Stuttgart bekommt ein neues Wahrzeichen - Literaturmachen
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Z e i t u n g f ü r r e P O r t A g e n<br />
Hinter die Kulissen geschaut<br />
Reporter sind neugierige Menschen. Sie gehen<br />
mit offenen Augen und Ohren durch die<br />
Stadt, sie sehen alles und hören alles – und<br />
sie geben sich damit nicht zufrieden. Immer<br />
wollen sie wissen, was hinter den Fassaden<br />
steckt. Welche Geschichte sich hinter <strong>ein</strong>em<br />
Gesicht verbirgt. Sie gehen den Dingen auf<br />
den Grund. Sie fragen, forschen, beobachten,<br />
und manchmal gehen sie anderen Menschen<br />
damit gehörig auf die Nerven.<br />
Die Schülerinnen und Schüler der Klasse 8<br />
haben im Schuljahr 2006/07 im Deutschunterricht<br />
ausprobiert, wie es ist, als Reporter<br />
zu arbeiten. All<strong>ein</strong>e oder in Zweiergruppen<br />
haben sie sich mit selbst gewählten Themen<br />
beschäftigt. Haben hinter die Kulissen von<br />
Einrichtungen, Firmen, Kulturbetrieben und<br />
Institutionen in <strong>Stuttgart</strong>er und Umgebung<br />
geschaut, haben im Bekanntenkreis und der<br />
Verwandtschaft nach interessanten Menschen<br />
gesucht, um sie zu portraitieren.<br />
So sind spannende Reportagen und Erlebnisberichte<br />
entstanden, höchst eigenständige<br />
Arbeiten, selbst dort, wo zweimal dasselbe<br />
Thema behandelt wurde. Im „Bulletin“ sind<br />
nun die meisten dieser Reportagen versammelt.<br />
Wir wünschen schönes und informatives<br />
Lesen!<br />
Katharina Dargan (Lehrerin)<br />
und Tilman Rau (Dozent)<br />
Die <strong>Stuttgart</strong>er Messe ist <strong>ein</strong> Ort, an dem<br />
Unternehmen, Hersteller oder Verlage ihre<br />
neuen Produkte Händlern präsentieren können.<br />
Von solch <strong>ein</strong>er Anlage möchten viele<br />
profitieren: das Bundesland selber, die Unternehmer<br />
des „Ländles“ und die Händler auch.<br />
Letztlich soll sie den Wirtschaftsstandort<br />
Baden-Württemberg nachhaltig stärken.<br />
Dafür sind die Killesberger Messehallen, die<br />
seit Jahrzehnten in Betrieb waren, nach M<strong>ein</strong>ung<br />
vieler Politiker und Funktionäre zu kl<strong>ein</strong><br />
geworden. Denn mit <strong>ein</strong>er Fläche von 55.000<br />
Quadratmetern platzen die Hallen oftmals aus<br />
allen Nähten. Die <strong>Stuttgart</strong>er Messe wird nun<br />
auf die Fildern verlegt, wo sie doppelt so groß<br />
s<strong>ein</strong> wird. Hier sollen alle Arten von Ausstellungen<br />
und Messen, Kongressen und Fachtagungen,<br />
sowie andere Veranstaltungen stattfinden<br />
können. Der Pressesprecher Johannes<br />
n- o 01<br />
Literatur im Dialog – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und eberhard-Ludwigs-gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007<br />
Spektakulärer Bau: Das Parkhaus wurde direkt über der A8 errichtet<br />
und soll auf dem Dach künftig begrünt werden.<br />
Wassilij Menges<br />
<strong>Stuttgart</strong> <strong>bekommt</strong><br />
<strong>ein</strong> <strong>neues</strong> <strong>Wahrzeichen</strong><br />
Die Neue Messe auf den Fildern –<br />
von der Megabaustelle zum internationalen Aushängeschild.<br />
Altmeyer informiert: „Mit <strong>ein</strong>em Bauvolumen<br />
von 806 Millionen Euro und <strong>ein</strong>er bebauten<br />
Fläche von 83 Hektar ist die <strong>Stuttgart</strong>er Messe<br />
derzeit die größte Baustelle in Deutschland.<br />
Sie beschäftigt 700 Arbeiter auf der<br />
Baustelle und nochmals 1000 weitere Arbeit-<br />
nehmer.“ Wenn man vor der Baustelle steht,<br />
hat man den Eindruck, man sei <strong>ein</strong>e Ameise<br />
vor <strong>ein</strong>em Haus, so gewaltig ist der Bau.<br />
Der auskunftsfreudige Herr Gutwetter ist <strong>ein</strong>er<br />
der vier Bauleiter der Hochhalle. Er m<strong>ein</strong>t,<br />
die Bauarbeiten würden wie am Schnürchen<br />
laufen. Die Hochhalle hat die größte Ausstellungsfläche,<br />
nämlich 25.000 Quadratmeter.<br />
Zusätzlich werden in weiteren sieben Hallen<br />
Ausstellungsflächen zu jeweils 10.000 qm entstehen.<br />
Außerdem wird <strong>ein</strong>e Halle im Internationalen<br />
Kongresszentrum (ICS) mit 5000<br />
qm Fläche gebaut.<br />
Herr Gutwetter erzählt Folgendes über die Geschichte<br />
der Messe: „<strong>Stuttgart</strong> war seit dem<br />
Mittelalter schon immer <strong>ein</strong>e sehr wichtige<br />
Messestadt gewesen. Der Grund <strong>ein</strong>er Messeverlegung<br />
war der, dass auf dem Killesberg<br />
zu wenig Platz war und bei jeder Messe zu<br />
viel Verkehr. Wir hoffen aber, dass die Baukosten<br />
der neuen Messe wieder <strong>ein</strong>gebracht<br />
werden.“<br />
Die Arbeiten werden auf der Baustelle folgendermaßen<br />
verrichtet: mit den insgesamt 500<br />
Bauarbeitern ist <strong>ein</strong> fester Plan erstellt worden,<br />
zum Beispiel die Reihenfolge, die getreu<br />
dem Motto „erst der Zimmermann, dann der<br />
Elektriker“ festgelegt ist. Trotzdem gibt es bei<br />
Änderungen und anderen Problemen morgens<br />
noch mal <strong>ein</strong> Zusammentreffen mit den Gewerken<br />
(das sind alle Beteiligten, die <strong>ein</strong>em<br />
bestimmten Handwerk zugeordnet sind).<br />
Logistik ist wichtig. Dort wird die Koordinierung<br />
sowie Planung und der genaue Ort der<br />
neuen Bauteile bestimmt, je nachdem, ob sie<br />
gelagert oder gleich verwendet werden.<br />
Fortsetzung auf Seite 2
Seite 2 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Seite 3<br />
Fortsetzung von Seite 1<br />
Die Gewerke leiten dann die Anweisungen an<br />
die Bauarbeiter weiter. Herr Gutwetter m<strong>ein</strong>t<br />
auf die Frage, wie die für die Gewerke verantwortlichen<br />
Firmen ausgesucht werden: „Wir<br />
gucken meistens nach dem Preis. Aber natürlich<br />
auch auf die Qualität der Baustoffe.“<br />
Er sagt, er mache öfters Rund- und Kontrollgänge,<br />
um die Genauigkeit zu prüfen und um<br />
Verbesserungsvorschläge zu machen.<br />
Zur Architektur erklärt er, dass es sich bei<br />
der Messe nicht um <strong>ein</strong>en r<strong>ein</strong>en Zweckbau<br />
handele, wegen der vielen Bögen und Rundungen.<br />
Für die Messehallen wurden Konstruktionen<br />
aus Stahlrohren gebaut, die bis zu<br />
900.000 Tonnen schwer sind. Bei <strong>ein</strong>em Stahlträger<br />
für die Hochhalle ist bei der Montage<br />
vor <strong>ein</strong>em Jahr auch <strong>ein</strong> verheerender Unfall<br />
passiert – es gab <strong>ein</strong>en Toten. Glücklicherweise<br />
blieb dieser tragische Unglücksfall der<br />
Einzige.<br />
Die Dächer der Messehallen sind aus jeweils<br />
<strong>ein</strong>em Bogen konstruiert, außer bei der<br />
Hochhalle 2. Auch das Parkhaus ist mit vielen<br />
Bögen gebaut. Natürlich berücksichtigt die<br />
neue Messe auch den Umweltschutz. Die begrünten<br />
Flächen kommen in den Park zwischen<br />
den Messehallen, der zur Erholung<br />
dient. Auf den Dächern der Messehallen werden<br />
jeweils zwei Grasstreifen entstehen, und<br />
auch das Dach des Parkhauses wird begrünt.<br />
Zu den Grünflächen werden noch weitere freie<br />
Plätze hinzukommen.<br />
Auf die Frage des Umgangs mit der Energiebilanz<br />
sagt Herr Gutwetter: „Erstens sind in<br />
allen Hallen Luftkreisläufe, die zum Wieder-<br />
erwärmen oder zur Kühlung wenig Strom<br />
brauchen. Zweitens wird auf der Kongress-<br />
halle <strong>ein</strong>e Photovoltaik–Anlage entstehen,<br />
die rund 275 Megawatt-Stunden pro Jahr<br />
leistet.“<br />
Verkehrstechnisch will die Messe durch Umgehungsstraßen<br />
<strong>ein</strong> Chaos verhindern. Es wer-<br />
den direkte Zufahrten von der Autobahn A8<br />
Wie in <strong>ein</strong>em Flughafen-Terminal: Eine der neuen Messehallen kurz vor der Fertigstellung.<br />
iMPreSSuM<br />
Bulletin ist die aktuelle Dokumentation der<br />
Werkstatt für Reportage am Eberhard-Ludwigs-<br />
Gymnasium <strong>Stuttgart</strong>. Das Gesamtprojekt<br />
„Literatur im Dialog – Schreibprojekte für<br />
Jugendliche“ wird vom Literaturhaus Stutt-<br />
gart in Kooperation mit dem Landesinstitut<br />
für Schulentwicklung und den Seminar-<br />
<strong>ein</strong>richtungen für Lehrerinnen und Lehrer<br />
in Baden-Württemberg durchgeführt.<br />
Auflage 750 Exemplare.<br />
Dozent<br />
Tilman Rau<br />
Verantwortliche Lehrerin<br />
Katharina Dargan<br />
redaktion dieser Ausgabe<br />
Tilman Rau und Katharina Dargan<br />
Layout – Jochen Starz – starz engineering<br />
Copyright – Die Rechte für die <strong>ein</strong>zelnen<br />
Beiträge (Text und Bild) liegen bei den<br />
Autorinnen und Autoren, für die Gesamtausgabe<br />
beim Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong>.<br />
In den neuen Hallen soll künftig viel mehr Platz<br />
für internationale Messen s<strong>ein</strong> als auf dem Killesberg.<br />
zum Parkhaus und zur Tiefgarage gebaut.<br />
Spektakulär ist die Überbauung der Autobahn<br />
mit dem Parkhaus als <strong>ein</strong>er Landschafts-<br />
brücke, da es ganz begrünt werden soll. Von<br />
der Bundessstraße 27 führt <strong>ein</strong> Tunnel zum<br />
Parkhaus, der Tiefgarage und zu den anderen<br />
Parkplätzen, sodass die Flughafenstraße entlastet<br />
wird. Insgesamt sind 5500 Parkplätze<br />
vorgesehen. Vom Flughafen wird die Messe<br />
über <strong>ein</strong>e große Ampelanlage begehbar s<strong>ein</strong>.<br />
Die Messe wird auch mit der Bahn zu erreichen<br />
s<strong>ein</strong>. Da bislang aber nur die S-Bahn<br />
vom Hauptbahnhof <strong>Stuttgart</strong> zum Flughafen<br />
fährt, könnte dies <strong>ein</strong> Problem werden. Deshalb<br />
hofft die Messeleitung sehr stark auf das<br />
Projekt <strong>Stuttgart</strong> 21, das <strong>ein</strong>en internationalen<br />
Filder-Bahnhof mit<strong>ein</strong>schließt.<br />
Die Messe beginnt am 12. Juni mit <strong>ein</strong>er Teil-<br />
Eröffnung anlässlich der MiNat-Messe für<br />
Nanotechnologie. Am 19. Oktober 2007 wird<br />
dann die ganze Messe mit großen Feierlichkeiten<br />
eröffnet. Am ersten Tag sind Prominente<br />
und Repräsentanten des Staates <strong>ein</strong>geladen,<br />
am zweiten und dritten Tag öffnet<br />
die Messe für jedermann. Während dieser Eröffnungsfeierlichkeiten<br />
kann man dann das<br />
Gebäude besuchen und bestaunen. Fünf Tage<br />
später wird der Messealltag mit der nächsten<br />
Ausstellung in den gesamten Gebäudekomplex<br />
<strong>ein</strong>ziehen.<br />
Kontakt – Erwin Krottenthaler<br />
Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong>, Boschareal,<br />
Breitscheidstraße 4, D-70174 <strong>Stuttgart</strong><br />
Tel. 0711/220 21 741, Fax 0711/220 21 748<br />
info@literaturhaus-stuttgart.de<br />
www.literaturhaus-stuttgart.de<br />
Besuchen Sie auch die Seite für junge<br />
Literatur des Literaturhauses <strong>Stuttgart</strong><br />
www.literaturmachen.de<br />
Bulletin ersch<strong>ein</strong>t mit freundlicher<br />
Unterstützung der robert Bosch<br />
Stiftung gmbH <strong>Stuttgart</strong>.<br />
Die <strong>Stuttgart</strong>er Musikschule im Treffpunkt<br />
Rotebühlplatz – <strong>ein</strong> Gebäude, das Größe und<br />
Freiheit ausstrahlt. Man betritt das Haus, und<br />
kommt sich ganz kl<strong>ein</strong> vor. Der große, leere<br />
Raum, die Treppen, die am Stück bis zum<br />
vierten Stockwerk hinaufreichen, der Ausblick<br />
nach draußen, auf die vielen großen<br />
Straßen, und den nicht endenden Verkehr.<br />
Die <strong>Stuttgart</strong>er Musikschule führt Kinder,<br />
Jugendliche und Erwachsene an die Musik<br />
heran und regt sie zu eigenem Musizieren an.<br />
Sie ist Mitglied im Verband der Musikschulen<br />
Deutschlands. Ihre Geschichte lässt sich bis<br />
ins Jahr 1857 zurückverfolgen. Sie bietet <strong>ein</strong>e<br />
umfassende Musikausbildung für Kinder ab<br />
dem zweiten Lebensjahr bis ins Erwachsenenalter<br />
an, mit musikalischer Früherziehung<br />
für die Jüngsten, Spezialunterricht für alle<br />
Instrumente, Gesang und Ensemblespiel für<br />
die älteren Schüler. Darüber hinaus bereitet<br />
sie talentierte Jugendliche auf das Musik-<br />
studium vor.<br />
„Musik kann jeder machen, deshalb sind wir<br />
nicht nur für Musiker da.“ Unter dieser Vorgabe<br />
leitet Direktor Friedrich-Koh Dolge die<br />
<strong>Stuttgart</strong>er Musikschule. Selbstverständlich<br />
möchte er damit darauf aufmerksam machen,<br />
dass jeder Musik machen kann. Zur<br />
Unterstützung von diesem Projekt bietet die<br />
<strong>Stuttgart</strong>er Musikschule jetzt auch zwei neue<br />
Reihen an, nämlich die „Musikprofile neuer<br />
Musik“ und „Jazz“. Dolge wünscht sich, damit<br />
mehr Kinder und Jugendliche zu motivieren,<br />
Musik zu machen. „Jemanden zu etwas<br />
zu zwingen, nützt niemandem“, sagt Dolge.<br />
„Wir müssen eben kreativer denken, und den<br />
Jugendlichen die Musikrichtung, die sie bevorzugen,<br />
auch anbieten.“ Zwar bestehe die<br />
