemeiner Konvention erfreuen, in diskreten<br />

Einheiten verwendet werden.<br />

Hätte jeder Teilnehmer einer Disputation eigne Definition, die sich von den Definitionen<br />

der andern Disputanten unterschiede, ist die Situation praktisch die glei-<br />

29 KLEINKNECHT, H., ThW III, 65f.<br />

30 SCHMIDT, W. H., THAT I, 153.<br />

31 JENNI, E., THAT I, 701. Sperrung getilgt.<br />

32 ZIMMER, Definierbarkeit und Definition des Ausdrucks „Gott“; „Deus“. Logische Syntax und Semantik,<br />

www.zmm.cc.<br />

33 WITTGENSTEIN, TLP 4.241. <strong>–</strong> Einen Audruck definieren heißt zeigen, wie er zu vermeiden ist.<br />

QUINE, WILLARD VAN ORMAN: Mathematical Logic. Rev. Ed. Cambridge 1955, 47.<br />

25


26<br />

che, als wenn der Disput ohne Definition geführt. Wert und Nutzen stellen sich<br />

ein, wenn auf eine Definition, egal auf welche, man sich einigt. Dann bleiben die<br />

den Disput durchlaufenden Ausdrücke in ihrer Bedeutung dieselben, während der<br />

Gebrauch nicht definierter Ausdrücke, die, im semantischen Bedeutungspotenzial<br />

hin und her schwankend, uneindeutig ist, und man sich deshalb häufig nicht versteht.<br />

Definitionen können abgeändert werden, aus vielerlei Gründen, etwa weil ein anderes<br />

Definiens passender scheint, zweckmäßiger, geeigneter. Aber für eine Disputation<br />

als diskreter Einheit muß eine Definition festgelegt sein, Eindeutigkeit zu<br />

schaffen.<br />

Definition ist im alltäglichen Leben gang und gäbe, ihr Fehlen wird stets als problematisch<br />

empfunden. Maßeinheiten, Masse, Länge, Zeit werden durch Definition,<br />

was kg, m, s bedeuten, sicher und verläßlich. Der praktische Effekt ist deutlich,<br />

von niemandem in Frage gestellt.<br />

Es müssen nicht alle auf der Welt dieselben Maßeinheiten favorisieren, aber es<br />

muß klar sein, wie Meilen in Meter, Dollar in Euro umgerechnet werden. Niemand<br />

könnte sich mit einem anderen verabreden, wenn Zeit und Ort nicht definiert.<br />

Solche Selbstverständlichkeiten gelten im Theismus nur mit großer Einschränkung.<br />

Je peripherer ein Problem, so will es scheinen, desto eher werden Definitionen<br />

beigesteuert. Der Zentralterminus „Gott“ aber, der doch für alles weitere gebraucht,<br />

ohne den Theologie schwer nur vorstellbar, bleibt systematisch vage.<br />

Und damit alles andere auch, das irgendwie mit Aussagen, die „Gott“ enthalten,<br />

in viel weiteren Zusammenhängen steht.<br />

„Unbefleckte Empfängnis“ hingegen erfreut sich amtlicher Definition, 34 läßt nur<br />

wenig Spielraum offen, wie „Fleck“, „beflecken“, „unbefleckt“ hinsichtlich „Empfangs“<br />

von etwas, dies allerdings bleibt lyrischem Verständnis vorbehalten, was<br />

genau es war, das empfangen wurde, es muß σπέρμα pneumatischer Qualität gewesen<br />

sein, die Quantität noch theologisch zu erwägen, das zur Empfängnis geführt,<br />

geistlich zu verstehen.<br />

Während auf Konzilien und Synoden für viele behördlich als „Glaubenswahrheit“<br />

deklarierte Sprüche man Definitionen jener Wörter, die für diese nötig sind, festgeschrieben<br />

hat, wenn auch nie rational befriedigend, meist überwiegt profunder<br />

34 In der Bulle Ineffabilis Deus aus dem Jahre 1854, in der MASTAI-FERRETTI (PIUS IX.) behauptet, die<br />

Angelegenheit wäre von Gott geoffenbart, obwohl es sich von A bis Z um Paraphronesis ineffabilis<br />

handelt. Religionstypisch wird mit schwersten Strafen bedroht, wer in Äußerungen widersetzlich<br />

und renitent befunden.


Dogmatismus, 35 ist, was Wort „Gott“ bedeute, in Jahrtausenden nicht ein einziges<br />

Mal auf der Tagesordnung aufgetaucht.<br />

Irrationalismus duldet Eindeutigkeit nicht, er diffamiert sie regelmäßig als „Einschränkung<br />

des Denkens“.<br />

Wo logische Orientierung Definition auch in bezug auf „Gott“ heimisch machen<br />

wollte, stand der Wortakrobaten geballte Phalanx auf, um für ihre Werte, Beliebigkeit,<br />

Unbestimmtheit, Vagheit bis aufs Blut zu kämpfen. Gott könne nicht in<br />

den Käfig einer Definition eingesperrt werden. 36<br />

Obwohl „Gott“ wie jeder andere sprachliche Ausdruck definierbar, möchten Theisten<br />

auf eine Definition sich nicht verständigen, machen keine Anstalten dazu,<br />

sondern ziehen es vor, sich auch hiervon lieber für dispensiert zu halten.<br />

Was hätten sie gewonnen, wenn Theisten aller Länder vereinigt, morgen vorträten,<br />

Definition ihres Zentralterminus der Welt zu präsentieren? Nichts, das Gott beträfe.<br />

Sie hätten sich über ihre Sprache geeinigt, was überaus mehr ist, als je zu erwarten.<br />

Dennoch reden sie auch dann weiterhin ins Leere. Definition des Wortes<br />

„Gott“ bringt Gott nicht herbei. Aber sie wüßten nun, eindeutig zu sprechen.<br />

4.3. Obzwar Bedeutung des Wortes „Gott“ nebulös, wird es so verwendet, als<br />

bezeichne es etwas, und dieses, was es bezeichne, ohne daß man es im geringsten<br />

vorzuweisen in der Lage, müsse, nur weil man mit dem Worte „Gott“ hantiert,<br />

existieren, so daß gar nichts anderes übrigbleibt, als dieses Empirie einzuverleiben,<br />

empirischer Inkarnation gemäß, genauer der Biologie, da bekanntlich vom<br />

lebendigen Gott 37 gesprochen wird, der sowohl durch Zufall wie durch Naturge-<br />

35 In Christologie, wie sonst auf keinem andern Feld, überschlagen sich Definitionen regelrecht.<br />

Jene, die Negationen enthalten, sind mißglückt, doch was Theologie hier geleistet hat, teils auch<br />

mit kirchlicher Gewalt befördert, macht ihr niemand so leicht nach. Von den verfluchten Arianern<br />

und den Nicänern, denen Dogmengeschichte ihre schönsten Termini verdankt, um die sie<br />

jede andre Wissenschaft beneidet, bis zu ZWINGLIS Allöosis im Abendmahl denken viele, Definitionen<br />

bestünden in Graecismen oder auch in Latinismen. U.a. hatten Homousianer, Homoiusianer,<br />

Homoier, Anhomöer, Hetero-, Mono- und Semiusiasten großartige Definitionen vorgelegt,<br />

mit denen gelehrt über Scheinprobleme gesprochen werden konnte, damit ein Dogma sich<br />

entwickle.<br />

36 Z.B. ZAHRNT, HEINZ: Wie können wir heute Gott erfahren? In: BLANK, JOSEF u.a.: Gott-Frage und<br />

moderner Atheismus. Regensburg 1972, 39. Mit dieser anoetischen Metapher scheint es bis<br />

heute zu gelingen, was Definieren ausmacht, lächerlich zu machen, indem das blöde Bild beschworen,<br />

Logik würde Gott am Schlafittchen packen.<br />

37 Insbesondere Feministen, allen Ernstes „das Geschlecht Gottes“ erforschend, stellen Gott sich<br />

zoologisch vor, dessen „Geschlechtlichkeit“ Anlaß grotesken Räsonierens. In jahrzehntelanger<br />

„Forschung“ haben sie herausgefunden, „daß Gott auch weiblich“. Trotzdem wollen sie sein<br />

hermaphroditisches Geschlecht niemandem zeigen, ja wer es sehen will, riskiert, als „Sexist“<br />

27


28<br />

setze wirke, 38 nachdem im Zufall von Lotto und Casino der Spieler ihn bereits gesehn.<br />

In Religionsgeschichte einschließlich der mit „Gott“ operierenden Philosophie<br />

gibt es keine faßbaren, konsistenten Angaben, die es erlaubten, mit „Gott“ etwas<br />

Bestimmtes zu verbinden. Repetition existenzausschließender Unvereinbarkeit ist<br />

durchweg kennzeichnend.<br />

Für seinen Zentralterminus „Gott“ vermeidet Theist Definition nicht nur, er vergiftet<br />

durch propagandistische Widersprüchlichkeit auch den Humus, auf dem später<br />

vielleicht etwas hätte wachsen können. Er tut alles, damit nie klar ist, was „Gott“<br />

bedeutet. Er hat immer das Gegenteil in petto.<br />

Alles, was Theist bislang vorgetragen hat, ist so gestaltet, daß es Suche in Wirklichkeit<br />

nach dem vermuteten Objekt nicht nur nicht ermöglicht, ausschließt, sondern<br />

als falsch und irreführend disqualifiziert. Er will Existenz, die nicht existiert,<br />

Erfahrung des Nichtempirischen. Er hält einfach alle zum Narren.<br />

verhetzt zu werden. Gerade jene, welchen Geschlecht Gottes ihr ein und alles, schlagen mit<br />

„Sexismus“ alles tot. Am feminisierten Gott geht nichts über sein Geschlecht, alles Sinnen,<br />

Trachten darauf fokussiert, und da es nun von systematischer Bedeutung zum dogmatischen Locus<br />

geworden, muß bei der nächsten gynäkoplethischen Bekenntnissynode sein inventierter<br />

Gynäzismus in ein neues Credo einbezogen werden. Man wagt bereits vorauszugreifen, wie jene<br />

„Forschung“ sich bekenntnismäßig niederschlagen wird. Berücksichtigt man, was in Bekenntnissen<br />

bisher schon steht, ist ein neues Fabelwesen zu befürchten, womöglich wird die<br />

Trinität durch eine weitere Person zur pythagoreisch vollkommenen Quaternität theologisch<br />

fortentwickelt, wenn auch die Mutter noch hinzutritt. Über das Fachinteresse hinaus wird das<br />

Promovieren „geschlechtlicher Offenheit“ auch dem breiten Publikum gefallen.<br />

38 SPAEMANN, ROBERT: Der letzte Gottesbeweis. Mit einer Einführung in die großen Gottesbeweise<br />

und einem Kommentar zum Gottesbeweis ROBERT SPAEMANNS von ROLF SCHÖNBERGER. München<br />

2007, 30. <strong>–</strong> ZIMMER, Spaemanns Homilie und ihr letzter Gottesbeweis, www.zmm.cc.


5. Theismus, Monotheismus, Polytheismus, Pantheismus<br />

5.1. Um von Polytheismus sich Eindruck zu verschaffen, schlage man die Bibel<br />

auf, das Alte Testament, wo es vor Göttern, die Völker, Stämme, Sippen, ja einzelne<br />

Personen 39 haben, nur so wimmelt. Religionstypisch die Götter der einen<br />

immer die Götzen, Nichtse 40 der andern.<br />

Auch das Neue Testament ist polytheistisch. 41 Seine Protagonisten polemisieren<br />

prononciert, z.B. in Athen, Lystra, Ephesus, gegen Götter, an die andere Menschen<br />

glauben. 42 Im paulinischen Galaterbrief werden sogar solche Götter erwähnt, die<br />

von Natur aus, φύσει μὴ οὖσιν, gar keine gewesen. 43 Selbst mit einem unbekannten<br />

Gott soll gerechnet worden sein, den der Apostel kurzum als den „einzig wahren“<br />

identifiziert.<br />

Die Stelle ist aufschlußreich: „Den Gott, den ihr verehrt, obwohl ihr nichts von<br />

ihm wißt, verkündige ich euch jetzt.“ 44<br />

PAULUS mache bekannt, was den Athenern unbekannt. Wie? Indem er spricht, etwas<br />

sagt, nicht dadurch, daß er Tatsachen demonstrieren würde. Er redet vom<br />

Schöpfer, dem Welt ihr Dasein verdanke, der ebensowenig als Bekannter hervortritt<br />

wie der ἄγνωστος θεός. In einer der bedeutendsten literarischen Kompositionen<br />

des Neuen Testaments vermag selbst apostolische Verkündigung es nicht,<br />

mehr als schöne Worte darzubieten. Der unbekannte Gott wird dadurch nicht bekannter,<br />

daß jemand predigt. Unbekanntes bekannt machen verlangt viel mehr,<br />

als nur in Worten sich ergehen.<br />

Aus Bibel, durchgehend polytheistisch, soll Monotheismus leuchten, der in Judentum,<br />

