Vom Führerheer zur Wehrmacht Hitler-Stalin-Pakt ... - MGFA
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Kriegsbeginn<br />
September 1939<br />
Der Einmarsch deutscher Truppen<br />
in Polen am Morgen des 1. September<br />
1939 und die darauffolgende<br />
Kriegserklärung Großbritanniens und<br />
Frankreichs an das Deutsche Reich<br />
vom 3. September bedeuteten vor siebzig<br />
Jahren den Beginn des Zweiten<br />
Weltkrieges. Die große Zahl deutscher<br />
Angriffsdivisionen mit raumfassenden<br />
Panzerverbänden führte in Verbindung<br />
mit dem Einsatz der deutschen<br />
Luftwaffe schon nach wenigen Wochen<br />
zum Zusammenbruch Polens.<br />
Die Brüder Gottfried und Franz Ehrle<br />
aus Wangen im Allgäu waren als Angehörige<br />
der 1. Gebirgs-Division seit<br />
dem Ausbruch der Kämpfe im<br />
Kriegseinsatz. Ihre unmittelbaren<br />
Kriegseindrücke hielten sie auf zahlreichen<br />
Fotografien fest, die nach Auskunft<br />
einer noch lebenden Verwandten<br />
für eine Fotoausstellung nach dem<br />
Kriege Material bieten sollten. Überliefert<br />
sind 41 Filme, die den Polenfeldzug<br />
von 1939, den Einsatz in Frankreich<br />
1940 sowie in Rumänien und<br />
Russland 1941 und 1942 dokumentieren.<br />
Die hier gezeigten Aufnahmen entstanden<br />
unmittelbar nach Kriegsausbruch:<br />
Eingebunden in das XVIII. Gebirgs-Armee-Korps,<br />
überschritten die<br />
Gebirgsjäger-Regimenter 98, 99 und<br />
100 die slowakisch-polnische Grenze<br />
am 5. September mit dem Befehl, den<br />
5 Gefallene. Aufnahme der Brüder Ehrle vom September 1939.<br />
Militärgeschichte im Bild<br />
strategisch wichtigen Eisenbahnknotenpunkt<br />
Lemberg einzunehmen. Bis<br />
<strong>zur</strong> endgültigen Einnahme der Stadt<br />
am 21. September fielen 405 Soldaten<br />
der 1. Gebirgs-Division, 918 wurden<br />
verwundet. Über 10 000 polnische Soldaten<br />
gerieten in Gefangenschaft; <strong>zur</strong><br />
hohen Zahl polnischer Verwundeter<br />
und Gefallener gibt es keine zuverlässigen<br />
Angaben.<br />
Der Beginn des Zweiten Weltkrieges<br />
mit seinen katastrophalen Folgen für<br />
das gesamte Europa ist in der Literatur<br />
unzählige Male geschildert worden.<br />
Welches Bild Gottfried und Franz Ehrle<br />
mit der beabsichtigten Fotoausstellung<br />
genau zeichnen wollten, muss offen<br />
bleiben; beide fielen während des<br />
Krieges. Das offizielle Berlin versäumte<br />
es jedenfalls nicht, noch 1939 eine Dokumentation<br />
vorzulegen, mit der die<br />
vermeintliche Schuld Polens am Kriegsausbruch<br />
belegt werden sollte. Dem<br />
amtlichen »Weißbuch« zum Kriegsausbruch<br />
folgte noch im Dezember 1939<br />
eine Sammlung der »Dokumente <strong>zur</strong><br />
Vorgeschichte des Krieges‹, zu denen<br />
Außenminister Joachim von Ribbentrop<br />
in seinem Vorwort schrieb, dass<br />
»sie den systematischen Ausrottungskampf,<br />
den die Polen seit dem Weltkrieg<br />
gegen das Deutschtum in Polen<br />
und gegen Danzig geführt haben«, bewiesen.<br />
Zahlreiche weitere »Dokumente<br />
polnischer Grausamkeit« (so der<br />
Privat<br />
Titel einer im Auftrag des Auswärtigen<br />
Amtes herausgegebenen Quellensammlung<br />
mit zahlreichen Bilddokumenten)<br />
folgten, deren Zielsetzung in<br />
der Rückschau nur zu offensichtlich<br />
ist: Die Propaganda von dem »uns aufgezwungenen<br />
Kampf« – so die Worte<br />
Ribbentrops – sollte den verbrecherischen<br />
Charakter des Angriffskrieges<br />
auf Polen verschleiern.<br />
Die Aufnahmen der Gebrüder Ehrle<br />
sind frei von solchen Intentionen. Sie<br />
zeigen den oft banalen Alltag im<br />
Kriege; sie zeigen die Opfer des<br />
Krieges. Vielleicht liegt für uns Nachgeborene<br />
hierin der eigentliche Quellenwert<br />
solcher Bildersammlungen,<br />
wie sie in großer Zahl erhalten sind. Sie<br />
vermitteln auch siebzig Jahre nach dem<br />
Kriegsende eine Wirklichkeit, die gerade<br />
den Jüngeren kaum mehr als eine<br />
solche erscheint – wurde doch durch<br />
die Aussöhnung Deutschlands mit seinen<br />
Nachbarn, die Integration Europas<br />
und das Ende des Kalten Krieges eine<br />
neue Wirklichkeit geschaffen. Aufnahmen<br />
dieser Art sind eine stete Mahnung<br />
daran, den 1945 eingeschlagenen<br />
Weg fortzusetzen, im Wissen um die<br />
Schrecken der Vergangenheit, wie sie<br />
die wohl meisten Beteiligten der<br />
Kriegsparteien – Zivilisten wie Soldaten<br />
gleichermaßen – erleiden mussten.<br />
Die Gebrüder Ehrle erlebten das<br />
Kriegsende und den Frieden nicht<br />
mehr, doch ist ein schriftliches Dokument<br />
erhalten, das den nur allzumenschlichen<br />
Wunsch auf eine andere,<br />
bessere Zukunft zum Ausdruck bringt.<br />
Im Felde schrieb Franz Ehrle am<br />
10. Oktober 1943 eine Feldpostkarte an<br />
seine Mutter, in der es heißt: »Liebes<br />
Manterle! Zu Deinem kommenden Namenstage<br />
wünscht Dir alles, alles Gute,<br />
vor allem Gesundheit, ein langes Leben<br />
und den nächsten Namenstag im<br />
Frieden und zuletzt den Himmel! Von<br />
Herzen Dein Sohn Franz.«<br />
Alexander Jaser<br />
Literaturtipp<br />
Hermann Frank Meyer, Blutiges Edelweiß. Die 1. Gebirgs-<br />
Division im Zweiten Weltkrieg. Berlin 2008 (als Lesetipp<br />
auf S. 27).<br />
Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2009<br />
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