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INNOVATIVE 22.indd - Nordelbisches Frauenwerk - Nordkirche

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Foto: Dagmar Stratenschulte<br />

15<br />

i n n o v a t i v e<br />

Mit Respekt und Empathie<br />

Das transkulturelle und interreligiöse Lernhaus<br />

Brücken bauen zwischen unterschiedlichen Kulturen –<br />

Erfahrungsberichte aus dem transkulturellen und interreligiösen<br />

Lernhaus der Frauen dessen Koordinatorin<br />

Irene Pabst war bevor sie als Referentin für u.a. Interkulturelle<br />

Frauenarbeit im Nordelbischen <strong>Frauenwerk</strong><br />

anfing.<br />

„Kulturen bekämpfen sich nicht, sie fließen ineinander.“ Dieser Satz<br />

des Schriftstellers Ilja Trojanow beschreibt Transkulturalität als<br />

Alltagsphänomen und wirft gleichzeitig die Frage auf, wie das<br />

Miteinander unterschiedlicher Kulturen so gestaltet werden<br />

kann, dass Vielfalt als Reichtum erlebbar wird. Im bundesweiten<br />

Modellprojekt Transkulturelles und interreligiöses Lernhaus der<br />

Frauen haben sich ca. 70 Frauen zu Kulturmittlerinnen weitergebildet,<br />

um Integration als Dialogprozess zwischen Mehrheitsgesellschaft<br />

und Minderheiten aktiv gestalten zu können.<br />

Für Hanaa El-Hussein war es die eigene Migrationserfahrung – sie<br />

und ihre Familie kamen als Flüchtlinge aus dem Libanon – und das<br />

Leben zwischen zwei Kulturen, die die studierte Diplom-Kauffrau<br />

dazu bewegten, am Lernhaus teilzunehmen. Sie suchte nach<br />

Möglichkeiten, ihre Erfahrungen als Potential zu nutzen, um andere<br />

MigrantInnen dabei zu unterstützen, einen Platz in der<br />

Gesellschaft zu finden. Im Lernhaus begegnete sie Frauen mit<br />

ähnlichen transkulturellen Biographien: Katja Eichner hat mit ihrem<br />

ägyptischen Mann zwei Kinder. Für sie stellte sich die Frage, wie<br />

Kinder in einer binationalen Familie die religiösen Traditionen beider<br />

Elternteile vermittelt werden können.<br />

In einem selbstorganisierten Lernprozess eigneten sich die Frauen<br />

spezielle Kommunikationsmethoden und Grundwissen über andere<br />

Kulturen an. Als wichtig hoben beide hervor, im Dialog eine lernende<br />

Haltung einzuüben, mit Respekt und Empathie zuzuhören und<br />

P r o j e k t e ı A k t i o n e n<br />

die eigenen Vorurteile offen zu legen. „Ich habe gelernt, mich zurückzunehmen,<br />

nicht immer gleich etwas entgegnen zu müssen.<br />

Häufig habe ich gemerkt, dass das, was ich unbedingt meinte sagen<br />

zu müssen, gar nicht so wichtig war oder von einer anderen<br />

Frau eingebracht wurde“, berichtet Hanaa. Und Katja ergänzt: „Das<br />

ist ein Lernprozess, der immer wieder geübt werden muss.<br />

Dann verändert sich auch der alltägliche Umgang miteinander.“<br />

Solch einen Lernprozess zeigt folgende Episode: Als im Sommer<br />

2006 der Libanonkrieg ausbrach, kam die israelische Teilnehmerin<br />

nicht zum Treffen der Lerngruppe, weil sie Angst um ihre Familien<br />

hatte und sich keiner Diskussion über die Politik Israels aussetzen<br />

wollte. Die Gruppe reagierte darauf mit Verständnis. Die palästinensische<br />

Teilnehmerin fühlte sich dadurch jedoch ausgegrenzt, weil<br />

niemand sie fragte, wie es ihr mit dem Krieg ginge. In einer<br />

Dialogrunde konnten die Ängste beider Frauen wahrgenommen<br />

und eine einseitige Parteinahme aufgebrochen werden. Eine kleine<br />

Brücke in diesem tragischen Konflikt zwischen zwei Völkern war gebaut.<br />

Durch die Fähigkeit, sich in die Perspektive anderer hineinzuversetzen,<br />

entsteht Verständnis füreinander.<br />

Dialog ist eine Haltung, die in den beruflichen und familiären Alltag<br />

ausstrahlt. Diese Haltung ist für Katja als Lehrerin sehr hilfreich. Sie<br />

kennt die Probleme mit kulturell bedingten Missverständnissen nur<br />

zu gut. Eine Lehrerin hielt ihre Tochter für verhaltensauffällig, weil sie<br />

sehr laut sprach. „Zuerst war ich beleidigt und wütend über die<br />

Ignoranz der Lehrerin. Sie hat nicht verstanden, dass es sich um ein<br />

kulturelles Phänomen handelt. In der Familie meines Mannes sprechen<br />

alle laut, in Ägypten ist das normal. Durch die Erfahrung im<br />

Lernhaus war ich motiviert, mich in die Perspektive der Lehrerin hineinzuversetzen.<br />

Ich bin toleranter geworden, auch wenn mir die<br />

Meinung meines Gegenübers nicht passt.“ Erste Schritte, ein<br />

Lernhaus in Hamburg aufzubauen, werden bereits getan.<br />

Interkulturelle Frauenarbeit<br />

I r e n e P a b s t<br />

„Ich habe gelernt, mich<br />

zurückzunehmen, nicht<br />

immer gleich etwas<br />

entgegnen zu müssen.“<br />

Hanaa El-Hussein

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