Musikschule bereits aus 165 Lehrkräften, die<br />
über viertausend Schülerinnen und Schüler<br />
unterrichten, aber es könnten noch mehr<br />
s<strong>ein</strong>, findet er. Um Kindern auch <strong>ein</strong>en Ein-<br />
Victoria Beckham, Nicole Richie, Keira<br />
Knightley… die Liste von Prominenten, die<br />
tatsächlich oder angeblich an Essstörungen<br />
leiden, ließe sich beliebig fortsetzen. Doch<br />
auch „normale“ Frauen und Mädchen leiden<br />
an diesen seelisch bedingten Krankheiten:<br />
Magersucht (Anorexia nervosa) oder Bulimie.<br />
Bulimie, also Ess-Brechsucht, ist fast noch<br />
schlimmer als Magersucht, da sie meist sehr<br />
lange unentdeckt bleibt.<br />
Lena Kemper<br />
blick zu verschaffen, gibt es jetzt, zum <strong>ein</strong>hundertfünfzigsten<br />
Jubiläum der <strong>Stuttgart</strong>er<br />
Musikschule, die „Projektwoche 2007“. Sie<br />
besteht aus über dreihundert Workshops, die<br />
den normalen Instrumentalunterricht ergänzen.<br />
„Die ‚Projektwoche 2007’ ist die erste ihrer<br />
Art, und somit <strong>ein</strong>e große Herausforderung<br />
für unsere Musikschule“, so Dolge. Also gibt<br />
es zum Beispiel die „Bluestonleitern und Improvisationen“,<br />
„Kammermusik für Kinder“,<br />
den „Schlagzeugkurs für Nichtschlagzeuger“,<br />
und sogar den „Schlagzeugkurs für Schlagzeugschüler-Eltern“,<br />
damit diese, falls sie<br />
vom Instrument ihres Kindes nicht begeistert<br />
sind, auch <strong>ein</strong>en Einblick bekommen. Auch im<br />
Theaterbereich wird die Musikschule immer<br />
kreativer. So hat sie zum Beispiel letztes Jahr<br />
den „Wunschpunsch“ aufgeführt. Außerdem<br />
können sich die Schülerinnen und Schüler<br />
beim „<strong>Stuttgart</strong>er Musikfest“ der Öffentlichkeit<br />
präsentieren.<br />
Natürlich ist die Niederlassung am Rotebühlplatz<br />
das auffälligste Gebäude der Musikschule.<br />
Doch auch in anderen Stadtteilen<br />
gibt es Einrichtungen. Musikschulen gibt es<br />
in: Botnang, Degerloch, Möhringen, Sillenbuch,<br />
Hedelfingen, Cannstatt, Feuerbach,<br />
Weilimdorf, Zuffenhausen und Vaihingen.<br />
Diese große Verbreitung führt dazu, dass<br />
immer mehr Musikschüler an Wettbewerben,<br />
<strong>ein</strong> Kampf gegen sich selbst<br />
Im Diakonieklinikum <strong>Stuttgart</strong> werden Mädchen und junge Frauen<br />
mit Essstörungen behandelt.<br />
Christoffer Schreiyäck<br />
Jemanden zur Musik zwingen<br />
geht nicht.<br />
Seit 150 Jahren werden in der <strong>Stuttgart</strong>er Musikschule<br />
Menschen jeden Alters unterrichtet.<br />
Magersüchtige Frauen gab es wohl schon<br />
immer. Bereits die österreichische Kaiserin<br />
Elisabeth, genannt Sisi, soll magersüchtig<br />
gewesen s<strong>ein</strong>. Doch erst in den 1960er und<br />
70er Jahren breitete sich die Krankheit aus.<br />
Zu dieser Zeit kam nämlich die Sehnsucht<br />
auf, dünn zu s<strong>ein</strong>. Dünn wie Twiggy, das bekannteste<br />
Model aus dieser Zeit.<br />
Immer mehr jugendliche Mädchen im Alter<br />
von 15-20 Jahren und Frauen im Alter von<br />
wie „Jugend musiziert“, teilnehmen. All<strong>ein</strong><br />
in <strong>Stuttgart</strong> haben dieses Jahr über zweitausend<br />
Schülerinnen und Schüler am Regionalwettbewerb<br />
in der <strong>Stuttgart</strong>er Musikschule<br />
teilgenommen. Im Bundeswettbewerb letztes<br />
Jahr, der in Freiburg ausgetragen wurde, gab<br />
es über zwanzigtausend Teilnehmer.<br />
Solche Wettbewerbe werden dadurch für die<br />
Teilnehmer interessanter, dass Preise und Förderpreise<br />
von verschiedenen Organisationen<br />
für bestimmte Leistungen vergeben werden.<br />
Zum Beispiel gibt es <strong>ein</strong>en Preis, der ausschließlich<br />
für besonders gute Familientrios<br />
vergeben wird.<br />
Doch nicht immer muss Wettbewerb s<strong>ein</strong>. Die<br />
Musikschule fördert auch auf andere Weise das<br />
praktische Vorspielen. So gibt es zahlreiche<br />
Konzertangebote, bei denen beispielsweise<br />
das Jugendsinfonieorchester oder Schüler der<br />
Musikschule auftreten dürfen.<br />
Folglich ist die <strong>Stuttgart</strong>er Musikschule <strong>ein</strong><br />
Institut, an dem Schülerinnen und Schüler<br />
die Möglichkeit haben, Musik machen zu können.<br />
Erwachsene sind ebenfalls willkommen,<br />
<strong>ein</strong> Instrument zu lernen und sich damit<br />
entweder beruflich, oder aber in ihrer Freizeit<br />
vergnügen zu können. Wichtig ist nur,<br />
wie Friedrich-Koh Dolge ja auch sagt, dass<br />
niemand zu s<strong>ein</strong>em musikalischen Glück gezwungen<br />
wird.<br />
20-40 Jahren, aber auch immer häufiger Jungen<br />
und Männer sind davon betroffen. In der<br />
Mehrheit sind es aber immer noch die Mädchen<br />
und Frauen.<br />
Oft fängt es mit <strong>ein</strong>er harmlosen und vielleicht<br />
nachvollziehbaren Diät an, und endet<br />
dann im Krankenhaus. Schwester Elke Mödinger<br />
aus dem Diakonie Klinikum <strong>Stuttgart</strong>,<br />
im Bereich Essstörungen tätig, erläutert die<br />
Gründe in <strong>ein</strong>em Interview. Sie sagt, dass<br />
die Medien die Menschen sehr stark be<strong>ein</strong>-<br />
flussen.<br />
Im Fernsehen fängt es bei Essberatungs-<br />
Shows an und endet dann bei „Germany’s<br />
next Topmodel“, wo dünn s<strong>ein</strong> als Selbst-<br />
verständlichkeit hingestellt wird. In den Medien<br />
wird immer und überall der Eindruck<br />
erweckt, dass es nur auf die perfekte Figur<br />
ankommt.<br />
Fortsetzung auf Seite 4
Seite 4 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Seite 5<br />
Fortsetzung von Seite 3<br />
Auch Zeitschriften und Modemagazine tragen<br />
ihren Teil dazu bei, indem sie ausschließlich<br />
das verm<strong>ein</strong>tliche Schönheitsideal darstellen,<br />
und so auch in manch <strong>ein</strong>er Leserin den<br />
Drang auslösen, diesem Schönheitsideal entsprechen<br />
zu müssen.<br />
Andere Auslöser für Magersucht können auch<br />
schwierige Umstände in der Familie s<strong>ein</strong>. Wenn<br />
zum Beispiel <strong>ein</strong> Familienmitglied stirbt, und<br />
dieser Verlust den Menschen sehr stark körperlich,<br />
aber auch psychisch schwächt, oder<br />
wenn die Familie dadurch sehr instabil ist<br />
oder wird. Auch dass viele junge Menschen<br />
nicht in ihrer Gruppe angenommen werden,<br />
wird als Ursache immer häufiger. Anforderungen<br />
in der Schule oder Probleme in der<br />
Familie können den Menschen überfordern.<br />
„Risikofaktoren gibt es immer und überall“,<br />
sagt Elke Mödinger, die schon seit elf Jahren<br />
auf der Station arbeitet.<br />
Im Diakonie Klinikum <strong>Stuttgart</strong>, das nach<br />
<strong>ein</strong>em psychologisch fundierten Konzept<br />
arbeitet, ist im fünften Stock die Abteilung<br />
für Essgestörte untergebracht, die von <strong>ein</strong>em<br />
Chefarzt, <strong>ein</strong>em Oberarzt, <strong>ein</strong>em zusätzlichen<br />
Arzt und <strong>ein</strong>er Sozialtherapeutin betreut<br />
wird. Das Klinikum kann vierzehn Kranke<br />
aufnehmen, die an Magersucht oder Bulimie<br />
leiden. Es sind aber nicht ständig alle Plätze<br />
belegt.<br />
Wenn <strong>ein</strong> Patient in dieses Krankenhaus gehen<br />
möchte, um <strong>ein</strong>e sehr zeitaufwändige<br />
Therapie zu durchlaufen, <strong>bekommt</strong> er <strong>ein</strong>en<br />
Termin und es wird <strong>ein</strong>e geplante Aufnahme<br />
ver<strong>ein</strong>bart. Dabei werden die zukünftigen Patienten<br />
auch seelisch gut auf den Klinikauf-<br />
enthalt vorbereitet. In der Klinik hat jeder<br />
s<strong>ein</strong>en festen „Stundenplan“. Zweimal pro<br />
Woche besprechen die Patienten mit ihrem<br />
Therapeuten ihre Probleme und ihre Fortschritte.<br />
Gruppentherapien mit bis zu 14 Personen gibt<br />
es <strong>ein</strong> bis zwei mal die Woche. Diese Therapie<br />
verläuft ähnlich wie vielleicht <strong>ein</strong> „Kaffeeklatsch“,<br />
bei dem die Patienten offen über<br />
ihre Probleme reden, die sie haben oder die<br />
sie vor dem Aufenthalt in der Klinik hatten.<br />
Auch Familienangelegenheiten werden dabei<br />
sehr intensiv unter<strong>ein</strong>ander besprochen. Zum<br />
Beispiel werden die verschiedenen Verhaltensweisen<br />
der Eltern gegenüber der Krankheit<br />
beschrieben. Man tauscht sich bei diesen<br />
Gruppentreffen aus, kann neue Freunde finden,<br />
was den sozialen Stand stärkt. Natürlich<br />
werden auch Themen rund um das Essen und<br />
die richtige Ernährung und Nahrungszubereitung<br />
besprochen.<br />
Während der Musiktherapie-Stunde sollen<br />
die Patienten mit <strong>ein</strong>fachen Instrumenten<br />
improvisieren. Manche Dinge drücken sich<br />
durch die Musik aus, die dann dem Therapeuten<br />
auffallen, und dann im Rahmen der<br />
Therapie berücksichtigt werden können. In<br />
der Bewegungstherapie können die Patienten<br />
neue Sportarten für sich entdecken. In der<br />
Körpertherapie lernen sie den eigenen Körper<br />
zu spüren und zu fühlen. Einige lernen<br />
so ihren Körper erst richtig kennen. In der<br />
gestalterischen Therapie sollen sich die Patienten<br />
selber malen, woraus man schließen<br />
kann, welches Selbstbild sie von sich haben.<br />
Auch betrachten sie sich zum Beispiel ausgiebig<br />
im Spiegel und bilden sich so <strong>ein</strong>e eigene<br />
Für Menschen mit Essstörungen wird teilweise selbst das kl<strong>ein</strong>ste und gesündeste Essen als Bedrohung angesehen.<br />
– neue – M<strong>ein</strong>ung über den eigenen Körper.<br />
Die Patienten werden ständig beobachtet und<br />
überprüft. Um jede zusätzliche körperliche<br />
Belastung zu vermeiden, darf das Krankenhaus<br />
während der Therapie nicht verlassen<br />
werden.<br />
Nach erfolgreicher Therapie sollen die Patienten<br />
wieder <strong>ein</strong> normales Verhältnis zu<br />
Nahrungsaufnahme und ihrem Körper haben,<br />
und so im täglichen Leben wieder auf eigenen<br />
B<strong>ein</strong>en stehen.<br />
Aufklärende Artikel in der Bravo oder anderen<br />
Magazinen sieht die Krankenschwester<br />
Elke Mödinger eher als Prävention, nicht als<br />
Anregung zur Magersucht. Sie sagt aber auch,<br />
dass es im Internet Seiten gibt, die sogar<br />
zur Magersucht raten, die eigentlich verboten<br />
werden müssten. Auf die Frage, was sich<br />
in unserer Gesellschaft ändern müsse, damit<br />
es nicht so viele Magersüchtige gäbe, m<strong>ein</strong>t<br />
Elke Mödinger, dass das körperliche Aussehen<br />
mehr im Hintergrund stehen müsste und die<br />
inneren Werte mehr Beachtung finden sollten.<br />
Auch liebevolle und druckfreie Erziehung der<br />
Eltern spiele <strong>ein</strong>e große Rolle. Aber es gäbe<br />
auch noch viele unbeantwortete Fragen zu<br />
den Ursachen von Essstörungen.<br />
Die Ärzte am Diakonie Klinikum <strong>Stuttgart</strong> wollen<br />
den Patienten zeigen, dass sie gebraucht<br />
werden, stabile Beziehungen aufbauen können<br />
und den Patienten Selbstbewussts<strong>ein</strong><br />
vermitteln. Sie zeigen den Patienten Wege<br />
auf, innere Werte zu achten, wollen dabei<br />
aber auch die gesellschaftlichen Werte nicht<br />
vernachlässigen. Außerdem wollen sie die<br />
Fragen beantworten: „Wie kann ich mich behaupten?“<br />
und „Wer bin ich eigentlich?“.<br />
Wenn man das Büro von Strichpunkt im<br />
<strong>Stuttgart</strong>er Osten endlich gefunden hat, kann<br />
man kaum glauben, dass dies <strong>ein</strong>e der erfolgreichsten<br />
Grafikagenturen Deutschlands ist.<br />
Versteckt in <strong>ein</strong>er Wohngegend am Stutt-<br />
garter Bubenbad, verbirgt sich die Agentur<br />
geradezu in <strong>ein</strong>em großen, alten, herrschaftlichen<br />
Haus. Erst die Innenausstattung setzt<br />
moderne Akzente, durch <strong>ein</strong>en interessanten<br />
Kontrast zwischen Alt und Neu.<br />
Hinter der Fassade steckt <strong>ein</strong>e wahrsch<strong>ein</strong>lich<br />
<strong>ein</strong>zigartige Geschichte: Jochen Rädeker,<br />
geboren in Hannover, und Kirsten Dietz gründeten<br />
die Agentur 1996 in ihrer gem<strong>ein</strong>samen<br />
WG. Sie planten, innerhalb von vier Jahren<br />
unter die Top Ten von Deutschlands Grafik-<br />
büros zu kommen.<br />
Doch was macht <strong>ein</strong> Grafikbüro überhaupt?<br />
Strichpunkt befasst sich mit Corporate Design,<br />
dem visuellen Ersch<strong>ein</strong>ungsbild <strong>ein</strong>es<br />
Unternehmens, und mit der Markenkommu-<br />
nikation. Das heißt, die Agentur hilft den Firmen,<br />
die sie beauftragen, im wahrsten Sinne<br />
des Wortes gut auszusehen oder ihr Image in<br />
der Öffentlichkeit zu verbessern. Zum Beispiel<br />
gestaltet sie für Firmen wie Daimler Benz und<br />
die LBBW Geschäftsberichte. Für das Staatstheater<br />
<strong>Stuttgart</strong> hat sie <strong>ein</strong>e Corporate Identity<br />
entwickelt, vom Plakat über die Werbung<br />
bis zu den Programmheften.<br />
Stimmen muss dabei natürlich auch das eigene<br />
