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modity, als „absurd“. Das, so der Wissenschaftler, der auch Chief Technology<br />
Officer der schweizerisch-deutschen Beratungsgesellschaft International<br />
Management Group (IMG) ist, würde bedeuten, Geschäftsprozesse<br />
so zu akzeptieren, wie sie sind. Für das Umsetzen unternehmerischer Visionen<br />
im Zusammenspiel von Business- und IT-Management wäre der<br />
Weg mit so einer Standard-IT verstellt. Mobile Technologien im Außendienst,<br />
Kundenintegration, Dokumentenaustausch mit Lieferanten: Das<br />
alles hätte sich nur in einem kreativen, strategisch gesteuerten Einsatz<br />
moderner Informationstechnik entwickeln können; nicht aber mit Carrs<br />
Commodity-IT.<br />
Österle lässt nur zwei Beispiele für wirklich standardisierte Prozesse<br />
gelten, die nicht zur Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb geeignet<br />
sind: Personalabrechnung und Fakturierung, letztere auch nur mit<br />
Einschränkungen: Für Telco-Firmen etwa seien ihre Billing- und Ratingprozesse<br />
wettbewerbsentscheidend.<br />
IT-INTELLIGENZ GEGEN DEN PEITSCHENEFFEKT<br />
Für einen hervorragenden Beleg der geschäftsstrategischen Bedeutung<br />
intelligenten IT-Managements jenseits technischer Standards hält Österle<br />
das Management der Lieferkette. Um für Nachfrageschwankungen<br />
nach oben gerüstet zu sein, halten Einkäufer im Einzelhandel immer etwas<br />
mehr auf Lager, als wahrscheinlich verkauft werden wird. Zwischenhändler<br />
verhalten sich ebenso, nur dass sie bereits etwas größere Puffer<br />
einplanen. Kleine, zufällige Schwankungen am Point of Sale werden<br />
auf diese Weise zu starken Ausschlägen am Beginn der Lieferkette –<br />
wie bei einer Peitsche, deren Bewegung sich wellenförmig fortsetzt.<br />
„Bullwhip-Effekt“ nennen Wirtschaftswissenschaftler das Phänomen.<br />
Laut Österle kostet es allein die US-Wirtschaft jedes Jahr mehr als 30<br />
Milliarden Dollar – durch zu hohe Lagerbestände, ungenaue Produktionsplanung,<br />
teure Produktion und am Ende durch Unzufriedenheit der<br />
Kunden. „Standardsoftware kann dieses Problem nicht lösen“, bekräftigt<br />
der Wirtschaftsinformatiker.<br />
So deutlich Wissenschaftler sich gegen Carr wandten und wenden, so<br />
aufmerksam lauschte man ihm in den IT-fernen Bereichen der Unternehmen.<br />
Das ist leicht zu erklären. Zu groß waren um die Jahrtausendwende<br />
herum die Versprechungen von neuen, angeblich nur durch IT ermöglichten<br />
Geschäftsmodellen, die sich mittlerweile in Luft aufgelöst<br />
haben; elektronische Marktplätze jeder Art waren nur ein Beispiel dafür.<br />
Diese Internet-Euphorie erschwerte den CIOs seriöses Arbeiten, denn an<br />
solidem IT-Handwerk in Gestalt von Portfoliomanagement und Prozessoptimierung<br />
waren viele Unternehmen und deren Shareholder nicht<br />
mehr interessiert. Es mussten immer gleich neue Geschäftsmodelle<br />
sein. Das Scheitern, jetzt weiß man es, war vorprogrammiert – genauso<br />
wie das Lautwerden von Stimmen, die die IT nicht nur auf Normalmaß<br />
zurückstutzen, sondern sie gleich als Geldvernichtungsmaschine<br />
verteufeln würden.<br />
Bei operativ Finanzverantwortlichen und strategischen Unternehmensplanern<br />
kam die Botschaft Carrs deshalb in großer Deutlichkeit an.<br />
