Schlesischer Gottesfreund
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BEITRÄGE 36<br />
te noch ihr kulturelles und humanitäres Engagement. Als<br />
Mitglied in zahlreichen kulturellen Vereinigungen der deutschen<br />
Schlesier, so im Verein Haus Schlesien in Königswinter,<br />
in der Stiftung Kulturwerk Schlesien in Würzburg,<br />
in der Deutsch-Polnischen Gesellschaft der Universität<br />
Breslau (Wroc aw) und im Förderverein des Schlesischen<br />
Museums zu Görlitz war sie unermüdlich tätig. In den kulturellen<br />
Vereinigungen, die sie durch ihr Engagement mittrug,<br />
setzte sie sich nachdrücklich für eine Öffnung gegenüber<br />
polnischen Interessenten und für eine Intensivierung<br />
der Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Polen ein.<br />
Diese Zusammenarbeit voranzubringen ist Gräfin Pfeil<br />
zum wesentlichen Inhalt ihres Lebens geworden. Dafür<br />
nahm sie die Mühe auf sich, ständig zwischen ihren beiden<br />
Wohnsitzen – Görlitz und Lomnitz im Hirschberger Tal –<br />
unterwegs zu sein.<br />
Mittelpunkt ihrer Aktivitäten war der von ihr 1993 mitgegründete<br />
Verein zur Pflege schlesischer Kunst und<br />
Kultur e.V. (VSK), dessen Arbeit sie seither maßgeblich<br />
mitprägte. Der Verein steht deutschen und polnischen<br />
Bürgern gleichermaßen offen und betreibt ein Kulturzentrum<br />
in Schloss Lomnitz im polnischen Schlesien. Dort<br />
führt er Kulturveranstaltungen und Tagungen durch, zeigt<br />
Ausstellungen, organisiert denkmalpflegerische Projekte<br />
und Kulturreisen. Gräfin Pfeil war an zahlreichen Projekten<br />
des Vereins beteiligt oder hat sie maßgeblich inspiriert, so<br />
die Sanierung der Gruftkapellen an der Hirschberger<br />
Gnadenkirche, die Wiederherstellung der historischen<br />
Engler-Orgel in der Breslauer Elisabethkirche, die Rettung<br />
des Fachwerkbethauses von Schönwaldau.<br />
Über Jahre hinweg organisierte Gräfin Pfeil Rezitations-<br />
und Aufsatzwettbewerbe für Schüler im deutsch-polnisch-tschechischen<br />
Grenzraum. Um diesen Teil ihrer<br />
Aktivitäten zu intensivieren, gründete sie 2003 das<br />
„Jugendforum Euroregionen e.V.”. Der von ihr geleitete<br />
Verein war seitdem durch eigene Wettbewerbe und durch<br />
deutsch-polnische Jugendbegegnungen in Kreisau und<br />
Muhrau hervorgetreten.<br />
Als engagierte evangelische Christin hielt sie Bibelstunden<br />
ab und organisierte als aktives Mitglied der Johanniter<br />
einen „Besuchsdienst Schlesien”, dessen Aufgabe darin<br />
besteht, durch regelmäßige Besuche den meist alten<br />
deutschstämmigen evangelischen Christen im Hirschberger<br />
Tal Hilfe und Unterstützung zur Bewältigung des Alltags<br />
Im Frühjahr 1952, als Pastor Rutz mit seiner Familie in<br />
das „Lutherheim” auf dem Kirchplatz an der Friedenskirche<br />
zog, bekam die deutsche evangelische Kirchgemeinde<br />
in Schweidnitz wieder einen ansässigen Seelsorger.<br />
Pastor Rutz war einer der weisesten Menschen die ich in<br />
meinem Leben kennengelernt habe.<br />
Pastor Herbert Rutz<br />
Zu seinem 100. Geburtstag<br />
DOROTHEA BOCK-DROZDOWICZ<br />
zukommen zu lassen. Gräfin Pfeil hat sich durch ihr ungewöhnlich<br />
starkes Engagement um die Aussöhnung zwischen<br />
Deutschen und Polen verdient gemacht. Ihr Lebensweg<br />
und ihr Wesen haben sie dafür in einzigartiger Weise<br />
prädestiniert: die Liebe zu ihrer Heimat Schlesien und zu<br />
den Bewohnern des Landes, gleich welcher Nationalität,<br />
ihre Beharrlichkeit und ihr Humor, ihr profundes kulturgeschichtliches<br />
Wissen, ihre Erfahrungen aus langjähriger<br />
Arbeit im diplomatischen Dienst, ihre aus eigenem Erleben<br />
gewonnenen Kenntnisse der Lebenswirklichkeit im polnischen<br />
Schlesien.<br />
Vieles von dem leuchtete noch einmal auf, in Grußworten,<br />
in Abschiedsreden, in der Predigt, an jenem 21. Januar<br />
in der festlich hergerichteten uralten Kirche von Kreisewitz.<br />
Buchstäblich bis zum letzten Platz gefüllt und ganz<br />
und gar erfüllt von guten Gedanken und Erinnerungen wurde<br />
auf wunderbare Weise noch einmal spürbar, was Gräfin<br />
Pfeils Handeln bewirkt hat. Ihre zahlreiche Familie, der<br />
deutsche Generalkonsul Dr. Zeitz, Freunde und Weggefährten<br />
aus Polen und Deutschland und vor allem und an<br />
hervorgehobener Stelle die heutigen Kreisewitzer, erinnerten,<br />
sangen und beteten gemeinsam. Und plötzlich war da<br />
etwas, was vielleicht nur in solchen Augenblicken zustande<br />
kommen kann: da war ein Gleichklang, ein Miteinander,<br />
dessen Ursprung nicht Trauer und Wehmut, sondern allein<br />
tiefempfundene Dankbarkeit ist. �<br />
Abbildungen: Porträt S. 35, ANN; Die Pfeil´sche Grabstätte auf<br />
dem Kirchhof in Kreisewitz; Foto: ANN<br />
P. Herbert Rutz wurde, vor 100 Jahren, am 13. März 1912,<br />
in Gieschewald, Kreis Kattowitz geboren, 1937 ordiniert<br />
und war von da an, bis Januar 1945, Pastor an der ev.<br />
Kirche in Nikolai. Nach dem II. Weltkrieg wurde er arbeitslos.<br />
Dank seiner Kenntnis der polnischen Sprache konnte er<br />
in dieser Zeit sich und seine Familie materiell sicher stel-