Vom Führerheer zur Wehrmacht Hitler-Stalin-Pakt ... - MGFA
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die Bildung von Soldatenräten hinnehmen,<br />
gedachte diese aber in sogenannte<br />
Vertrauensleute, die vorwiegend soziale<br />
Befugnisse erhalten sollten, umzuwandeln.<br />
Damit war freilich noch<br />
nichts darüber ausgesagt, wie die zukünftige<br />
<strong>Wehrmacht</strong> einer Deutschen<br />
Republik aussehen sollte. Denn allzu<br />
viel Kampfkraft – das zeigten gescheiterte<br />
Einsätze <strong>zur</strong>ückkehrender Fronttruppen<br />
gegen bewaffnete Anhänger<br />
der Revolution – war von den kampfmüden<br />
Soldaten nicht mehr zu erwarten.<br />
Daher galt es erst einmal, die militärische<br />
Autorität in den Verbänden<br />
wiederherzustellen. Und da dies in den<br />
Front- und Heimattruppenteilen nur<br />
noch im Ausnahmefall gelang, griff<br />
man zum Mittel einer Neuaufstellung<br />
sogenannter Freikorps aus dazu bereiten<br />
Offizieren, Unteroffizieren und<br />
Freiwilligen.<br />
Im Gegensatz dazu wollten die Revolutionäre<br />
die Gunst der Stunde nutzen,<br />
um das zu schaffen, was seit dem<br />
19. Jahrhundert als Ziel linksdemokratischer<br />
Militärprogrammatik galt: eine<br />
republikanische Volkswehr anstelle des<br />
monarchisch orientierten Kaiserheeres.<br />
5 Der frühere Chef der Heeresleitung,<br />
Hans von Seeckt (1866–1936), mit<br />
dem früheren Reichwehrminister Otto<br />
Geßler (1875–1955), Aufnahme von<br />
1931.<br />
BArch, Bild 102-10883<br />
Die Notwendigkeit von Offizieren als<br />
militärtechnischer Funktionselite akzeptierten<br />
zwar auch die Soldatenräte.<br />
Sie wollten deren republikanische Zuverlässigkeit<br />
jedoch durch Führerwahl<br />
in der Truppe, Ablegen aller Insignien<br />
aus der Kaiserzeit und Teilung der<br />
Kommandogewalt mit den Soldatenräten<br />
gesichert sehen. Die Entscheidung<br />
gegen solche Volkswehrpläne und für<br />
ein Berufsheer fiel freilich schon <strong>zur</strong><br />
Jahreswende 1918/19. Im Dezember<br />
1918 setzte sich die Führung der Mehrheitssozialisten<br />
(MSPD) mit ihrer Forderung<br />
nach einer parlamentarischen<br />
Demokratie und gegen das Modell einer<br />
sozialistischen Räterepublik durch.<br />
Aus den Januarwahlen von 1919 für<br />
eine Verfassunggebende Nationalversammlung<br />
gingen die gemäßigten Parteien<br />
mit einem überwältigenden<br />
Wahlsieg hervor. Mit ihrem Sieg im sofort<br />
ausbrechenden Bürgerkrieg entzogen<br />
die schlagkräftigeren Freikorps<br />
auch militärisch den radikalen Befürwortern<br />
einer Volkswehr den Boden.<br />
Um die neue Republik zusätzlich von<br />
außen sicherheitspolitisch unter Kontrolle<br />
zu halten, schränkten die Siegermächte<br />
im Versailler Vertrag von 1919<br />
künftige deutsche Streitkräfte auf reine<br />
Verteidigungszwecke ein. Die Wehrpflicht<br />
wurde abgeschafft und ein<br />
kleingehaltenes 100 000-Mann-Heer<br />
aus Berufs- und Zeitsoldaten vorgeschrieben.<br />
Abwartende Haltung<br />
<strong>zur</strong> Republik<br />
Noch hielten sich bei der Bildung einer<br />
vorläufigen Reichswehr allerdings Reformer<br />
und Traditionalisten in der militärischen<br />
Führung die Waage. Das<br />
schlug sich insbesondere in Maßnahmen<br />
zu einer Modernisierung der Menschenführung<br />
nieder. Unter den Bedingungen<br />
des Ersten Weltkrieges als<br />
eines vorwiegenden Grabenkrieges<br />
war die vor 1914 noch durchgängige<br />
Distanz zwischen Offizieren, Unteroffizieren<br />
und Mannschaften eingeschmolzen<br />
worden. Aufgrund der<br />
räumlichen Nähe und eines neuen<br />
Führungspersonals, das auf Kompanieebene<br />
inzwischen mehrheitlich aus<br />
bürgerlichen Reserveoffizieren und erfahrenen<br />
Feldwebeln bestand, hatte<br />
sich die bisherige formale Disziplin zugunsten<br />
einer auf Sachlichkeit und Ka-<br />
5 Kurt von Schleicher (1882–1934), Aufnahme<br />
ca. 1932.<br />
meradschaft ausgerichteten kleinen<br />
Kampfgemeinschaft weiterentwickelt.<br />
Diese gelegentlich bis <strong>zur</strong> Kumpanei<br />
reichenden Verhältnisse sollten sich<br />
nach 1918 in den Freikorps als selbsternannter<br />
Frontsoldatenbewegung fortsetzen.<br />
Die Freikorpssoldaten verkörperten<br />
den reinen Kämpfertypus und<br />
waren mehr auf ihre anerkannten<br />
Frontführer als auf den Gehorsam gegenüber<br />
der Republik und höhere Vorgesetzte<br />
eingeschworen. Beim Aufbau<br />
der Reichswehr würde man diese eher<br />
an ein modernes Söldnertum erinnernden<br />
Truppenteile und deren Führerkorps<br />
daher nur im Ausnahmefall<br />
berücksichtigen, da sie kaum in eine<br />
disziplinierte Friedensarmee zu integrieren<br />
waren.<br />
Andererseits verloren aber auch diejenigen<br />
Offiziere an der Spitze der<br />
Reichswehr schnell an Durchsetzungskraft,<br />
die bereit waren, zugunsten einer<br />
republiktreuen Truppe auf Reformforderungen<br />
aus dem Lager der demokratischen<br />
Parteien einzugehen. Wohl<br />
standen bis zum Frühjahr 1920 mit<br />
Reichswehrminister Gustav Noske<br />
(SPD) und dem württembergischen<br />
Oberst Walther Reinhardt als Chef der<br />
Heeresleitung überzeugte Republikaner<br />
an der Spitze der Armee. Der eigentliche<br />
militärische Aufbau wurde jedoch<br />
von General von Seeckt als Chef<br />
des Heeresamtes gesteuert, dem es vor-<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2009<br />
BArch, Bild 136-B0228