Christentum sich manifestiere, indem unter den Göttern der eine oder andere<br />

auserwählt, die restlichen als null und nichtig gelten. Monotheismus dieser Art<br />

sagt also bloß, daß man einen Gott bekennt, nicht daß einen nur es gäbe.<br />

Allerdings kann man nicht zugleich behaupten, Atheismus wäre Gegenteil von<br />

Theismus und besagte, es gäbe keinen Gott. Das paßt nicht zusammen. Sagt einer,<br />

er bekenne einen Gott, ist das Gegenteil, daß er ihn nicht bekennt. Von Existenz<br />

ist hier nicht die Rede.<br />

39 „Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“<br />

40 Ps 96, 5.<br />

41 Joh 1, 1; 10, 34f; 20, 28; Apg 12, 22; 14, 11ff; 19, 27. 37; 28, 6; Phil 3, 19.<br />

42 Apg 17, 24f; 14, 15; 19, 26.<br />

43 Gal 4, 8.<br />

44 Apg 17, 23.<br />

29


30<br />

Bekenntnis zu einem Gott ist Präferenz, Auslese, Selektion unter vielen, Monolatrie.<br />

Ein wahrer Gott ist verständlich nur in der Menge der θεοὶ πολλοί. 45<br />

Vor allem aber ist der eine nicht derselbe. Indem neutestamentliche Autoren auf<br />

einen Gott der Väter, den ISRAELS, ABRAHAMS usw. als den ihren verweisen, beziehen<br />

sie sich nicht auf einen, sondern auf ziemlich viele, JAH, JAHWE, EL, ELOHA, ELOHIM,<br />

womöglich BAAL, 46 und noch andere, auf in 1000 Jahren vorgestellte theogenetische<br />

Vielfalt und ihre Metamorphosen.<br />

Gott der alttestamentlichen Väter mag eventuell der JESU sein, doch wer genau das<br />

ist, findet in Disparität biblischer Verschwommenheit keine Antwort. All die vielsprachigen<br />

Wörter können nicht Namen ein und desselben sein, weil man das<br />

Objekt nicht hat, das sie benennen sollen. Daß „JAHWE“ und weitere angebotene<br />

Wörter Namen Gottes, ist völlig grundlos, solange man nicht weiß, was es ist, das<br />

so heißt. 47<br />

Monotheismus bzw. Henotheismus sind noch nicht einmal Theismus. Auf wieviel<br />

Götter Glaube und Bekenntnis sich beziehen, hat mit der Frage nichts zu tun,<br />

wieviel Götter existieren. Soll Theismus Gegensatz zu Atheismus sein, und dies<br />

zudem in monotheistischer Version, ist, was von wem bekannt wird, unnütz.<br />

Wäre unter Theismus Existenz von mindestens einem Gotte zu verstehen, tragen<br />

die zahllosen religionsgeschichtlichen Arten und Varianten der Verehrung nichts<br />

bei. Devotion höherer Mächte, Gottes- und Götzendienst sind möglich auch ganz<br />

ohne Existenz jener Objekte, denen Anbetung und Verehrung zu gelten scheinen.<br />

Das macht Glaube aus. Er hat Existenz dessen, woran er glaubt, nicht nötig.<br />

5.2. Anzahlmäßige Distribution, Monotheismus, Polytheismus gäben Auskunft,<br />

mit wieviel Göttern zu rechnen sei, leitet somit völlig fehl. Umfaßte der<br />

Theismus Monotheismus, Polytheismus, Pantheismus, und wäre auf Existenz bezogen,<br />

verlören diese Distributionen jeden Sinn. Nicht nur dies, sie werden dezidiert<br />

alle atheistisch.<br />

„Der Monotheismus ist recht eigentlich der Glaube an eine einzige Gottheit und<br />

ihre Anbetung unter ausdrücklicher Verneinung aller anderen. Daß diese Verneinung<br />

ein unentbehrlicher Wesenszug des M. [Monotheismus] ist, geht aus der Tatsache<br />

hervor, daß sie allen großen m.en [monotheistischen] Religionen, die die<br />

45 1 Kor 8, 5.<br />

46 LANGBEIN, WALTER-JÖRG: Lexikon der biblischen Irrtümer. Von A wie Auferstehung Christi bis Z wie<br />

Zeugen Jehovas. Berlin 2 2007, 31; 103-108.<br />

47 Vgl. ZIMMER, „Deus“. Logische Syntax und Semantik. www.zmm.cc.


34<br />

Struktur des Beispiels nach ähnlich verhielte, wird sich vernünftigerweise nicht<br />

behaupten lassen.<br />

Es kommt noch mehr hinzu. Morgenstern und Abendstern hat man seit langer Zeit<br />

beobachtet, man wußte nur noch nicht, daß es sich um ein und denselben Planeten<br />

handelt. Welt als Ganzes läßt sich nicht beobachten, man müßte aus ihr hinaustreten<br />

können, und wenn man dies könnte, wäre deswegen Welt nicht mehr<br />

alles, was man sieht.<br />

Dieser Widerspruch, mit dem Theismus sich stets zu Fall bringt, verhindert nicht<br />

nur, Identität von Gott und Welt zu überprüfen, sondern auch daß sie überhaupt<br />

als möglich denkbar wäre.<br />

Identitätspantheismus hat keinen rationalen Kern, drückt eher anakreontisch eine<br />

Art Lebensgefühl aus in gehaltlosen Phrasen der Metaphysik.<br />

Pantheistisch4 läuft auf Polytheismus hinaus, wenn Gott gemäß der Anzahl der<br />

Elemente des Universums sich vervielfältigt, jedes Element den ganzen Gott und<br />

nicht nur Teile von ihm enthält. Er müßte dann in allem, was es gibt, wir begnügen<br />

uns mit fast allem, empirisch nachweisbar sein. Das macht diese Position ausgesprochen<br />

schwach.


6. Zirkularität<br />

6.1. Daß Gott existiere, wird meistens aufgrund von Offenbarung behauptet.<br />

Die in Frage stehende Größe hätte mitgeteilt, daß es sie gäbe. Verhielte es sich so,<br />

sollte der Nachweis dieser Erfahrung nicht schwierig sein, umso mehr als viele<br />

derartige Erfahrung gehabt zu haben beteuern. Dennoch vermag man weder<br />

glaubhaft zu machen, daß solche Offenbarung effektiv stattgefunden, noch daß<br />

ihr Inhalt, ihr Objekt Gott gewesen wäre.<br />

Offenbarung bedeutet, ein Gott muß sagen, daß er sei. Doch sagt er das nicht<br />

wirklich selbst, sondern jemand sagt, er hätte es gesagt. Z.B. dienen die pseudomosaischen<br />

Märchen dazu, den Eindruck zu vermitteln, Gott hätte seine eigene<br />

Existenz kundgetan.<br />

Mensch erfindet Religion, diese Offenbarung. Aus dieser erfährt er, daß es Gott<br />

gibt. Von Gott erfährt er aufgrund dessen, was er selbst sich ausgedacht.<br />

Dies verschärft Theist dadurch noch, daß er Gott außerhalb der Wirklichkeit anzusiedeln<br />

sich berechtigt fühlt, um innerhalb ihrer die Spuren zu finden, die der<br />

Außerwirkliche innerwirklich hinterlassen.<br />

6.2. Mit seinem Schöpfungsbegriff treibt Theist den circulus vitiosus ein paar<br />

Runden weiter.<br />

Zu sagen, Gott hätte Welt erschaffen, bedeutet, daß Theist eine Position eingenommen<br />

haben muß, von der aus er die Welt als ganze sieht, und zusätzlich auch<br />

Gott, der sie geschaffen. Er transzendiert Welt und Gott, thront über beiden, um<br />

zweifelsfrei zu dekretieren, wie sich die beiden unter ihm verhalten, nämlich wie<br />

Töpfer und sein Ton. 59<br />

Ist transzendierender Theist nun innerhalb oder außerhalb der Welt? Innerhalb seiend<br />

will er zugleich außerhalb sein. Er will, was nicht möglich. Mit der famosen<br />

Transzendenz gibt er vor, Widersprüchliches realisieren zu können, Unmögliches<br />

in Szene setzen.<br />

Indem Theist von innerhalb die Position des Außerhalb erreicht, sieht er neben<br />

59 Jes 29, 16; 45, 9; 64, 7; Jer 18, 6; Rö 9, 21, und, religiös wichtig, wird Töpfer am Ende sein<br />

Werk zerschmeißen, Offb 2, 27. <strong>–</strong> Hier sind jesuitische Tetrapilotomologen auf die Idee gekommen,<br />

daß des Töpfers Handschweiß im Tone konserviert, Gottes Handeln in der Welt chemischer<br />

Analyse harre.<br />

35


stünde Existenz Gottes fest, sei aber nicht oder nicht direkt erkennbar. Mit vollem<br />

Instrumentarium dogmatischer Konstruktionen ontologischen Gepränges, das am<br />

Ende dem Bewunderer wie Erkenntnis vorkommen mag, obwohl von Realitätsbezug<br />

gänzlich frei, wird in umfangreichen Erörterungen ausgeführt, immer dem<br />

Wort verbunden, wie trotz Nichterkennbarkeit Existenz dennoch sonnenklar sich<br />

zeige.<br />

Charakteristisch hierfür die Inkomprehensibilitätsparadoxie des THOMAS VON AQUIN,<br />

die sich als Modell theistischer Hoffnungslosigkeit erweist.<br />

„Cognito de aliquo an sit, inquirendum restat quomodo sit, ut sciatur de eo quid<br />

sit. sed quia de deo scire non possumus quid sit, sed quid non sit, non possumus<br />

considerare de deo quomodo sit, sed potius quomodo non sit.“ 63<br />

„Da wir aber von Gott nicht wissen können, was er ist, sondern nur, was er nicht<br />

ist, können wir auch nicht in Betracht ziehen, von welcher Art Gott ist, sondern<br />

nur, von welcher Art er nicht ist.“<br />

Wie kann man wissen, was Gott nicht ist? Man mustert alle Dinge durch, stellt<br />

fest, keins davon ist Gott. Dann kann Gott nicht übrigbleiben. Wenn wir alles wissen,<br />

was Gott nicht ist, also von allen Objekten wissen, daß das Prädikat „... ist<br />

Gott“ nicht zutrifft, wissen wir, daß Gott nicht existiert.<br />

Hätte man Gott vor sich, ließe sich feststellen, welche Eigenschaften er hat und<br />

welche nicht. Ein Objekt kann charakterisiert werden durch seine Eigenschaften,<br />

aber nicht durch Eigenschaften, die es nicht hat. Zu sagen, es hat die und die Eigenschaften<br />

nicht, weist ihm nicht etwa negative Eigenschaften 64 zu, sondern<br />

heißt nur, daß diese Prädikationen falsch.<br />

Seltsam, daß uns ausgerechnet jene, die von Gott nichts wissen, über ihn belehren<br />

wollen.<br />

63 ST 1 qu 3 ar pr; vgl. De potentia, qu 9 ar 7 co, wo diese Ansicht als von JOHANNES DAMASCENUS (8.<br />

Jh.) stammend angeführt wird.<br />

64 ZANGWILL, NICK: Negative Properties. Νοῦς 45, 2011, 528-556.<br />

37


38<br />

7. Gottesbeweise<br />

7.1. Logik der Gottesbeweise in ihrer langen Geschichte ergibt: Wenn ein Gottesbeweis<br />

logisch wahr, dann auch dann, wenn Gott nicht existiert.<br />

Vielleicht widerstrebt dies herkömmlicher Einsicht. Doch wenn ein Gottesbeweis<br />

so konstruiert wird, daß er logisch wahr ist, besagt seine logische Wahrheit, daß<br />

Tatsachen für sie keine Rolle spielen. Logisch wahr heißt wahr, unabhängig davon,<br />

was der Fall. Wäre Gott Tatsache, wäre ein logisch wahrer Gottesbeweis in<br />

bezug auf ihn ganz unnütz.<br />

Offensichtlich muß den Konstrukteuren dieser Argumente folgende Situation vor<br />

Augen gestanden haben:<br />

Empirisch läßt sich nichts machen. Empirisch zwar nicht faßbar, doch irgendwie<br />

zu erschließen, herzuleiten müßte vielleicht möglich sein, bringt das Moment des<br />

Schließens, Implizierens, Ableitens ins Spiel, geht ins Gebiet der Logik über.<br />

Das ist das Agens aller Gottesbeweise. Indem sie aus Prämissen Konklusionen<br />

ziehen, Aussagen aus anderen Aussagen herleiten, und die Konklusion folgt dann<br />

aus den Prämissen, wenn der ganze Zusammenhang logisch wahr ist, gelingt es,<br />

gewaltigen Schritt über Theologie hinaus zu tun, da nun Aussagen, die das Prädikat<br />