Ersch<strong>ein</strong>ungsbild. Jochen Rädeker erklärt,<br />
wie die Agentur zu ihrem Namen kam: „Der<br />
Strichpunkt besteht aus <strong>ein</strong>em Punkt und<br />
<strong>ein</strong>em Strich, und gerade das, die runde und<br />
die gerade Form, symbolisieren, was wir machen.<br />
Denn alles im Bereich des Grafikdesigns<br />
kann mit <strong>ein</strong>em Punkt und <strong>ein</strong>em Strich<br />
gestaltet werden, dies sind sozusagen die<br />
Grundelemente der Grafik. Außerdem ist es<br />
sehr schwierig, den Strichpunkt richtig <strong>ein</strong>zusetzen,<br />
was zeigen soll, dass wir nicht nur<br />
bunte Bildchen machen, sondern immer auf<br />
Premium-qualität hinarbeiten.“<br />
Die Agentur hat 27 fest angestellte Mitarbeiter,<br />
darunter Konzeptioner, Print- und<br />
Screen-Designer, Texter und Projektmanager.<br />
Außerdem beschäftigt sie immer wieder <strong>ein</strong><br />
paar freie Mitarbeiter, die vor allem in der<br />
Hauptsaison im Januar und Februar gebraucht<br />
werden, da bis zum 31. März alle Geschäfts-<br />
berichte fertig s<strong>ein</strong> müssen. Bei Strichpunkt<br />
arbeiten an <strong>ein</strong>em Projekt meist zwei oder<br />
drei Mitarbeiter, die genau auf die ihnen gestellte<br />
Aufgabe abgestimmt sind.<br />
Saida Brückner<br />
<strong>ein</strong>e erfolgsgeschichte in der<br />
grafikbranche<br />
Die <strong>Stuttgart</strong>er Agentur Strichpunkt<br />
Strichpunkt ist jedoch nicht nur in Deutschland<br />
tätig, sondern arbeitet auch international.<br />
Kürzlich wurde die Agentur in Amerika<br />
von allen Fachzeitschriften auf Platz <strong>ein</strong>s der<br />
Grafikbüros gewählt.<br />
Die Liste der Auszeichnungen ist beachtlich:<br />
insgesamt hat die Agentur schon 202 Preise<br />
gewonnen, unter anderem wurde sie 2006 vom<br />
ADC (Art Directors Club) zur Designagentur<br />
des Jahres gewählt. Jochen Rädeker betont<br />
jedoch, dass trotz aller Freude darüber <strong>ein</strong>ige<br />
Preise ganz besonders wichtig sind: „Der erste<br />
Preis, den wir überhaupt gewonnen haben,<br />
war der schönste. Und ganz besonderen Wert<br />
haben für mich die Preise vom TDC, dem Type<br />
Directors Club, von denen wir inzwischen 18<br />
bekommen haben.“<br />
„Der Strichpunkt<br />
besteht aus <strong>ein</strong>em Punkt<br />
und <strong>ein</strong>em Strich,<br />
und gerade das, die runde<br />
und die gerade Form,<br />
symbolisieren,<br />
was wir machen.“<br />
Natürlich hat Strichpunkt auch Konkurrenten,<br />
die sich ebenso um Aufträge und Preise<br />
bemühen. In <strong>Stuttgart</strong> sind das vor allem<br />
L2M3, Design3 und BBDO. Deutschlandweit<br />
sind die größten Konkurrenten Faktor Design<br />
in Hamburg, KMS Team in München und KW<br />
43 in Düsseldorf.<br />
Immerhin: Strichpunkt ist inzwischen so<br />
etabliert und bekannt, dass Eigenwerbung<br />
nicht mehr nötig ist. Die meisten Kunden rufen<br />
<strong>ein</strong>fach an, und auch an Wettbewerben<br />
muss die Agentur sich kaum beteiligen, um<br />
an Aufträge zu kommen. Und bis jetzt waren<br />
auch die allermeisten Kunden mit der Arbeit<br />
zufrieden. Schließlich ist es auch gut für’s<br />
Image, <strong>ein</strong>e Agentur zu beauftragen, die so<br />
viele Preise <strong>bekommt</strong>.<br />
Eines der bedeutendsten Projekte der letzten<br />
Zeit war das Papiermusterbuch „The Book of<br />
Independence“. Ein Papiermusterbuch ist <strong>ein</strong><br />
Buch, in dem Papierfabriken, in diesem Fall<br />
die Papierfabrik Scheufelen, zeigen wollen,<br />
wie gut man auf ihr Papier drucken kann.<br />
Strichpunkt hat sich überlegt, wie man an<br />
das Thema „Unabhängigkeit“ – wie der Titel<br />
schon sagt – herangehen sollte, das auch noch<br />
die Geschichte der Papierfabrik Scheufelen<br />
<strong>ein</strong>bezieht, die seit 150 Jahren unabhängig<br />
ist. Die Geschichte beginnt mit der Geburt,<br />
mit dem unabhängig werden vom Mutterleib,<br />
dann geht es weiter mit den ersten Laufschuhen,<br />
der Schule, dem Führersch<strong>ein</strong>, eben dem<br />
immer weiter unabhängig werden. Es ist <strong>ein</strong><br />
Buch, das Designern Spaß machen und sie<br />
dazu animieren soll, das Papier der Papierfabrik<br />
Scheufelen zu verwenden. Im ganzen<br />
Buch wurde mit verschiedenem Papier und<br />
mit verschiedenen Druckmethoden gearbeitet.<br />
Strichpunkt wollte k<strong>ein</strong> Buch machen,<br />
das man <strong>ein</strong>mal anschaut und das man dann<br />
im Schrank stehen lässt, es sollte <strong>ein</strong> Buch<br />
s<strong>ein</strong>, das man jeden Tag in die Hand nimmt<br />
und benutzt. Deshalb findet sich im hinteren<br />
Teil des Buches <strong>ein</strong> persönlicher „Unabhängigkeitskalender“,<br />
<strong>ein</strong> Kalender, in dem man<br />
selbst entscheiden kann, welcher Tag stattfinden<br />
soll und welcher nicht. Der Papierfabrik<br />
Scheufelen gefiel das Buch so gut, dass<br />
sie <strong>ein</strong>en Verlag beauftragte, es in größerer<br />
Stückzahl zu drucken.<br />
Bis jetzt wurden schon über 12.000 Exemplare<br />
in 80 Ländern verkauft.<br />
Strichpunkt ist, wie bereits gesagt, <strong>ein</strong>e der<br />
führenden Grafikagenturen Deutschlands<br />
und hatte deshalb verständlicherweise noch<br />
nie Verlust. Jochen Rädeker: „In <strong>ein</strong>em Jahr<br />
machen wir ungefähr 3 Millionen Euro Umsatz,<br />
wovon aber am Schluss nur 10 Prozent<br />
übrig bleiben.“<br />
Und wie <strong>bekommt</strong> man bei so vielen erfolgreichen<br />
Projekten Kreativität und Termindruck<br />
unter <strong>ein</strong>en Hut? „Es ist oft so, dass wir<br />
den Termindruck brauchen, um unsere Kreativität<br />
zu entfalten“, erklärt Rädeker. „Wir be-<br />
kommen unsere Ideen oft nicht im Büro, sondern<br />
zum Beispiel unter der Dusche, im Kino<br />
oder beim Essen.“,<br />
Vielleicht ist das ja <strong>ein</strong>es der Erfolgsgeheimnisse<br />
von Strichpunkt, dass Kreativität etwas<br />
ist, was <strong>ein</strong>en Gestalter immer beschäftigt, un-<br />
abhängig von den Bürozeiten. Und wenn man<br />
diesen Ideenreichtum dann gedruckt als Buch<br />
in den Händen hält, versteht man, warum<br />
Strichpunkt zu den besten Grafikagenturen<br />
Deutschlands zählt.
Seite 6 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Seite 7<br />
Wenn man das von außen eher schlichte Hotel<br />
Maritim betritt, kommt man sich vor wie<br />
in <strong>ein</strong>em Film. Von der befahrenen, dreckigen<br />
Straße und dem regnerischen, grauen Wetter<br />
in die luxuriöse, edle Eingangshalle des größten<br />
Hotels in <strong>Stuttgart</strong>. Ein Unterschied wie<br />
Schwarz und Weiß.<br />
In der Eingangshalle, die durchgehend mit<br />
spiegelndem Marmor ausgelegt ist, auf dem<br />
man das Absatzgeklacker bedeutungsvoll<br />
aussehender Damen hört, befindet<br />
sich die riesige Rezeption<br />
mit gleich vier Empfangsdamen.<br />
Überall hängen Kronleuchter.<br />
Weiter hinten befindet sich <strong>ein</strong>e<br />
Lobby mit vielen Sesseln und<br />
<strong>ein</strong>em Flachbildfernseher, auf<br />
dem <strong>ein</strong> Nachrichtenprogramm<br />
läuft. Anzugmänner, Luxusdamen<br />
mit Pelzmänteln und dauertelefonierende<br />
Manager machen<br />
es sich in diesen Sesseln bequem.<br />
Überall laufen Kofferträger und<br />
sonstiges Personal herum.<br />
„Tagungen und Wohnen unter<br />
<strong>ein</strong>em Dach ist das Motto der Maritim<br />
Hotels“, erklärt die Direktionssekretärin<br />
Frau Haiss, als sie<br />
nach den Besonderheiten der Maritim-Kette<br />
gefragt wird, „die Tagungen unserer<br />
Gäste hier sind meistens mit viel Arbeit<br />
verbunden, wir möchten ihnen trotzdem den<br />
Wohnkomfort bieten, damit sie sich <strong>ein</strong>fach<br />
auch zuhause fühlen.“ Und das tun sie auch.<br />
Entspannen können sie sich zum Beispiel am<br />
Pool oder im Kosmetikstudio. Das Kosmetischulkstudio<br />
ist <strong>ein</strong> eigenständiger Betrieb,<br />
der sich im Hotel <strong>ein</strong>gemietet hat. Allerdings<br />
ist das Kosmetikstudio nicht im Preis<br />
inbegriffen, die Gäste müssen selbst zahlen.<br />
Kostenfrei sind die Sauna, das Solarium, das<br />
Dampfbad, der Pool und der Fitnessbereich.<br />
Die Maritim-Kette ist in allen größeren deutschen<br />
Städten vertreten, in Berlin, Hannover,<br />
München, Hamburg und in vielen mehr.<br />
Neben den 39 Hotels in Deutschland gibt es<br />
auch noch <strong>ein</strong>ige im Ausland, zum Beispiel<br />
auf Malta und in Tunesien.<br />
„Von den Abteilungen abhängig, gibt es im<br />
Hotel ganz viele verschiedene Berufe: Empfangsmitarbeiter,<br />
Servicemitarbeiter und -leiter,<br />
Kellner, Bankettkoordinatoren, die in dem<br />
Tagungsbereich für die Organisatoren und Tagungsreferenten<br />
Ansprechpartner sind, und<br />
es gibt Handwerker, wie etwa Maler, Elektri-<br />
Louisa Schlecht<br />
Bedeutungsvolle Damen<br />
und dauertelefonierende Manager<br />
Ein Besuch im Maritim Hotel <strong>Stuttgart</strong><br />
ker oder Schr<strong>ein</strong>er“, erklärt Frau Haiss weiter.<br />
Die Techniker sind für die Restaurationen<br />
und Ausbesserungsarbeiten in dem dreizehn<br />
Jahre alten Gebäude zuständig. Die meiste<br />
Verantwortung trägt allerdings der Hotelleiter,<br />
er muss das Personal führen, das heißt, er<br />
muss Meetings mit den Abteilungsleitern machen,<br />
er leitet Mitarbeitergespräche, er muss<br />
Leute <strong>ein</strong>stellen, er repräsentiert das Hotel<br />
vor Gästen und hat Termine mit ihnen.<br />
Gleich vier Empfangsdamen: die Rezeption des Maritim-Hotels in <strong>Stuttgart</strong>.<br />
Viel weniger Verantwortung, aber nicht weniger<br />
Arbeit hat das Zimmermädchen. Ihre Aufgaben<br />
sind das R<strong>ein</strong>igen der Zimmer, Nach-<br />
legen der Handtücher und ähnliches. Das<br />
Hotel ist im Jahr durchschnittlich zu 60 bis<br />
70 Prozent mit Gästen belegt. Ausgebucht ist<br />
es oft bei Messen oder bei großen Tagungen,<br />
die meist schon Jahre im Voraus gebucht werden,<br />
zum Beispiel gibt es schon <strong>ein</strong>e Buchung<br />
für <strong>ein</strong>e große Tagung im Jahr 2010. Unglaublich.<br />
Wie gesagt, das Maritim ist das größte<br />
Hotel in <strong>Stuttgart</strong>. 550 Zimmer, 11 Tagungsräume.<br />
Eine Tiefgarage mit drei Ebenen, 360<br />
Stellplätze.<br />
Natürlich sehen nicht alle Zimmer gleich aus.<br />
Es gibt 74 Juniorsuiten, ihre Einrichtung ist<br />
gegenüber den regulären Zimmern sehr luxuriös:<br />
<strong>ein</strong> Wohnzimmer mit zwei Sofas, Flachbildfernseher,<br />
Minibar; im Schlafzimmer<br />
noch mal <strong>ein</strong> Flachbildfernseher, großes Doppelbett.<br />
Es gibt <strong>ein</strong> Marmorbad mit Klo, zwei<br />
Waschbecken, <strong>ein</strong>er Dusche und <strong>ein</strong>er Badewanne.<br />
Zusätzlich gibt es <strong>ein</strong> zweites Klo.<br />
In <strong>ein</strong>em Standardzimmer ist alles etwas <strong>ein</strong>facher<br />
gehalten, <strong>ein</strong> Bad, nicht aus Marmor,<br />
nur <strong>ein</strong> Fernseher.<br />
Noch luxuriöser sind die Luxussuiten, von denen<br />
es drei gibt.<br />
In jedem Zimmer gibt es Internetanschluss.<br />
Etwas teuer zwar, aber besser als gar nichts.<br />
Die ersten, die morgens anfangen zu arbeiten,<br />
sind die Leute, die das Frühstück herrichten.<br />
Das Frühstück gibt es um 6:30. Bei großen Tagungen<br />
oder Events reichen die 270 Sitzplätze<br />
im Frühstücksraum oft nicht aus, weshalb<br />
man oft noch den anliegenden Tagungsraum<br />
dazu nimmt.<br />
Die letzten am Abend sind die<br />
Barkeeper und der Pianist, der<br />
jeden Abend außer Sonntags<br />
am weißen Flügel in der Bar<br />
spielt. Manchmal gehen sie<br />
um 4 Uhr Nachts, manchmal<br />
erst um 6 Uhr Morgens. Zweimal<br />
im Monat gibt es <strong>ein</strong>e Sonderveranstaltung,<br />
bei der <strong>ein</strong>e<br />
Band spielt. „Grundsätzlich<br />
kann man sagen, dass die Arbeitszeiten<br />
im Hotel ganz unterschiedlich<br />
sind, wir müssen<br />
<strong>ein</strong>fach den Anforderungen<br />
unserer Gäste entsprechen“,<br />
teilt uns Frau Haiss mit. Frau<br />
Haiss macht die Assistenz des<br />
Hoteldirektors, sie bearbeitet<br />
zum Beispiel Gästereklamationen, macht die<br />
Terminplanung des Direktors, schreibt s<strong>ein</strong>e<br />
Briefe, führt bei Gesprächen Protokoll und<br />
schreibt auch Pressemitteilungen.<br />
Um am Hotel Maritim <strong>ein</strong>e Lehre anzufangen,<br />
muss man mindestens <strong>ein</strong>en Hauptschulabschluss<br />
haben, mit <strong>ein</strong>em Realschulabschluss<br />
hat man allerdings bessere Chancen. Man<br />
kann zum Beispiel <strong>ein</strong>e Lehre zum Koch/zur<br />
Köchin oder <strong>ein</strong>e Lehre zum Hotelfachmann/<br />
zur Hotelfachfrau machen. Momentan gibt es<br />
im Hotel Maritim <strong>Stuttgart</strong> 70 Auszubildende.<br />
