Kleinod auf halber Höhe - Rheinkiesel
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eine regelrechte Wirtsprägung der<br />
Kuckucks-Weibchen vorliegt, die<br />
entsprechend ausschließlich oder<br />
bevorzugt Eier in Nester von Rotkehlchen<br />
oder Heckenbraunelle<br />
oder Teichrohrsänger (siehe unser<br />
Foto <strong>auf</strong> Seite 10) oder Bachstelze<br />
(um nur die häufigsten zu nennen)<br />
legen.<br />
Die Weibchen sind mit den<br />
Lebensgewohnheiten der Wirtsvogelarten<br />
so vertraut, daß sie<br />
nach akribischem Beobachten<br />
ihrer Umgebung die Neststandorte<br />
ausfindig machen und den<br />
Singvogel-Brutpaaren pro Saison<br />
zwischen 9 und 22 Eier unterschieben,<br />
je nach Nestangebot.<br />
Der Parasitierungsgrad der Wirtsvögel<br />
in einem Gebiet erreicht<br />
selten 1 % und nur 30 % der<br />
Eier entwickeln sich zu flüggen<br />
Jungen bzw. – anders ausgedrückt<br />
– nur zwei bis drei Nachkommen<br />
bringt ein Kuckucks-Weibchen im<br />
Jahr hervor. Damit ist der Brut-<br />
Natur<br />
erfolg des Kuckucks zwar nicht<br />
immens, aber dank einer ausgeklügelten<br />
Strategie mit nahezu unglaublichen<br />
Anpassungen – eine<br />
Evolutionsgeschichte so spannend<br />
wie ein Krimi! – bislang ausreichend<br />
für die Bestandssicherung<br />
gewesen.<br />
Sensible Singvögel, denen ein Ei<br />
untergeschoben wurde, bemerken<br />
dies bisweilen und reagieren mit<br />
Aufgabe der Brut, um gegebenenfalls<br />
ein neues Nest zu errichten.<br />
Die wichtigsten Besonderheiten sind:<br />
• Die Eier werden bereits im Eingang<br />
des Kuckucks-Weibchens<br />
„vorgebrütet”, so daß sich der<br />
Embryo schon zu entwickeln<br />
beginnt, bevor er in das fremde<br />
Nest gelangt. So hat er einen<br />
Entwicklungsvorsprung.<br />
• Das Kuckucks-Weibchen sucht vor allem Nester aus, die in<br />
einem frühen Brutstadium und deren Gelege noch nicht vollständig<br />
sind.<br />
• Es merkt sich das belegte Nest und wählt stets andere Nester<br />
aus (um Mehrfachbelegung zu vermeiden).<br />
• Die Eier des Kuckucks sind zum Schutz einerseits besonders<br />
dickschalig, andererseits vergleichsweise klein, um im Singvogelnest<br />
nicht zu sehr <strong>auf</strong>zufallen. Ein Kuckucks-Ei wiegt mit<br />
etwa zwei Gramm nur ein Viertel dessen, was ein Ei der ähnlich<br />
großen Turteltaube wiegt.<br />
• In einer frühen Phase lädt sich das Kuckucks-Junge die im<br />
Nest befindlichen Eier oder Jungvögel <strong>auf</strong> den Rücken und<br />
hievt sie aus dem Nest. Damit müht sich das Junge drei bis vier<br />
Stunden ab (in Ausnahmefällen auch bis zu 36 Stunden!), um<br />
sich so die Nahrungskonkurrenten vom Hals zu schaffen.<br />
• Das (zumal für kleine Singvögel) unverhältnismäßig große<br />
und leuchtend orange-rote Schnabelinnere ist ein großer<br />
Schlüsselreiz für die Adoptiveltern, bisweilen sogar für fremde<br />
Altvögel, die sich genötigt sehen, den unablässig sperrenden<br />
jungen Kuckuck zu füttern.<br />
So erfinderisch die Natur im Verhalten<br />
und in der Fortpflanzungsstrategie<br />
des Kuckucks war, so<br />
groß war seit jeher das Interesse<br />
des Menschen an diesem Vogel<br />
und die Phantasie, sein Erscheinen<br />
seine Gestalt und sein Ruf zu deuten.<br />
Die dem Sperber ähnliche<br />
Körperform und Zeichnung gab<br />
sowohl in der Antike als auch bis<br />
zum Mittelalter immer wieder<br />
Anlaß, eine Verwandlungsfähigkeit<br />
zum Greifvogel anzunehmen.<br />
März 2008 9