„Gott“ enthalten, wahr sind, was Theologie aus sich heraus nicht schafft. Darin<br />

besteht die Faszination der Gottesbeweise.<br />

Einige oder die meisten, die Gottesbeweise entworfen, mag vielleicht der Wunsch<br />

geleitet haben, daß ihren ohne Zweifel kunstreich ausgetüftelten Zusammenhängen<br />

formaler Beziehungen von Aussagen in Wirklichkeit etwas entsprechen möge,<br />

auf Gott verwiese. Aber formale Wahrheit von Aussagen ist nicht Wahrheit aufgrund<br />

von Realität. Wie es scheint, ist das nur im Nominalismus und im logischen<br />

Positivismus klar gesehen worden.<br />

Daß perfekten Aussagen womöglich nichts entspricht, sie auch leeres Gerede bleiben<br />

könnten, wird jenen nicht gefallen, die Sprache so verstehn, als klebe sie wie<br />

mit ontologischem Kleister an ihren Gegenständen. Diese sind die Platonisten. Sie<br />

können nicht ertragen, daß, was sie sagen, eventuell nichtssagend. Daher bauen<br />

sie ontologische Gegenwelten auf, damit Sprachlichem wenigstens etwas, wenn<br />

schon nicht etwas Reales gegenübersteht. So kreieren sie das Nichts, das Sein,<br />

Gott, das Gute, Schöne, weil Wörter solche Phantome vorzustelln verleiten.<br />

Ontologie in sprachimmanenter Verhaftung des Denkens erlaubt, daß Theologie<br />

nichtssagend, um eine Stufe hinauszuschieben. Das Wort „Gott“ scheint weniger<br />

leer, ja ontologischer Referenz so gut wie schwanger, wenn Sprache mit dem,


worüber sie spricht, „verbunden“.<br />

Existenz Gottes, sich aus Sprachlichem ergebend, der Wirklichkeit nicht bedürfend,<br />

der ontologische Trick der in grammatischer Substantivierung sich erschöpfenden<br />

Lehre des Seins. Im ontologischen Schimärenreich des metaphysisch Möglichen<br />

reicht Theist mit Hilfe seiner Worte Gott schon fast die Hand.<br />

Auch jene, denen man durch ihre Gottesbeweise, modale, analytische Existenzen,<br />

die Notwendigkeit von „Gott existiert“ hergeleitet zu haben unterstellt, haben keinen<br />

Zweifel daran gelassen, daß Notwendigkeit logisch, und die aus frei gewählten<br />

Prämissen logisch folgende Konklusion eben darum keine aus Logik hinausführende<br />

Existenz bedeuten kann.<br />

Es steht fest, daß ein logischer Gottesbeweis nie ontologisch sein kann. 65<br />

7.2. In dem 712 Seiten umfassenden Buch von BROMAND und KREIS, das Gottesbeweise<br />

von ANSELM bis GÖDEL zum Thema hat, steht unter der Überschrift „Gottesbeweise<br />

als philosophisches Problem“:<br />

„Ein erfolgreicher Gottesbeweis ist eine Abfolge von Sätzen, bei der der letzte Satz<br />

lautet: »Ein göttliches Wesen existiert«, und zwar so, daß dieser letzte Satz nicht<br />

falsch sein kann, wenn die anderen Sätze wahr sind, und so, daß diese Sätze auch<br />

tatsächlich wahr sind.“ 66<br />

Die Konklusion „ein göttliches Wesen existiert“ erscheint in keinem einzigen Gottesbeweis,<br />

der logisch gültig ist. Von ANSELM bis GÖDEL kommt diese Konklusion<br />

nirgends vor.<br />

Eine Abfolge von Sätzen, in Prämissen und Konklusion gegliedert, daß die Konklusion<br />

wahr, wenn die Prämissen wahr, „und so, daß diese Sätze auch tatsächlich<br />

wahr sind“.<br />

Wenn alle beteiligten Aussagen tatsächlich wahr sind, kann den Beweis man sich<br />

ersparen, denn mit lauter wahren Aussagen gewinnt durch Schließen man nichts<br />

hinzu.<br />

65 ZIMMER, Logik der Ratio Anselmi; Wesen der Gottesbeweise, www.zmm.cc. Zuletzt hat NOWICKI<br />

modallogisch gezeigt, daß ANSELMS Beweis nicht ontologisch ist. NOWICKI, MACIEJ: Anselm's proof<br />

is not ontological. Vortrag auf der Internationalen Konferenz Ontological Proofs Today, 6.-<br />

8.9.2011, Bydgoszcz (Bromberg), Polen.<br />

66 Gottesbeweise von Anselm bis Gödel. Hg. v. JOACHIM BROMAND u. GUIDO KREIS. Berlin 2011 (stw<br />

1946), 10.<br />

39


40<br />

Die Wahrheit der Abfolge von Sätzen als ganze, d.h. die Allgemeingültigkeit des<br />

regierenden Konditionals, darf nicht mit den Wahrheitsbedingungen ihrer Bestandteile<br />

verwechselt werden.<br />

Selbst wenn die Konklusion lauten würde, ein göttliches Wesen existiert, und aus<br />

wahren Aussagen logisch folgen, gäbe dieses sprachliche Konstrukt keinerlei Hinweis<br />

darauf, ob ein göttliches Wesen wegen außersprachlicher Gegebenheiten,<br />

die seine Wahrheitsbedingungen determinierten, existiert.<br />

Deswegen kann ein derart charakterisierter Gottesbeweis niemals von Gottes Existenz<br />

handeln, sofern diese etwas außerhalb der Logik sein soll. Er kann kein Wissen<br />

erbringen, und wir hätten in keinem Fall eine Rechtfertigung, die konkludente<br />

Aussage für wahr zu halten.<br />

Es gibt auch keine Gottesbeweise als philosophisches Problem. Sie stellen logische<br />

Probleme dar. Nicht zufällig waren es immer Logiker, die sie erfunden haben.<br />

Und bis heute verheddern sich ihre Interpreten in den Fallstricken, die jene<br />

ausgelegt haben.<br />

Gottesbeweise führen auch nicht an die Grenzen unserer Erkenntnis, geschweige<br />

denn zu der Frage, was mit rationalen Mitteln letztlich zu erreichen. Sie sind rein<br />

logische Probleme, deren philosophische Interpretationen größtenteils in die Irre<br />

führen.<br />

„Die Auseinandersetzung um die Gottesbeweise ist eine Idealform von Philosophie<br />

überhaupt.“ 67<br />

Dann hätte sich Philosophie idealerweise von Erkenntnis abgekoppelt, schwebte<br />

in den Weiten ihrer Metaphysiken, von Physik, Chemie unangefochten, umkreist<br />

von ihren ontologischen Objekten, und hielte sich auch noch für rational, weil sie<br />

die „letzten Fragen“ stellte, „die Grenzen unseres Wissens“ auftäte, und alles nur<br />

durch reines Denken. Nie brauchte sie etwas messen, zählen, experimenell erforschen,<br />

nirgends stünde ihr Wirklichkeit im Wege, Härte der Realität. Mit „dem<br />

Ganzen“ befaßt, müßten sie Details nicht kümmern.<br />

Arbeit der Naturwissenschaft, der allein wir Wissen, Erkenntnis, Fortschritt verdanken,<br />

reicht ihr nicht. Da Empirie die „letzten Fragen“ nicht zu beantworten imstande,<br />

ihr ewig vorgeworfen, erteilt der Oberlehrerphilosoph schlechte Noten<br />

wegen Begrenztheit menschlicher Erkenntnis. Der, der Erkenntnis nicht befördert,<br />

zu Wahrheit, Fortschritt nichts gegeben, schilt jene, die ihn erst ermöglicht, der<br />

Begrenztheit und des Ungenügens.<br />

67 Ebd.


42<br />

gen kann „ein göttliches Wesen existiert“ nie als wahr logisch hergeleitet werden.<br />

Deswegen ist es ungereimt, logisch gültige Gottesbeweise als Beweise für Gottes<br />

Existenz auszugeben.<br />

Statt dessen werden die Dinge so meist vorgetragen, als ob ein logisch gültiger<br />

Schluß die Wahrheit seiner Konklusion garantiere. Auch wenn eine Aussage, die<br />

von Gott etwas behauptet, aus Prämissen logisch folgt, ist sie deswegen nicht<br />

wahr.<br />

Schließen findet zwischen Aussagen statt. Von der Welt auf Gott zu schließen, von<br />

Realität auf ihren Grund, von sprachlichen Ausdrücken auf Designate, ist nicht<br />

möglich. Es stellt nicht nur ein Mißverständnis dar, das wäre nicht so schlimm, es<br />

ließe sich auflösen, es ist vielmehr systematisch betriebene metaphysische Verfremdung<br />

und der Versuch, ihr Logik nachzuordnen.<br />

Theist will, daß „ein göttliches Wesen existiert“ wahr ist. Da um das herauszufinden,<br />

empirisches Wissen nötig, Theist das aber scheut, nicht will, vermeidet, ausschließt,<br />

als unpassend, unangemessen, verfehlt betrachtet, bleibt unerfindlich,<br />

wieso er trotzdem die empirische Behauptung aufstellt.<br />

Gottesbeweise bieten unvermittelt die Gelegenheit, die empirische Behauptung in<br />

einen größeren Zusammenhang zu integrieren, der logisch wahr ist, ohne daß dafür<br />

die Aussage, Gott existiere, wahr sein müßte.<br />

7.4. Gibt es einen kosmologischen Gottesbeweis, den Sprung von Welt auf<br />

Gott zu wagen, aus Universum hinaus, sicher auf seinem Grunde zu landen? Mitnichten.<br />

Der Beweis, der angeblich so schlösse, benennt lediglich Gott, den<br />

Mensch sich ausgedacht, als Ursache einer Abstraktion, der Welt, die er ebenfalls<br />

sich ausgedacht. Welt ist kein physischer Gegenstand, den Metaphysiker quasi in<br />

der Hand hätte, ihre Ursache, ihren Grund zu zeigen.<br />

Wenn Welt oder Universum eine Ursache haben, dann das Gehirn eines menschlichen<br />

Individuums. Da aber auch dies Element der Allmenge, erweist sich die<br />

Reihe der Ursachen und Gründe als zirkulär.<br />

Im kosmologischen Gottesbeweis gibt es absolut nichts, das empirischen Bezug<br />

hätte, mit Erfahrung, mit Leben, mit irgendetwas Konkretem in Zusammenhang<br />

stünde. Genausowenig gibt es einen Gottesbeweis aus der Bewegung, ex motu.<br />

Bei ARISTOTELES, THOMAS VON AQUIN finden sich keine derartigen Beweise, denn das<br />

hieße Messung, Ort, Zeit, Geschwindigkeit, Physik, sondern es liegen, Transitivität<br />

der Bedeutung von „Bewegung“ der Ausgangspunkt, analytische Beziehungen innerhalb<br />

der Sprache vor, ohne daß physikalische Bewegung, die sich meßbar kon-


kret vollzieht, auch nur im entferntesten berücksichtigt worden wäre. Daher wird<br />

auch kein eindeutig identifiziertes, sich bewegendes Objekt benannt, das mit anderen<br />

Objekten in chemisch-physikalischen Interaktionen sich befände, sich dann<br />

und dann von a nach b bewegte.<br />

Bewegung bewegt sich nicht ohne Dinge, die sich bewegen. Schon deshalb ist es<br />

abwegig, aus Bewegung an sich etwas zu folgern. Das haben diese Großen auch<br />

nicht getan. Sie haben vielmehr Aussagenzusammenhänge konstruiert, in denen<br />

die Prädikate „... bewegt ---“, „... ist Gott“ vorkommen, und zwar so, daß sie logisch<br />

wahr sind. Empirische Bewegung spielt keine Rolle.<br />

Es ist nicht richtig zu sagen, Gottesbeweise wären falsch. Sie sind, wie logisch bewiesen<br />

worden ist, wahr. Aber sie sind keine Beweise der Existenz Gottes. Der<br />

Fehler liegt darin, sie als Beweise eines Objekts, dessen Existenz ihr Gegenstand,<br />

aufzufassen, obgleich es sich um rein analytische Zusammenhänge handelt.<br />

Logik der Gottesbeweise ergibt nichts in bezug auf Gottes Existenz, ungeachtet<br />

dessen welcher Metaphysik ein Gottesbeweisinventor angehangen haben mochte.<br />

Mit Logik kommt man nicht auf Gott.<br />

43


44<br />

8. Wetten und Wahrscheinlichkeiten<br />

8.1. PASCALS Wettbetrug<br />

8.1.1. Theistische Unzulänglichkeit drückt sich besonders in Versuchen aus,<br />

Gottes Existenz, wenn sie schon nicht als sicher gelten kann, wenigstens als wahrscheinlich<br />

auszugeben. Was mindestens wahrscheinlich wäre, könne nicht mehr<br />

rundheraus als inexistent bestritten werden, Atheismus der Boden quasi statistisch<br />

entzogen.<br />

Bekanntlich hat PASCAL, für sein berühmtes Spielexempel Theophilosophie einstweilen<br />

in Las Vegas angesiedelt, eine Wette 68 vorgeschlagen, die derart intrigant,<br />

voller Malice, Hinterlist und schimpflicher Verschlagenheit, daß jede andre Wette<br />

gegen sie abstechen muß als wahrhaftig, redlich und grundehrlich. Denn der Gewinn,<br />

der dem versprochen, der richtig wettet, soll unendlich sein:<br />

„Nun aber ist hier eine Unzahl von unendlich glücklichen Leben zu gewinnen<br />

mit gleicher Wahrscheinlichkeit des Verlustes und des Gewinnes und was du einsetzest,<br />

ist so wenig und von so kurzer Dauer, daß es eine Tollheit wäre es bei dieser<br />

