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30. Jahrgang Nummer 4/5 - 30.07.1989 - der Gruppe Arbeiterpolitik

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Wir setzen in dieser Ausgabe die Darstellung <strong>der</strong> 30er<br />

Jahre, <strong>der</strong> umstrittensten Periode, fort. Nach Schil<strong>der</strong>ung<br />

<strong>der</strong> Entwicklung zur Kollektivierung (<strong>Arbeiterpolitik</strong><br />

4/88), <strong>der</strong> Industrialisierung (1/89) skizzierten wir die<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Partei bis zu den Moskauer Prozessen<br />

(2/89). Wir führen dies hier mit <strong>der</strong> Darstellung <strong>der</strong> gro-<br />

ßen Massensäuberungen fort. Wir verweisen nochmals,<br />

wie im vorigen Serienteil, auf den engen Zusammenhang<br />

dieser Teile. Die Red. .<br />

Im Fall Tuchatschewskis schreibt das Politbüro: ~Unvor-<br />

stellbar, daß die Verschwörer.. . ohne eine breitere Basis.. .<br />

ihre Wühlarbeit haben betreiben können*. Wir wissen nicht,<br />

welche praktische, organisierte Gestalt die politische Oppo-<br />

sition in <strong>der</strong> SU hatte. Auf jeden Fall hat die Parteiführung um<br />

Stalin mit <strong>der</strong> Wahrscheinlichkeit organisierten Wi<strong>der</strong>stan-<br />

des gerechnet, mehr noch, ist von seiner Existenz ausgegan-<br />

gen. Daß er anscheinend bis in die Spitzen von Partei und<br />

Militär reichte, muß sie äußerst alarmiert haben.<br />

Im Apparat sollte <strong>der</strong> Opposition jegliche Basis entzogen<br />

werden, alle ausgeschaltet werden, die als Oppositionelle<br />

bekannt waren, bis hin zu denen, die oppositioneller Haltung<br />

auch nur verdächtigt wurden. Dabei wurde <strong>der</strong> Kreis <strong>der</strong><br />

Verdächtigen immer weiter gezogen, von oben nach unten,<br />

von <strong>der</strong> Partei- und Militärführung über leitende Ka<strong>der</strong> zu<br />

einfachen Mitglie<strong>der</strong>n, bis dann auch Parteilose betroffen<br />

waren.<br />

Das traf zunächst die ohnehin bekannten Oppositionellen,<br />

ehemals Verhaftete o<strong>der</strong> Verbannte, dann <strong>der</strong> Opposition<br />

Verdächtige in <strong>der</strong> Partei. Beson<strong>der</strong>s betroffen waren lei-<br />

tende Ka<strong>der</strong> im Partei-, Staats- und Wirtschaftsapparat.<br />

Dann Auslän<strong>der</strong>, gleich ob Kommunisten o<strong>der</strong> nicht (die<br />

~Prawda* schrieb: je<strong>der</strong> (!) Auslän<strong>der</strong> ist ein potentieller 1<br />

Spion), und Auslandserfahrene, die Kenntnis hatten vom P<br />

unterschiedlichen Lebensniveau drinnen und draußen und<br />

von den offenen Fraktionskämpfen im Ausland.<br />

Dann waren vor allem <strong>Gruppe</strong>n betroffen, die von vornherein<br />

als kritisch und feindlich eingeschätzt wurden wie<br />

Nationalitäten, Min<strong>der</strong>heiten, religiöse <strong>Gruppe</strong>n. Insgesamt<br />

waren in erster Linie Leute in gehobenen Positionen und<br />

Intellektuelle betroffen. Viele ehemalige Häftlinge erzählen,<br />

daß in den Lagern <strong>der</strong> späten 30er Jahre beson<strong>der</strong>s viele<br />

Funktionäre und Intellektuelle saßen, im Unterschied zu den<br />

frühen 30ern, als vor allem Bauern verhaftet wurden.<br />

Die Säuberung erstreckte sich zwangsläufig auch auf die<br />

Anhänger Stalins selbst. Denn nach <strong>der</strong> Beseitigung oppositioneller<br />

Fraktionen in <strong>der</strong> Partei mußten sich die Wi<strong>der</strong>sprüche<br />

des Landes in <strong>der</strong> einen verbliebenen Fraktion ausdrücken.<br />

~Stalin mußte unter seinen eigenen Anhängern die<br />

Krypto-Trotzkisten und Krypto-Bucharinisten aufspüren«<br />

(Isaac Deutscher).'<br />

Das gesamte Ausmaß ist für uns zahlenmäßig nicht<br />

abschätzbar. Die Zahl <strong>der</strong> Verhafteten wird siebenstellig<br />

gewesen sein. Ein Teil wurde erschossen, <strong>der</strong> weitaus größte<br />

Teil kam in Arbeitslager, wo wie<strong>der</strong>um ein Teil umkam.<br />

' lsaac Deutscher, Trotzki, Band 3, Stuttgart 1972, S. 124

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