Sie machen fast alle Aufgaben, die ihre ausgebildeten<br />
Kollegen auch tun, nur tragen sie<br />
nicht so viel Verantwortung. Auszubildende<br />
unter 18 Jahren dürfen nicht in der Bar bis<br />
nachts um drei oder am Wochenende arbeiten,<br />
das schreibt das Gesetz vor. Die meisten<br />
Mitarbeiter sprechen zwei Fremdsprachen,<br />
darunter oft Englisch. Viele sprechen Französisch,<br />
Spanisch oder Italienisch. Aber es<br />
gibt auch exotische Sprachen, zum Beispiel<br />
Indonesisch. Einige Mitarbeiter sind Ausländer,<br />
die nur für <strong>ein</strong>en gewissen Zeitraum in<br />
Deutschland arbeiten.<br />
Fortsetzung auf Seite 7<br />
Fortsetzung von Seite 6<br />
Das Hotel ist in zwei Gebäude aufgeteilt: <strong>ein</strong>mal<br />
den Businessflügel mit Eingangsbereich,<br />
Rezeption, Café, Bistro, Bar, Lobby, dem Fitnessbereich,<br />
dem Schwimmbecken und der<br />
Sauna, dem Restaurant, und dem Saal Maritim,<br />
<strong>ein</strong>em Tagungsraum. Ebenso befindet<br />
sich <strong>ein</strong> Drittel der Zimmer im Businessflügel.<br />
Die anderen zwei Drittel sind im Parkflügel<br />
Über der Tür des Ludwigsburger Tierheims<br />
ist der Schriftzug „Franz von Assisi“ zu lesen.<br />
Es ist Samstag. Sofort nach dem Eintreten<br />
befindet man sich inmitten <strong>ein</strong>er Menschenmenge.<br />
Viele große und kl<strong>ein</strong>e Tierliebhaber<br />
haben sich offenbar den Samstag freigehalten,<br />
um Zeit mit den Tieren zu verbringen.<br />
Das Tierheim Ludwigsburg wurde 1972 von<br />
<strong>ein</strong>em privaten Investor gegründet, der Wert<br />
darauf legt, als unbekannter Wohltäter zu<br />
gelten. Anfangs beschäftigte die Institution<br />
lediglich zwei Mitarbeiter. Diese konnten den<br />
sich schnell <strong>ein</strong>stellenden Arbeitsaufwand jedoch<br />
nicht mehr all<strong>ein</strong>e bewältigen, und so<br />
vollzog sich <strong>ein</strong>e Entwicklung, wie sie beispielhaft<br />
im Raum <strong>Stuttgart</strong> ist.<br />
Heute zählt das Tierheim weit über 600 Tiere,<br />
darunter nicht nur die allseits beliebten<br />
Hunderassen, sondern <strong>ein</strong>e Vielzahl an Katzenarten,<br />
Kaninchen, Vögel und Reptilien,<br />
die von insgesamt sieben fest beschäftigten<br />
Tierpflegern und weit mehr als vierzig abwechselnd<br />
arbeitenden freiwilligen Aushilfen<br />
täglich betreut und umsorgt werden.<br />
„Es wäre ohne die ehrenamtliche Hilfe der<br />
Bevölkerung nicht möglich, alle Tiere gut zu<br />
versorgen“, so die 33-jährige Tierpflegerin<br />
Tina Friedrich.<br />
Für die engagierte und motivierte junge Frau<br />
beginnt der Arbeitstag wie für jeden An-<br />
gestellten des Tierheimes mit <strong>ein</strong>er Dienst-<br />
besprechung um 8 Uhr in der Früh. Anschließend<br />
geht man zur täglichen Arbeit über und<br />
widmet sich als erstes der Säuberung aller<br />
Gehege und Tierboxen, in denen die Tiere<br />
untergebracht sind. Dies dauert in der Regel<br />
weit bis in den Nachmittag hin<strong>ein</strong> und endet<br />
mit der täglichen Fütterung.<br />
Carl-Philip Roth<br />
untergebracht. Im Erdgeschoss des Parkflügels<br />
liegt der Großteil der Tagungsräume. Die<br />
beiden Gebäude sind mit<strong>ein</strong>ander durch <strong>ein</strong>en<br />
unterirdischen Gang verbunden.<br />
In <strong>ein</strong>em so großen Hotel kommt es natürlich<br />
nicht selten vor, dass prominente Gäste<br />
<strong>ein</strong> Zimmer oder <strong>ein</strong>e Suite buchen. In letzter<br />
Zeit waren zum Beispiel Nina Hagen, Dieter<br />
Bohlen und der amerikanische Rapper DMX<br />
Manchmal müssen<br />
die persönlichen interessen<br />
im Hintergrund stehen<br />
Im Franz-von-Assisi-Tierheim in Ludwigsburg<br />
sorgen die Pfleger dafür, dass es den Tieren an nichts fehlt,<br />
bis sie <strong>ein</strong> <strong>neues</strong> Zuhause haben.<br />
Dabei nimmt nach Angaben der Tierheimleitung<br />
jedes Tier unterschiedlich viel Zeit<br />
in Anspruch, da es unter den abgegebenen<br />
und aufgefundenen Tieren auch so genannte<br />
„Patienten“ gibt, denen man <strong>ein</strong>e besondere<br />
Behandlung schenkt, um sie rasch aufzupeppeln.<br />
Dabei wird die Verteilung der Tiere in die<br />
verschiedenen Pflegestufen individuell angepasst.<br />
Da es in den letzten Jahren speziell in der Urlaubszeit<br />
zu massenhaften Abgabe von Vier-<br />
und Zweib<strong>ein</strong>ern kam, musste das Tierheim<br />
aufgrund des Platzmangels zu alternativen<br />
Maßnahmen greifen. Die Tierpflegerin Susanne<br />
Höger erzählt von sechs Hundewelpen,<br />
die sie während des Sommers 2006 bei sich zu<br />
Hause auf dem großen Grundstück des Elternhauses<br />
beherbergte, und ihre privaten Interessen<br />
somit in den Hintergrund stellte.<br />
Auf die Frage, was sie denn an ihrem Beruf so<br />
möge, antwortet sie, dass es wunderbar sei,<br />
mit Tieren zu arbeiten, und vor allem selbständig<br />
handeln zu können.<br />
Dass es für die Mitarbeiter <strong>ein</strong>e Freude ist, <strong>ein</strong><br />
Tier vermitteln zu können, versteht sich fast<br />
wie von selbst. Nach Angaben der Tierheimleitung<br />
gibt es in der Bevölkerung unterschiedlich<br />
beliebte Tierarten, die auch unterschiedlich<br />
lange in der „Auffangstation“ verweilen.<br />
Ein schwer vermittelbares Tier in die Hände<br />
verantwortungsvoller Tierhalter zu geben, ist<br />
somit wahrhaftig <strong>ein</strong> Grund zur Freude.<br />
Größere Gehege wären bei der Vielzahl an<br />
Tieren mit Sicherheit <strong>ein</strong>e Investitionsmaßnahme,<br />
um Streitigkeiten aus Gründen des<br />
Platzmangels vermeiden zu können. Hierfür<br />
fehlt allerdings dem Tierheim das nötige<br />
da. Wie Künstler eben so sind, haben sie oft<br />
Sonderwünsche, die ihre Agenturen dem Hotel<br />
schon vor Ankunft des Gastes mitteilen.<br />
Zum Beispiel trinken <strong>ein</strong>ige nur Wasser <strong>ein</strong>es<br />
bestimmten Herstellers, etwa Evian. K<strong>ein</strong> anderes<br />
Wasser. Extrawünsche werden immer,<br />
soweit es im Bereich des Möglichen liegt, erfüllt,<br />
denn die Zufriedenheit des Gastes ist<br />
die wichtigste Aufgabe <strong>ein</strong>es Hotels.<br />
Kl<strong>ein</strong>geld, da fast der gesamte Etat für Futtermittel<br />
und medizinische Versorgung verbraucht<br />
wird.<br />
Ohne Futter- und Geldspenden von tierbegeisterten<br />
Menschen in der Region, wäre es fast<br />
unmöglich, die Tiere angemessen zu versorgen.<br />
Die Tierpflegerin Tina Friedrich spricht<br />
vom deutlichen Rückgang der Spenden und<br />
bedauert diese Entwicklung. „Es fehlt teilweise<br />
an allen Ecken und Enden, um alle<br />
Tiere gleich behandeln zu können. Und um<br />
<strong>ein</strong> Projekt realisieren zu können, muss lange<br />
gespart werden“, so die junge Frau.<br />
Die Tiere bedeuten den Pflegerinnen und<br />
Pflegern nach ihren eigenen Familien am<br />
meisten, das spürt und sieht jeder, der diesen<br />
Menschen bei ihrer Arbeit <strong>ein</strong>mal genauer<br />
über die Schulter geschaut hat. Gewissenhaft<br />
und verantwortungsbewusst ist der Umgang<br />
mit den Lebewesen, aber auch mit dem zur<br />
Verfügung gestellten Arbeitsmaterial.<br />
Dafür sorgt die 3-jährige Ausbildung zum Beruf<br />
des Tierpflegers, den <strong>ein</strong> jeder Schulabsolvent<br />
mit Hauptschulabschluss erlernen kann.<br />
Aufstiegsmöglichkeiten sind jedoch kaum<br />
vorhanden. Lediglich der Aufstieg in die Tierheimleitung<br />
ist möglich.<br />
Um die Aufmerksamkeit der Bevölkerung<br />
rund um <strong>Stuttgart</strong> und Ludwigsburg zu gewinnen,<br />
veranstaltet das Tierheim Ludwigsburg<br />
viermal jährlich <strong>ein</strong>en „Tag der offenen<br />
Tür“. Die monatlich ersch<strong>ein</strong>ende Zeitschrift<br />
„Kugelberg–Nachrichten“ informiert zusätzlich<br />
gut recherchiert und fundiert die interessierte<br />
Leserschaft über aktuelle Ereignisse<br />
im Tierheim.<br />
Für die Zukunft sieht die Tierheimleitung das<br />
„Franz von Assisi“-Tierheim in neuem Glanz.<br />
Dafür soll die Neugestaltung des Hundehauses<br />
sorgen, sowie <strong>ein</strong>e neu errichtete Scheune um<br />
auch größere Tiere, wie beispielsweise Esel<br />
und Pferde, unterbringen zu können.<br />
Der Wunsch aller Beschäftigten im Tierheim<br />
ist es, irgendwann sämtliche Tiere in der Obhut<br />
vernünftiger, achtvoller und vor allem<br />
liebevoller Menschen zu sehen!<br />
Mehr Informationen zum Thema:<br />
Tierheim „Franz von Assisi“<br />
Am Kugelberg 20, D-71642 Ludwigsburg<br />
Telefon: 07141 - 25 04 10<br />
Internet: www.tierheim-lb.de
Seite 8 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Seite 9<br />
Wenn man zum Eingang des Fernsehturms<br />
gelangt, ist man zuerst von der Größe, Eleganz<br />
und Schlankheit des Turms überwältigt,<br />
und fragt sich, wie <strong>ein</strong> Mensch so <strong>ein</strong> Meisterwerk<br />
vollbringen konnte. Denn es ist der<br />
erste Fernsehturm der Welt in dieser Art. Davor<br />
fanden Fernseh- und Radioübertragungen<br />
nicht mit Hilfe von Türmen, sondern mit etwa<br />
30 Meter hohen Masten statt, die mit Drahtseilen<br />
umschlungen waren. Heutzutage ist<br />
<strong>ein</strong> Fernsehturm dieser Art normal: es gibt<br />
schließlich <strong>ein</strong>e ganze Menge von ihnen. Die<br />
Architekten haben es nicht sonderlich schwer,<br />
<strong>ein</strong>en Fernsehturm zu entwerfen, denn es<br />
gibt ja schließlich die Vorlage des <strong>Stuttgart</strong>er<br />
Fernsehturms.<br />
Der <strong>Stuttgart</strong>er Fernsehturm wurde 1954 bis<br />
1956 von den Professoren Fritz Leonhard,<br />
Erwin H<strong>ein</strong>le und Herta M. Witzemann entworfen.<br />
Die Dauer des Baus betrug insgesamt<br />
18 Monate, und die Gesamthöhe des Fernsehturms<br />
mit dem Sendemast beträgt 217 Meter.<br />
Die Kosten des Baus betrugen insgesamt 4,5<br />
Millionen DM. Nur als Vergleich: die Renovierung<br />
vor Kurzem hat mehr als 1 Million Euro<br />
gekostet.<br />
Was steckt hinter der Idee, <strong>ein</strong>en Fernesehturm<br />
zu bauen und für Besucher zugänglich<br />
zu machen, wenn es auch <strong>ein</strong> <strong>ein</strong>facher Sendemast<br />
getan hätte? Fritz Leonhard hatte die<br />
Idee, <strong>ein</strong>en Turm zu bauen, der zwar mehr kosten,<br />
aber wegen s<strong>ein</strong>er Neuartigkeit <strong>ein</strong>e Sensation<br />
s<strong>ein</strong> würde. Leonhard war überzeugt,<br />
dass Besucher von weit herreisen würden, nur<br />
um den Turm zu besichtigen. Er wollte den<br />
Eintritt natürlich nicht umsonst machen, und<br />
s<strong>ein</strong> Hintergedanke war auch, die Baukosten<br />
durch die Besucher wieder <strong>ein</strong>zunehmen. Mit<br />
großem Erfolg. S<strong>ein</strong> Projekt stellte er dem<br />
Staat vor, für den aber die Kosten zu enorm<br />
waren. So finanzierte der damalige Südfunk<br />
(heute SWR) das Projekt. Auch heute ist der<br />
Turm noch im Besitz des Senders.<br />
Der <strong>Stuttgart</strong>er Fernsehturm wurde, wie der<br />
Name sagt, eigentlich gebaut, um Fernsehen<br />
zu übertragen. Heutzutage wird der Turm für<br />
mehrere Dinge genutzt, wie das Übertragen<br />
der Fernsehsender ARD und SWR, sowie der<br />
Radiosender „SWR“, „DLF“ und „Das Ding“.<br />
Die Sender werden in <strong>ein</strong>em Studio überwacht,<br />
um zu kontrollieren, ob alles in Ordnung ist,<br />
damit nichts ausfällt. So wird auch die Verbindung<br />
zum Sendesatelliten erhalten. Um<br />
Fernsehen und Radio senden zu können, wird<br />
der Satellit wegen der Drehung der Erde alle<br />
5 Minuten neu angepeilt, damit <strong>ein</strong>e ständige<br />
Verbindung gewährleistet werden kann. Im<br />
ganzen Turm gibt es mehr als 50 Räume und<br />
ca. 50 Beschäftigte.<br />
Der Turm steht unter Denkmalschutz, sodass<br />
nichts außer der Technik und der Einrichtung<br />
verändert werden darf. Inzwischen macht der<br />
Turm jetzt jährlich zirka <strong>ein</strong>e Million Euro<br />
Verlust. Das hat mehrere Gründe. Zum <strong>ein</strong>en<br />
kommen nicht mehr so viele Besucher, da der<br />
Turm nicht mehr so besonders ist.<br />
Klaus von der Ropp<br />
Zu Beginn<br />
<strong>ein</strong>e Sensation<br />
Als der <strong>Stuttgart</strong>er Fernsehturm<br />
vor über 50 Jahren gebaut wurde,<br />
war er der erste der Welt.<br />
Heute gilt er als <strong>Wahrzeichen</strong> der Stadt.<br />
Trotzdem muss natürlich die Sicherheit der<br />
Besucher gewährleistet s<strong>ein</strong>, was Kosten verursacht.<br />
Ein anderer Nachteil ist die Lage des<br />
Turms: weil er so weit vom Zentrum entfernt<br />
liegt, kommen Besucher fast nie spontan. In<br />
früheren Zeiten lag die Besucherzahl pro Jahr<br />
bei ca. 800.000, heute sind es nur noch etwa<br />
350.000 Besucher. Man sagt sogar, dass es<br />
früher manchmal 3.000 Besucher pro Tag gewesen<br />
waren. Die gesamte Besucherzahl seit<br />
Öffnung liegt bei ca. 24 Millionen.<br />