Gelegenheit zu sparen.“ 69<br />

68 „Spiel und Wette haben gemeinsam, dass Gewinn oder Verlust von streitigen oder ungewissen<br />

Ereignissen abhängig gemacht werden. [...] Zweck der Wette die Bekräftigung eines ernsthaften<br />

Meinungsstreites.“ § 284, 4, StGB. Strafgesetzbuch. Kommentar. 28. neu bearb. Aufl. v. ALBIN<br />

ESER u.a. München 2010. „Ihre Besonderheit liegt darin, dass die Gewinnentscheidung durch<br />

die Bewahrheitung entgegengesetzter, in einem Meinungsstreit aufgestellter Behauptungen gefällt<br />

wird.“ Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht. Obligationenrecht I, Art. 1-529 OR.<br />

Hg. HEINRICH HONSELL, NEDIM PETER VOGT, WOLFGANG WIEGAND. Basel 1992, 2468, 1. Da das Risiko<br />

einer Wette durch ihren aleatorischen Charakter erst künstlich geschaffen wird, geht ihr jede<br />

objektive wirtschaftliche Berechtigung ab. Ebd., 2465, 1. Überdies steht bei Spiel und Wette<br />

„die Person des Leistungspflichtigen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses regelmässig noch<br />

nicht fest“. Ebd. „Dem Spiel als solchem steht das Recht indifferent gegenüber.“ Ebd., 2465, 2.<br />

Diese Gleichgültigkeit des Rechts gegenüber Spielverträgen drückt „die Missbilligung aus vor<br />

solchen Rechtsgeschäften, denen ein wirtschaftlicher oder ernsthafter sittlicher Zweck abgeht,<br />

und die zu ökonomisch unsinnigen und nutzlosen Vermögensverschiebungen führen. Das<br />

Recht ist zu würdig und zu erhaben, um die Forderung des Gewinners aus Spielgeschäften mit<br />

den Mitteln des Zwangs durchzusetzen.“ Ebd. „Aus Spiel und Wette entsteht keine Forderung.“<br />

OR Art. 513. „Durch Spiel oder Wette wird eine Verbindlichkeit nicht begründet.“ § 762 BGB.<br />

Der Gläubiger hat keinen Anspruch auf Erfüllung. Deshalb können Wettschulden, sog. Naturalobligationen,<br />

weder durch Klage, noch durch Vollstreckung, noch durch Verrechnung gegen<br />

den Willen des Schuldners durchgesetzt werden.<br />

69 Pensées, II, 3, 248.<br />

http://www.zeno.org/Philosophie/M/Pascal,+Blaise/Gedanken+%C3%BCber+die+Religion.


Um jedes Mißverständnis zu vermeiden, erwähnt PASCAL Unendlichkeit der Zahlen,<br />

unendlich in arithmetischem Sinn. 70<br />

Im Spielkasino gewinnt Gewinner, was gesetzt worden ist, eine endliche Summe.<br />

Bei PASCAL jedoch:<br />

„Und so ist unser Satz von unendlicher Stärke, wenn man in einem Spiel, wo es<br />

gleiche Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust giebt, nur das Endliche wagen<br />

und das Unendliche gewinnen kann. Das ist beweisen und wenn die Menschen<br />

irgend welche Wahrheiten fassen können, müssen sie diese fassen.“ 71<br />

Sterbliche Kreatur verspricht sterblicher Kreatur unendlich viele glückliche Leben.<br />

Wie garantiert sie, was nicht abzählbar? Wie wird unendlicher Gewinn in seinem<br />

transfiniten Maße buchhalterisch korrekt, der Einsatz subtrahiert, saldiert? Wo ist<br />

der, welcher den Gewinn dann beizubringen hat?<br />

Wenn das Gewinnversprechen groß, dürfte es nicht kleinlich sein, daß alles einwandfrei<br />

verläuft, in Ordnung ist, jedes Detail integer, durch wiederholte Kontrolle<br />

ohne Fehler befunden. Wo also ist der unfaßliche Profit, auf daß Narren auf ihn<br />

setzen?<br />

8.1.2. PASCALS Wettbetrug hat viele Facetten. Ausdruck „Betrug“ mag manchem<br />

grob erscheinen, doch ist er unvermeidlich und hier durch keinen andern zu ersetzen.<br />

Wo Unendliches als Gewinn versprochen, blickt man geradezu das Urbild<br />

des Betruges an, weil solch Gewinn überhaupt nicht existiert, abgesehen davon,<br />

daß er nicht zählbar, ordentlich nicht ausweisbar, des Unlauteren Inbegriff.<br />

Im Falle des Gewinns, so scheint es, ist Einsatz ganz verloren, Gewinn für Einsatz<br />

eingetauscht. Im Spielkasino ist Gewinn, was den Einsatz überschreitet, hinzukommt,<br />

nicht was an seiner Statt eventuell erhältlich, dann könnte der Gewinn<br />

auch in weniger bestehen, Verlust sein, und führte so sich ad absurdum. Gewinn<br />

muß mehr sein als der Einsatz.<br />

Unendlich viele glückliche Leben aber sind nicht mehr als ein glückliches Leben,<br />

das jemand führen mag, weil gegenüber dem wirklichen Leben das versprochene<br />

ewige nicht wirklich, Gewinn also niemals größer als der Einsatz, und deshalb<br />

stets Verlust.<br />

„Ich sage dir: du wirst gewinnen, noch in diesem Leben und mit jedem Schritt,<br />

70 Pensées, II, 3, 245f.<br />

71 Pensées, II, 3, 248.<br />

45


46<br />

den du auf diesem Wege machst, wirst du so viel Gewißheit des Gewinnens sehn<br />

und so viel Nichtigkeit in dem, was du wagst, daß du am Ende erkennen wirst,<br />

wie du gewettet hast auf ein gewisses und unendliches Ding und wie du nichts<br />

gegeben hast um es zu erlangen.“ 72<br />

Das eigene Leben „mit seinen verpesteten Freuden“ und „Wollüsten“ 73 , letzten<br />

Endes „nichts“, „so wenig und von so kurzer Dauer“ 74 , doch immerhin etwas, das<br />

es wirklich gibt, und alles, das sterblichen Spieler ausmacht. Verwettet er es, setzt<br />

er sich selbst als Einsatz, scheidet als Spieler aus. Entweder Spieler oder Einsatz,<br />

aber nicht beides zugleich. Gibt Spieler sein Leben dahin, hat sich in Einsatz er<br />

verwandelt.<br />

Gewinn ist dreifach ausgeschlossen. Auf dem Spieltisch nicht zu sehen. Im Verhältnis<br />

zwischen Wirklichem und Möglichem Verlust. Und Spieler, der gewinnen<br />

will, muß sich selbst zum Einsatz machen, so daß er also nicht Gewinner werden<br />

kann. Gewinner ist nicht Einsatz, sondern Spieler, und dieser ohne Leben tot. Post<br />

mortem ist es nicht mehr möglich, die Wette schicklich abzuschließen.<br />

Von Anfang an durchorganisierter Trickbetrug. Der Wette Gegenstand durch Vernunft<br />

nicht entscheidbar. Gewinn nicht vorhanden. Der Spieler, der „für Gott“ gewettet,<br />

aus dem Spiel genommen, indem zum Einsatz er gemacht, um als Gewinner<br />

auszuscheiden. Das soll uns Gott erklären, zum Glauben führen, mores lehren.<br />

8.1.3. PASCALS Wette führt in Dimensionen des Betrugs, die ohne Religion nicht<br />

zu erfassen. Es ist bis heute aufschlußreich, was man hauptsächlich zu bemängeln<br />

hat. Sie wiese auf Gott nicht zweifelsfrei, wäre hie und da nicht überzeugend, als<br />

Argument, an Gott zu glauben, hilfreich, wenn auch nicht ganz stimmig, 75 usw.<br />

Daran aber, daß sie in Abgründen theomoralischer Degeneration versinkt, in deren<br />

Morast sie sich entbrütet, will niemand Anstoß nehmen.<br />

In Las Vegas ist man wettmoralisch auf sehr viel höherem Niveau. Selbst der betrügerische<br />

Hütchenspieler ist noch ehrlicher als Religion. Er zahlt Gewinn, falls<br />

er gewonnen, aus. Das ist in Religion nicht einmal hypothetisch vorstellbar.<br />

72 Pensées, II, 3, 249.<br />

73 Pensées, II, 3, 249.<br />

74 Pensées, II, 3, 248.<br />

75 „Pacal's Wager cannot assure anyone of God's existence or that belief in God will be the best<br />

bet.“ CARRIER, RICHARD: The End of Pascal's Wager: Only Nontheists Go to Heaven.<br />

http://www.infidels.org/library/modern/richard_carrier/heaven.html, 5.


Und auch das wird von PASCAL noch unterboten. Seine Wette ist nicht etwa freiwillig,<br />

nein, man ist zu ihr gezwungen, kann ihr nicht entrinnen. 76 Diese Freiheit<br />

wird dem Spieler gleich genommen, steht ihm prinzipiell nicht zu.<br />

Nicht wetten steht deshalb nicht frei, weil es dialektisch als Dagegenwetten gilt,<br />

„nicht wetten, daß Gott ist, heißt wetten, daß er nicht ist.“ 77 An dieser Wette<br />

nimmt teil, wer nicht teilnimmt.<br />

Ein weiteres Mal wird Negation verwirrt. Denn nicht wetten, daß Gott ist, heißt<br />

beileibe nicht wetten, daß er nicht ist.<br />

(14) HANS wettet nicht, daß Gott existiert. ¬ W a(p)<br />

(15) HANS wettet, daß Gott nicht existiert. W a(¬ p)<br />

Sind diese Aussagen gleichbedeutend, äquivalent? Nein, da die Negation in (15)<br />

nicht mit der von (14) „gekürzt“ werden kann. Die beiden Negationen beziehen<br />

sich auf Verschiedenes.<br />

(16) Polizei hat nicht gemessen, daß das Auto zu schnell gefahren ist.<br />

(17) Polizei hat gemessen, daß das Auto nicht zu schnell gefahren ist.<br />

Daß zwischen diesen Aussagen gewaltiger Unterschied besteht, leuchtet ein.<br />

Doch ist Alltagserfahrung nicht nötig. Logik genügt, um einzusehen, daß diese<br />

Aussagen nicht äquivalent sein können.<br />

PASCAL äußert sich, als schlüge Religion nach Moral auch Logik noch k.o.<br />

8.1.4. Die Wette, entkleidet man sie ihres betrügerischen Wesens, schält sie aus<br />

den Verwicklungen des Glauben, führt sie zurück auf elementare Ausgangsform,<br />

ließe sie sich reduzieren auf dieses Spiel, das einfacher und klarer ist:<br />

PETER wettet, daß Gott existiert, HANS, daß er nicht existiert.<br />

Wer gewinnt? Der weiß, wie sich die Tatsachen verhalten. Gewinn hängt davon<br />

ab, wer diese kennt.<br />

Mit Glaube funktioniert das nicht. 78 Er bietet keine Grundlage, auf der Entschei-<br />

76 Pensées, II, 3, 247f.<br />

77 Pensées, II, 3, 247.<br />

78 Zwar sagt PASCAL zunächst, er werde sich bei seiner Wette nicht „des Glaubens bedienen“, doch<br />

ein paar Sätze weiter: „Wir wollen Gewinn und Verlust abwägen, setze du aufs Glauben, wenn<br />

du gewinnst, gewinnst du alles. Glaube also, wenn du kannst“. Pensées, II, 3, 246f.<br />

47


48<br />

dung getroffen werden könnte.<br />

Wer wettet gegen wen? PETER gegen HANS. Also nicht Glaube gegen Unglaube.<br />

Beide wetten nur aus Spaß, nicht weil sie gezwungen. Gewinner kann belohnt<br />

werden, sein Wissen profitabel sein.<br />

So ähnlich schien anfangs PASCAL auch zu beginnen: Existiert Gott? Ja oder nein,<br />

