08.01.2013 Aufrufe

30. Jahrgang Nummer 4/5 - 30.07.1989 - der Gruppe Arbeiterpolitik

30. Jahrgang Nummer 4/5 - 30.07.1989 - der Gruppe Arbeiterpolitik

30. Jahrgang Nummer 4/5 - 30.07.1989 - der Gruppe Arbeiterpolitik

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

tungen führen und zwar darum, wer denn nun .beson<strong>der</strong>s<br />

belastet* ist und wer nicht, und es werden an je<strong>der</strong> Schule<br />

möglicherweise an<strong>der</strong>e Lösungen entwickelt werden, so daß<br />

die Lehrerschaft noch m.ehr gespalten wird als bisher. Zum<br />

vierten haben die angekündigten 450 Einstellungen nichts<br />

mit <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung zu tun, da sie noch nicht einmal<br />

die durch Pensionierung et~. freiwerdenden 540 stellen<br />

für die nächsten zwei Jahre abdecken. Also Beschiß. von<br />

vorne bis hinten.<br />

Und trotzdem kein neuer Streik?<br />

Als sich Ende '88/Anfang '89 seitens des Senats in Richtung<br />

Arbeitszeitverkürzung nichts getan hatte, obwohl die<br />

GEW-Lehrerinnen im Oktober gestreikt hatten, plante man<br />

für Anfang April eine erneute Streikaktion, um noch einmal<br />

Druck zu machen und daran zu erinnern, daß am 1. April die<br />

erste Stufe <strong>der</strong> Arbeitszeitverkürzung im Offentlichen Dienst<br />

umgesetzt wird. Die Aktion war zwar bei manchen umstritten,<br />

da sie nur die ersten beiden Schulstunden betreffen<br />

sollte und damit hinter die Oktoberaktion zurückfiel, aber da<br />

sie auch nur ein neuer Warnschuß sein sollte, wurde sie doch<br />

von <strong>der</strong> Mehrheit befürwortet. Im März - während <strong>der</strong><br />

Osterferien - kam dann obiger Senatsbeschluß, und als die<br />

Schule wie<strong>der</strong> anfing und die KollegInnen den Beschluß diskutierten,<br />

waren alle sauer und wollten dagegen protestieren.<br />

Entsprechend war die Stimmung auf <strong>der</strong> W am <strong>30.</strong> 3., wo<br />

alles nur auf den Streikbeschluß wartete.<br />

Doch mittlerweile hatte sich hinter den Kulissen <strong>der</strong> Wind<br />

gedreht. Der von SPD und DKP dominierte Vorstand schätzte<br />

den Senatsbeschluß (SPD/FDP-Koalition) intern nämlich<br />

an<strong>der</strong>s ein. Tenor: unzureichend, aber ein Schritt in die richtige<br />

Richtung. Außerdem: Dieser Beschluß sei ein ~Betonbeschluß«,<br />

wer ihn kippen wolle, müsse schon die Kraft haben,<br />

die Koalition kippen zu wollen, denn da spiele die FDP nicht<br />

mehr mit - und die habe die GEW nicht.<br />

Damit stand für die Vorstandsmehrheit nun das Problem:<br />

Wie kriegen wir die Kuh vom Eis? O<strong>der</strong> an<strong>der</strong>s ausgedrückt:<br />

Wie beenden wir die Kampagne, ohne dabei in ein zu<br />

schlechtes Licht zu geraten? So wurde <strong>der</strong> überraschten W,<br />

die eine <strong>der</strong> bestbesuchtesten <strong>der</strong> letzten Jahre war, vorgeschlagen,<br />

die für Anfang April geplante Streikaktion abzusetzen,<br />

da eine neue Lage entstanden sei. Es läge ja nun ein<br />

Beschluß des Senats vor, <strong>der</strong> natürlich völlig unakzeptabel<br />