Von Weitem sieht man die roten und die weißen<br />
Lichter des Fernsehturms leuchten, doch<br />
man kann sich nur ungefähr vorstellen, wozu<br />
sie eigentlich nützlich sind. Die roten Lichter<br />
oben auf der Plattform sind für die Flugzeuge,<br />
damit die erkennen können, wo sich <strong>ein</strong> hohes<br />
Hindernis befindet. Die weißen Lichter<br />
Zusammen mit der Antenne schafft es<br />
der <strong>Stuttgart</strong>er Fernsehturm auf die<br />
be<strong>ein</strong>druckende Höhe von 217 Meter.<br />
gehen auf <strong>ein</strong>e alte Vorschrift zurück, die besagte,<br />
dass alle Türme rot-weiß s<strong>ein</strong> mussten.<br />
Weil das beim Fernsehturm aber nicht schön<br />
ausgesehen hätte, hat man sich auf das Rot-<br />
Weiß der Lichter ge<strong>ein</strong>igt, das man sogar bei<br />
Nebel sieht.<br />
Herr Frank kennt den Turm besonders gut.<br />
Er arbeitet seit neun Jahren im <strong>Stuttgart</strong>er<br />
Fernsehturm und ist für die Haustechnik und<br />
den Aufzugsbetrieb zuständig. Zusammen<br />
mit <strong>ein</strong>em Kollegen teilt er sich die Arbeit im<br />
Schichtdienst.<br />
Der Fernsehturm besitzt insgesamt zwei Aufzüge,<br />
die von extra Aufzugfahrern bedient<br />
werden. Es gibt k<strong>ein</strong>e Lichtschranken, sodass<br />
der Aufzugfahrer immer <strong>ein</strong>en Knopf lange<br />
drücken muss. Doch dann geht die Fahrt mit<br />
ca. 18 Kilometern pro Stunde los. Der Aufzug<br />
schafft 5 Meter pro Sekunde, und nach 36 Sekunden<br />
ist die Fahrt schon zuende. Zu den<br />
Besonderheiten gehören auch die Sicherheitsvorkehrungen:<br />
sollte <strong>ein</strong>e Kabine im Schacht<br />
stecken bleiben, kann die andere auf dieselbe<br />
Höhe fahren, und die Fahrgäste können durch<br />
<strong>ein</strong>e spezielle Tür in den funktionierenden<br />
Aufzug umsteigen.<br />
In dem Turm gibt es noch <strong>ein</strong>e Treppe mit insgesamt<br />
762 Stufen, die nach oben hin immer<br />
schmaler wird, wie der Turm auch. Bei Notfällen,<br />
wie zum Beispiel <strong>ein</strong>em Feuer, dient<br />
diese Treppe jedoch nicht als Nottreppe, weil<br />
sich der Rauch sehr schnell ausbreitet, und es<br />
dann k<strong>ein</strong> Entkommen gibt. Wenn es brennt,<br />
können die Besucher noch <strong>ein</strong>e Stunde lang<br />
über die Aufzüge nach unten transportiert<br />
werden, weil es Notstrom gibt, bei dem die<br />
Stromleitungen so gut verkapselt sind, dass<br />
sie <strong>ein</strong>em Feuer so lange standhalten können.<br />
Sollte dann immer noch jemand oben s<strong>ein</strong>,<br />
müsste er abgeseilt werden. Abseilübungen<br />
finden jedes Jahr dreimal statt, Feuerübungen<br />
viermal im Jahr. Im Café und in den sonstigen<br />
Räumen, wie z.B. der Toilette, gibt es überall<br />
Sprinkleranlagen, außer im Maschinenraum.<br />
Dort gibt es bei Brand <strong>ein</strong>e Stickstoffzufuhr,<br />
und die Personen, die sich in dem Raum befinden,<br />
haben ca. drei Minuten Zeit, den Raum<br />
zu verlassen.<br />
Sollte wirklich <strong>ein</strong>mal <strong>ein</strong> Schwelbrand oder<br />
<strong>ein</strong> Feuer entstehen, <strong>bekommt</strong> Herr Frank<br />
bzw. s<strong>ein</strong> Kollege <strong>ein</strong> Signal über Telefon, und<br />
sie müssen sofort die Feuerwehr benachrichten.<br />
Bei Abwesenheit <strong>ein</strong>er Aufsichtperson<br />
wird die Feuerwehr automatisch benachrichtet<br />
und ist in acht Minuten da.<br />
Vor 36 Jahren gab es <strong>ein</strong>en solchen Brand,<br />
doch verletzt wurde dabei niemand, und auch<br />
die Zerstörungen hielten sich in Grenzen, weil<br />
das Feuer von all<strong>ein</strong>e ausging. Lediglich im<br />
Restaurant gab es Schäden.<br />
Wo bis vor Kurzem nur das Restaurant war,<br />
ist jetzt <strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>es Theater untergebracht,<br />
das „Theater im Turm“. Dort werden ab und<br />
zu kl<strong>ein</strong>e Stücke aufgeführt.<br />
Fortsetzung auf Seite 9<br />
Fortsetzung von Seite 8<br />
Um die Stabilität und Elastizität des Turms<br />
zu testen, hat man vor <strong>ein</strong> paar Jahren <strong>ein</strong>en<br />
Test mit <strong>ein</strong>em Panzer gemacht. Bei dem Test<br />
riss das Seil, welches zwischen dem Panzer<br />
und dem Turm gespannt worden war. Da sieht<br />
man, was für <strong>ein</strong> Meisterwerk dieser Turm ist.<br />
Er kann Windgeschwindigkeiten von über 250<br />
km/h standhalten, ohne auch nur beschädigt<br />
Was Homeschooling ist, ist bekannt. Die Eltern<br />
unterrichten ihre Kinder zu Hause. Aber<br />
warum tun sie das? Manchmal mag es strenger<br />
Glaube s<strong>ein</strong>, im Falle der Neubronners<br />
trifft das nicht zu. Es ist nicht etwa die Entscheidung<br />
der Eltern, ihre Söhne Moritz und<br />
Thomas nicht zur Schule zu schicken, es ist<br />
die Entscheidung der Kinder, zu Hause zu<br />
lernen. Moritz war sehr unglücklich in der<br />
Schule, ihm und s<strong>ein</strong>em kl<strong>ein</strong>en Bruder war<br />
es langweilig und zu laut. Sie sagten, dass sie<br />
dort nicht gut lernen konnten. „Die Kinder<br />
können sich zu Hause viel besser konzentrieren.<br />
Wenn sie etwas Bestimmtes interessiert,<br />
können sie uns immer danach fragen und<br />
müssen nicht, wie in der Schule, warten, bis<br />
sie das Fach haben, in dem diese Frage beantwortet<br />
werden kann“, sagt Dagmar Neubronner,<br />
Mutter von Moritz und Thomas. Die zwei<br />
sind nicht von der ersten Klasse an zu Hause<br />
geblieben, ihre Eltern haben mehrmals guten<br />
Willens versucht, sie zur Schule zu schicken.<br />
„Aber zwingen wollen wir sie auch nicht“, erklärt<br />
Dagmar Neubronner.<br />
Der Unterricht hat k<strong>ein</strong>e festgelegte Anfangs-<br />
und Schlusszeit, die Dauer beträgt in etwa<br />
<strong>ein</strong>e bis <strong>ein</strong><strong>ein</strong>halb Stunden. Wenn besonders<br />
schönes Wetter ist, machen sie weniger Unterricht,<br />
dafür am nächsten Tag mehr. Herr und<br />
Frau Neubronner finden es gut, dass man sich<br />
den Unterricht <strong>ein</strong>teilen kann. Ihre beiden<br />
Söhne lernen größtenteils selbstständig, das<br />
heißt, sie setzen sich ins Wohnzimmer, das<br />
für sie praktisch das Klassenzimmer darstellt,<br />
und lösen Aufgaben von Arbeitsblättern.<br />
Links vom Esstisch steht <strong>ein</strong> Regal mit Lernmaterialien,<br />
wie zum Beispiel <strong>ein</strong>em Englisch-<br />
Wörterbuch, Sachkunde-Heften, Mathe-Lernbüchern,<br />
Geschichtslexika und so weiter.<br />
„Systematischen Unterricht machen wir nur<br />
selten“, so Dagmar Neubronner. Sie und ihr<br />
Mann unterrichten Moritz und Thomas in Mathe<br />
und Deutsch. Für diese Fächer haben sie<br />
<strong>ein</strong>en Ordner, in dem die Blätter, die sie bis<br />
zum Schuljahresende gemacht haben müssen,<br />
enthalten sind. Fächer wie Sachkunde oder<br />
Kunst lernen sie nicht. Thomas zum Beispiel<br />
zeichnet fast den ganzen Tag, so viel Zeit<br />
zum malen hätte er kaum, wenn er in die<br />
Schule ginge. Da die beiden <strong>ein</strong> erstaunlich<br />
gutes Allgem<strong>ein</strong>wissen haben, sind sie, wie<br />
Frau Neubronner sagt, in manchen Gebieten<br />
sogar auf <strong>ein</strong>em höheren Stand als andere<br />
zu werden. Der Beton ist sehr elastisch und<br />
schwingt gut mit. Draußen am Turm ist <strong>ein</strong><br />
großes Wasserbecken angelegt, aus welchem<br />
Wasser nach ganz oben zum Turm gepumpt<br />
wird.<br />
Früher kamen bis zu 800.000 Besucher pro Jahr,<br />
um die Aussicht von <strong>Stuttgart</strong>s <strong>Wahrzeichen</strong> zu<br />
genießen – heute sind es nur noch etwa 350.000.<br />
Louise Neubronner<br />
M<strong>ein</strong>e eltern<br />
sind m<strong>ein</strong>e<br />
Lehrer<br />
Homeschooling – wenn Kinder zum<br />
Unterricht nicht in die Schule gehen.<br />
Ein Beispiel.<br />
Kinder ihres Alters. Einmal im Monat kommt<br />
<strong>ein</strong>e Lehrerin von <strong>ein</strong>er Schule in der Nähe<br />
vorbei und prüft die Kinder. Der Sportunterricht<br />
wird sozusagen durch den Ver<strong>ein</strong>ssport<br />
ersetzt, aber auch durch das riesige Trampolin,<br />
das im Garten steht.<br />
Das alles könnte so <strong>ein</strong>fach s<strong>ein</strong>, wenn es da<br />
nicht <strong>ein</strong> Problem gäbe: es ist rechtlich verboten.<br />
Zwar gibt es die Möglichkeit zur Ausnahme,<br />
aber <strong>ein</strong>e solche wurde noch nie gemacht.<br />
Der Staat will verhindern, dass plötzlich alle<br />
wollen, wenn <strong>ein</strong>er die Erlaubnis <strong>bekommt</strong>.<br />
In Deutschland gibt es nicht, wie in vielen<br />
anderen Ländern, <strong>ein</strong>e Bildungspflicht, sondern<br />
die Schulpflicht. Die Familie klagte vor<br />
dem Bremer Gericht, die Klage wurde zurückgewiesen.<br />
Wenn sie Moritz und Thomas weiter<br />
nicht zur Schule schicken, droht ihnen <strong>ein</strong>e<br />
Geldstrafe. Sorgerechtsentzug und Haftstrafe<br />
können noch kommen. Sobald es soweit ist,<br />
wollen sie in <strong>ein</strong>es der vielen Länder ziehen,<br />
in denen Homeschooling erlaubt ist, zum Beispiel<br />
Amerika, England, Kanada, Irland oder<br />
Frankreich. Dagmar Neubronner m<strong>ein</strong>t dazu,<br />
dass mehr als 500 Eltern in Deutschland<br />
ihre Kinder zu Hause unterrichten, also fast<br />
mehr als in Frankreich. Wie das geht, wenn<br />
es nicht erlaubt ist? Sie erzählt, dass es <strong>ein</strong>e<br />
„Schummel-Losung“ gibt. Man hat <strong>ein</strong>en verständnisvollen<br />
Schulrat, tut so, als ob man<br />
ins Ausland geht, aber in Wirklichkeit bleibt<br />
man zu Hause. Die Neubronners wollten <strong>ein</strong>e<br />
ehrliche Lösung finden. Sie klagen durch alle<br />
Instanzen. Weil sie an die Presse gegangen<br />
sind, wird viel über das Thema diskutiert.<br />
So, sagt die Mutter von Moritz und Thomas,<br />
werden vielleicht mehr Eltern ihre Kinder zu<br />
Hause unterrichten.<br />
Die Fenster des großen Turmkorbs werden<br />
zwei- bis dreimal im Jahr von außen ger<strong>ein</strong>igt.<br />
Dafür wird <strong>ein</strong> Gerüst von außen herabgelassen.<br />
Es gibt Nachteile wie Vorteile an diesem System.<br />
Sicherlich <strong>ein</strong> Nachteil ist Folgendes:<br />
In der Schule lernt man viele andere Kinder<br />
kennen, ist mit ihnen fast die Hälfte des Tages<br />
zusammen. Man spielt dem Lehrer mal <strong>ein</strong>en<br />
Streich, macht Klassenfahrten und vieles<br />
mehr gem<strong>ein</strong>sam. All diese Dinge werden Moritz<br />
und Thomas niemals erleben, wenn sie<br />
nicht zur Schule gehen. Dass sie k<strong>ein</strong>e Freunde<br />
haben oder dass durch Homeschooling soziale<br />
Kontakte leiden, stimmt k<strong>ein</strong>esfalls. Die beiden<br />
Jungen spielen in <strong>ein</strong>em Fußballver<strong>ein</strong>,<br />
haben Instrumenten-Unterricht, gehen in<br />
den Chor und machen des Öfteren etwas mit<br />
dem Nachbarsjungen.<br />
Wo Nachteile sind, gibt es aber zumeist auch<br />
Vorteile. Diese sind zum <strong>ein</strong>en, dass die „Lehrer“<br />
sich mit <strong>ein</strong>em oder auch zwei Kindern<br />
beschäftigen, und nicht mit zwanzig. So<br />
kann jede Frage sofort beantwortet und jede<br />
Unklarheit beseitigt werden. Zum anderen<br />
haben die Kinder nicht den ewigen Stress und<br />
die Angst vor Klassenarbeiten oder Tests. Die<br />
monatliche Prüfung wird nicht benotet, man<br />
kann sich also viel mehr aufs eigentliche Lernen<br />
konzentrieren. Das sind auch die größten<br />
Unterschiede zwischen dem Homeschooling<br />
und der staatlichen Schule. Ob man die praktisch<br />
unbegrenzte Freizeit, die so im Gegensatz<br />
zum „Schulstress“ steht, nun als Vorteil<br />
sieht oder nicht, ist <strong>ein</strong>em selbst überlassen.<br />
Ein Argument dagegen wäre wohl, dass sich<br />
das Kind, wenn es nicht wöchentlich, wie in<br />
der Schule vor Arbeiten, s<strong>ein</strong>en Stoff mehrmals<br />
wiederholt, das Gelernte nicht so gut<br />
<strong>ein</strong>prägt. Es kommt dann ganz darauf an,<br />
ob die Eltern zusätzlich die Kenntnisse ihrer<br />
Kinder in den wichtigsten Bereichen immer<br />
mal wieder überprüfen. Aber da Herr und Frau<br />
Neubronner <strong>ein</strong>en eigenen Verlag haben, den<br />
sie von zu Hause aus führen, haben sie Zeit,<br />
ihre Kinder zu unterrichten und zu kontrollieren.<br />
Letztendlich überlegt sich Moritz doch noch,<br />
ob er später auf <strong>ein</strong>e weiterführende Schule<br />
gehen will, denn er wäre jetzt in der vierten<br />
Klasse. „Probieren kann ich es ja“, sagt er.<br />
Wie Thomas sich entscheiden wird, ist nicht<br />
bekannt, er hat noch genug Zeit bis zur fünften<br />
Klasse. Ihr Abitur machen und studieren<br />
sollen sie auf jeden Fall, wie es danach für die<br />
Beiden aussieht, ist noch nicht klar, sie sind<br />
ja auch erst sieben und zehn Jahre alt.