„Kopf oder Wappen“? 79<br />

Auf die Frage: „Aber sollte es denn kein Mittel geben den Ausgang des Spiels<br />

voraus zu sehn?“, antwortet er: „Ja, durch das Mittel der Schrift und durch alle die<br />

andern Beweise der Religion, die unendlich sind.“ 80<br />

Ein Wissens-Quiz wie im TV, wo die Verlierer beschämt beiseite schauen, auch<br />

die „verstockten Atheisten“ hätten sich nur richtig informieren müssen, um hier<br />

besser abzuschneiden.<br />

Was wäre in diesem Fall als Gegenstand der Wette anzunehmen, wenn Existenz<br />

Gottes wegen der „unendlich vielen Beweise der Religion“ schon feststeht? Und<br />

jeder Trottel brauchte nur in die Schrift zu blicken, um das zu erkennen. Dann<br />

handelt die Wette eben nicht davon, ob Gott existiert, sondern davon, ob die Kontrahenten<br />

von einem sicheren Umstand Kenntnis haben.<br />

PASCAL ändert unterderhand die Wissensfrage ab, um von der Ebene des Elementaren<br />

wegzukommen, Entscheidung aufgrund von Tatsachen auszuschließen. Er modifiziert<br />

sie beträchtlich, verfälscht sie während des Spiels.<br />

8.1.5. Die Wette ist unehrlich noch aus weiteren Gründen. Existenz Gottes wird<br />

mit ewigem Leben in eins gesetzt. Mit Gottes Existenz wäre diese nur gegeben,<br />

noch bei weitem nicht, daß Gott auch etwas gibt. Das ist nicht dasselbe. 81<br />

Glaube, Gier nach Belohnung nicht verhehlend, interessiert sich nicht für Gottes<br />

Existenz, sondern für das, was aus ihr herauszuholen ist. Ohne Phantasien ewigen<br />

Lebens fehlt dem auf Nehmen und Erhalten fixierten Gläubigen beinahe alles, um<br />

seinen Glauben auf Gott hin auszurichten. Er glaubt an ihn, weil er etwas bekommen<br />

will. 82<br />

79 Pensées, II, 3, 247.<br />

80 Pensées, II, 3, 249.<br />

81 Bei PASCAL ist Gottes bloße Existenz schon „Gewinn“ der Seligkeit: „Wenn Sie auf Gottes<br />

Existenz setzen, dann gewinnen Sie die ewige Seligkeit, falls er tatsächlich existiert; existiert er<br />

nicht, verlieren Sie nichts.“<br />

82 „Denn von dem Wunsch nach ewiger Seligkeit, der da eine so große Rolle spielt, kann man


Das ist der Hintergrund, weshalb PASCAL Gottes Existenz von endlosen Wünschen,<br />

die zu erfüllen nur ein Gott imstande, 83 gar nicht unterscheiden mag. Existenz<br />

muß er als lästiges Gepäck noch ein wenig mit sich schleppen, damit Glückseligkeit<br />

er erwarten kann.<br />

Des Unlauteren nicht genug wird hinzugesetzt, daß Gott Seligkeit verbürge. 84 Nur<br />

so kann Spieler glauben, „alles“ zu gewinnen. Wäre Seligkeit nicht an Gott gekoppelt,<br />

was brächte es ihm ein, daß Gott existiert? Nur der Gott interessiert, der<br />

gibt. Einen Gott, der existiert, und damit basta, will keine Religion.<br />

Und wenn einer dieser Wette Aussichtslosigkeit zum Trotz es doch geschafft,<br />

durch ihren Schwindel sich hindurch noch zu lavieren irgendwie vermocht, durch<br />

Glück gemeiner Gaunerei entronnen, und stünde Gott ihm leibhaftig gegenüber,<br />

an seiner Existenz kein Zweifel mehr, die Wette eindeutig, klar gewonnen, was<br />

niemand ihm mehr nehmen kann, wo bleibt dann seine Seligkeit?<br />

In diesem Spiel ist nur eines sicher, auf das man sich verlassen kann, daß Gewinner<br />

nie gewinnt.<br />

doch wohl sagen, daß er dem menschlichen Egoismus entspringt [...].“ ALBERT, HANS: Das Elend<br />

der Theologie. Kritische Auseinandersetzung mit Hans Küng. Aschaffenburg 2005, 171; vgl.<br />

154f, 199-202.<br />

83 Eigenschaften Gottes werden dem dogmatisch angepaßt. Ein Gott, der nicht allmächtig, ewig<br />

usw., kann schlecht Unendliches verteilen. Gott wird so zurechtgemacht, daß er zumindest potenziell<br />

auch liefern können muß, was man von ihm haben will.<br />

84 „[...] daß Seligkeit aus einer fixen Idee noch nicht eine wahre Idee macht“. NIETZSCHE, Antichrist,<br />

50.<br />

49


50<br />

8.2. UNWINS 67%-iger Gott <strong>–</strong> The ultimate truth<br />

8.2.1. Wahrscheinlichkeit von Gottes Existenz, die PASCAL mit 50% mathematisch<br />

angegeben, „gleiche Wahrscheinlichkeit von Gewinn und Verlust“ 85 , schwillt<br />

340 Jahre später auf 67% an, 86 signifikanter Zuwachs von 34%, als würde man<br />

sich Gott 87 asymptotisch nähern.<br />

Zu den von UNWIN berechneten 67% Wahrscheinlichkeit, „2 to 1 in favor of<br />

God“, sind eventuell 18% noch einmal draufzuschlagen, die zwar nicht berechnet<br />

werden konnten, sich aber zu 95% addieren, die er vom Glauben her für<br />

wahrscheinlich hält. Es könnten ein paar Prozent mehr sogar noch werden.<br />

„So these are the humbly offered thoughts of a 95 percenter. But one day I think<br />

my number will be up.“ 88<br />

Man fragt sich unwillkürlich, weshalb insbesondere der Gläubige, der schon so<br />

weit gekommen, noch immer zweifelt, 100% nicht zu nennen wagt. Weil ihm<br />

sein Glaube das nicht bieten kann.<br />

„I take intellectual comfort in the conclusion that my belief in God is not entirely<br />

faith based.“ 89 Er muß hinaus aus des Glaubens Ungenügen, will mehr als Glaube,<br />

will ihn mit „intellectual elements“, die sich in „evidentiary areas“ anscheinend<br />

leicht zusammenklauben lassen, aufwerten und pimpen.<br />

UNWINS faith math beruht deshalb auf absolut sicheren Grundlagen von überwältigender<br />

Rationalität. Hier die evidentiary areas: 90<br />

The recognition of goodness, the existence of moral evil, the existence of natural<br />

evil, intra-natural miracles, extra-natural miracles, religious experiences.<br />

Man hätte wirklich sich gewundert, wenn bei Mirakeln, Religion, dem Guten und<br />

85 Pensées, II, 3, 248.<br />

86 UNWIN, STEPHEN D.: The Probability of God. A Simple Calculation That Proves the Ultimate Truth.<br />

New York 2003, 128f. Deutsch: Die Wahrscheinlichkeit der Existenz Gottes. Mit einer einfachen<br />

Formel auf der Spur der letzten Wahrheit. Hamburg 2005. <strong>–</strong> Interessant, wie der deutsche<br />

Titel das englische Original verfälscht. <strong>–</strong> Bibliothekare rubrizieren dieses Werk unter Mathematik,<br />

obwohl es von der ersten bis zur letzten Seite von faith handelt.<br />

87 „The person-God of the major faiths is the subject of our analysis [...] Our proposition G refers<br />

to the God of Christians, the Jehovah of Jews, the Allah of Muslims, the Wise Lord of Zoroastrians,<br />

et cetera.“ UNWIN, 19. Diese mathematische Eindeutigkeit umfaßt sogar et cetera.<br />

88 UNWIN, 232; vgl. 189f., 211.<br />

89 UNWIN, 232.<br />

90 UNWIN, 75-92.


„I'm starting from the premise that I don't know whether or not there is a God,<br />

just as a stock analyst doesn't know whether XYZ stock will gain or lose tomorrow.<br />

My objective is to calculate the probability that the true answer is yes, that<br />

God exists.“ 98<br />

UNWIN vergleicht die Anwendung von Wahrscheinlichkeiten auf die Frage nach<br />

Gottes Existenz mit einem Börsenanalysten, der zwar nicht weiß, ob die Kurse<br />

steigen oder fallen werden, aber aufgrund von Wahrscheinlichkeit Prognose trifft.<br />

Eintreten eines zukünftigen Ereignisses wird aufgrund von Daten der Vergangenheit<br />

und einer Mischung aus Erfahrung, Gefühl, Überzeugung vermutet. Ob sich<br />

diese Vermutung als richtig erweist, steht zum Zeitpunkt des Vermutens nicht fest.<br />

Bei einer Existenzaussage hingegen steht immer fest, aufgrund welcher Tatsachen<br />

sie wahr oder falsch. Ihre Wahrheitsbedingungen hängen nicht von Sachverhalten<br />

ab, die möglicherweise eintreten könnten, von einer Wirklichkeit, die zu dem<br />

Zeitpunkt, zu dem die Aussage geäußert wird, nicht der Fall wäre.<br />

Ein Sachverhalt besteht unabhängig davon, ob er sprachlich zum Ausdruck gebracht.<br />

Steht Existenz eines Objekts in Frage, dann heißt das nicht, daß die Wirklichkeit,<br />

deren Teil dieses Objekt, in Frage stünde, sondern daß wir über diese<br />

Wirklichkeit und einen ihrer gerade interessierenden Bestandteile nichts oder<br />

nicht genügend wissen, um unsere Aussage vermittels dieser Realität bestätigen zu<br />

können.<br />

Ein fragliches Ding tritt nicht erst mit unserem Wissen ins Dasein, das durch seine<br />

Existenz wahr würde, es existiert auch dann, wenn es sprachlich negiert wird, und<br />

wenn es nicht existiert, ist auch dies unabhängig davon, was wir darüber sagen.<br />

UNWIN, von seinem prognostischen, ins Zukünftige gerichteten Aspekt aus, spricht<br />

demgegenüber von Ereignissen, die nicht der Fall sind, deren künftiges Eintreten<br />

mit Hoffnung oder Sorge Gegenstand von Mutmaßung. Er spricht von Möglichem,<br />

das zum Zeitpunkt des Disputs nicht Tatsache, kein Sachverhalt der Wirklichkeit.<br />

Während bei der Existenzfrage nur unser Wissen über einen Sachverhalt problematisch,<br />

der Sachverhalt selbst davon unberührt bleibt, ist bei der Prognose kein<br />

Sachverhalt vorhanden. Sie rät auf einen zukünftigen Zustand der Welt, der dermaleinst<br />

vielleicht real wird oder nicht. Damit handelt sie von Möglichem. Und<br />

Möglichkeiten drücken keine Sachverhalte aus.<br />

98 UNWIN, 4.<br />

53


54<br />

8.2.4. In Beispielen, meistens mit Geld und Profit befaßt, teils auch mit Gefängnis,<br />

versucht UNWIN, Verhältnis von 2 : 1 für Gottes Existenz als Entscheidung für<br />

einen Gewinn darzustellen. Für Gott optieren bedeute, etwas bekommen, erhalten.<br />

Gott interessiert in Hinblick auf benefit und gain.<br />

Import von PASCALS Wette Grundideen, abgesehen von Details, geringfügig, die kritisch<br />

rasch verbessert, werden im Kapitel „risk apocrypha“ des Wettbetruges<br />

Hauptmomente alle übernommen, einschließlich des unendlichen Gewinns, dem<br />

afterlife 99 . „After all, we are talking about going to heaven here.“ 100<br />

Mit dem fabelhaften Afterlife, angeblich in store for us, hat religious decision making<br />

um Vorteils willen das Problem von Gottes Existenz in eins von Nutzen und<br />

Ertrag verkehrt, Gott ein für allemal nun gegeben und vorausgesetzt, auch daß er<br />

gibt, was Glaube haben will, die Ewigkeit, mit weniger gibt er sich nicht zufrieden.<br />

Gott gerät in dieser Perspektive zum subalternen Lieferanten, der nur um der Ware<br />

willen da ist, Empfänger erwartet ja nicht ihn statt der Ware, dessen Rang inzwischen<br />

so weit hinuntergestuft, daß, ist Empfänger seiner Ware endlich sicher, er<br />

wieder abzutreten hat. Vom Liefergott hat sich das religiöse Habenwollen ganz<br />

auf das Gut gerichtet, den supplier längst verloren.<br />

99 Klingt wie von ARNO SCHMIDT.<br />

100 UNWIN, 141.


9. Gottesgen und Gentheismus<br />

9.1. Würde Mensch, warum nicht auch Tier, Pflanze?, aufgrund biologischer<br />

Disposition genetisch glauben, etwa wie er Stoffwechsel zu haben genetisch gezwungen,<br />

würde er zu Religion veranlagt sein, würde er einen Gott oder mehrere<br />

anzunehmen von Natur aus nicht umhin können, wäre mit all dem noch längst<br />

kein Gott gefunden.<br />

Da, gleichgültig wie Mensch funktioniert, seine kraniologischen Interna, 101 Triebe,<br />

sein Denken und Sagen, sein Fühlen, Wünschen, Wollen und Streben, sein Vorstellen<br />

und Glauben, allein nichts über von ihm unabhängig Existierendes Erkenntnis<br />

zu schaffen vermag, muß er seinen Glauben harten Bedingungen des Lebens<br />

aussetzen, wenn er wissen will, was es sonst noch gibt, statt selbstbezogen<br />

in eigene Seelenbefindlichkeiten sich zu versenken.<br />

Auch genetischer Glaube, man ist versucht, ihn auf Gott gerichtet sich vorzustellen<br />

wie Trieb auf seine Befriedigung, kreiert nicht aus sich heraus das Objekt seiner<br />

