30. Jahrgang Nummer 4/5 - 30.07.1989 - der Gruppe Arbeiterpolitik
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schnell und so weit vorantreiben, wie es die Verhältnisse in<br />
Jugoslawien zulassen; die KPdSU will das für sie enorm wich-<br />
tige Bündnis mit den Westalliierten nicht durch das eigen-<br />
mächtige Vorgehen <strong>der</strong> Jugoslawen gefährden lassen, um die<br />
Gefahr eines neuen Krieges zu bannen und die erstmals seit<br />
1917 durchbrochene politische Isolierung nicht wie<strong>der</strong> in<br />
Frage zu stellen.<br />
So wollte Stalin Tito zur Anerkennung <strong>der</strong> Monarchie<br />
bewegen, um den Westmächten seine Bereitschaft zu signali-<br />
sieren, auf revolutionäre Verän<strong>der</strong>ungen außerhalb <strong>der</strong> CU zu<br />
verzichten. Seinem Interesse an einer Zusammenarbeit mit<br />
Großbritannien und den USA stand jedoch die Erfahrung <strong>der</strong><br />
Partisanen gegenüber, daß ein wirkungsvoller Wi<strong>der</strong>stand<br />
gegen die italienischen und deutschen Besatzungstruppen<br />
nur im Zusammenhang mit einer revolutionären Umgestal-<br />
tung Jugoslawiens und <strong>der</strong> Bekämpfung aller bürgerlichen<br />
und restaurativen Kräfte möglich war. Aus diesem Grund<br />
scheiterte Stalin mit seiner Einflußnahme.<br />
Als die Partisanen 1945 bis Triest und Kärnten vorstießen.<br />
um diese Gebiete dem neuen Jugoslawien einzuverleiben,<br />
zeigte sich sofort <strong>der</strong>selbe Konflikt. Die Sowjetunion, <strong>der</strong> an<br />
einer Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den westlichen Alliierten<br />
nicht im geringsten gelegen war, die angesichts von Chur-<br />
chills Plänen, sie wie<strong>der</strong> zurückzudrängen, und angesichts<br />
<strong>der</strong> totalen Erschöpfung <strong>der</strong> russischen Bevölkerung vor<br />
allem, die Fortschreibung des status quo wollte, ließ die<br />
Jugoslawen »fallen«. Triest und Kärnten mußten auf Druck<br />
<strong>der</strong> Westmächte wie<strong>der</strong> geräumt werden.<br />
Unterschiedliche Interessen bestimmten auch das Vorge-<br />
hen <strong>der</strong> SU und Jugoslawiens in <strong>der</strong> Griechenlandfrage.<br />
Während die SU keinen Konflikt mit dem Westen wollte, <strong>der</strong><br />
die Gefahr eines neuen Krieges heraufbeschwor, dement-<br />
sprechend die griechischen Kommunisten so gut wie nicht<br />
unterstützte, sahen die jugoslawischen Partisanen in den<br />
griechischen Kommunisten ihresgleichen. Sie erkannten im<br />
griechischen Bürgerkrieg Züge ihrer eigenen Geschichte<br />
wie<strong>der</strong> und waren <strong>der</strong> Meinung, daß man <strong>der</strong> griechischen<br />
Wi<strong>der</strong>standsbewegung auch gegen den Willen Moskaus mit<br />
Waffenlieferung und logistischer Unterstützung zu Hilfe<br />
kommen müsse.<br />
Der Streit um Triest und Kärnten und <strong>der</strong> um den griechi-<br />
schen Bürgerkrieg drückten auf Seiten <strong>der</strong> Jugoslawen die<br />
Furcht aus, von <strong>der</strong> SU aus außenpolitischen Gründen eines<br />
Teils ihres errungenen Sieges beraubt zu werden. Das Ver-<br />
halten in <strong>der</strong> griechischen Frage vor allem macht diese Angst<br />
verständlich, zumal wenn man berücksichtigt, daß Jugosla-<br />
wien in demselben Geheimabkommen zwischen Churchill<br />
