Untitled - Aachener Verfahrenstechnik
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Thomas Melin: „Abschied nehmen, kein Problem!?“<br />
Als ich 1971 am Institut für <strong>Verfahrenstechnik</strong><br />
meine Diplomarbeit schrieb, dann unter Mitarbeit<br />
eines pfiffigen Diplomanden namens Modigell<br />
und in Gesellschaft der unvergessenen Truppe<br />
von Rauch, Seide, Hartung und Co meine Dissertation<br />
anfertigte, hatte ich mir nicht träumen<br />
lassen, fast 40 Jahre später im selben Gebäude<br />
einmal meine Kartons zu packen und versonnen<br />
Abschied zu nehmen von einer Welt, die mir immer<br />
viel bedeutet hat, bald aber auch nicht mehr<br />
sein wird als ein Stückchen Geschichte.<br />
Zwischen IVT und IVT lagen zunächst neunzehn<br />
Jahre und elf Monate Bayer. Ich entwickelte eine<br />
neue Destillationspackung, die die Welt (meine<br />
Welt der Destillation) verändern sollte. Bayer<br />
hatte andere Pläne, schickte mich postwendend<br />
in die NEUE Welt, zu Cutter Labs: Blutplasma-<br />
Fraktionierung statt Destillation. Auf den Gewöhnungsschock<br />
(„There is a new engineer here<br />
from Bayer. We don’t know what he did, but he’ll<br />
never do it again“) folgten drei Traum-Jahre in<br />
San Francisco, die wie im Flug verstrichen. Ich<br />
brachte zwei waschechte kleine Amerikaner und<br />
eine Menge Ideen mit, von denen ich eine, die<br />
Freiströmungselektrophorese 25 Jahre später<br />
am Institut mit gemischtem Erfolg umzusetzen<br />
versuchte.<br />
Nach dem Abenteuer des Baus einer kleinen<br />
Feinchemikalienfabrik in Korea ging es dann<br />
wieder zurück zum Mittelpunkt der Welt, Leverkusen.<br />
Mein neues Arbeitsgebiet Umweltschutz<br />
hatte Konjunktur und ich konnte alles Neue und<br />
Schwierige anfangen, biologische Abluftreinigung,<br />
Naßoxidation, Flotation, Membranverfahren,<br />
produktionsintegrierten Umweltschutz und<br />
das was heute als advanced oxidation bezeichnet<br />
wird. Es folgte die Zeit der Wende, in der Umweltschutz<br />
zum Unwort wurde und die einzige<br />
Überlebenschance in Vorschlägen zur Senkung<br />
der Umweltschutzkosten bestand. Aus dieser<br />
Zeit stammen aber auch zwei Großanlagen zur<br />
biologischen Abluftreinigung, auf die ich heute<br />
noch stolz bin, und die Modernisierung der Abfallverbrennungsanlagen.<br />
Dann etwas, was ich nie verstehen werde<br />
(warum überhaupt? warum so spät? warum erfolgreich?):<br />
die Bewerbung und der Ruf nach<br />
Aachen. Ich kam ohne eng begrenztes Arbeitsfeld<br />
– Umweltschutz-VT umfasst eben die ganze<br />
<strong>Verfahrenstechnik</strong> – und hatte vor, chemische<br />
Reaktionstechnik zum Schwerpunkt auszubauen,<br />
stellte aber schnell fest, dass dazu nicht nur<br />
die Infrastruktur und die praktisch-chemische<br />
Ausbildung der Studierenden fehlte, sondern<br />
die Außenwelt von dem Rautenbach-Nachfolger<br />
eben nichts anderes wollte und ihm auch nichts<br />
anderes zutraute als Membrantechnik.<br />
Was blieb mir also anderes übrig als in Robby’s<br />
große Fußstapfen zu treten und intensiv Membrantechnik<br />
zu betreiben? Es gab einige Arbeiten,<br />
die allenfalls marginal mit Membranen zu<br />
tun hatten, Arbeiten zum Stofftransport (Gruber),<br />
zur Reaktionstechnik (Nattkämper, Westermann,<br />
Krüger), zur Kristallisation (Schleiden, Küntzel),<br />
zur technischen Elektrophorese (Poggel, Lerlertwanich)<br />
und zur Emulsionsherstellung (Hoppe),<br />
der Rest aber war entweder reine Membrantechnik,<br />
von Gaspermeation (Klinkhammer,<br />
Ajhar, Follmann) über PV-GP (Sommer), Mikround<br />
Ultrafiltration (Vossenkaul, Brügger, Geissler),<br />
Nanofiltration (Gallenkemper, Salehi, Niewersch),<br />
Elektrodialyse (Gloede), Membrankontaktoren<br />
(Kashefi, Bayer) oder er behandelte Hybridverfahren<br />
wie Membranreaktoren (Wieland,<br />
Poschmann, Matthias), Membranbioreaktoren<br />
(Wintgens, Bütehorn, Lyko) oder die Kombination<br />
Nanofiltration/Adsorption (Eilers, Meier, Kazner).<br />
In der letzten Zeit kamen Arbeiten zum<br />
Betrieb (Pulsation) von Membransystemen hinzu<br />
(Koh, Carstensen), es wurde an Modulkonstruktion(Schleger,<br />
Koester), an neuen Spacern<br />
(Fritzmann) und an Flüssigmembranen (Krull,<br />
Medved) und an der Modifikation von Membranoberflächen<br />
gearbeitet (Kochan).<br />
Fast die gesamte Forschung erfolgte in<br />
Forschungsverbünden, im Graduiertenkolleg<br />
AGEESA und dann in einer großen Zahl von<br />
NRW-, BMBF und vor allem EU-Projekten, davon<br />
5 verbunden mit Projektleitung, die die Selb-<br />
5 Thomas Melin: „Abschied nehmen, kein Problem!?“ Rührkessel - Die AVT im Blick