Begierden als etwas Wirkliches.<br />

9.2. Zudem gestattet Medizin, Gottesgene operativ herauszuschneiden. Religioektomie<br />

wird zum therapeutischen Korrektiv theogenetischer Wucherungen.<br />

Umgekehrt wird genetischer Mangel korrekten Glaubens ebenfalls korrigierbar,<br />

was kulturell wohl viel wichtiger. Credogenetische Erbkrankheiten, Mißbildungen,<br />

Mutationen, kongenitale Gottlosigkeit, hereditäre Denaturierung durch dominantrezessive<br />

Allele bei atheistischem Syndrom werden endlich therapierbar.<br />

Das wirft auch neues Licht auf die ethisch zum größten Teil bisher falsch verstandene<br />

Gentechnik. Genexpressive Religion, ihrer biologischen Basis nun bewußt,<br />

erlaubt es dem Chirurgen, durch Biotechnologie theistische Ethik erst in ihre<br />

höchsten Höhen hochzutreiben.<br />

Vor allem wird es möglich, den ganzen so belasteten Komplex von Zucht, erbge-<br />

101 In der Hirnforschung werden seit langem Experimente gemacht, um die Wirkungen von Magnetfeldern<br />

auf das Gehirn zu untersuchen. PERSINGER hat festgestellt, daß es sich bei religiös-mystischen<br />

Erlebnissen um „selbstinduzierte, kontrollierte Formen epileptischer Mikroanfälle in<br />

den Schläfenlappen“ handelt. HASLER, FELIX: Ein Gefühl, schöner als Glück. Die Weltwoche, Nr.<br />

50, 2005, 34-39. PERSINGER, MICHAEL A.: Neuropsychological Bases of God Beliefs. New York<br />

1987. NeuroTheology. Brain, Science, Spirituality, Religious Experience. Ed. by RAWN JOSEPH.<br />

San Jose, California, 2002.<br />

55


56<br />

sundem Nachwuchs, Euthanasie von den Mißverständnissen des 20. Jahrhunderts<br />

zu befreien, ihn dem Obwalten theistischer Organisationen anheimzustellen, die<br />

ethisch nicht zu überbieten sind, deren absolut saubere Kategorien unter Kerzenanzünden<br />

und Gemeindegesang eucharistisch korrektes Entsorgen ausschüssigen<br />

Biomaterials zulassen, die Frage nachhaltigen Recyclings bereits in den zuständigen<br />

Kommissionen gesetzlicher Lösung nahe, dem ein Mangel der Natur Gott zu<br />

erkennen nicht ermöglicht, an Hoheit religiöser Erlösung nicht zu partizipieren<br />

gewährt, im Sumpfe gottfernen Unglaubens zu tierischem Vegetieren verurteilt,<br />

durch allumfassende Gnade aber davon erlöst zu werden sich selig preisen darf.<br />

Genreligion vermag auf allerhöchstem Niveau, dessen Moral sich zu versichern<br />

fähig, wahr zu machen, wofür viele Heilige, Religionsbetroffene jahrhundertelang<br />

gearbeitet haben, die beim Ausjäten anthropomorphen Unkrauts, der Reinigung<br />

vom Schmutze gottloser Kontamination ewig Vorbild sind.<br />

9.3. Bevor es soweit ist, gewinnt Idee der Gottesgene ganz andere Relevanz,<br />

vielleicht die wichtigere. Wenn Gentheismus auf zoobiologischen Grundlagen<br />

beruht, qualifiziert sich Religionsbusiness automatisch für das Biolabel des Naturgemäßen.<br />

Und weil ohne Geldeinnahme Religion nicht existiert, bedeutet genetisch<br />

bedingte Religiosität genetisch bedingtes Zahlen.<br />

Da ohnehin in Religion Zahlungen einklagbarer Gegenwert nie, nirgends, niemals,<br />

überhaupt nicht, unter keinen Umständen, nicht einmal im Traume gegenübersteht,<br />

wäre sie auch nicht mehr in so unwürdiger Weise, ihre ethische Höhe<br />

gar nicht erfassend, gewöhnlichem Geschäfte gleichgestellt, ihrem Wesen vollkommen<br />

unangemessen von Steuern, Spenden abhängig, von Bettelei, von Klingelbeuteln,<br />

Gotteskästen, Opfern, Bitten, Nötigen und Betrügen, von Ausbeutung<br />

der armen Witwe, 102 sondern könnte als natürlicher Zwang, praktisch als Trieb,<br />

der jedem Gesunden innewohnt, sich schließlich etablieren.<br />

Das tangiert eventuell den bisher hohen Wert der Abstinenz. Doch dialektischer<br />

Diskurs macht deutlich, daß private Abstinenz sich als kleinbürgerlicher Widerstand<br />

gegen die Triebkräfte der Gesellschaft und ihre biologische Mission, die die<br />

historische aufgehoben hat, entlarvt, und indem sie sich solchermaßen entlarvt,<br />

zeigt sie ihre konterrevolutionäre Fratze. Muß man noch hinzufügen, daß der<br />

Zahlungsabstinenzler letzten Endes als Faschist, Rassist geoutet, und entsprechend<br />

zu behandeln ist?<br />

Prediger des Gottesgens, einige dessen mehrere bereits gefunden zu haben sicher,<br />

Religions-, Glaubensareale in gewissen Gehirnen, auffälligerweise nur bei medi-<br />

102 ZIMMER, Aufklärung ohne Dialektik, Kap. Das Scherflein der armen Witwe, www. zmm.cc.


tierenden buddhistischen Mönchen, franziskanischen Nonnen identifiziert, konsekrierende<br />

Bischöfe tragen neurotheologisch leider nichts bei, ein gläubiger Neandertaler,<br />

spiritueller Schimpanse, für Transzendentes offener evolutionärer homo<br />

religiosus bringen Gott uns nicht näher, ungeachtet welche Hirnstrukturen sich in<br />

ihnen entwickelt haben mögen.<br />

Uralte Erfahrung in der religiösen Ausnutzung von allem und jedem zur Begründung<br />

eigener Superiorität, der Gott und Götter Handelsware, ist theophore Gottgenetik<br />

im Kassenbuch des Glaubensnichts eine seiner ungezählten Nummern.<br />

57


58<br />

10. Zusammenfassung<br />

10.1. Aussage, Gott existiere, ist nicht wahr, weil es dafür keinen Grund gibt.<br />

Daß Gott nicht existiert, ist hinreichend klar, da die Aussage, er existiere, ohne die<br />

allergeringste Bestätigung. Ihre Wahrheitsbedingungen gestatten es nicht, sie wahr<br />

zu nennen.<br />

Theologie, Philosophie dagegen, obwohl sie etwas anderes behaupten, suchen<br />

nicht nach Tatsachen, die ihre Bekundungen bestätigten, sondern unternehmen alles<br />

nur Denkbare, den „Gottesbegriff“ vor „empiristischem Mißverständnis“ zu bewahren,<br />

Gott als etwas zu „begreifen“, das dem Zugriff der Realwissenschaft definitiv<br />

entzogen. „Einen Gott, den ‚es gibt‘, gibt es nicht“ 103 .<br />

Durch solch derbe Widersprüchlichkeit ist, wie über Gottes Existenz gesprochen<br />

wird, zu sinnloser Artikulation irrationaler Unvernünftigkeit degradiert und aus<br />

verständlicher Kommunikation ausgeschieden worden, und zwar von Theist, nicht<br />

etwa von Atheist.<br />

Theist hofft, aus der Affäre sich zu ziehen, indem er Gottes Existenz metaphorisch<br />

umdeutet, „anders“ versteht, in hermeneutischen Tiefen existentielle Bedeutungen<br />

auszuloten trachtet, dialektisch stets dem Gegenteil verbunden, sich Logik überhoben<br />

wähnend, Mindeststandards vernünftigen Redens überheblich ignorierend,<br />

als wüßte mehr er schon als Wissenschaft, als stünde er im Glauben höher, als<br />

säße zur Rechten Gottes er bereits.<br />

Solange er immer und ausschließlich in Konglomeraten von Widersprüchen sich<br />

erklärt, stellt er damit sicher, daß, was er sagt, nicht wahr werden kann, nie und<br />

keinesfalls. Denn Paradoxa sind falsch. Und mit falschen Aussagen kann man keine<br />

Wahrheiten beschwören.<br />

Theistische Vorführungen, fehlleitend und irreführend, dienen der Verschleierung.<br />

Existenz Gottes wird mit Glaube verwirrt, um das Problem auf Ebene des Subjektiven,<br />

Individuellen zurückzuhalten, es gar nicht erst tatsachenorientierter Betrachtung<br />

auszusetzen. Das Risiko des Empirischen muß theistisch vollkommen<br />

vermieden werden.<br />

Nähme ein weiteres Mal noch man hypothetisch an, Gott existierte, hätte allein<br />

Naturwissenschaft die Chance, ihn zu erkennen. Das abstruse Reden von Religion<br />

in ihren pseudowissenschaftlichen Systemen versichert, gewährleistet und garan-<br />

103 BONHOEFFER, DIETRICH: Akt und Sein. Transzendentalphilosophie und Ontologie in der systematischen<br />

Theologie. München 1956 (TB 5), 94.


tiert, daß sie an Erkenntnis nicht beteiligt ist. Sie kann und will gar nichts erkennen.<br />

Wollte sie, würde sie zuallererst jedwede paradoxale Ausflucht vermeiden, ihre<br />

billigen Aporien, das beschämende Sichherausreden mit ihrer in Affektion genommenen<br />

defraudenten Dialektik, „transzendent und immanent“, „diesseitig und<br />

jenseitig“, die ganze Komik des Absurden, den Nonsens der via negationis, bis<br />

heute noch immer nichts Neues, 104 und vor allem, nicht zu vergessen, die durch<br />

Widersprüchlichkeit erreichte Gleichheit von wahr und falsch in theophilosophischen<br />

Erörterungen.<br />

Absurd reden, credo quia absurdus sum, 105 ist nicht harmlos. Man muß es wiederholen.<br />

Es macht alle Kommunikation sinnlos. Es richtet eine Art Gleichstellungsbüro<br />

ein, Gleichberechtigung von wahr und falsch mit Gewalt durchzusetzen.<br />

Denn dieser Unterschied ist Dialektik unerträglich.<br />

10.2. Auch wenn Theist andern Intentionen dient, liefern seine Aussagen die<br />

Prämissen, aus denen logisch folgt, daß Gott nicht existiert. Theist beweist, ob nolens<br />

volens, bewußt, versehentlich, interessiert uns nicht, daß es Gott nicht geben<br />

kann, und daß er auch nicht möglich ist. Aus seinen paradoxen Sätzen, Antinomien,<br />

an denen er mit Affenliebe hängt, unmißverständlich, stets repetiert, bekräftigt<br />

und als die seinen anerkannt, mit theistischem Stempel versehen und Haager<br />

Apostille, folgt die atheistische Behauptung.<br />

Wie ist das möglich? Hat nicht Theist immer klar gesagt, Gott existiere? Ja, das hat<br />

er, und zugleich das Gegenteil. Mit dieser Finte hat er seine Inferiorität, alles bis<br />

zu Falschheit komplementär ergänzend, zu Atheismus ausgebaut. Er trifft also<br />

nicht, wie anfänglich vermutet, seiner Tücke aufgesessen, ausschließlich theistische<br />

Aussage, sondern auch die atheistische.<br />

104 WESTERKAMP, DIRK: Via negativa: Sprache und Methode der negativen Theologie. München<br />

2006. STRIET, MAGNUS: Offenbares Geheimnis. Zur Kritik der negativen Theologie. Regensburg<br />

2003 (Ratio fidei, Beiträge zur philosophischen Rechenschaft der Theologie; 14). Dialektischer<br />

Negativismus. Michael Theunissen zum 60. Geburtstag. Hg. v. EMIL ANGEHRN u.a. Frankfurt am<br />

Main 1992 (stw 1034).<br />

105 NIETZSCHE, Morgenröte, 417. <strong>–</strong> Glaube war und ist immer sacrificium intellectus. „Gott ist eine<br />

faustgrobe Antwort, eine Undelikatesse gegen uns Denker <strong>–</strong>, im Grunde sogar bloß ein faustgrobes<br />

Verbot an uns: ihr sollt nicht denken!“ NIETZSCHE, Ecce homo, II, 1; vgl. Zur Genealogie<br />

der Moral, III, 27. „Der ‚Glaube‘ als Imperativ ist das Veto gegen die Wissenschaft“. NIETZSCHE,<br />