Seite 10 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Seite 11<br />
„Geld regiert die Welt“, sagt <strong>ein</strong> altes Sprichwort.<br />
Woher aber kommen all diese kupferfarbenen<br />
oder silbernen Münzen, die unsere<br />
Geldbeutel oder Hosentaschen füllen?<br />
Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich<br />
<strong>ein</strong> Besuch bei der staatlichen Münzprägeanstalt<br />
<strong>Stuttgart</strong> (bzw. Karlsruhe), „Staatliche<br />
Münzen Baden-Württemberg“ genannt. Bis<br />
die heutige Staatliche Münze ihren endgültigen<br />
Sitz in der Reichenhallerstraße in Bad<br />
Cannstatt erhielt, war sie im Lauf der Jahrhunderte<br />
schon mehrfach umgezogen. Schon<br />
ab 1374 wurden in der Nähe der heutigen<br />
Markthalle Münzen geprägt. Über Standorte<br />
am Karlsplatz und in der Neckarstraße, gelangte<br />
die Münzprägeanstalt dann 1967 nach<br />
Bad Cannstatt. Mit den früheren kl<strong>ein</strong>en<br />
Handwerksbetrieben zur Münzherstellung<br />
hat die heutige Münzstätte aber nichts mehr<br />
gem<strong>ein</strong>sam. Getreu dem Ausspruch von Adalbert<br />
Stifter: „es ist frevelhaft, mit dem Geld<br />
und dem Feuer nicht vorsichtig umzugehen“,<br />
unterliegt auch die Herstellung des Geldes<br />
strengsten Sicherheitskriterien. Schon der<br />
Zugang zu den Gebäuden ist streng gesichert.<br />
Die Türen können nur von innen geöffnet<br />
werden, die Anmeldung ist mit Panzerglas gesichert.<br />
Außerdem befindet sich direkt hinter<br />
dem Prägebetrieb das Landeskriminalamt.<br />
In den staatlichen Münzstätten – vier große<br />
davon gibt es in Deutschland, und zwar in<br />
Berlin, München, Hamburg sowie Baden-Württemberg<br />
(Karlsruhe und <strong>Stuttgart</strong>) – wird nur<br />
Hartgeld geprägt, k<strong>ein</strong> Papiergeld. Katharina<br />
Bosch-Hörner, die für die Öffentlichkeits-<br />
arbeit zuständig ist, erzählt, dass der Bundes-<br />
finanzminister die Münzhoheit hat, das heißt,<br />
Cornelia Fritz<br />
Woher kommt unser geld?<br />
In Bad Cannstatt wird <strong>ein</strong> Teil unserer Euro- und Cent-Münzen geprägt<br />
er gibt das Geld, das geprägt werden soll, in<br />
Auftrag. In Umlauf gebracht werden darf das<br />
Geld aber nur von der deutschen Bundesbank.<br />
Die Kisten mit den „Ronden“ – so nennt man<br />
die Rohlinge – werden per Lastwagen zur<br />
Münze gebracht. Die Prägestempel werden<br />
sicherheitshalber in der Münze selbst hergestellt.<br />
Etwa alle zwei Wochen wird das neu<br />
geprägte Geld von der Bundesbank abgeholt.<br />
In den Münzanstalten Deutschlands werden<br />
verschieden viele Münzen pro Tag hergestellt,<br />
in <strong>Stuttgart</strong> sind es 2,5 Millionen Münzen pro<br />
Tag. Katharina Bosch-Hörner zeigt anhand<br />
<strong>ein</strong>iger Geldstücke, dass jede Münzstätte <strong>ein</strong>en<br />
eigenen Prägebuchstaben hat, welcher<br />
auf den Münzen zu sehen ist (A = Berlin,<br />
D = München, F = <strong>Stuttgart</strong>, G = Karlsruhe und<br />
J = Hamburg). Diese Prägebuchstaben wurden<br />
1872 <strong>ein</strong>geführt, vorher wurde für <strong>Stuttgart</strong><br />
der Prägeort teils mit dem Namen, teils mit<br />
<strong>ein</strong>em „S“ oder dem Rössle angegeben.<br />
Die 1- und 2-Cent-Münzen werden am häufigsten<br />
geprägt. Wenn die Geldmünzen geprägt<br />
sind, dann werden sie rolliert (d.h. in Rollen<br />
gewickelt) und anschließend in <strong>ein</strong>e Kiste<br />
verpackt, in die etwa 75.000 Münzen passen.<br />
Jeder weiß, dass es Münzen von unterschiedlicher<br />
Größe, Farbe und Wert gibt. Schaut<br />
man sich z.B. <strong>ein</strong> 2-Euro-Stück im Vergleich<br />
zu <strong>ein</strong>em 2-Cent-Stück an, dann fällt auf, dass<br />
auf dem Rand des 2-Euro-Stückes <strong>ein</strong>graviert<br />
steht: „Einigkeit und Recht und Freiheit“,<br />
und dass die Münze am Rand geriffelt ist. Das<br />
2-Cent-Stück dagegen hat k<strong>ein</strong>e Gravur, dafür<br />
aber nur <strong>ein</strong>e Rille. Diese Unterschiede machen<br />
es blinden Menschen leichter, den Wert<br />
<strong>ein</strong>er Geldmünze festzustellen.<br />
So glänzend <strong>bekommt</strong> man sie<br />
im Alltag nur selten zu sehen:<br />
Frisch geprägte 20-Cent-Münzen.<br />
Während bis 1996 noch 2,5 Millionen Münzen<br />
in DM-Währung geprägt wurden, waren es ab<br />
Beginn der Prägung des Euro (1998) täglich<br />
8 Millionen Stück. Diese „Großmengenprägung“<br />
wurde bis 2001 beibehalten, und dann<br />
wieder auf 2,5 Millionen/Tag zurückgestellt.<br />
Modernster Technik ist es zu verdanken, dass<br />
heute bis zu 750 Münzen in <strong>ein</strong>er Minute in<br />
den Pressen gefertigt werden können. Wenn<br />
ungefähr 500.000 Geldmünzen geprägt sind,<br />
dann ist der Prägestempel abgenutzt. Er wird<br />
aus Sicherheitsgründen <strong>ein</strong>geschmolzen. So<br />
kann niemand auf die Idee kommen, mit Hilfe<br />
<strong>ein</strong>es alten Prägestempels s<strong>ein</strong> eigenes Geld<br />
herzustellen.<br />
Viele Arbeitsgänge in der Münze werden heute<br />
mit Hilfe von Computern erledigt, aber die<br />
Mitarbeiter haben trotzdem noch jede Menge<br />
zu tun. Sie prüfen unter anderem, ob die Münzen<br />
auf beiden Seiten richtig ausgeprägt sind<br />
und ob irgendwelche Beschädigungen zu sehen<br />
sind (solche fehlerhaften Geldstücke werden<br />
aussortiert). Auch sind sie vor allem bei<br />
der Herstellung von Medaillen und Gedenkmünzen,<br />
etc. beteiligt. Diese Arbeit erfordert<br />
höchste Konzentration, da sie vorwiegend als<br />
Handarbeit erfolgt. Da Medaillen k<strong>ein</strong>e Zahlungsmittel<br />
sind, können auch private oder<br />
öffentliche Stellen entsprechende Aufträge<br />
an die Münzstätte vergeben.<br />
Abschließend gibt Katharina Bosch-Hörner<br />
noch zu bedenken, dass fast jedes zweite Geldstück<br />
heute aus Baden-Württemberg stammt.<br />
Trotz aller Neuerungen im Zahlungsverkehr,<br />
wie z.B. bargeldloses Zahlen, sind Münzen aus<br />
unserem täglichen Leben nicht wegzudenken.<br />
Viele Automaten schlucken auch heute noch<br />
ausschließlich Münzen.<br />
Die Staatliche Münze in Cannstatt ähnelt<br />
<strong>ein</strong>em Hochsicherheitstrakt. Gleich nebenan<br />
ist das Landeskriminalamt.<br />
Hektisches Treiben und sch<strong>ein</strong>bar heilloses<br />
Durch<strong>ein</strong>ander begrüßen <strong>ein</strong>en, wenn man<br />
in den Opernsaal der <strong>Stuttgart</strong>er Staatsoper<br />
kommt. Hier probt das gesamte Ensemble für<br />
„Hyperion“, <strong>ein</strong>e Oper von Bruno Maderna,<br />
der 1920 in Venedig geboren wurde und 1973<br />
in Darmstadt an Krebs starb. Hyperion ist<br />
<strong>ein</strong>es s<strong>ein</strong>er berühmtesten Stücke. Die Uraufführung<br />
war im Oktober 1964 in Venedig.<br />
Maderna setzt sich hier hauptsächlich mit<br />
dem gleichnamigen Briefroman von Friedrich<br />
Hölderlin aus<strong>ein</strong>ander.<br />
In unzähligen Briefen schreibt verzweifelte<br />
der Held, der junge Grieche Hyperion, an<br />
s<strong>ein</strong>en Freund Bellarmin. In diesen Briefen<br />
durchlebt er noch <strong>ein</strong>mal s<strong>ein</strong>e Liebe zu Diotima,<br />
die ihn mit Hoffnung erfüllt hat. Nach<br />
Diotimas unerklärlichem Tod wendet er sich<br />
der Dichtkunst zu und wird <strong>ein</strong>e Art Dichter-<br />
Prophet.<br />
Madernas Oper erzählt k<strong>ein</strong>e chronologische<br />
Handlung, hier steht all<strong>ein</strong> die Musik im Mittelpunkt.<br />
„Dieses Stück ist <strong>ein</strong> Meilenst<strong>ein</strong><br />
der zeitgenössischen Musik“, so Stephan<br />
Storck, Sänger im <strong>Stuttgart</strong>er Staatsopernchor.<br />
Den solistischen Part bestreiten <strong>ein</strong>e<br />
Sängerin, <strong>ein</strong> Flötist und <strong>ein</strong> Schauspieler.<br />
Die Sopranistin stellt Diotima dar, Hyperion<br />
selbst wird von dem Schauspieler verkörpert.<br />
Die Soloflöte, „flauto-poeta“ genannt, spiegelt<br />
dessen Gefühle wieder.<br />
In Madernas Stück wird Diotima mehrmals<br />
von Hyperion umgebracht, da sie ihn an<br />
alte Zeiten erinnert und von s<strong>ein</strong>em Versagen<br />
singt. Sie ersch<strong>ein</strong>t ihm jedoch als Geist<br />
immer wieder. „Hyperion“ von Friedrich<br />
Hölderlin wird in diesem Stück<br />
mehrmals zitiert. Einmal im<br />
„Schicksalslied“, von Chor und<br />
Solistin gesungen, zum anderen<br />
in der „Aria“, <strong>ein</strong>em Klagelied,<br />
welches größtenteils von der<br />
Sopranistin interpretiert wird.<br />
Ebenso wurden Gedichte von<br />
Cante Jondo, Sappho, Ibikus und<br />
Andeu auf Spanisch, Griechisch<br />
und Englisch vertont.<br />
Bei der <strong>Stuttgart</strong>er Inszenie-<br />
rung von Hyperion sitzt <strong>ein</strong> Teil<br />
des Orchesters in <strong>ein</strong>em Pavillon,<br />
der dem berühmten Pavillon<br />
in Las Palmas auf Teneriffa<br />
nachempfunden ist. Die südländische<br />
Atmosphäre wird durch<br />
Madernas verspielte Musik noch<br />
verstärkt.<br />
Diese Verspieltheit findet sich<br />
gleich am Anfang in <strong>ein</strong>em<br />
Oboensolo wieder, in welchem<br />
der Oboist s<strong>ein</strong>en Phantasien<br />
freien Lauf lässt. Das Orchester<br />
beginnt zu spielen. Für <strong>ein</strong>en<br />
Laien sind im klassischen Sinn<br />
k<strong>ein</strong>e Harmonien oder Melodien<br />
erkennbar, doch Storck m<strong>ein</strong>t,<br />
Madernas undogmatischer Stil<br />
Juliane Gehring<br />
<strong>Stuttgart</strong>er<br />
Meilenst<strong>ein</strong><br />
Die Proben zur Inszenierung von „Hyperion“<br />
an der <strong>Stuttgart</strong>er Staatsoper<br />
überrasche immer wieder mit <strong>ein</strong>em weit gefächerten<br />
Spektrum an Spieltechniken und<br />
Klängen.<br />
So sagte Maderna zum Beispiel: „Eine bestimmte<br />
Phrase kann laut, leise oder gar<br />
Bei „Hyperion“ sitzen Teile des Orchesters<br />
in <strong>ein</strong>em Pavillon auf der Bühne.<br />
Die Akteure werden auf der Bühne auch zu Zuschauern.<br />
Diotima und Hyperion, begleitet von der Soloflöte, die Hyperions<br />
Gefühle wiederspiegelt. (Fotos: Sebastian Hoppe)<br />
nicht gespielt werden.“ Nach diesem Motto<br />
komponierte er auch <strong>ein</strong>ige „aleatorische“<br />
Teile, die man in <strong>ein</strong>e beliebige Reihenfolge<br />
setzen kann oder sogar weglassen darf. Hierzu<br />
Enrique Mazzola, der Dirigent: „Die Noten<br />
Madernas stehen k<strong>ein</strong>en Augenblick still, sie<br />
springen <strong>ein</strong>em entgegen, purzeln von selbst<br />
aus der Partitur.“<br />
Als der Chor, in diesem Falle die Zuhörer des<br />
Platzkonzertes, zu singen beginnt, fühlt man<br />
sich in <strong>ein</strong>e fremde Welt versetzt. Es klingt<br />
wie <strong>ein</strong> Elfenreigen, zart und zerbrechlich.<br />
In <strong>ein</strong>em Teil der Oper sind nur Vokale und<br />
Konsonanten vertont, die von <strong>ein</strong>em großen<br />
Flötensolo und <strong>ein</strong>er Band<strong>ein</strong>spielung von<br />
1960 unterlegt sind. Diese <strong>ein</strong>st verschollene<br />
Flötenkadenz wird in <strong>Stuttgart</strong> erstmals wieder<br />
erklingen, da Mazzola sie von dem Mitschnitt<br />
<strong>ein</strong>er von Maderna geleiteten Aufführung<br />
notiert hat.<br />
Karin Böhnel, seit 18 Jahren Bratschistin im<br />
Staatsorchester <strong>Stuttgart</strong>, m<strong>ein</strong>t: „Das Besondere<br />
an Hyperion ist, dass es k<strong>ein</strong>e Oper im<br />
herkömmlichen Sinn ist. Es gibt k<strong>ein</strong> Libretto,<br />
wie bei Wagner oder Mozart. Jeder Regisseur<br />
kann also Madernas Werk so interpretieren,<br />
wie er es wiedergebenswert findet.“<br />
So hatte die Regie den interessanten Einfall,<br />
dass der Dirigent und die Musiker aktiv in<br />
das Bühnengeschehen mit<strong>ein</strong>bezogen werden.<br />
So versucht der Dirigent Enrique Mazzola<br />
während <strong>ein</strong>es solistischen Parts der Ersten<br />
Geige mehrmals, mit s<strong>ein</strong>em restlichen Orchester<br />
wieder zu Wort zu kommen, muss<br />
jedoch resigniert aufgeben.<br />
Da das Stück, laut Storck, intonatorisch sehr<br />
schwer ist, begann der Chor<br />
schon in der letzten Spielzeit,<br />
das heißt vor den Sommerferien,<br />
zu proben. Nur sehr wenige<br />
Stücke setzen <strong>ein</strong>e so lange<br />
Probenphase voraus. Insgesamt<br />
brauchte der Chor drei Monate,<br />
in denen er szenisch probte<br />
und den schwierigen Notentext<br />
auswendig lernte, bis man das<br />
Geprobte mit dem Orchester zusammenlegen<br />
konnte.<br />
Wie bei anderen Produktionen<br />
geht natürlich auch bei Hyperion<br />
<strong>ein</strong>e monatelange Planung<br />
und Umsetzung der verschiedenen<br />
Abteilungen voraus, wie<br />
Technik, Schr<strong>ein</strong>erei, Schneiderei,<br />
Schlosserei, Maske und<br />
Malerei.<br />
Bei den fast täglichen Vorstellungen<br />
<strong>bekommt</strong> <strong>ein</strong> Theaterbesucher<br />
leider nur das zu sehen,<br />
was auf der Bühne geschieht,<br />
doch bei jeder Produktion, besonders<br />
bei dem überaus komplizierten<br />
und außergewöhnlichen<br />
Hyperion, wäre <strong>ein</strong> Blick<br />
hinter die Kulissen erlebenswert<br />
und sensationell.
