INNOVATIVE 22.indd - Nordelbisches Frauenwerk - Nordkirche
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29<br />
i n n o v a t i v e<br />
Was wäre wenn?<br />
Junge Frauen diskutieren wieder über den Feminismus – und Antje<br />
Schrupp entfaltet feministische Ideen für unsere Zeit mit und nach<br />
der Gleichberechtigung. Deutlich arbeitet sie heraus, dass<br />
Feminismus mehr ist, als Gleichberechtigung und umso wichtiger<br />
wird, je mehr die Gleichstellung umgesetzt ist: „ … je einflussreicher<br />
Frauen sind, je mehr öffentliche Positionen sie einnehmen und<br />
je mehr Entscheidungen sie zu treffen haben, desto wichtiger ist es,<br />
nach welchem Maßstab sie all das tun.“ Dieser Maßstab „liegt nicht<br />
in jener Realität, die eine männliche Ordnung hervorgebracht hat<br />
und die sie in der Emanzipation also bereits vorfinden, sondern in<br />
ihren Visionen und Träumen, über die sie sich miteinander austauschen,<br />
inspirieren und streiten.“ Es geht also um die weibliche<br />
Freiheit, das Wünschen und Wollen von Frauen selbst zu definieren,<br />
und die Welt entsprechend zu gestalten.<br />
Lebendig beschreibt Antje Schrupp eine Sicht auf die Welt, die<br />
sich deutlich von der traditionellen westlichen, dualistisch und<br />
männlich geprägten Sichtweise unterscheidet. Oft inspirierend,<br />
manchmal auch fremd und provozierend behandelt sie wesentliche<br />
Fragen des Daseins und entwirft Bedingungen weiblicher Freiheit.<br />
„Freiheit entsteht in Bezogenheit“, diese These entfaltet sie durch<br />
eine Vielzahl von Zitaten, die mir einen Überblick über den Stand<br />
der Diskussionen bietet, und gleichzeitig ihre philosophisch feministische<br />
Denkrichtung verdeutlicht.<br />
Das Buch ist eine Aufforderung, einfach anzufangen, „Was wäre<br />
wenn?“ und dem eigenen Begehren zu folgen. Mag dies auch<br />
unbestimmt sein: „Das Begehren öffnet Wege für das Unvorhergesehene.<br />
Es scheut sich nicht, zuzugeben, dass es ohne die Hilfe<br />
von anderen nicht erfüllt werden kann. … Im Begehren den Motor für<br />
Veränderung zu sehen und nicht in den Zielen, die man sich setzt,<br />
das bedeutet ein radikales Umdenken.“ Was wäre, wenn wir es einfach<br />
mal probierten?<br />
Antje Schrupp:<br />
Was wäre wenn?<br />
Über das Begehren und<br />
die Bedingungen<br />
weiblicher Freiheit<br />
Ulrike Helmer Verlag<br />
Sulzbach 2009<br />
ISBN 978-3-89741-292-7<br />
16,90 Euro<br />
D a g m a r K r o k<br />
Überforderung<br />
ist Unterforderung<br />
Die zehn Autorinnen der Gruppe pro:fem nehmen sich eines existentiellen<br />
Themas an. Wer kennt nicht das Gefühl, nie genug Zeit zu<br />
haben, um alle beruflichen und familiären Aufgaben erledigen<br />
zu können, wer kennt nicht die Frustration, wenn kaum Zeit für<br />
persönliche Projekte bleibt? Und wer kennt nicht die Sehnsucht,<br />
nach Leichtigkeit und Lebendigkeit um aus dem Hamsterrad auszusteigen?<br />
Das Büchlein reiht sich nicht in die Reihe der praktischen Ratgeber<br />
zu work-life-balance ein, die nach Erfahrung der Autorinnen nur bedingt<br />
hilfreich sind, sie wollen – und darin liegt die Stärke ihres<br />
Ansatzes – den strukturellen Ursachen des Phänomens auf den<br />
Grund gehen. Ausgangspunkt sind ihre eigenen, in Tagesprotokollen<br />
gesammelten Erfahrungen, in denen sich sicher viele Leserinnen<br />
wiederfinden. Sehr spannend ist ihre dialektische Analyse der gefühlten<br />
Überforderung als Unterforderung – als Unterforderung<br />
in den Möglichkeiten, die Fülle des Menschseins leben zu können,<br />
weil wir maschinenhaft in gegebenen Strukturen funktionieren.<br />
So lenken sie den Blick weg von dem Problem der Einzelnen<br />
hin auf die Macht des weltweiten neoliberalen Wirtschaftssystems.<br />
Mit seinem absoluten Streben nach Profit und Wachstum, mit seinem<br />
Diktat der Angst und Menschenverachtung bringt es uns dazu, zu<br />
funktionieren und lähmt die Energie für den Kampf für Alternativen.<br />
Um die Strukturen zu durchbrechen, schlagen die Autorinnen in<br />
Anlehnung an Frigga Haug vor, Arbeit nicht allein als Erwerbsarbeit<br />
zu definieren, sondern auch die Zeit, die wir für Reproduktionsarbeit,<br />
politisches Engagement und persönliche Weiterentwicklung aufwenden,<br />
mit einzubeziehen. Diese ganzheitliche Vier-in-Einem-<br />
Perspektive eröffnet mehr Lebensqualität, erfüllte Zeit und gerechte<br />
Verteilung für alle.<br />
Das sehr lesenswerte Büchlein inspiriert mit seinem politischen<br />
Ansatz zum kreativen Weiterdenken und - diskutieren und fügt<br />
sich hervorragend in den Diskurs über das Jahresthema der<br />
Frauenarbeit in Nordelbien.<br />
Pro:fem (Hg.):<br />
Auf der Suche nach<br />
der verlorenen Zeit<br />
Überforderung ist Unterforderung<br />
Werkstatt-Texte 04<br />
Argument Verlag, Hamburg 2009<br />
ISBN 978-3-86754-804-5<br />
7 Euro<br />
B u c h t i p p s<br />
I r e n e P a b s t