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curare_72 - Curare - AStA der MHH

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8<br />

„Don´t enter this pub if you feel normal otherwise you<br />

become crazy“.<br />

Immer noch in Gedanken über das Geschehene<br />

schlen<strong>der</strong>e ich zum nächsten Supermarkt, kaufe mir einen<br />

Laib Brot, ein bisschen Aufschnitt, eine Flasche „Herkules<br />

Whisky“, das Wasser, das deine Sinne raubt, begebe mich<br />

in Richtung <strong>der</strong> kleinen Pension in <strong>der</strong> ich nicht nur unterson<strong>der</strong>n<br />

auch und runtergekommen bin, und sehne mich<br />

nach noch mehr Normalität.<br />

Als ich in alten Zeitungen wühlend plötzlich das Bild<br />

des Indianers darin erblicke und mir die Schlagzeilen<br />

mitteilen, dass es sich um einen entflohenen Patienten aus<br />

<strong>der</strong> in <strong>der</strong> Nähe gelegenen psychiatrischen Anstalt handelt,<br />

wird mir einiges klar.<br />

Titel<br />

von Antonette Cassing<br />

Noch klarer, als dass es sich dabei um einen gewissen<br />

Schauspieler mit Namen „Pierre Briece“ handeln soll, <strong>der</strong><br />

im Zuge <strong>der</strong> Karl May Filme eine ausgeprägte<br />

Persönlichkeitsstörung entwickelt hat.<br />

Als ich lese, dass er sich noch immer für Winnetou<br />

halten würde und im Auftrag des bösen Mannitou für<br />

Gerechtigkeit auf diesem Planeten sorgen will, bin ich<br />

nicht weiter überrascht, und zugleich erleichtert.<br />

ENDE<br />

--- The Rock---<br />

Minestrone o<strong>der</strong> Tütensuppe:<br />

Die Diät-Vorschläge <strong>der</strong> Krankenhaus-Bibliothekarin<br />

„Dieses Buch ist richtige Seelennahrung“, sagte die<br />

Krankenhausbibliothekarin, während sie Susanna Tamaros<br />

‚Geh, wohin dein Herz dich trägt‘ für die Patientin heraus<br />

suchte. „Es tut gut wie warmer Apfelstrudel, wenn Sie bei<br />

kaltem Regenwetter nach Hause kommen.“<br />

„So fühlt sich Marianne Fredrikssons ‚Simon‘ auch an!“<br />

lachte die Patientin. Sie wandte sich zu dem Regal mit <strong>der</strong><br />

anspruchsvollen Literatur um. „Von denen hier liest sich<br />

einiges, als wenn man Knäckebrot isst. Gesund und nicht<br />

dick machend, aber ohne eine Sekunde Spaß o<strong>der</strong><br />

Sinnlichkeit dabei. Das isst man nur, weil man muß o<strong>der</strong><br />

nichts an<strong>der</strong>es im Haus ist.“ Sie stellte den Sartre zurück<br />

und zeigte auf den ‚Vorleser‘ von Bernhard Schlink. „Da<br />

lob ich mir den! Schlicht, kompakt, beste Zutaten und<br />

dunkel wie eine Sachertorte.“<br />

„Aber das ist doch Geschmackssache!“ mischte sich<br />

eine zweite Patientin ein, die mit routiniertem Griff einen<br />

Walser aus dem Regal gezogen hatte. „Halten Sie das<br />

etwa für trockenes Brot? Für mich ist das Hummer. Wenn<br />

man weiß, wie man ihn essen muß, ist er das Höchste.<br />

Das ist eine Frage <strong>der</strong> Übung.“<br />

„Mag schon sein“, meinte die erste Patientin, „aber<br />

wenn ich die Wahl zwischen Hummer und einem frischen,<br />

dunklen Brot mit Butter, Salz und Schnittlauch habe, nehme<br />

ich das Butterbrot.“<br />

Die Bibliothekarin fragte sich, wessen Werke die Patientin<br />

damit wohl gemeint hatte. Für mich wäre das<br />

Schnittlauchbrot wie die ‚Netzflickerin‘ von Maarten ‚t Hart,<br />

überlegte sie. Unverfälscht, schlicht, klar und einfach perfekt<br />

im Geschmack, mit allen Nährstoffen.<br />

Sie ließ die Blicke über die Regale gleiten. Rosamunde<br />

Pilcher. Pizza mit wechselnden Belägen, nur beim ersten<br />

Buch, den ‚Muschelsuchern‘ war noch <strong>der</strong> Geschmack<br />

von selbst angesetzten Teig wahrnehmbar gewesen.<br />

Danach<br />

nur noch Backmischungen mit Dosengemüse drauf.<br />

Ein Stück weiter die bunten Eisbecher <strong>der</strong> heiteren<br />

Familienromane à la Evelyn San<strong>der</strong>s und Barbara Noack.<br />

Ganz vorne die übersüßten Törtchen von Barbara<br />

Cartland, strotzend von rosa und hellblauer<br />

Lebensmittelfarbe.<br />

Im Lyrikregal: Austern, Paranüsse und Artischocken.<br />

Kurzgeschichtenanthologien: italienische Antipasti und<br />

Käseplatten. Dazu eine Flasche Champagner, etwa<br />

Tucholskys ‚Schloß Gripsholm‘ o<strong>der</strong> ‚Rheinsberg‘!<br />

Gestern war eine Patientin schwer irritiert gewesen, als<br />

ihr die Bibliothekarin statt eines Romans von Marieluise<br />

Fischer eine Alternative vorschlug. „Warum wollen Sie denn<br />

Tütensuppe essen, wenn Sie auch einen frisch gekochten<br />

Gemüseeintopf mit Fleischbällchen haben könnten?“ hatte<br />

die Bibliothekarin sich getraut zu fragen und Maeve Binchys<br />

‚Silberhochzeit‘ hochgehalten. „Tütensuppe? Wie meinen<br />

Sie das?“ „Na, die macht zwar auf die Schnelle satt,<br />

schmeckt aber auch immer gleich, nämlich nach Maggi<br />

Kochstudio. Jede Menge künstlicher Aromen, null<br />

Vitamine.“ „Aber ich lese immer Marieluise Fischer!“ hatte<br />

die Patientin verärgert gesagt. „Ich kenne gar keine<br />

an<strong>der</strong>en!“ Wie<strong>der</strong> eine, die im Restaurant Jägerschnitzel<br />

bestellt, weil sie nicht weiß, was sich hinter Chateaubriand<br />

verbirgt, dachte die Bibliothekarin resigniert und zeigte<br />

<strong>der</strong> Patientin auch noch den Meter Konsaliks, den sie für<br />

Liebhaber von Junk food bereit hielt.<br />

Dann stellte sie Patricia Gaffneys ‚Garten <strong>der</strong> Frauen‘<br />

gut sichtbar vor die Buchrücken <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Romane.<br />

Mehr Kartoffelauflauf mit Lachs und Sahne für alle!<br />

Die nächste lesehungrige Kranke trug die

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