Jetzt arbeitet es sich zwar ruhiger für die CIOs und ihre Leute als im<br />
Boom vor fünf, sechs Jahren. Aber nicht selten ist es die Grabesruhe, die<br />
entsteht, wenn IT-Teams aus schieren Kostenerwägungen heraus und<br />
ohne Verständnis ihres Zusammenhangs mit den Geschäftsprozessen<br />
an externe Dienstleister ausgelagert werden.<br />
ALWAYS ON I AUSGABE 14 I FEBRUAR 2006<br />
ROLLE DER CIOS<br />
In der Unternehmens-IT geht es nicht ausschließlich um technische<br />
Ressourcen, sondern im Wesentlichen um Prozessunterstützung. Auch<br />
wenn Technologie zur Commodity wird, also immer leicht verfügbar und<br />
kostengünstiger, sind Anwendungen und Lösungen nicht kopierbar.<br />
Denn jede Organisation hat besondere Bedürfnisse und Prioritäten.<br />
Thomas Tribius, CIO des Axel Springer Verlags, brachte es mal in einem<br />
Vortrag vor IT-Management-Kollegen auf den Punkt: „Moores Gesetz<br />
funktioniert nicht mehr.“ Soll heißen: Die technische Verdoppelung der<br />
Rechenleistung mit jeder neuen Prozessorgeneration führt nicht mehr<br />
automatisch zu einem Plus an IT-Effizienz; dafür muss der CIO sorgen.<br />
Die moderne IT ist nach Tribius’ Überzeugung auf dem Weg von der<br />
kostengetriebenen Funktions- über die Prozessunterstützung hin zur<br />
Rolle als strategisches Gut und damit als Faktor des Unternehmenswerts.<br />
Der Praktiker konstatiert damit das Gegenteil von Carr.<br />
Die meisten von ALWAYS ON befragten Hamburger CIOs sehen die Lage<br />
ähnlich. Zwar räumen sie fast durch die Bank ein, dass es auch um Kostenreduzierung<br />
gehe. Aber IT-Entscheider mit betriebswirtschaftlicher<br />
Denke und Verantwortung weigern sich, die Leistung und Wertigkeit ihrer<br />
Abteilung auf die Stückkosten pro IT-Leistungseinheit – welche auch<br />
immer es gerade sei – reduzieren zu lassen. CIO Jörg Meyer von der<br />
Norddeutschen Affinierie AG räumt zwar ein: „Wir sind, wie alle IT-Abteilungen<br />
heutzutage, einem starken Kostendruck ausgesetzt.“ Jedoch:<br />
„Unternehmensstrategische Entscheidungen werden anhand der Optimierungspotenziale<br />
von Geschäftsprozessen gefällt. Konsens ist, dass<br />
die Fachabteilungen auf der Grundlage transparenter Leistungskataloge<br />
selbst in die IT-Planung einbezogen werden und damit Verantwortung<br />
übernehmen müssen.“<br />
Beiersdorf überprüft regelmäßig, ob die IT die Geschäftsziele unterstützt.<br />
„Die IT spielt eine wichtige Rolle bei der strategischen Ausrichtung des<br />
Unternehmens“, bekräftigt etwa Reinhold Wittenberg von der Bauunternehmung<br />
Aug. Prien GmbH & Co. KG (aktuelles Großprojekt: die neue Messe).<br />
Die Bedeutung der IT habe in den letzten Jahren sogar „deutlich zugenommen“,<br />
werde aber im Unternehmen seitens der Geschäftsführung<br />
„etwas unterschätzt“, so der CIO. Und sein Beiersdorf-Kollege Gadermann<br />
macht ähnliche Erfahrungen: „Bei Beiersdorf werden IT und damit verbundene<br />
Aufwände und Investitionen durchaus als wichtiges Mittel zur Umsetzung<br />
der Geschäftsstrategie sowie auch zur Erfüllung operativer Anforderungen<br />
aus dem Geschäft gesehen“, berichtet er. Dabei gehe es keineswegs<br />
nur um technische Anforderungen; im Vordergrund stünden die<br />
Modellierung von Geschäftsprozessen sowie deren Abbildung in Syste-<br />
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