12 <strong>Haltung</strong> <strong>zeigen</strong>! Leo Hickman und seine Frau Jane bekommen ein Baby. Durch diese Erfahrung sensibilisiert, entdeckt der britische Journalist – ähnlich wie der amerikanische Autor Jonathan Safran Foer, nur ein paar Jahre früher – sein Gewissen. Er stellt sich ein paar Fragen, zum Beispiel: Wer bin ich? Was mache ich mit meinem Leben? War das schon alles? Bin ich ein guter Mensch? Was ist es, das mich davon abhält, mich aus dem Sessel zu erheben und etwas zu tun – wie unbedeutend auch immer –, das etwas Positives in der Welt bewirkt? Er kommt zu dem Schluss, dass er in drei wichtigen Bereichen eine Art Nachhilfe braucht: bei seiner Ernährung; bei den Umweltschäden, für die er verantwortlich ist; und beim Wissen über die Macht, die große Konzerne und Regierungen über die Menschen haben. Daraufhin kämmen Hannah, Renee, Keith und Mike das Leben der Familie Hickman nach ethisch unkorrekten Verhaltensweisen durch. Das Buch, in dem der Autor seine Erfahrungen schildert und zwischen Idealismus und Verzweiflung schwankt, heißt: „Fast nackt – mein abenteuerlicher Versuch, ethisch korrekt zu leben“. Hier sind ein paar winzige Einblicke. Und irrsinnige Erkenntnisse. Wer bin ich? War das schon alles? Bin ich ein guter Mensch? Kann ich so weitermachen wie bisher? Oder übernehme ich mal etwas: Verantwortung? Fleisch „Die meisten Rinder-, Schweine und Geflügelzüchter – von denen fast alle ums Überleben kämpfen – versuchen, viele Tiere auf möglichst kleiner Fläche aufzuziehen und mit billigstem Futter zu füttern. Wenn Tiere so zusammengedrängt sind, verbreiten sich Krankheiten rasch, und die Bauern müssen auf Impfstoffe und Antibiotika zurückgreifen.“ Mike erklärt, dass viel von dem Fleisch, das wir essen, genetisch modifiziertes Soja und Getreide enthält. „Der Druck, Soja in großen Mengen für die Fleischindustrie zu produzieren, führt zur Zerstörung großer Flächen des Regenwalds am Amazonas. Satellitenbilder des National Institute for Space Research <strong>zeigen</strong>, dass mehr als 25 000 Quadratkilometer Regenwald seit letztem Jahr zerstört worden sind, woran die Sojaproduktion für die Fleischindustrie einen beträchtlichen Anteil hat.“ Die Zahl geht mir nicht mehr aus dem Kopf, das Gebiet ist ungefähr genauso groß wie das schottische Hochland. Hannah hält es für wichtig, dass Fleischesser sich darüber im Klaren sind, dass der Verzehr von Fleisch nach dem Erwerb und Gebrauch von Autos am zweitschädlichsten für die Umwelt ist. „Eine der ernstesten Konsequenzen ist Wasserverschmutzung. Gärfutter verursacht zweihundert Mal mehr Verschmutzung als Abwasser. Und man braucht 21 000 Liter Wasser, um ein Kilo Rindfleisch zu produzieren, im Gegensatz zu 210 Liter für ein Kilo Weizen. Weltweit werden so viele Wälder abgeholzt, weil man Weideland braucht.“ Windeln Jane und ich sind nicht naiv. Wir wissen, dass uns die Wegwerfwindeln einen Verweis einbringen werden. „Die Windelfrage stellt uns vor ein ethisches Dilemma.“, sagt Mike. „Sie haben sich für Bequemlichkeit und gegen die Umwelt entschieden. Jeden Tag werden in Großbritannien acht Millionen Windeln weggeworfen, und neunzig Prozent davon landen auf Deponien. Sie sollten es einmal mit Frotteewindeln versuchen. Sie mögen zwar nicht immer so praktisch sein, aber Sie sparen dadurch Geld. Das Women’s Environment Network schätzt, dass man über die Zeit, in der das Kind Windeln braucht, mit Frottee-Windeln etwa fünfhundert Pfund spart.“ Ökokiste Keith sagt, neue Kunden bräuchten einen Monat oder so, um sich an die Kisten zu gewöhnen. Vom Supermarkt zur Abokiste, das sei ein Kulturschock. Am schwersten fällt es den Neukunden, sich darauf einzustellen, dass sie nur noch saisonale Produkte bekommen. Man muss sich also erst einmal daran gewöhnen, nicht mehr jede Woche das Gleiche im Kühlschrank zu haben. Stattdessen bekommt man neue Produkte, über deren Zubereitung man nachdenken muss. Keith sagt, dass die breite Öffentlichkeit kaum noch Bescheid weiß über die Jahreszeiten und die unterschiedlichen Obst- und Gemüsesorten, die in einem Land produziert werden. Die Versandkiste eignet sich großartig als Anschauungsmaterial. Wir finden es großartig, aus dem wöchentlichen Newsletter zu erfahren, wie und wo unser Obst und Gemüse angebaut wurde. Wir warten jede Woche voller Ungeduld auf die Kiste, genießen das Kochen mehr und sehen es nicht mehr als lästige Pflicht nach einem langen Arbeitstag an. Hilfreich dabei ist ohne Frage, dass die Produkte wirklich viel besser schmecken als die, die wir früher im Supermarkt gekauft haben. Reisen Die Berater fragen, wo wir zuletzt Urlaub gemacht haben. Verlegen zähle ich unsere letzten Reiseziele auf. „Auf die Kombination von Flug und Mietwagen sollten Sie verzichten, wenn Sie Ihre Urlaube umweltfreund-
Justin Mühlenhardt: »Mal richtig Hinschauen, bitte.« 13