Schlesischer Gottesfreund
Schlesischer Gottesfreund
Schlesischer Gottesfreund
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
35<br />
Am 21. Januar wurde Ingeborg Gräfin von Pfeil und Klein<br />
Ellguth, verstorben am 22. Dezember 2011 in Dresden,<br />
unter großer Anteilnahme auf dem Pfeil'schen Erbbegräbnis<br />
in Kreisewitz/Krzyzowice beigesetzt.<br />
Vor wenigen Wochen erst schrieb sie die Zeilen nieder,<br />
die nun über dem Abschied von dieser kleinen<br />
großen Frau stehen sollen: Trauer, Wehmut und …<br />
Dankbarkeit. Auch da ging es um Abschied, ging es um<br />
Erinnern und Loslassen. Doch es war nicht die Ahnung des<br />
eigenen nahen Endes, die ihr die Feder führte, sondern der<br />
Blick in seinerzeit jüngste Vergangenheit. Etwas war zur<br />
Vollendung gekommen, ein Wunsch war in Erfüllung<br />
gegangen, ein Wunsch, den sie so unendlich lang gehegt<br />
hatte und dessen Erfüllung – nicht minder lang – ungewiß,<br />
unwahrscheinlich, ja unmöglich schien. „Es war, als rücke<br />
mir die verlorene Heimat so unendlich viel näher, als wir<br />
am 10. April 2011 die Asche meiner 1979 verstorbenen<br />
Mutter im Grab meines schon 1942 vorausgegangenen<br />
Vaters im Kreisewitzer Erbbegräbnis zur letzten Ruhe betten<br />
durften. Mein Herz ist so voller Freude und Dankbarkeit.<br />
Endlich sind meine Eltern, die sich stets dem Wohle<br />
(…) aller verpflichtet fühlten, wieder vereint.”<br />
Ingeborg Gräfin von Pfeil hat in ihrem Leben viel zu<br />
Papier gebracht, beträchtliche Schreibarbeit vollführen<br />
müssen, das brachte ihr Beruf mit sich, doch soll davon an<br />
späterer Stelle die Rede sein. Sie hat aber auch ein Buch<br />
Trauer, Wehmut und … Dankbarkeit<br />
ANDREAS NEUMANN-NOCHTEN<br />
BEITRÄGE<br />
geschrieben, dessen Vollendung ihr in besonderer Weise<br />
am Herzen lag: „Tief im Herzen Freud und Schmerz”. Und<br />
was einerseits als Titel für eine ausführliche Darstellung<br />
von Kreisewitz, der dortigen Kirche und des Pfeilschen<br />
Erbfriedhofes stehen soll, darf getrost auch als Motto ihres<br />
Lebenskreises verstanden werden.<br />
Ingeborg, Gräfin von Pfeil und Klein Ellguth erblickte<br />
1931 als Tochter des deutschen Konsuls in Eger und<br />
Reichenberg Walter von Pfeil… und dessen Gemahlin<br />
Fredemarie, geb. von Oheimb, das Licht der Welt. In oben<br />
erwähntem Buch beschreibt sie ihre glückliche Kindheit in<br />
Kreisewitz. Dort, beim Bruder, Günther von Pfeil, fand die<br />
Familie Zuflucht, nachdem ihr Vater kurz nach Machtantritt<br />
der Nationalsozialisten als „vaterlandsloser Geselle”<br />
aus dem Staatsdienst entlassen worden war. Ja, es waren<br />
glückliche Jahre, umsorgt von einer liebevollen Mutter und<br />
einem zugewandten humorvollen Vater. Dessen früher Tod<br />
im Jahre 1942 ist ein erster schwerer Einschnitt im Leben<br />
Ingeborgs. Nur wenige Jahre werden ihr in Kreisewitz verbleiben.<br />
Dann ereilt sie und ihre Familie das Schicksal der<br />
Vertreibung. Stationen ihrer abenteuerlichen Flucht sind<br />
Reichenberg, Böhmisch-Leipa und Hof in Bayern. Das<br />
Leben in der Fremde – Hamburg-Sülldorf wird nach manchen<br />
Zwischenstationen ihr erstes neues Zuhause – ist<br />
ganz und gar geprägt durch das selbstlose, fürsorgliche<br />
Handeln der Mutter. Während sich die älteren Geschwister<br />
ihren Lebensunterhalt selbst verdienen müssen, kann sie<br />
sich noch ganz gar unter der mütterlichen Obhut auf das<br />
„Leben vorbereiten”. Das hält für sie nach Schulabschluß<br />
und Ausbildung eine anstrengende, wiewohl erfüllende<br />
Tätigkeit im diplomatischen Dienst der Bundesrepublik<br />
Deutschland bereit. In dieser Weise einer Familientradition<br />
folgend, hat sie erfahren dürfen, was es heißt ein ruheloses<br />
Leben zu führen. Sie sah viele Länder und Kontinente, hat<br />
im Schnitt alle fünf Jahre ihr Wirkungsfeld neu erfahren<br />
und beleben müssen. In einem Gespräch im Jahr 2005 formulierte<br />
sie es folgendermaßen: „Ich habe an zahllosen<br />
Orten gelebt und mich wohlgefühlt, aber Heimat ist mir<br />
immer mein geliebtes Schlesien geblieben, das trug ich im<br />
Herzen. Ich kann da nur mit Erich Kästner sagen ´Man<br />
kann einen Menschen aus der Heimat vertreiben, aber nicht<br />
die Heimat aus dem Menschen`.” Und sie durfte ihrer<br />
Heimat wieder sehr nahe kommen, privat wie dienstlich.<br />
Sie und ihre Familie halfen den neuen Bewohnern von<br />
Kreisewitz lange vor der politischen Wende mit Geld und<br />
Sachspenden beim Wiederaufbau der stark in Mitleidenschaft<br />
gezogenen Kirche ihres Heimatdorfes. Sie selbst<br />
arbeitete in dieser Zeit als deutscher Kulturattaché in Warschau.<br />
Mit dem Aufbau des Deutschen Vizekonsulats in<br />
Oppeln wandte sie sich am Ende ihres Berufslebens nochmals<br />
einer quasi zweiten Lebensaufgabe zu, zukunftswirksam<br />
einen Beitrag zu gutem deutsch-polnischen Miteinander<br />
zu leisten. Nach dem Ausscheiden aus dem Dienst<br />
blieb sie diesem selbstgesteckten Ziel treu, ja sie verstärk-