und Stalin, das Griechenland dem Westen zusprach, zu je<br />
Jugoslawische Partisanen 1944; von links: Bakaric, Zujovic, Kardelj und Tito.<br />
18<br />
50 % in eine westliche und eine östliche Einflußspähre unterteilt<br />
wurde. Praktisch hieß das für die jugoslawische KP: Da,<br />
wo wir stark genug sind, unsere eigenen Vorstellungen<br />
durchzusetzen, nämlich in Jugoslawien selbst, da werden wir<br />
das auch tun; da, wo wir zu schwach sind, nämlich in <strong>der</strong><br />
Auseinan<strong>der</strong>setzung mit den Westmächten, müssen wir<br />
stärker werden - ein Grundgedanke <strong>der</strong> Balkanfö<strong>der</strong>ation,<br />
zu <strong>der</strong> auf längere Sicht ja auch ein sozialistisches Griechenland<br />
gehören sollte.<br />
Die ganze Auseinan<strong>der</strong>setzung zwischen <strong>der</strong> russischen<br />
und <strong>der</strong> jugoslawischen KP drehte sich letztlich darum, daß<br />
die jugoslawische KP mit <strong>der</strong> Begründung, sie habe schließlich<br />
als einzige weitgehend aus eigener Kraft die deutschen<br />
Besatzungstruppen besiegt, ein größeres Maß an Selbständigkeit<br />
gegenüber <strong>der</strong> KPdSU beanspruchte, als den an<strong>der</strong>en<br />
~Bru<strong>der</strong>parteienu zugebilligt wurde. Man wollte sich den<br />
Moskauer Direktiven nicht einfach unterwerfen, weil die<br />
eigene Erfahrung im Wi<strong>der</strong>stand gezeigt hatte, daß eine solche<br />
Unterwerfung zu schwerwiegenden Fehlern führen<br />
konnte. Nur das Beharren auf den eigenen Vorstellungen<br />
hatte ja den Sieg <strong>der</strong> Partisanen erst ermöglicht. Im Bewußtsein,<br />
nach <strong>der</strong> Oktoberrevolution die zweite erfolgreiche<br />
- sozialistische Revolution gemacht zu haben, wollten die<br />
jugoslawischen Kommunisten auch weiterhin den eigenen 'I<br />
Weg gehen.<br />
Innenpolitisch hieß das: Man orientierte sich nicht am<br />
Modell <strong>der</strong> Volksdemokratie, son<strong>der</strong>n wollte .sofort den<br />
Sozialismus aufbauen. So schritt man im Gegensatz zu den<br />
Volksdemokratien schon 1946/4? ohne Zwischenetappen<br />
zur Kollektivierung <strong>der</strong> Landwirtschaft und verstaatlichte<br />
Industrie, Handel und Banken. Der Konflikt mit <strong>der</strong> CU hatte<br />
damals noch nichts damit zu tun, daß die Jugoslawen gegen<br />
zentrale Planung o<strong>der</strong> Staatsdirigismus waren - eher im<br />
Gegenteil. Es ging ihnen einfach um eine gewisse Autonomie<br />
gegenüber Moskau. Man wollte we<strong>der</strong> außenpolitisch den<br />
SU-Entscheidungen einfach nur vorbehaltlos folgen noch<br />
wollte man sich innenpolitisch das Vorgehen von den<br />
Sowjets diktieren lassen. So wurde <strong>der</strong> Konflikt dadurch<br />
erheblich verschärft, daß die SU nach <strong>der</strong> Befreiung sofort<br />
versuchte, Einfluß auf wirtschaftliche und politische Ent-<br />
scheidungen durch die Bildung sog. gemischter Gesellschaf-<br />
ten, Handelsabkommen und die Überziehung des Landes mit<br />
einem Netz von NKWD-Agenten und -Informanten zu<br />
gewinnen.<br />
In den Augen <strong>der</strong> Jugoslawen hieß das : Die Sowjetunion "<br />
übervorteilt uns im Handel; sie versucht unsere Wirtschaft<br />
zu kontrollieren (<strong>der</strong> Direktor je<strong>der</strong> gemischten Gesellschaft<br />
war ein Russe) und uns zum untergeordneten Bestandteil