30. Jahrgang Nummer 4/5 - 30.07.1989 - der Gruppe Arbeiterpolitik
30. Jahrgang Nummer 4/5 - 30.07.1989 - der Gruppe Arbeiterpolitik
30. Jahrgang Nummer 4/5 - 30.07.1989 - der Gruppe Arbeiterpolitik
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
VR China und die im~erialistischen Län<strong>der</strong>:<br />
»Im Westen geht für China keine Sonne auf« sunvat-sen<br />
Zwischen <strong>der</strong> Innenpolitik eines Landes und <strong>der</strong> weltpoli-<br />
tischen Entwicklung besteht eine Wechselwirkung, die nicht<br />
immer sogleich zu erkennen ist. Auch die jüngsten Vorgänge<br />
in Peking sind ohne den Zusammenhang mit <strong>der</strong> weltpoliti-<br />
schen Lage nicht zu verstehen. Dazu einige Anmerkungen.<br />
Seit einiger Zeit schon bahnte sich nach fast 30jährigem<br />
Streit zwischen <strong>der</strong> Sowjetunion und <strong>der</strong> VR China eine<br />
Annäherung an. Als Vorbedingung für konkrete bilaterale<br />
Verhandlungen hatte die VR China drei For<strong>der</strong>ungen an die<br />
SU gestellt:<br />
Abzug <strong>der</strong> sowjetischen Truppen aus Afghanistan,<br />
Abzug <strong>der</strong> sowjetischen Truppen aus dem sowjetisch-<br />
chinesischen Grenzgebiet,<br />
Abzug <strong>der</strong> von den Sowjets unterstützten Vietnamesen<br />
aus Kambodscha.<br />
Die Sowjetunion ist dabei, diesen For<strong>der</strong>ungen (nicht nur,<br />
weil die Chinesen das for<strong>der</strong>n) nachzukommen. Die Gegen-<br />
for<strong>der</strong>ungen <strong>der</strong> SU sind uns nicht bekannt, aber aus einigen<br />
diplomatischen Bewegungen läßt sich folgern, daß die<br />
Sowjets darauf drängen, die VR China möge ihrerseits auf<br />
Pakistan Druck ausüben, nicht mehr das Hinterland für den<br />
reaktionären afghanischen Wi<strong>der</strong>stand abzugeben. Die VR<br />
China hatte sich mit Pakistan (als dem politischen Gegner<br />
Indiens) politisch verbündet, seit sie 1960 von Indien in einen<br />
Krieg hineingezogen wurde, in dem die Sowjets für Indien<br />
Partei ergriffen.<br />
Die Annäherung zwischen <strong>der</strong> SU und <strong>der</strong> VR China<br />
drückt sich inzwischen darin aus, daß die Grenzbefestigun-<br />
gen an <strong>der</strong> gemeinsamen Grenze abgebaut werden, daß seit<br />
Beginn dieses Jahres die Wirtschaftsbeziehungen zwischen<br />
den grenznahen Gebieten zunehmen und z.B. mehrere tau-<br />
send chinesische Arbeiter täglich auf die sowjetische Seite<br />
kommen, um dort am Ausbau <strong>der</strong> Infrastruktur teilzuneh-<br />
men, wobei sie Erfahrungen sammeln, die sie im eigenen<br />
Land verwerten können.<br />
Der Besuch Gorbatschows in Peking war <strong>der</strong> jüngste Aus-<br />
druck <strong>der</strong> Verbesserungen dieser Beziehungen, die Abma-<br />
chung weiterer Wirtschaftskontakte kann sich für beide Sei-<br />
t.en stimulierend auswirken, vor allem auf die wenig ent-<br />
wickelten Regionen auf beiden Seiten <strong>der</strong> Grenze.<br />
USA: die Finger drin behalten<br />
Nach dem zweiten Weltkrieg hatte die Sowjetunion in <strong>der</strong><br />
Atombewaffnung mit den USA gleichgezogen. Während des<br />
Aggressionskrieges <strong>der</strong> USA in Vietnam war die Sowjetunion<br />
neben <strong>der</strong> VR China die entscheidende Stütze für die Viet-<br />
namesen. Dadurch wurden die USA von einem Atomkrieg in<br />
Vietnam abgehalten und <strong>der</strong> weltpolitsche Gegensatz zwi-<br />
schen <strong>der</strong> SU und den USA (und damit zwischen dem soziali-<br />
stischen und dem imperialistischen Lager) verstärkt. Mit <strong>der</strong><br />
endgültigen militärischen Nie<strong>der</strong>lage im Vietnam-Krieg war<br />
die Asienpolitik <strong>der</strong> USA in <strong>der</strong> bhherigen Form (japanische<br />
Kapitulation, Korea-Krieg) gescheitert.<br />
Die trotz gemeinsamer Unterstützung Vietnams weiterbe-<br />
stehenden Gegensätze zwischen <strong>der</strong> Sowjetunion und <strong>der</strong> VR<br />
China versuchten die USA in ihrem Interesse auszunutzen.<br />
Nach <strong>der</strong> für die chinesische Wirtschaft folgenschweren Ein-<br />
stellung <strong>der</strong> sowjetischen Untertützung (Abzug <strong>der</strong> sowjeti-<br />
schen Techniker 1960 etc.) und nach den Erschütterungen<br />
<strong>der</strong> Kulturrevolution entschied sich die chinesische Führung,<br />
ausländischem Kapital die Türen zu öffnen. Die USA nutzten<br />
dies für die Entwicklung einer neuen »Asien-Politika, das<br />
heißt, sie än<strong>der</strong>ten ihre Methoden, um ihren imperialisti-<br />
schen Einfluß auszudehnen.<br />