Antichrist, 47. „Wer [...] ein Christ sein will, der [...] steche seiner Vernunft die Augen aus“.<br />

LUTHER, Walch V, 452. Vernunft „ist die höchste Hur, die der Teufel hat“. LUTHER, WA 51, 126;<br />

vgl. 10/I/1, 326; 18, 164; 24, 182. Besonders die Versuche, Glaube mit Vernunft als vereinbar<br />

hinzustellen, häufen unablässig Inkohärentia, Irrationalia, Inkonsistentia an.<br />

59


60<br />

Atheist findet sich in der eigenartigen Situation wieder, daß Theist mehr denn genug<br />

vollführt, daß Gott nicht existiert. Wort „Gott“ wird grundlos aufgeblasen, εἰκῇ<br />

ϕυσιούμενος, Gott kommt nirgends vor. Atheist hat dem nichts hinzuzufügen.<br />

Wenn Atheismus zu etwas Eigenständigem sich heraufentwickeln will, muß er zuallererst<br />

von theistischer Unterjochung sich befreien. Er darf sich nicht ins Bockshorn<br />

jagen lassen.<br />

Die Buskampagne „Es existiert wahrscheinlich kein Gott“ 106 zeigt, worauf es ankommt.<br />

Obwohl Theist es nicht vermocht, daß Gott existiert, auch nur schattenhaft<br />

zu zeigen, entgegnet darauf Atheist, daß es Gott wahrscheinlich gar nicht gäbe.<br />

Damit hat er schon verloren, sich der Dominanz des Theismus nicht nur nicht entwinden<br />

können, sondern sich ihr unterworfen, und fällt auf das theistische Niveau<br />

hinunter, auf dem auch schon nichts für Gottes Existenz man anzuführen fähig<br />

war. Dort hat Atheist nichts mehr zu tun, Theist hat ihm schon alles abgenommen.<br />

10.3. „Fragen wir [...] nach der Berechtigung des Theismus, so ist zunächst zu<br />

sagen, daß die theistische Anschauung eine wissenschaftliche Giltigkeit nicht in<br />

Anspruch nehmen kann. Wir kommen im wissenschaftlichen Denken nicht zur sicheren<br />

Annahme eines persönlichen Gottes, der mit ethischen Prädikaten ausgestattet<br />

ist.“ 107<br />

Auch nicht mit andern Prädikaten, die Gott zugeschrieben werden. Sie sind inkonsistent,<br />

nichtssagend, in inkohärenten Superlativen phrasenhaft und inhaltslos.<br />

Wenn Gott die „allesumgreifende-allesdurchwaltende wirklichste Wirklichkeit im<br />

Herzen der Dinge“, 108 braucht man keinen Atheismus, um einzusehen, daß das<br />

wertlos ist, wofür Theologie sich zu genieren hat. Solange sie nichts Besseres vorzubringen<br />

weiß, ist sie selbst des Atheismus eigentlicher Ausdruck.<br />

Genauso sagt Philosophie, mit Dogmatik so gut wie wörtlich übereinstimmend,<br />

praktisch dasselbe:<br />

Gott ist „person without a body (i.e. a spirit) who is eternal, free, able to do any-<br />

106 http://de.wikipedia.org/wiki/Atheist_Bus_Campaign.<br />

http://www.heise.de/tp/artikel/29/29686/1.html. http://geniess-das-leben.ch/.<br />

107 HEINZE, MAX: Theismus. 3 RE 19, 594. Anno 1907. <strong>–</strong> Der deutsche Kulturprotestantismus stand<br />

auch hier auf erheblich höherem Niveau.<br />

108 KÜNG, HANS: Existiert Gott? Antwort auf die Gottesfrage der Neuzeit. München, Zürich 1978,<br />

216.


thing, knows everything, is perfectly good, is the proper object of human worship<br />

and obedience, the creator and sustainer of the universe.“ 109<br />

Theist weiß, welche Eigenschaften Gott hat, zwar nicht, wie er aussieht, da er einen<br />

body ihm abzuerkennen sich entschlossen, eigenen Körper sich zu schaffen,<br />

reiche Gottes omnipotentia nicht ganz hin. Der Körperlose freilich muß über ein<br />

Gehirn verfügen, vielleicht nicht sein eigenes, damit er wissen kann, alles wissen,<br />

insbesondere das, was Theist über ihn zu wissen glaubt.<br />

Theistisches Wissen wird so zu Gottes Wissen, willkommener Effekt, den Theist<br />

mit Begriffskonstrukten, omniscientia, zu seinen Gunsten sich verbucht. Womöglich<br />

weiß Gott nicht viel mehr, als er von Theist gelernt.<br />

Deshalb erschöpft Theist in seinem Reden sich, „wenn ich nur nicht des gottlosen<br />

Stillschweigens angeklagt werde“, 110 seine größte Sorge.<br />

Solange Theist redet, kann Gottes Existenz man getrost vergessen. Wäre er zu zeigen<br />

fähig, verstummte sein Gerede in Anbetung und Ergebenheit. Solange seine<br />

Phrasen, von Anmaßung voll, des Schöpfers Sein ausmalen wollen, Gesagtes, nur<br />

weil es gesagt, Realität erfaßt zu haben glaubt, muß man Gottes Existenz nicht<br />

einmal vermuten. Solange Theist in Gesagtem sich verliert, ist Tatsachengehalt<br />

nicht anzunehmen.<br />

Was mag Gott wert sein, der einer, mehrerer, vieler Religionen bedarf, die auseinandersetzen,<br />

was sein Wesen, seine Attribute, was er zu tun und lassen hat,<br />

dessen Existenz der Ontologe, Philosoph, vom Theologen überragt, der Gottes<br />

Fachmann und Experte, „wissenschaftlich“ in Bekenntnisformeln gießt, der in<br />

nichts anderem besteht, als in dem bloß, was Religion uns zuzumuten liebt?<br />

Was bleibt von Gott übrig, lassen wir Theophilosophie, Religion und ihr Business<br />

einmal beiseite, gefälschte Schriften, falsche Propheten, alle, die angeblich im<br />

Dienste Gottes stehn? Wenn sie zu seinen Dienern, Aposteln berufen, warum lassen<br />

sie sich nicht von dem bezahlen, der sie berufen, dem sie dienen? 111 Weil es<br />

109 SWINBURNE, RICHARD: The Coherence of Theism. Rev. Ed. Oxford 1993, 1. <strong>–</strong> GÄB, SEBASTIAN: Einfachheit<br />

und Wahrscheinlichkeit: Swinburnes c-induktive Argumente für die Existenz Gottes.<br />

Conceptus 39, 2010, 85-110.<br />

110 LUTHER, Brief an Staupitz, WA BR 2, 264.<br />

111 Der Apostel PAULUS, unehrlich u.a. darin, daß er JESUS gesehen zu haben behauptet, seine „Berufung“<br />

mit reichlich Unwahrem durchsetzt, verwendet sehr viel Energie, Prinzipien der Religionsfinanzierung<br />

zu erläutern, darunter Spenden, Motor der Korruption. Von Gott selbst eingesetzt,<br />

nicht von Menschen, müssen Objekte apostolischer Verkündigung dennoch für des<br />

Apostelamts Alimentierung sorgen, gemäß dem „Recht freien Unterhalts“. „So hat auch der<br />

Herr für die Prediger des Evangeliums angeordnet, daß sie vom Evangelium leben sollen.“ 1<br />

Kor 9, 14; vgl. Num 18, 8. 31; Dtn 18, 1-8. Das hat der Herr keineswegs angeordnet, Gott bewahre,<br />

PAULUS wiederum unehrlich. Im übrigen leben die Heilsverkünder natürlich nicht vom<br />

61


62<br />

dort nichts gibt, dort ist nichts. Finanzierung von Religion offenbart am verständlichsten,<br />

daß göttlichen Ursprungs sie nicht sein kann.<br />

Mit Glaube gerät das alles durcheinander, umso mehr als er mit „rationalen Elementen“<br />

ausgestattet wird. Der Eindruck muß entstehen, daß Gottesglaube mit<br />

Vernunft vereinbar sei, und dieser Eindruck scheint sich einzustellen, wenn sich<br />

dem Glaubensintellektuellen in beeindruckenden Wortkaskaden, dem Gemüte<br />

schmeichelnd, der Sinn von allem leicht erschließt.<br />

Trotzdem bleibt ein Rest des Ungenügens, des substantiellen Unbefriedigtseins,<br />

da er nach immer weiterer Begründung sucht, fides quaerens intellectum, Glaube<br />

treibt's zum Intellekt, weil er allein zu nichts imstande, nichts auszurichten weiß.<br />

Hätte Glaube einen Wert in sich, müßte er nicht rational begründet werden. Alle<br />

Metaphysik, theistischen Begriffsgebäude sind Beweise seiner Desiderate, daß er<br />

mangelhaft, untauglich und unzureichend, weil mit vielen Worten man ihm Krükken<br />

geben muß. Ohne fremde Hilfe kann er nicht sich auf den Beinen halten.<br />

Der aufrecht gestützte Glaube macht natürlich mehr her, als wenn in der Schwäche<br />

seiner Gebresten er hilflos auf dem Boden kröche.<br />

Nun stellt des Theismus Marketingsystem seine Defizienz professionell ins rechte<br />

Licht, blendet aus, was weniger gefällt, strahlt umso mehr an, was sich zu betonen<br />

lohnt, so daß der aberante Glaube, wenn auch nicht lange, dasteht wie ein<br />

Mann, den so leicht nichts umzuhaun vermag, der sogar sich anschickt, Berge zu<br />

versetzen.<br />

Theismus ist am ehesten als philosophische Reklame, Werbung aufzufassen, an<br />

den gebildeten Suchenden gerichtet, der ihm metaphysische Moden auseinandersetzt,<br />

wechselndem Bedürfnis des Fideisten angepaßt und auf den neusten Stand<br />

gebracht.<br />

10.4. Es nimmt nicht wunder, daß praktisch alles, was Theist über Atheismus<br />

sagt, durchweg falsch. Und da keinerlei Realitätsbezug gegeben, hat es Theist vermocht,<br />

den Ausdruck „Atheist“ in infame Anklage zu wenden, damit er Leute, die<br />

ihm nicht gefallen, ohne große Umstände fertigmachen kann. Er setzt das inhumane<br />

Wesen biblisch-koranischen Ursprungs bis in Gegenwart ungebrochen fort.<br />

Wenn es Gott nicht gäbe, auch keine Moral, lautet die an Niedrigkeit nicht mehr<br />

Evangelium, auch dies unehrlich, sondern vom Gelde, das andere Menschen aufzubringen haben.<br />

Gerade jenen, die mit „der Wahrheit“ nur so um sich schlagen, darf man das nicht durchgehn<br />

lassen.


zu unterbietende Doktrin. Moralisch gut handle einer deswegen, weil er den<br />

großen Kläger, Richter und Vollstrecker fürchtet, Blutkelter in Harmageddon. Semitischen<br />

Vorstellungen von Religionsterror gemäß entsprösse Angst Moral. Entsprechend<br />

fällt sie aus.<br />

Theist benötigt zwingend den Willen Gottes als Instrument, mit dem behende er<br />

jongliert. Es macht ganz andern Eindruck, wenn von Gottes Repräsentanten der<br />

Frevler angeklagt, im Namen Gottes verurteilt werden kann, und der gottgewollten<br />

Strafe zugeführt, als wenn nur Hinz und Kunz etwas zu nörgeln hätten.<br />

Dazu muß der Unterschied von gut und böse, der für die Frage von Gottes Existenz<br />

vollkommen belanglos ist, dem Allmächtigen aufgenötigt werden. Theist bestimmt,<br />

was Gott zu wollen hat.<br />

Selbst wenn Gott existieren würde, ergibt sich daraus gar nichts in bezug auf Ethik<br />

und Moral. Man sieht, wie unredlich Theist agiert. Sein Gutdünken fälscht er in<br />

Willen Gottes um, Existenzfrage verkehrt in eine Frage der Moral.<br />

Theist, der den Unterschied von wahr und falsch bezüglich Gottes Existenz als<br />

inadäquat, als irrig diffamiert hat, gründet nun den andern Unterschied von gut<br />

von böse auf etwas, was es gibt und nicht gibt, also auf nichts. Desto erbitterter<br />

pocht er auf der Sittlichkeit religiösen Ursprung.<br />

Zusammenhang, der dank der Invention von Gottes Wille zwischen Existenz und<br />

gut und böse in reinster Willkür hergestellt, ist der moralische Tiefpunkt des Theismus.<br />

Er offenbart entehrende Minderwertigkeit.<br />

Religiöse Motive für Moral sind niedrige Beweggründe, um „Schätze im Himmel“<br />