sei, aber um diesen zu kippen, bedürfe es einer viel massiveren<br />

Aktion als <strong>der</strong> jetzt geplanten. Man müsse deshalb die<br />

Kräfte aufsparen und auf einen späteren Zeitpunkt vor den<br />

Sommerferien konzentrieren, wenn <strong>der</strong> Senat in die Haushaltsberatungen<br />

eintrete. Man müsse jetzt einen »langen<br />

Atem« haben - ein Argument, das immer dann kommt,<br />

wenn etwas 'runtergeknechtet werden soll -vorher heißt es<br />

immer, man dürfe die vorhandene Kampfbereitschaft nicht<br />

verspielen.<br />

Diese Argumentation verfing bei den versammelten Vertrauensleuten<br />

- unter an<strong>der</strong>em auch deshalb, weil nur<br />

wenige <strong>der</strong> Argumentation des Vorstandes Uberzeugendes<br />

entgegenzusetzen hatten. Die vofstandskritische Linke muß<br />

sich hier den Vorwurf gefallen lassen, nicht wach genug<br />

gewesen und auf diese Taktik 'reingefallen zu sein. Die Linken<br />

wußten zwar immer, daß irgendwann <strong>der</strong> Rückzug'und<br />

das Abwiegeln kommen würde; als <strong>der</strong> Rückzug dann aber<br />

kam, setzten nur wenige etwas entgegen.<br />

Natürlich lag das Abblasen <strong>der</strong> April-Aktion nicht nur an<br />

dem Versagen <strong>der</strong> Linken. Die GEW-Kolleginnen und auch<br />

viele Nichtorganisierte waren zwar empört - aber für einige<br />

war <strong>der</strong> Kampf mit dem Senatsbeschluß auch beendet, »da<br />

kann man nichts mehr machen«. Außerdem hatten bei vielen<br />

die Disziplinarmaßnahmen <strong>der</strong> Behörde doch gewirkt, die<br />

zwar relativ harmlos waren (~Mißbilligung* und Gehaltsabzug),<br />

aber doch Bedenken vor einem zweiten Streik verstärkten,<br />

<strong>der</strong> vermutlich schärfere Sanktionen seitens <strong>der</strong> Behörde<br />

zeigen würde. Viele <strong>der</strong> aktiven Vertrauensleute waren aber<br />

aus einem ganz an<strong>der</strong>en Grund bereit, <strong>der</strong> Argumentation<br />

<strong>der</strong> Vorstandsmehrheit zu folgen: Ihnen erschien die 2stün-<br />

dige Arbeitsnie<strong>der</strong>legung als ein Rückschritt gegenüber dem<br />

eintägigen Streik. Sie stellten sich die ja auch berechtigte<br />

Frage, wie man denn mit einer zweistündigen Arbeitsnie<strong>der</strong>-<br />

legung seine For<strong>der</strong>ungen durchsetzen wolle, wenn man dies<br />

mit einem eintägigen Streik schon nicht geschafft hatte.<br />

Diese »Bauchschmerzen« griffen die Vorsitzende und die<br />

Mehrheit <strong>der</strong> Arbeitskampfleitung geschickt durch eine wort-<br />

radikale Propaganda für einen mindestens ein- bis zweitägi-<br />

gen Streik zu einem späteren Zeitpunkt auf. Die Verschie-<br />

bung wurde auch damit begründet, daß dies durch eine<br />

erneute Urabstimmung vorbereitet werden müsse. Auf diese<br />

Taktik: sich kämpferisch nach außen gebärden, um hinter<br />

den Kulissen »runterzukochena, fielen sowohl die Mehrheit<br />

<strong>der</strong> Linken als auch viele <strong>der</strong> Vertrauensleute herein, deshalb<br />

