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Vom Führerheer zur Wehrmacht Hitler-Stalin-Pakt ... - MGFA

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Erinnerungskultur in Polen<br />

�Die Grenzfrage<br />

Für Polen war das wichtigste Ergebnis des Zweiten Weltkriegs die Zerschlagung<br />

Preußens, sichtbar vor allem in der neuen Grenzziehung: der Oder-Neiße-Linie.<br />

Die Grenzfrage belastete die deutsch-polnischen Beziehungen über viele Jahre.<br />

Von Seiten des »Bruderstaates« DDR war zwar bereits 1950 im Görlitzer Abkommen<br />

die Grenzziehung anerkannt worden, eine echte Annäherung zwischen den<br />

beiden Staaten unterblieb jedoch. Die Bundesrepublik lehnte die Grenze zunächst<br />

strikt ab; Polen sah die »revisionistische BRD« gar als Nachfolger Preußens. Erst in<br />

den 1970er Jahren schlug Westdeutschland mit der Ostpolitik neue Wege ein: In<br />

den Verträgen von Moskau und Warschau (1970) bestätigte Bonn die Unverletzlichkeit<br />

der bestehenden Grenzen in Europa. Auf gesellschaftlicher Ebene war das<br />

Gespräch wesentlich früher gesucht worden, etwa im Brief der polnischen Bischöfe<br />

an die Amtsbrüder in Deutschland aus dem Jahre 1965, wo der Satz geschrieben<br />

steht: »Wir vergeben und bitten um Vergebung«. Dies hat den Prozess<br />

der Normalisierung auf Regierungsebene sowie die Annäherung der deutschen<br />

und polnischen Bevölkerung nicht unwesentlich geprägt. Im Juni 1990 verabschiedeten<br />

Bundestag und DDR-Volkskammer eine gleichlautende Erklärung <strong>zur</strong> Anerkennung<br />

der polnischen Westgrenze. Im November 1990 folgte ein entsprechender<br />

Vertrag zwischen dem vereinten Deutschland und Polen mt<br />

schmerzen zwar weiterhin, bilden aber<br />

heute für die polnische Gesellschaft<br />

insgesamt ein abgeschlossenes Kapitel.<br />

Die Kommunisten haben in gewisser<br />

Weise dazu beigetragen, indem sie<br />

jahrzehntelang die Erinnerung an die<br />

sowjetische Besatzung der polnischen<br />

Ostgebiete unterdrückten.<br />

Polen und Juden<br />

Die Beziehungen zwischen Polen und<br />

Juden während der deutschen Besatzung<br />

zählen zu den schwierigsten Aspekten<br />

im polnischen Bild von der eigenen<br />

Vergangenheit. Die Frage weckt<br />

immer noch viele Emotionen; um sie<br />

herum entstanden zahlreiche Missverständnisse,<br />

insbesondere im Ausland.<br />

Diese reichten – beispielsweise in den<br />

USA – bis hin zu verletzenden und absurden<br />

Behauptungen über eine angebliche<br />

kollektive Mitverantwortung<br />

der Polen, die in dem Vorwurf gipfelten,<br />

die Polen seien »für die Passivität<br />

im Angesicht der Vernichtung der<br />

Juden« verantwortlich.<br />

Tausende polnischer Bürger aus unterschiedlichen<br />

gesellschaftlichen, religiösen<br />

und politischen Gruppen (sogar<br />

aus denen, die antisemitisch gefärbt<br />

waren) haben verfolgten Juden geholfen<br />

und zu ihrer Rettung beigetragen.<br />

Denen, die den Polen Passivität vorwerfen,<br />

ist sicherlich die heldenhafte<br />

Tätigkeit des »Rates für Judenhilfe«<br />

(Rada Pomocy Żydom, Deckname<br />

»Żegota«) nicht bekannt – einer polnischen<br />

Untergrundorganisation, die<br />

als Organ der polnischen Exilregierung<br />

wirkte. Żegota organisierte die Unterstützung<br />

für die Juden in den Ghettos<br />

und half denjenigen, die am nötigsten<br />

Hilfe benötigten.<br />

Es ist nicht zu leugnen, dass es Fälle<br />

gab, wo Polen Schandtaten begingen.<br />

Der Krieg und die deutsche wie die so-<br />

16 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2009<br />

wjetische Besatzung stellten die Menschen<br />

vor extreme Herausforderungen,<br />

demoralisierten sie mitunter oder brachen<br />

ihre Würde und ihren Charakter.<br />

Erst im postkommunistischen, freien<br />

Polen entstanden die Voraussetzungen<br />

und die Bereitschaft, solch besonders<br />

düstere Seiten des Krieges gründlich<br />

und auf wissenschaftlicher Basis zu<br />

untersuchen. Phänomene wie Kollaboration,<br />

Denunziation oder nationalistisch<br />

motivierte Verbrechen waren zuvor<br />

aus dem kollektiven Gedächtnis<br />

ausgeblendet worden. Ein Wendepunkt<br />

war in dieser Hinsicht der Fall<br />

des Städtchens Jedwabne, wo 1941 eine<br />

durch die Deutschen angestiftete<br />

Gruppe polnischer Einwohner Morde<br />

an Juden verübte. Die Kontroversen<br />

und heißen Diskussionen um dieses<br />

Verbrechen haben ganz Polen aufgewühlt.<br />

Der Fall Jedwabne wird mit Sicherheit<br />

nicht vergessen werden.<br />

Mit den Worten des Historikers und<br />

Stereotypenforschers Tomasz Szarota<br />

»kann es sich ein freies und voll souveränes<br />

Volk leisten, die eigene Geschichte<br />

ehrlich aufzuarbeiten. Unter<br />

5 Jedwabne, 10. Juli 2001: Der polnische Staatspräsident Alexander Kwasniewski<br />

legt am 60. Jahrestag des Massakers, bei dem Hunderte von Juden durch ihre polnischen<br />

Mitbewohner umgebracht worden waren, einen Kranz nieder.<br />

ullstein bild – Reuters

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