Seite 12 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Seite 13<br />
Blind zu s<strong>ein</strong>… was bedeutet das für <strong>ein</strong>en<br />
Menschen? Ein schlechtes Leben nur mit<br />
Einschränkungen und viel Hilfe? Abhängig<br />
s<strong>ein</strong> von Blindenhunden oder anderen Menschen?<br />
Das stimmt nicht ganz, denn seit 1856<br />
gibt es <strong>ein</strong>e soziale Einrichtung für Sehbehinderte<br />
Menschen. Sie nennt sich „Nikolauspflege“.<br />
Gegründet wurde sie von Gottlieb<br />
Friedrich Wagner, der jedoch von allen nur<br />
„Lehrer Wagner“ genannt wurde. Wagner war<br />
zuvor Lehrer an <strong>ein</strong>er Mädchenschule. Dann<br />
fragten ihn <strong>ein</strong>ige Eltern von blinden Menschen,<br />
ob er ihre Kinder nicht unterrichten<br />
könne. Er stimmte zu, und damit war bereits<br />
1827 der Grundst<strong>ein</strong> für die erste Blinden-<br />
Schule gelegt.<br />
Früher dachte man, Blinde wären <strong>ein</strong>fach<br />
nicht fähig, irgendetwas zu tun, doch Lehrer<br />
Wagner unterrichtete sie, und so konnte<br />
den Blinden geholfen werden. Geleitet wird<br />
die Nikolauspflege heute von Dieter Feser.<br />
Wenn man <strong>ein</strong> Kind anmelden möchte, kann<br />
man sich mit Mitarbeitern der Sonderpädagogischen<br />
Beratungsstelle über die besten Möglichkeiten<br />
unterhalten. Soll das Kind lieber in<br />
<strong>ein</strong>e normale Schule oder in <strong>ein</strong>e Schule für<br />
Sehbehinderte? Soll das Kind in <strong>ein</strong> Internat<br />
oder zu Hause wohnen bleiben?<br />
Es gibt viele Möglichkeiten, und alles wird<br />
mehrfach in Betracht gezogen. Es gibt nicht<br />
Leonie von Hülsen<br />
<strong>ein</strong> ganz normales Leben,<br />
aber in Dunkelheit<br />
Die <strong>Stuttgart</strong>er Nikolauspflege hilft blinden Menschen,<br />
ihr Leben in allen Situationen zu meistern.<br />
Beim Lesen sind die meisten Schüler der<br />
Nikolauspflege-Einrichtungen auf ihre Finger<br />
angewiesen – die speziellen Texte und Bücher<br />
sind in Braille-Schrift geschrieben, <strong>ein</strong>er<br />
Blindenschrift aus fühlbaren Punktmustern.<br />
<strong>ein</strong>mal <strong>ein</strong>e Entscheidung, die nicht mehr<br />
rückgängig gemacht werden kann. Bis zur<br />
endgültigen Entscheidung dauert es lange,<br />
denn alles wird wieder und wieder überlegt.<br />
Mittlerweile können Blinde, die den Weg der<br />
Nikolauspflege gehen, auch viele Berufe erlernen.<br />
In der Nikolauspflege bekommen viele blinde<br />
Menschen <strong>ein</strong>e Chance auf <strong>ein</strong> besseres Leben.<br />
Insgesamt kümmert sich die Nikolauspflege<br />
in ganz Deutschland um zirka 1800 Blinde<br />
und Sehbehinderte, davon zwischen 800 und<br />
820 Schüler. Kinder können eigentlich schon<br />
direkt nach der Geburt von der Beratungs-<br />
stelle betreut werden, doch viele Eltern bringen<br />
ihre Kinder erst, wenn sie das Kinder-<br />
gartenalter erreicht haben.<br />
Die ganze Einrichtung wird von verschiedenen<br />
öffentlichen Leistungsträgern finanziert.<br />
Doch das Geld, welches ihnen zugute<br />
kommt, wird immer weniger; der Staat, der<br />
die Schulbildung finanziert, zahlt immer<br />
weniger Geld für Schulfächer wie „Lebens-<br />
praktische Fähigkeiten“, kurz LPF. In diesem<br />
Fach lernen Blinde beispielsweise den Kleiderschrank<br />
<strong>ein</strong>sortieren, „sodass sie nicht<br />
aussehen wie <strong>ein</strong> Papagei.“ So drückt es<br />
Stefanie Krug aus, die Pressesprecherin der<br />
Nikolauspflege. Außerdem lernt man in LPF<br />
das Einschenken von Getränken, sodass man<br />
Im LPF-Unterricht lernen blinde Menschen,<br />
wie man den Haushalt organisiert:<br />
Wie man richtig isst, den Kleiderschrank<br />
<strong>ein</strong>räumt oder s<strong>ein</strong>e Kleidung bügelt.<br />
nicht alles verschüttet, oder Techniken zum<br />
richtigen Essen. Außerdem gibt es als Unterrichtsfach<br />
auch Orientierungs- und Mobilitätstraining.<br />
In <strong>ein</strong>er Schulklasse sind zwischen sechs<br />
und acht Schüler. Die Lehrer sind teilweise<br />
selbst blind. Die Schule dauert genauso lange<br />
wie <strong>ein</strong>e normale Schule. Auch die Schulzeit<br />
ist gleich: um 8 Uhr beginnt die Schule,<br />
und dann haben die blinden Schüler auch ca.<br />
6 Stunden Unterricht. Der <strong>ein</strong>zige Unterschied<br />
ist, dass die Grundschule 5 Jahre lang geht;<br />
also <strong>ein</strong> Jahr länger als an regulären Schulen.<br />
Der Schulabschluss ist aber der Gleiche.<br />
Es gibt <strong>ein</strong>e Ausnahme: im Haus am Dornbuschweg,<br />
<strong>ein</strong>er Schule für mehrfach Behinderte,<br />
gibt es <strong>ein</strong>en anderen Abschluss. Dort<br />
wird nach dem Bildungsgang für Geistig-<br />
behinderte unterrichtet, das heißt der Lerndruck<br />
und die Erwartungen sind nicht so<br />
hoch.<br />
Weil immer weniger Geld in die Kassen der<br />
Nikolauspflege fließt, und auch die Klienten<br />
nichts zahlen müssen, ist die Nikolaus-<br />
pflege immer mehr auf Spenden angewiesen.<br />
Die Schüler haben deshalb vor <strong>ein</strong>iger Zeit<br />
<strong>ein</strong> Projekt gestartet: „Schwarzmarkt“ nennt<br />
es sich, und darin üben sich Schüler und<br />
Schülerinnen der Nikolauspflege in praktischer<br />
Arbeit.<br />
Schwarzmarkt… dabei denkt man erst mal<br />
an illegale Geschäfte; das ist es aber auf k<strong>ein</strong>en<br />
Fall! Der Schwarzmarkt am Kräherwald<br />
ist <strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>er „Tante-Emma-Laden“, in dem<br />
man Lebensmittel und Getränke aus fairem<br />
Handel kaufen kann. Ungefähr <strong>ein</strong> Drittel aller<br />
Schüler der allgem<strong>ein</strong> bildenden Schulen lebt<br />
in Internaten/Heimen der Nikolauspflege. In<br />
den beruflichen Schulen sind es sogar über<br />
90 Prozent. Solche Schüler oder Auszubildende<br />
leben in familiären Wohngem<strong>ein</strong>schaften.<br />
Fortsetzung auf Seite 13<br />
Mitarbeiter der Nikolauspflege helfen blinden<br />
Menschen, sich in der Stadt selbstständig zu<br />
bewegen und zurechtzufinden.<br />
(Fotos: Fotoarchiv Nikolauspflege)<br />
Fortsetzung von Seite 12<br />
Dort herrscht <strong>ein</strong> relativ geregelter Tages-<br />
ablauf: es wird zusammen gegessen und dann<br />
kommt, je nach Schulweg, <strong>ein</strong> Fahrdienst,<br />
oder sie gehen zu Fuß zur Schule. Nach der<br />
Schule gibt es <strong>ein</strong>e so genannte Kernzeit, danach<br />
gibt es <strong>ein</strong>e Spiel- und Hausaufgaben-<br />
betreuung.<br />
Die Nikolauspflege ist außerdem <strong>ein</strong>e öffentliche<br />
Zivildienststelle. Es gibt auch <strong>ein</strong>ige<br />
Schüler, die ihr Sozialpraktikum in der Nikolauspflege<br />
machen. Niemand weiß, wie man<br />
Strichpunkt? Was soll denn das s<strong>ein</strong>? Ein<br />
Satzzeichen? Ja schon… Die Grundformen der<br />
Kalligraphie, <strong>ein</strong> Strich, <strong>ein</strong> Punkt bzw. Kreis.<br />
Was hat der Strichpunkt noch für Tücken?<br />
Er verbindet zwei ganze Teile und lässt sich<br />
schwer irgendwo hin setzen. Dies erzählt<br />
Jochen Rädeker, geboren 1967 in Hannover.<br />
Rädeker gründete nach s<strong>ein</strong>em Grafik- und<br />
Design-Studium zusammen mit Kirsten Dietz,<br />
die ebenfalls Grafik und Design studiert hat,<br />
die Grafikfirma „Strichpunkt“.<br />
Ihr Büro ist im <strong>Stuttgart</strong>er Osten, in <strong>ein</strong>em<br />
älteren Hinterhaus, das von außen mehr wie<br />
<strong>ein</strong> Wohnhaus aussieht. Im Eingangsbereich<br />
ist der Platz der Sekretärin. An der Wand<br />
hängt <strong>ein</strong>e eiserne Platte, auf der steht: „Die<br />
Zukunft gehört den Mutigen.“<br />
Im Erdgeschoss ist außer <strong>ein</strong> paar Arbeitsplätzen<br />
noch <strong>ein</strong>e Art Versammlungsraum, der mit<br />
vielerlei praktischen Sachen ausgestattet ist,<br />
wie <strong>ein</strong>em Beamer und Licht, das man in der<br />
Helligkeit regulieren kann, damit man zum<br />
Beispiel sieht, wie die Farben bei Tageslicht<br />
aussehen. Im Keller ist die Küche, in der <strong>ein</strong>e<br />
Köchin das Essen zubereitet, in der aber jeder<br />
auch selbst kochen kann. Dort steht auch,<br />
laut Jochen Rädeker, die „wichtigste Maschine<br />
im Haus: die Kaffeemaschine“.<br />
Das Treppenhaus in den ersten Stock ist geschmückt<br />
mit <strong>ein</strong> paar der über 200 Preise und<br />
Urkunden. Die Preise sind mit die wichtigste<br />
Werbung für die Firma. Doch ohne Fleiß k<strong>ein</strong><br />
Preis. So wurde gleich bei der Gründung festgelegt:<br />
„Wir wollen innerhalb von drei Jahren<br />
zu den zehn besten Grafikbüros Deutschlands<br />
gehören“, erzählt Rädeker. „Und das haben<br />
wir auch geschafft.“ Inzwischen zählt sich<br />
Strichpunkt auch international zu den besten<br />
Büros. Doch der Wettbewerb ist hart. Firmen<br />
wie L2M3, Design hoch 3, BBDO gehören zu<br />
den wichtigsten Konkurrenten.<br />
sich wirklich als blinder Mensch fühlt, wenn<br />
man es nicht selbst ist. Bei so <strong>ein</strong>em Prak-<br />
tikum lernt man die Blinden etwas näher<br />
kennen.<br />
Eine andere Möglichkeit, sich ins Blindenleben<br />
hin<strong>ein</strong>zuversetzen, ist, dass man sich<br />
am Sommerfest der Nikolauspflege in <strong>ein</strong>e so<br />
genannte „Dunkelbar“ setzt oder nach Esslingen<br />
ins Dunkelrestaurant geht.<br />
In beiden Fällen handelt es sich um komplett<br />
abgedunkelte Räume, in die man von blinden<br />
Kellnern und Kellnerinnen geführt wird. Man<br />
Ute Dreyer<br />
Die erfindung des unabhängigkeitskalenders<br />
Ein Besuch in der Grafikfirma „Strichpunkt“<br />
Für „Strichpunkt“ arbeitet <strong>ein</strong> Team von 27<br />
fest angestellten Designern, Textern und Betriebswirten,<br />
die je nach Themengebiet zusammen<br />
arbeiten. Nur wenige von ihnen haben<br />
<strong>ein</strong>en ausländischen Pass, weil von den<br />
Mitarbeitern <strong>ein</strong> perfektes Deutsch verlangt<br />
wird. Obwohl es so viele Mitarbeiter gibt, wird<br />
es im Januar und Februar besonders stressig,<br />
weil dann große Firmen wie DaimlerChrysler<br />
ihren Jahresfinanzbericht von Strichpunkt<br />
erstellen lassen. Außerdem müssen auch<br />
noch Vertragskunden, wie das Staatstheater<br />
<strong>Stuttgart</strong>, betreut werden. Für dieses werden<br />
sowohl die Logos, als auch die Werbung und<br />
die Programmhefte designt.<br />
„Die Zukunft gehört<br />
den Mutigen.“<br />
Die Kunden sind entweder im wirtschaftlichen<br />
Bereich tätig, wie DaimlerChrysler und<br />
die LBBW, oder aber im kulturellen Bereich,<br />
wie das Staatstheater <strong>Stuttgart</strong>. Auch <strong>ein</strong>zelne<br />
Künstler lassen sich von Strichpunkt CDs<br />
oder andere Dinge gestalten.<br />
Für diesen Job braucht Jochen Rädeker an<br />
<strong>ein</strong>em Tag mehr gute Ideen als andere in<br />
<strong>ein</strong>em Jahr. Aber woher <strong>bekommt</strong> er sie? Er<br />
sagt, er gehe oft ins Theater, denke nach<br />
und befasse sich sehr viel mit dem entsprechenden<br />
Thema. Die Ideen kommen aber nicht<br />
nur von <strong>ein</strong>er Person, sondern von mehreren.<br />
Man setzt sich dann zusammen und bespricht<br />
sieht nicht, was man isst, man sieht nicht,<br />
was man trinkt, s<strong>ein</strong>en Teller, s<strong>ein</strong> Glas, Gabel,<br />
Messer, den Tischnachbarn: alles ist plötzlich<br />
verschwunden. Man kann erahnen, wo sich<br />
etwas befindet, aber eigentlich ist man völlig<br />
blind. Teilweise ist so <strong>ein</strong> Erlebnis unangenehm,<br />
aber es ist wirklich interessant.<br />
Nachdem man so etwas erlebt hat, wird man<br />
sich sicher nicht mehr so schnell über s<strong>ein</strong><br />
Leben aufregen, denn man weiß, mit welchen<br />
Problemen diejenigen zu kämpfen haben, die<br />
blind sind.<br />
beziehungsweise kombiniert die Ideen (so genanntes<br />
Brainstorming). Doch das alles unter<br />
Termindruck? Lässt da die Kreativität nicht<br />
nach? Auf diese Frage antwortet Rädeker:<br />
„Termindruck ist schon blöd, aber der Druck<br />
hilft auch manchmal. Wenn Schüler <strong>ein</strong> Referat<br />
vorbereiten müssen, fangen sie meistens<br />
auch nicht Wochen vorher an, sondern erst<br />
<strong>ein</strong> paar Tage davor; und es wird trotzdem<br />
etwas.“<br />
Eines der aktuellen Projekte von Strichpunkt<br />
ist „The book of independence“ (Das Buch der<br />
Unabhängigkeit). Eigentlich ist das Buch in<br />
erster Linie <strong>ein</strong> Werbeprospekt für die Papierfabrik<br />
Scheufelen. Es soll zeigen, wie toll<br />
man auf dem Papier der Firma drucken kann.<br />
Doch soll es Designern auch Spaß machen,<br />
es anzuschauen. Das Buch hat zwei Teile. Im<br />
ersten Teil wird der Weg zur Unabhängigkeit<br />
beschrieben. Der Bauchnabel, durch ihn wird<br />
man unabhängig vom Mutterleib, die ersten<br />
Schritte, die Schule, dann die Fahrschule,<br />
verschiedene Automaten, mit denen man sich<br />
unabhängig von den Öffnungszeiten der Läden<br />
machen kann, und so weiter.<br />
Der zweite Teil ist der Unabhängigkeitskalender.<br />
Unabhängig bedeutet in diesem Fall, dass<br />
man sich die Tage, Wochen und Monate in<br />
Form von Klebern selbst <strong>ein</strong>teilen kann. Auch<br />
besondere Ereignisse oder Vorhaben kann<br />
man in Form von Klebern festlegen. Wie zum<br />
Beispiel der Geburtstag der Freundin oder „fly<br />
to the moon“. Auf diese Idee ist Rädeker gekommen,<br />
da auch er damit zu kämpfen hat,<br />
dass jeder Tag voll mit Terminen ist. Dieses<br />
Buch zeigt, was modernes Design kann. Es<br />
stellt gleichzeitig die Unabhängigkeit der<br />
Papierfabrik Scheufelen und die Qualität ihres<br />
Papiers dar, und als Nebeneffekt gibt es<br />
termingestressten Menschen die Möglichkeit,<br />
ihre Zeit besser <strong>ein</strong>zuteilen.