stimmten sie dem Antrag zu, keine zweistündige Arbeitsnie-<br />

<strong>der</strong>legung durchzuführen, dafür aber einen mindestens ein-<br />

bis zweitägigen Streik zu einem späteren Zeitpunkt. So gab<br />

es für die Argumentation des Vorstandes durchaus einen<br />

gewissen Boden. Objektiv mußte aber <strong>der</strong> Beschluß, die<br />

Streikaktion zu vertagen, so wirken, daß die vorhandene<br />

Empörung verpuffte, die Kampfbereitschaft nachließ und dit, 4<br />

Resignation, übervorsichtiges Bedenken und Passivität wie-<br />

<strong>der</strong> die Oberhand gewannen.<br />

Die als »Ersatz« für den 11. 4. angesetzte Demonstration<br />

am Nachmittag zeigte dann mit über 3 000 TeilnehmerInnen,<br />

daß durchaus noch Bereitschaft zum Protest zu diesem Zeit-<br />

punkt da war, denn normalerweise kommen zu so einer<br />

~Latschdemoa nur einige hun<strong>der</strong>t KollegInnen.<br />

Abgesang<br />

Damit war dann aber auch die Luft 'raus. Eine VV Ende<br />

April war nur noch schlecht besucht, die Stimmung resigna-<br />

tiv. Trotzdem beschloß sie noch einmal, jetzt schon entgegen<br />

ersten Einwänden seitens <strong>der</strong> Arbeitskampfleitung, für Mitte<br />

Juni »einen mindestens eintägigen Streik* vorzubereiten, da<br />

alles an<strong>der</strong>e Kapitulation sei. Jetzt war auch den Linken klar,<br />

was gespielt wurde, wenn auch zu spät, um noch Einfluß<br />

nehmen zu können.<br />

Ab Mai ließ <strong>der</strong> Vorstand dann von seiner bis dahin noch<br />

offiziell propagierten Streiklinie ab und begann offen auf<br />

Abblasen zu orientieren. Es entstand nun die unübersichtli 1<br />

che Situation, daß ein Teil <strong>der</strong> noch aktiven und kämpfe+-<br />

schen Betriebsgruppen sich auf den Streik vorbereitete,<br />

Eltern informierte, Streikversammlungen vorbereitete, wäh-<br />

rend die Arbeitskampfleitung intern den Kampf schon been-<br />

dete. Daß <strong>der</strong> Kampf um Arbeitszeitverkürzung für die Vor-<br />

standsmehrheit schon zu diesem Zeitpunkt beendet war,<br />

wurde noch an einem an<strong>der</strong>en Vorfall augenfällig. Auf einer<br />

im Mai stattgefundenen Delegiertenversammlung waren 10<br />

Delegierte zum GEW-Gewerkschaftstag im November<br />

gewählt worden. Dabei wurden auch drei KanidatInnen<br />

gewählt, die mit ausgesprochen vorstandskritischem Pro-<br />

gramm angetreten waren (für stärkere Kontrolle des Finanz-<br />

gebarens des Hauptvorstandes, gegen Beitragserhöhung,<br />

gegen die Finanzierung des Hausbaus in Frankfurt aus dem<br />

Kampffonds, gegen zentrale EDV U. a.), während drei hohe<br />

Funktionäre glatt durchfielen. Da diese Delegiertenver-<br />

sammlung aber nicht beschlußfähig war, weil nicht die nötige<br />

Delegiertenzahl anwesend war (144 statt 196), wurde das<br />

Wahlergebnis »satzungsgemäß« vom Landesvorstand auf<br />

seiner nächsten Sitzung »korrigiert«. Er wählte neu, die drei<br />

kritischenLeute kamen'raus, die dreiFunktionärelrein.Damit<br />

war aber klar, daß die Zeit <strong>der</strong> Einbindung <strong>der</strong> Opposition in<br />

den Kampf um Arbeitszeitverkürzung vorbei war. Jetzt wur-<br />

den die Linken nicht mehr gebraucht, jetzt kam die Rache für<br />

all die Knüppel, die sie dem Vorstand in <strong>der</strong> letzten Zeit<br />

zwischen die Beine geworfen hatten.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!