Vom Führerheer zur Wehrmacht Hitler-Stalin-Pakt ... - MGFA
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Service<br />
Eine Woche bevor der Vertrag von<br />
Versailles den Ersten Weltkrieg<br />
formell beendete, wurden im<br />
Norden Schottlands 74 Einheiten der<br />
deutschen Hochseeflotte von ihren Besatzungen<br />
fast vollständig versenkt: 50<br />
Torpedoboote, acht Kleine Kreuzer,<br />
fünf Große Kreuzer und elf Linienschiffe<br />
– insgesamt 400 000 Tonnen<br />
Schiffsmaterial, nahezu der ganze Stolz<br />
der Kaiserlichen Marine. Sieben Monate<br />
hatten die Schiffe in der von den<br />
Orkney-Inseln gebildeten Bucht vor<br />
Anker gelegen.<br />
Während die bis 1917 gefährlich<br />
schlagkräftigen U-Boote an die gegnerischen<br />
Mächte ausgeliefert wurden,<br />
verlangte der Waffenstillstandsvertrag<br />
vom 11. November 1918 die Internierung<br />
der großen Überwasserschiffe. In<br />
den Heimathäfen entwaffnet, brach die<br />
Flotte kurz darauf von Wilhelmshaven<br />
in einer 50 Kilometer langen Linie zu<br />
ihrer letzten Fahrt auf. Auf deutscher<br />
Seite glaubte man noch, die Schiffe<br />
würden als ein »vorübergehendes<br />
Pfand« nach dem Friedenschluss <strong>zur</strong>ückkehren.<br />
Chef des Überführungs-<br />
und später des Internierungsverbands<br />
Scapa Flow war Konteradmiral Ludwig<br />
von Reuter. Zunächst fuhren die<br />
Schiffe zum Firth of Forth vor Edinburgh,<br />
wo die Briten mit großem Flot-<br />
Das historische Stichwort<br />
tenaufgebot sie erwarteten: 90 000<br />
Mann auf 370 Schiffen, für die Deutschen<br />
ein maritimer Spießrutenlauf.<br />
Admiral David Beatty wollte mit seiner<br />
Siegesparade einen Ausgleich für<br />
die ausgebliebene Vernichtungsschlacht<br />
schaffen. Die Royal Navy hatte<br />
schließlich den Krieg mit der wirksamen,<br />
dabei aber wenig spektakulären<br />
Fernblockade gewonnen, und die<br />
Kaiserliche Marine hatte sie nicht verhindern<br />
können. An diesem 21. November<br />
1918 mussten die Deutschen<br />
ihre Kriegsflaggen einholen. Danach<br />
überprüften britische und amerikanische<br />
Offiziere, ob die Entwaffnung tatsächlich<br />
erfolgt war. Sie wurden von<br />
lässigen deutschen Soldatenräten und<br />
Matrosen beobachtet, die vergeblich<br />
auf den Schulterschluss mit den gegnerischen<br />
Mannschaften hofften.<br />
Ab dem folgenden Tag ging es weiter<br />
nach Scapa Flow, dem Stützpunkt der<br />
»Grand Fleet«. Von hier aus hatte sie<br />
während des Krieges ihre Fernblockade<br />
unterhalten und die Kaiserliche<br />
Marine zu weitgehender Untätigkeit<br />
verurteilt.<br />
Der Internierungsort bot wenig Abwechslung.<br />
Außer ein paar Häusern<br />
und Baracken, Schafen, Möwen- und<br />
Kormoranschwärmen gab es nicht viel<br />
zu sehen. Die Briten umkreisten mit<br />
22 Militärgeschichte · Zeitschrift für historische Bildung · Ausgabe 2/2009<br />
Scapa Flow,<br />
21. Juni 1919<br />
5 Feuerbereite britische Kriegsschiffe (li.) begleiten Schiffe der deutschen Hochseeflotte <strong>zur</strong> Internierung nach Scapa Flow.<br />
Dampfern den Verband und hielten ein<br />
Wachgeschwader in Bereitschaft. Der<br />
Landgang war den deutschen Besatzungen<br />
verwehrt. Von 20 000 Mann Besatzung<br />
kehrten während der folgenden<br />
Monate 15 000 in die Heimat<br />
<strong>zur</strong>ück. Die restlichen 5 000 hielten die<br />
Fahrtbereitschaft aufrecht. Außer den<br />
nötigsten Reinigungs- und Wartungsarbeiten<br />
gab es nicht viel zu tun. Die<br />
Briten lieferten Wasser und Kohle auf<br />
Rechnung; Proviant kam aus Deutschland,<br />
täglich eintausend Brote und wenig<br />
frische Lebensmittel. Die Besatzungen<br />
angelten kleine Fische und<br />
hungerten mal mehr, mal weniger. Der<br />
direkte Funkverkehr mit der Heimat<br />
war untersagt. Die Internierung wurde<br />
de facto <strong>zur</strong> Kriegsgefangenschaft. Um<br />
den Jahreswechsel 1918/19 herum kam<br />
es zu Unruhen, ausgehend vom Flaggschiff<br />
»Friedrich der Große«. Gemäßigte<br />
Mannschaften schützten von Soldatenräten<br />
»entlassene« Offiziere. Rollschuhfahren<br />
auf dem Achterdeck war<br />
eine der harmloseren Methoden, Vorgesetzte<br />
zu ärgern. Umgekehrt provozierte<br />
die Mannschaft des Kleinen<br />
Kreuzers »Bremse« die anderen Schiffe<br />
damit, dass sie am 27. Januar den Geburtstag<br />
Wilhelms II. in Paradeuniform<br />
(»Anzug blau«) feierte. Konteradmiral<br />
von Reuter, auch er unbewaffnet, be-<br />
Süddeutsche Zeitung Photo/Scherl