Dies drückte sich in <strong>der</strong> Anerkennung <strong>der</strong> VR China als<br />
einziger Vertretung Chinas aus, was den gleichzeitigen<br />
Abbruch <strong>der</strong> diplomatischen Beziehungen zu Taiwan bedeu-<br />
tete. Als nächster Schritt folgte die Aufnahme <strong>der</strong> VR China<br />
in den Sicherheitsrat <strong>der</strong>UNOWeiterhin gewährten dieUSA<br />
<strong>der</strong> VR China wirtschaftliche Präferenzen (unter an<strong>der</strong>em<br />
Studienmöglichkeiten für mehrere tausend Chinesen in den<br />
USA), die an<strong>der</strong>en Staaten des sozialistischen Lagers nicht<br />
gewährt wurden.<br />
Nach dem Verlust ihrer Horch- und Radarstationen im<br />
Iran, die <strong>der</strong> Ausspionierung <strong>der</strong> Sowjetunion galten, erlaub-<br />
ten die Chinesen den USA den Bau von 9 Horch-Stationen an<br />
<strong>der</strong> sowjetisch-chinesischen Grenze für denselben Zweck.<br />
Der amerikanische Präsident Bush hat auf diesen Aspekt <strong>der</strong><br />
gemeinsamen Beziehungen hingewiesen, als er innerameri-<br />
kanische Kritik an <strong>der</strong> zahmen Reaktion <strong>der</strong> USA auf die<br />
jüngsten Ereignisse mit dem Hinweis auf die Bedeutung <strong>der</strong><br />
»strategischen Beziehungen« zurückwies.<br />
Richard Nixon, <strong>der</strong> ehemalige Präsident <strong>der</strong> USA, <strong>der</strong> in<br />
seiner Amtszeit zusammen mit seinem Außenminister<br />
Henry Kissinger die diplomatischen Beziehungen zur VR-<br />
China wie<strong>der</strong> herstellte, spricht bezogen auf die heutige Politik<br />
<strong>der</strong> USA von »handfesten Eigeninteressen hinter unserer<br />
Annäherung an China«.<br />
Nixon spricht auch deutlich das weltpolitische Interesse<br />
<strong>der</strong> USA an, das durch Ereignisse wie jüngst in Peking nicht<br />
vernachlässigt werden dürfe: ~Gorbatschow weiß ..., daß eine<br />
frostige ~tmos~häre zwischen Washington und Peking sich<br />
günstig auf die Entwicklung <strong>der</strong> Beziehungen zwischen Moskau<br />
und Peking auswirken könnte. Nach den dramatischen<br />
Geschehnissen auf dem Tiananmen-Platz ist ein an<strong>der</strong>es<br />
wichtiges Ereignis, das einige Tage zuvor stattfand, schon<br />
fast in Vergessenheit geraten: die Normalisierung <strong>der</strong> Beziehungen<br />
zwischen Moskau und Pekinga. Und an an<strong>der</strong>er<br />
Stelle: uDie Chinesen sind ein Vierteljahrhun<strong>der</strong>t ohne den<br />
Westen zurecht gekommen, und das wird ihnen auch weiterhin<br />
gelingen. Wenn wir sie jetzt in ihre Isolation vom Westen<br />
zurückdrängen, riskieren wir eine potentiell verhängnisvolle<br />
Entente zwischen den zwei kommunistischen Großmächten,<br />
<strong>der</strong>en Entstehen niemand ernstlich wünschen kann - außer<br />
Gorbatsch0w.a (Die Zeit, <strong>30.</strong> 6. 89)<br />
Mit dem von <strong>der</strong> chinesischen Führung für die Wirtschaftsentwicklung<br />
gewünschten Kapitalzufluß aus den USA*<br />
(und an<strong>der</strong>en imperialistischen Län<strong>der</strong>n) beginnen sich vor<br />
allem in den großen Städten Chinas bürgerliche Ideologie<br />
und Konsumgewohnheiten auszubreiten, woran die USA<br />
ebenfalls interessiert sind. Die jüngsten Unruhen in Peking<br />
haben die USA gewiß nicht erzeugt, aber sie haben - in den<br />
letzten Monaten verstärkt - jede sich bietende Gelegenheit<br />
wahrgenommen, um die innerchinesischen Konflikte zu<br />
schüren, z.B. während des Bush-Besuches in Peking. Ebenso<br />
frohlockte die amerikanische Presse angesichts <strong>der</strong> protokollarischen<br />
Schwierigkeiten während des Gorbatschow-Besuches.<br />
Wenn etwas sicher ist dann dies: Die USA als politisch<br />
führende Macht des imperialistischen Lagers werden weiterhin<br />
alle Möglichkeiten nutzen, die inneren Verhältnissen<br />
Chinas (und <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong> des sozialistischen Lagers)<br />
zu destabilisieren, einschließlich <strong>der</strong> gerade beginnenden<br />
Konsolidierung des sowjetisch-chinesischen Verhältnisses.<br />
Mit <strong>der</strong> Reform- und Öffnungspolitik mußte sich für die<br />
Kommunistische Partei Chinas die Frage stellen, die sie<br />
vorerst mit militärischen Mitteln beantwortet hat: ob das<br />
hereinströmende Kapital die politischen Grundlagen, die<br />
unter großen Opfern durch die Revolution geschaffen wurden,<br />
zerstört werden o<strong>der</strong> ob die revolutionäre Macht das<br />
imperialistische Kapital und dessen politische Begleiterscheinungen<br />
(vor allem Inflation und Korruption) unter Kontrolle<br />
halten kann. 15. 7. '89 H<br />
.\