112 zu sammeln. Der barmherzige Samariter 113 handelt zugunsten des Opfers,<br />

aber nicht um des Opfers willen. Die gute Tat ist side effect. Der Figur des JESUS<br />

wird die Geschichte in den Mund gelegt als Antwort auf die Frage: „Was muß ich<br />

getan haben, um dereinst das ewige Leben zu erben?“ 114<br />

Nur weil der barmherzige Samariter etwas haben will, gibt er. Seine Nächstenliebe<br />

ist der Einsatz, der seines unendlichen Gewinnes wegen nötig, damit er des<br />

ewigen Lebens teilhaftig.<br />

Er handelt vorbildlich. Vorbild ist, was er tut, nicht warum. Weshalb er so handelt,<br />

ist egoistisch. Doch läßt auch Egoismus andre von ihm profitieren. Um wieviel<br />

höher könnte Ethik stehen, wenn sie von religiösen Fesseln frei.<br />

112 Mt 6, 20.<br />

113 Lk 10, 25-37.<br />

114 Lk 10, 25. <strong>–</strong> „Denn so ihr liebet, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben?“ Mt 5, 46. <strong>–</strong><br />

„Euer Lohn wird groß sein im Himmel.“ Lk 6, 23.<br />

63


64<br />

Anständiger Mensch, edel, hülfreich und gut, handelt so, wenn zugunsten anderer,<br />

die Schicksal oder Bosheit ihrer Nächsten hart geschlagen haben, nicht aus Eitelkeit,<br />

einem Gotte zu gefallen, um ewigen Lohnes willen, göttlicher Gnade begierig.<br />

Er steht damit bereits moralisch höher als Theist, da er sich religiöser Lügen<br />

ganz enthält.<br />

Dies entzieht dem Theisten alle Maßstäbe, die er sich aus heiligen Komponenten<br />

passend zurechtgebastelt hat, um Suprematie, Führung, Herrschaft, Macht und<br />

Gewalt zu üben. Es entzieht ihm alle Kraft.<br />

10.5. Das gefährlichste Gebiet, in das seriöser Atheist geraten kann, das Theist<br />

für seinen Nächsten, Bruder und sein geschätztes Mitgeschöpf komplett vermint<br />

hat, ist Ethik und Moral. Atheist, das liegt überall vor Augen, hat noch bei weitem<br />

sich nicht klar gemacht, auf welchen Grundlagen theistische Moral beruht. Letzten<br />

Endes ist sie darauf aus, daß er liquidiert wird, spätestens im jüngsten Gericht.<br />

Solange Religion, durch Aufklärung, Wissenschaft in Schranken gewiesen, institutionell<br />

an totalitärer Dominanz gehindert, sagt sie, Gott erledige das für sie, überläßt<br />

es größtenteils, bestimmte Fälle freilich erfordern sofortige Ausführung seines<br />

Willens, der Apokalypse, wo sozusagen Gott die Drecksarbeit zu machen hat, gewinnt<br />

sie an Stärke aber, beherrscht unter Umständen eine Kultur allein, erledigt<br />

sie es lieber selbst. Schließlich kann auch sie nicht sicher sein, ob Gott tatsächlich<br />

so entscheiden wird, wie laut den Offenbarungsinterpreten eschatologisch er entscheiden<br />

müßte.<br />

Religion greift Gott gern vor, hält es durchaus für angebracht, daß schon jetzt<br />

Frevler mundtot, tot gemacht, oder zumindest mit Gefängnisstrafe bedroht, damit<br />

der Ewige, der sich ja nicht wehren kann, vor „Lästerung“ Rechtsschutz erfährt,<br />

den ihm seine Kreaturen gönnerhaft gewähren.<br />

SOKRATES hätte auch in der vor lauter Progressivität sich eitel brüstenden Sowjet-EU<br />

weiß Gott nichts zu lachen. In seiner Heimat, in der heute der Klobuk geistige<br />

Freiheit erstickt, hätte man ihn aus Bosheit 115 noch viel früher vor Gericht gezerrt<br />

als im antiken Attika.<br />

Europa, dessen pagane Kultur durch orientalische Fremdreligionen ausgelöscht,<br />

Auslöschen eine der charakteristischen Eigenarten der Religionen des Friedens,<br />

soll heute jüdisch-christlich-muselmanisch sein, also asiatisch, also nicht europäisch.<br />

Infolge jahrhundertewährender Gehirnwäsche denken viele, Europa hätte<br />

vorderasiatische Wurzeln, Jerusalem sein Ahne.<br />

115 Das Motiv seiner Ankläger, πονηρία, PLATON, Apologie, 38d-39b.


In Rom und Brüssel saßen und sitzen jene, die Europa verleugnet haben, verraten<br />

und verkauft. In Aachen verleiht man ihnen dafür Preise, im Namen des CHARLE-<br />

MAGNE, der dem heidnischen Europa den Rest gegeben hat.<br />

Das sollten sich Apologeten angeblich westlicher Werteordnung, in Wirklichkeit<br />

handelt es sich um Unwerte asiatischer Überfremdung, mit denen das vorchristliche<br />

Europa niedergetrampelt worden ist, so daß von seinen Werten nichts mehr<br />

übriggeblieben, ein bißchen besser überlegen. Wer biblische Werte für westlich<br />

hält, sieht nur den status quo, nicht das Verbrechen, dem er sich verdankt.<br />

Theist will keinen Gott, der für sich selber sorgt. Stets sorgt er für ihn, nicht umgekehrt.<br />

Was Gott will, setzen Menschen durch. Deshalb beißen andere ins Gras.<br />

Gottes Wille wäre viel weniger zu fürchten, wenn uns nicht statt seiner die Willkür<br />

unsrer Nächsten zugemutet würde.<br />

Nichts ist vom Humanum so weit entfernt wie Religion in ihrem kindisch-brutalen<br />

Denken, das des Lebens Veränderlichkeit, Entwicklungsfähigkeit und Potentialität<br />

auf alternative Entscheidungen zusammenschlägt.<br />

Moralischer Dualismus stellt sich als der direkte Weg heraus bis zu dem Punkt, an<br />

dem sie von Kriminalität 116 kaum noch zu unterscheiden ist. Die Blutspur, die die<br />

Geschichte durchzieht und ins Extraterrestrische weiterführt, auch der Mond wird<br />

zu Blut verwandelt werden, 117 Ausweis, daß Religion, der zeitliche und ewige Vernichtung<br />

von Werten, Arbeit, Menschen wesentlich, der allerungeeignetste Kandidat,<br />

zur Grundlegung der Sitten irgendetwas beizutragen.<br />

Theist als Systematiker der Religion hat viel getan, damit es anders aussieht. Sein<br />

Hauptverdienst Immunisierung, das Programm, Religion von vornherein als<br />

ethisch unangreifbar aufzubieten, als Garant des Guten, Hort der Werte, ohne die<br />

der weisungsgebundene Katechumene gar nicht wüßte, was gut und böse.<br />

Der den Maßstab setzt, wendet ihn natürlich an, so daß, wer ihn in Frage stellt,<br />

gegen das Gute sich bereits vergangen hat, böse ist. Die Masche äußerst hilfreich.<br />

Wenn Menschen Gutes tun, dann nicht weil sie es tun, sondern weil Religion sie<br />

angewiesen, Gott ihnen die Hand geführt. Gutes ist nicht ihr Verdienst. Tun sie<br />

Böses, können sie hingegen nicht es auf Religion abschieben, müssen es sich<br />

selbst zurechnen lassen.<br />

Und wenn in Verworfenheit Religion sogar mißbraucht, benützt wird, um des Bösen<br />

willen, exponiert der Mißbrauch ihre Unschuld, Sauberkeit und Güte noch<br />

116 „quod contra saepius illa religio peperit scelerosa atque impia facta.“ LUKREZ, De rerum natura,<br />

I, 82.<br />

117 Joel 3, 4; Apg 2, 20; Offb 6, 12.<br />

65


66<br />

viel mehr als ihre Propaganda. 118<br />

Gutes täte Mensch kraft Religion, Böses, da er ungläubig und widerspenstig. Ein<br />

solches System, abgesehen von seiner vulgären Primitivität, und abgesehen auch<br />

von seiner Schäbigkeit und Perfidie, setzt Moral und Amoral in eins. Theist hat es<br />

installiert.<br />

Wer ethische Orientierung sucht, Anstand in sein Leben bringen will, ist mit Theismus<br />

auf der falschen Fährte. Er muß umkehren, sich auf Vernunft besinnen.<br />

Atheist, wenn er des Theismus Fallen zu umgehen lernt, je ferner er sich von ihm<br />

hält, je weniger durch ihn noch infiziert, desto eher ist er der bessere Mensch.<br />

118 Der Islam soll ja fürchterlich mißbraucht worden sein. Das Kunststück vom Mißbrauch einer<br />

Religion durch ihre eigenen Gläubigen ist ein Paradebeispiel politischer Gleichschaltung, der<br />

die Akoluthen theistischer Dialektik aufopferungsvoll dienen.


Abraham 29f<br />

Albert, Hans 49<br />

Angehrn, Emil 59<br />

Anselm von Canterbury 39<br />

Aristoteles 14 42 51<br />

Asmussen, Hans 19<br />

Baal 30<br />

Barth, Karl 19<br />

Bauer, Walter 18<br />

Beth, Karl 20<br />

Blank, Josef 27<br />

Bloch, Ernst 19<br />

Bonhoeffer, Dietrich 58<br />

Bromand, Joachim 39<br />

Cancik-Lindemair, Hildegard 18<br />

Carnap, Rudolf 52<br />

Carrier, Richard 46<br />

Dionysius Areopagita 22<br />

Ebeling, Gerhard 20<br />

Elohim 30<br />

Engels, Friedrich 18<br />

Eser, Albin 44<br />

Faber, Richard 18<br />

Fabricius, Cajus 20<br />

Fichte, J. G. 20<br />

Figl, Johann 20<br />

Frege, Gottlob 33<br />

Frerk, Carsten 10<br />

Gäb, Sebastian 61<br />

Geyer, H. F. 20<br />

Gödel, Kurt 31<br />

Guinn, D. E. 31<br />

Hagenbach, K. R. 20<br />

Hans 9 12 15 47f<br />

Hasler, Felix 55<br />

Heinze, Max 33 60<br />

Honsell, Heinrich 44<br />

Isaak 29<br />

Israel 30<br />

Jahwe 30<br />

Jakob 29<br />

Jelke, Robert 20<br />

Jenni, Ernst 25<br />

Jesus 9f 30 61 63<br />

Johannes Damascenus 37<br />

Joseph, Rawn 55<br />

Kant, Immanuel 51<br />

Karl d. Gr. 64<br />

Kleinknecht, H. M. 25<br />

Namenregister<br />

Koch, Klaus 31<br />

Kreis, Guido 39<br />

Küng, Hans 49 60<br />

von Kutschera, Franz 52<br />

Langbein, W.-J. 30<br />

Lanwerd, Susanne 18<br />

van der Leeuw, Gerardus 33<br />

Lilly 9<br />

Lochmann, J. M. 21<br />

Lukrez 65<br />

Luthardt, C. E. 20<br />

Luther, Martin 59 61<br />

Mackie, J. L. 7<br />

Marx, Karl 18<br />

Mastai-Ferretti, G. M. 26<br />

Mose 9f 12 23<br />

Müller-Lauter, Wolfgang 21<br />

Nicolaus Cusanus 22<br />

Nietzsche, Friedrich 6 24 49 59<br />

Nowicki, Maciej 39<br />

Oeming, Manfred 31<br />

Otto, Eckart 31<br />

Pascal, Blaise 44-50 52 54<br />

Paul 7 12 16<br />

Paulus 5 9 12 18 29 61<br />

Persinger, M. A. 55<br />

Peter 7 12 16 47f<br />

Pettazzoni, Raffael 31<br />

Pieck, Wilhelm 19<br />

Pius IX. 26<br />

Platon 64<br />

Quine, W. V. O. 25<br />

Reischle, Max 20<br />

Rohrmoser, Günter 20<br />

Rütter, Hans 20<br />

Samantha 9 10 12<br />

Schmid, Konrad 31<br />

Schmidt, Arno 54<br />

Schmidt, W. H. 25<br />

Schmoller, Alfred 18<br />

Schönberger, Rolf 28<br />

Scholz, Heinrich 31<br />

Sieffert, Anton 23<br />

Sikora, Piotr 18<br />

Sölle, Dorothee 19<br />

Spaemann, Robert 28 36<br />

Staupitz, Johann von 61<br />

Stegmüller, Wolfgang 52<br />

Striet, Magnus 59<br />

67


68<br />

Swineburne, Richard 61<br />

Theunissen, Michael 59<br />

Thomas von Aquin 37 42 51<br />

Ulbricht, Walter 19<br />

Unwin, S. D. 4 50f 53f<br />

Vogt, N. P. 44<br />

Walter Burley 36<br />

Weber, Otto 20<br />

Westerkamp, Dirk 59<br />

Wiegand, Wolfgang 44<br />

Wittgenstein, Ludwig 3 16 25 33 51<br />

Zahrnt, Heinz 27<br />

Zangwill, Nick 37<br />

Zephanja 9 12<br />

Zwingli, Huldrych 27<br />

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