Seite 14 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007 Seite 15<br />
Karin Brüderle<br />
Wer hat Platz<br />
für mich?<br />
Das Tierheim in <strong>Stuttgart</strong> Botnang<br />
sucht neue Besitzer für herrenlose Tiere<br />
Die Tiere des Botnanger Tierheims suchen alle<br />
<strong>ein</strong> <strong>neues</strong> und liebevolles Zuhause. Bei <strong>ein</strong>em<br />
Besuch mit anschließendem Interview erzählen<br />
die Pfleger des Tierheims vieles über das<br />
dortige Leben.<br />
Es sind viele Tierarten vertreten: Hunde, Katzen,<br />
Hasen, Meerschw<strong>ein</strong>chen, Ratten, Mäuse,<br />
Hamster, Vögel, Ziegen, Ponys und Schw<strong>ein</strong>e.<br />
Dieses Heim für Tiere befindet sich in der<br />
Furtwängler Straße in <strong>Stuttgart</strong> Botnang und<br />
besteht schon seit dem 19. Jahrhundert.<br />
Das Tierheim besitzt mehr als 800 Tiere. Viele<br />
davon werden aus dem Ausland, zum Beispiel<br />
Spanien hierher gebracht, weil die Tierheime<br />
dort überfüllt sind. Aber die Zahl der „ausländischen“<br />
Tiere nimmt ab.<br />
Dieses Heim für Tiere besteht aus zwei Hundehäusern,<br />
<strong>ein</strong>em Hundegnadenhof, auf dem<br />
die Tiere leben, die niemand mehr übernehmen<br />
will. Außerdem gibt es <strong>ein</strong> Kl<strong>ein</strong>tierhaus,<br />
für Nagetiere wie Hasen, Kaninchen<br />
und Hamster, <strong>ein</strong> Vogelhaus, <strong>ein</strong> Katzenhaus<br />
mit <strong>ein</strong>em <strong>ein</strong>gezäunten Freilauf, <strong>ein</strong> Büro<br />
und zwei Quarantänehäuser. Im Büro findet<br />
man alle Informationen über die vorhandenen<br />
Tiere und deren Haltung.<br />
Die Tage der Mitarbeiter sind sehr hart. Sie<br />
müssen alles machen, vom Füttern über das<br />
Putzen bis hin zu der Medikamentengabe.<br />
Außerdem muss rund um die Uhr Aufsichtspersonal<br />
anwesend s<strong>ein</strong>. Wenn der Tierarzt<br />
kommt, müssen die Mitarbeiter ihn unterstützen.<br />
Der Arbeitstag beginnt für viele um 7 Uhr<br />
und ist um 17 Uhr zu Ende. Frau Müller, <strong>ein</strong>e<br />
der Tierpflegerinnen, sagt: „Ich wollte schon<br />
immer mit Tieren zusammen arbeiten. Das ist<br />
m<strong>ein</strong> Traumberuf, und es macht mir Spaß.“<br />
Das Tierheim finanziert sich fast nur durch<br />
Spenden und Erbschaften. Da viele Tiere Medikamente<br />
brauchen und Tierarztbesuche<br />
teuer sind, versucht das Tierheim auch durch<br />
kl<strong>ein</strong>e Aktionen – wie dem Tag der offenen<br />
Tür, bei dem man Bücher und sonstige Sachen<br />
kaufen kann, die von Leuten gespendet wurden<br />
– Extrageld <strong>ein</strong>zunehmen.<br />
Auch durch Mitgliedsbeiträge des Tierschutzver<strong>ein</strong>s<br />
kommen weitere Einnahmen dazu.<br />
Dieser Tierschutzver<strong>ein</strong> war der erste in<br />
Deutschland, er wurde 1873 gegründet. Der<br />
Ver<strong>ein</strong> hat schon etwa 2600 Mitglieder, und<br />
es werden immer mehr. Der Tierschutzver<strong>ein</strong><br />
kümmert sich mit ehrenamtlichen Tierschutzinspektoren<br />
darum, Tierquälereien in<br />
Haushalten, gewerblichen Unternehmen und<br />
bei sportlichen Institutionen zu verhindern<br />
bzw. abzustellen, denn <strong>ein</strong> Tier ist genauso<br />
<strong>ein</strong> Lebewesen wie der Mensch.<br />
Der Ver<strong>ein</strong> kümmert sich im Winter um etwa<br />
400 Igel, die ohne die Hilfe nicht überleben<br />
könnten. Im Frühjahr werden sie wieder in<br />
die Natur entlassen. Außerdem werden verletzte<br />
oder aus dem Nest gefallene junge Vögel<br />
versorgt. Urlaubspatenschaften werden<br />
vermittelt, und „Gassigehdienste“ ebenso.<br />
Bedürftige Privatpersonen, die <strong>ein</strong>e Katze<br />
halten, bekommen finanzielle Unterstützung<br />
für die Kastration. Damit versucht man die<br />
starke Vermehrung in <strong>Stuttgart</strong> <strong>ein</strong>zudämmen.<br />
Ebenso werden für herrenlose Katzen<br />
die Impf- und Kastrationskosten übernommen.<br />
Der Jahresbeitrag kostet für Schüler<br />
und Studenten 12 Euro und für Erwachsene<br />
25 Euro.<br />
Das Tierheim hat zwei Tierschutzgruppen. Für<br />
die Jugend hat der Tierschutzver<strong>ein</strong> <strong>ein</strong>iges<br />
parat. Die Jugendtierschutzgruppe, für Jugendliche<br />
zwischen zehn und siebzehn Jahren,<br />
trifft sich Donnerstags alle zwei Wochen.<br />
Es gibt <strong>ein</strong>en Jugendraum für die Treffen.<br />
Hier werden Mitgefühl und Respekt gegenüber<br />
Tieren vermittelt, und die Kinder erhalten<br />
Informationen über die Tiere und wie sie<br />
ihnen helfen können. Außerdem wirkt man<br />
an Tierschutzprojekten mit, hilft im Tierheim<br />
und macht Ausflüge.<br />
Pro Jahr braucht das Tierheim zirka <strong>ein</strong>e Millionen<br />
Euro für die Tiere. Deshalb ist das Tierheim<br />
auf Unterstützung angewiesen.<br />
Es gibt auch noch die Gruppe für Erwachsene.<br />
Die Mitglieder kümmern sich unter ande-<br />
rem darum, dass Pflegeplätze organisiert und<br />
später auch kontrolliert werden. Es werden<br />
Besuchsdienste mit Tieren in Alten- und Pflegeheimen<br />
organisiert und Tierarztfahrten für<br />
ältere Menschen und deren Tiere übernommen.<br />
Außerdem bastelt der Kreis viele Dinge<br />
für den Basar.<br />
Das Tierheim gibt die Tiere in der Regel nicht<br />
kostenlos an ihre neuen Besitzer ab. Für<br />
Hunde wird <strong>ein</strong>e Gebühr zwischen 200 und<br />
350 Euro berechnet, bei Katzen sind es zwischen<br />
100 und 150 Euro. Für Kl<strong>ein</strong>tiere bezahlt<br />
man zwischen 40 und 80 Euro. In den<br />
Preisen sind die Kastration, die Impfungen,<br />
Entwurmungen und Chips enthalten. Chips<br />
werden den Tieren implantiert, damit sie –<br />
wenn sie entlaufen oder verloren gehen – anhand<br />
der Chipnummer jederzeit identifiziert<br />
und an den Halter zurückgegeben werden<br />
können. Viele Tiere kommen ganz verstört ins<br />
Tierheim und können dann nur schwer vermittelt<br />
werden.<br />
Für alle, die k<strong>ein</strong>e Tiere in der eigenen Wohnung<br />
halten wollen oder können, ist auch <strong>ein</strong>e<br />
Patenschaft möglich. Bei dieser Patenschaft<br />
zahlt man jedes Jahr <strong>ein</strong>en Beitrag zwischen<br />
10 und 25 Euro für das gewählte Tier <strong>ein</strong>.<br />
Als Pate <strong>bekommt</strong> man <strong>ein</strong>en Ausweis. Man<br />
kann dann während der Öffnungszeiten das<br />
Patentier immer besuchen und sich von den<br />
Pflegern den gesundheitlichen Zustand des<br />
Tieres erklären lassen. Mit Hunden kann man<br />
auch spazieren gehen. Das Patenschaftsgeld<br />
wird zum Beispiel für sehr hohe Tierarztrechnungen<br />
benutzt. Zurzeit spart das Tierheim,<br />
um die Kosten für die Renovierungen der<br />
Hundehäuser zu bezahlen.<br />
Für Interessierte:<br />
Das Tierheim freut sich auch sehr über Sachspenden. Für die R<strong>ein</strong>igung der Ställe werden Spül-<br />
schwämme und Bürsten gebraucht, außerdem Essigr<strong>ein</strong>iger, Flüssigseifen und Putzlappen. Für<br />
die Unterkünfte der Tiere Handtücher, Badezimmerteppiche und Decken. Außerdem braucht man<br />
immer Werkzeug, stabiles Hundespielzeug, Kratzbäume für Katzen und Schlafkörbchen.<br />
Auch Medikamente werden immer gebraucht. Nähere Informationen dazu gibt es beim Tierheim.<br />
Für die Fütterung werden milde Wurstsorten, besonders gerne Leberwurst gebraucht. Auch Puten-<br />
fleisch, Reis und Nudeln, sowie gut getrocknetes Heu sind immer willkommen.<br />
Nicht zu vergessen: Büromaterial. Besonders freut sich das Tierheim über Menschen, die Tieren<br />
<strong>ein</strong> <strong>neues</strong> Zuhause geben wollen. Die Pfleger beraten gerne, welches Tier für wen am besten<br />
geeignet ist. Auch nach der Vermittlung helfen sie jederzeit bei Schwierigkeiten.<br />
Kontakt:<br />
Tierschutzver<strong>ein</strong> <strong>Stuttgart</strong> und Umgebung e.V., Furtwängler Straße 150, 70195 <strong>Stuttgart</strong>;<br />
Telefon: 0711 / 65 67 74 - 0; Internet: www.stuttgarter-tierschutz.de<br />
Im Jahre 1969 eröffnete die Maritim Hotelgesellschaft<br />
unter der Leitung von Hans-Joachim<br />
Gommolla am Timmendorfer Strand das<br />
erste Hotel. Mit dem großzügig konzipierten<br />
Veranstaltungs- und Kongressbereich wurde<br />
das Seehotel zum Vorreiter für das erfolgreiche<br />
Motto „Wohnen und Tagen unter <strong>ein</strong>em<br />
Dach“. Heute ist die Maritim Hotelgesellschaft<br />
die erfolgreichste deutsche Kette im Tagungs-<br />
und Veranstaltungsbereich, und mit über 45<br />
Häusern zu <strong>ein</strong>em der größten deutschen Hotelkonzerne<br />
expandiert.<br />
„Herausragendes First-Class Niveau, elegantes<br />
Ambiente, exzellente deutsche und internationale<br />
Küche sowie persönlicher Service und<br />
herzliche Gastfreundschaft zeichnen das Hotel<br />
aus“, so das Management. „Man kann zwischen<br />
Stadthotels, klassischen Grandhotels<br />
und gemütlichen Ferienhotels wählen.“ Wie<br />
man sieht, gibt es unzählige Möglichkeiten<br />
und Perspektiven.<br />
Nun befinden wir uns in der Eingangshalle<br />
des Hotel Maritim in <strong>Stuttgart</strong>. Dass das Haus<br />
bereits dreizehn Jahre alt ist, kann man ihm<br />
nicht ansehen. Die schöne große Eingangshalle<br />
ist mit Gold und Marmor verziert, zusammen<br />
mit den großen Kronleuchtern und der<br />
Lobby nebenan wirkt sie sehr verlockend.<br />
Das Hotel besteht aus zwei mit<strong>ein</strong>ander verbundenen<br />
Gebäudeteilen, der <strong>ein</strong>e hat neun<br />
Etagen, der andere fünf. Zwischen dem vier-<br />
Sterne-Maritim in <strong>Stuttgart</strong>, den anderen 39<br />
Häusern in Deutschland und den sechs Hotels<br />
im Ausland gibt es k<strong>ein</strong>e großen Unterschiede.<br />
Um das ganze Hotel am laufen zu halten, benötigt<br />
man zirka 230 Mitarbeiter. Schon all<strong>ein</strong>e<br />
zwanzig an der Rezeption. Zur Zeit gibt es<br />
außerdem noch 72 Auszubildende. Insgesamt<br />
besitzt das Haus 555 Zimmer. 74 davon sind<br />
kl<strong>ein</strong>e Suiten, dazu kommen 3 große Suiten<br />
und etliche Tagungsräume. Auch <strong>ein</strong>e Tiefgarage<br />
gibt es, sie hat 300 Stellplätze. Mit all<br />
dem ist es das größte Hotel <strong>Stuttgart</strong>s.<br />
Für <strong>ein</strong>e Suite zahlt man pro Nacht 500 Euro.<br />
In diesen Suiten ist das Bad aus Marmor, es<br />
gibt <strong>ein</strong> Wohnzimmer, <strong>ein</strong> Schlafzimmer, Telefon<br />
und zwei Fernseher mit Flachbildschirm.<br />
Die Suiten sind sehr großzügig geschnitten<br />
und immer in den oberen Stockwerken gelegen,<br />
wo die Aussicht am schönsten ist.<br />
Ein Standardzimmer kostet pro Nacht unter<br />
der Woche 180 Euro, am Wochenende 146<br />
Euro. Das Standardzimmer hat <strong>ein</strong> Wohnschlafzimmer,<br />
<strong>ein</strong>en normalen Fernseher und<br />
<strong>ein</strong> kl<strong>ein</strong>es Bad. In jedem Zimmer gibt es<br />
<strong>ein</strong>en Internetanschluss, der 15 Euro pro Tag<br />
kostet. Außerdem <strong>ein</strong>e Minibar. Prominente<br />
Gäste, die das Maritim auch schon besucht<br />
haben, wie zum Beispiel Nina Hagen und<br />
Dieter Bohlen, bekommen ihre Zimmer oft<br />
billiger, weil sie <strong>ein</strong>e gute Werbung für das<br />
Hotel sind. Die durchschnittliche Belegung<br />
des <strong>Stuttgart</strong>er Hotels liegt bei 60 bis 70<br />
Prozent. Am Wochenende ist meist weniger<br />
los. Es gibt aber auch jetzt schon Zimmer-<br />
anfragen für 2010.<br />
Um <strong>ein</strong>e Ausbildung im Hotel Maritim zu<br />
machen, braucht man mindestens <strong>ein</strong>en<br />
Hauptschulabschluss. So kann man schon<br />
<strong>ein</strong>e Ausbildung zum Koch machen. Viele<br />
Mitarbeiter kommen aus anderen Ländern,<br />
deshalb werden sehr viele unterschiedliche<br />
Sprachen gesprochen. Momentan sind es zum<br />
Beispiel Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch,<br />
Indonesisch und Portugiesisch. Die<br />
Arbeitszeiten der verschiedenen Mitarbeiter<br />
Caterina Siebiger<br />
unterirdische tunnels mit<br />
Schuhputzautomaten<br />
Ein Blick hinter die Kulissen des <strong>Stuttgart</strong>er Maritim-Hotels<br />
sind ganz unterschiedlich. Wenn man zum<br />
Beispiel abends um neun plötzlich Hunger<br />
hat, ist das k<strong>ein</strong> Problem, denn die Küche ist<br />
bis 22.30 Uhr geöffnet.<br />
Es gibt natürlich auch noch andere Extras wie<br />
Sauna, Solarium und <strong>ein</strong> Fitnessstudio.<br />
Außerdem noch <strong>ein</strong> Café und <strong>ein</strong> Kosmetikstudio.<br />
Genügend Platz also, wo sich die<br />
Hotelgäste verteilen können. Manchmal wird<br />
es aber doch eng, zum Beispiel beim Frühstück.<br />
Deshalb wird dafür ab und zu auch <strong>ein</strong><br />
Veranstaltungssaal genutzt. Die Hotelbar ist<br />
bis 5 Uhr Morgens geöffnet, und man wird<br />
die ganze Zeit von <strong>ein</strong>em Barpianisten unterhalten.<br />
An ganz besonderen Abenden gibt es<br />
<strong>ein</strong>e Hotelband.<br />
Unterhalb des Hotels gibt es <strong>ein</strong>e direkte<br />
Verbindung zur Liederhalle. Auf dem Weg<br />
dorthin kommt man gleich in den Genuss<br />
von Kunstwerken, da in dem Durchgang Gemälde<br />
verschiedener Künstler aufgehängt<br />
sind. Wenn jemandem auf dem Weg zum<br />
Meeting oder zum Konzert auffällt, dass<br />
s<strong>ein</strong>e Schuhe schmutzig sind, ist dies auch<br />
k<strong>ein</strong> Problem, dank der zahlreichen Schuhr<strong>ein</strong>iger<br />
auf den Gängen. Das Motto von diesem<br />
Hotel lautet eben: Wohnen und Tagen unter<br />
<strong>ein</strong>em Dach.<br />
Hier kann man bis um 5 Uhr morgens<br />
sitzen und wird dabei sogar noch<br />
von <strong>ein</strong>em Pianisten unterhalten:<br />
Die Bar des Maritim-Hotels <strong>Stuttgart</strong>.
Seite 16 Bulletin N– o 01 – Zeitung für Reportagen – Literaturhaus <strong>Stuttgart</strong> und Eberhard-Ludwigs-Gymnasium <strong>Stuttgart</strong> – Schuljahr 2006/2007<br />
Krankenschwester Elke Mödinger hat schon<br />
mitbekommen, wie viele aussichtslose Fälle<br />
von Essstörungen ins Diakonie-Klinikum<br />
<strong>Stuttgart</strong> <strong>ein</strong>geliefert worden sind und Dank<br />
der Therapien Lebensfreude und die Chance<br />
auf <strong>ein</strong> „normales“ Leben bekommen haben.<br />
Und sie weiß deshalb sehr gut Bescheid, weil<br />
sie schon seit elf Jahren hier auf der Station<br />
arbeitet. Wenn man dieses Krankenhaus betritt,<br />
ist es sofort wie in <strong>ein</strong>er anderen Welt,<br />
da alle, die hier untergebracht sind, unter<br />
verschiedenen Krankheiten leiden. Doch um<br />
sie abzulenken, hat die Klinik besonders helle<br />
Räume und ist mit fröhlichen Bildern an den<br />
Wänden behängt. Schwerpunkte der Station<br />
von Elke Mödinger sind stationäre Behandlungen<br />
von Patienten mit Essstörungen, wie<br />
Magersucht und Ess-Brech-Sucht (Anorexia<br />
nervosa und Bulimia nervosa).<br />
Vor allem junge Menschen sind davon betroffen.<br />
Bei ihnen fehlt oft noch das Selbstbewussts<strong>ein</strong><br />
und sie versuchen, ihr Äußeres zu<br />
perfektionieren, um so psychische Probleme<br />
zu überdecken. Doch manche schießen eben<br />
über das Ziel hinaus, denn wer findet <strong>ein</strong>en<br />
abgemagerten Körper sexy? Und auch Elke<br />
Mödinger m<strong>ein</strong>t: „Man sollte auch darauf achten,<br />
wer man ist.“ Wer also s<strong>ein</strong>e Probleme<br />
lösen will, ist mit dem perfekten Aussehen<br />
nicht immer auf dem richtigen Weg. Denn das<br />
Innere ist auch noch da, und das ändert sich<br />
nicht so schnell.<br />
Die Ursachen für die Krankheit sind von Patient<br />
zu Patient verschieden, unter anderem<br />
führen zu hoher Leistungsdruck, zu wenig<br />
Zuneigung oder auch Einsamkeit dazu. Auch<br />
werden viele, vor allem Jugendliche, durch<br />
Zeitschriften, sowie andere Medien negativ<br />
be<strong>ein</strong>flusst. Meistens kommen mehrere Faktoren<br />
zusammen, doch häufig spielen familiäre<br />
Probleme <strong>ein</strong>e große Rolle. Manchmal<br />
geraten Jugendliche in <strong>ein</strong>e Essstörung, weil<br />
sie ihren Eltern ihre eigene M<strong>ein</strong>ung signalisieren<br />
wollen, beziehungsweise<br />
respektiert werden wollen. In der<br />
Pubertät können aber auch manche<br />
Mädchen nicht akzeptieren,<br />
dass sie rundere Körperformen<br />
bekommen. Generell leiden mehr<br />
Mädchen als Jungen an Magersucht.<br />
Prozentual ausgedrückt:<br />
95% Mädchen und nur 5% Jungen.<br />
Bei vielen Patienten mit Magersucht<br />
besteht das Risiko, dass sie<br />
trotz ihres niedrigen Gewichtes<br />
denken, sie seien viel zu dick und<br />
müssten weiterhin abnehmen, im<br />
Extremfall befürchten sie auch<br />
dann rapide zuzunehmen, wenn<br />
sie nur <strong>ein</strong> Stück Brot essen.<br />
Bulimie ist <strong>ein</strong>e Ess-Brech-Sucht.<br />
Die Betroffenen haben immer<br />
wieder „Fressattacken“, und um<br />
dadurch nicht dick zu werden,<br />
wird die Nahrung sofort nach<br />
dem Verzehr erbrochen. Bei vie-<br />
Alessia Weckenmann<br />
Letzte rettung<br />
aus der<br />
essstörung<br />
len Menschen ist diese Krankheit anfangs unentdeckt,<br />
da sie ihr normales Gewicht halten,<br />
doch nach paar Monaten nehmen auch diese<br />
stark ab. Manche Betroffenen nehmen Abführmittel,<br />
die dem Körper Wasser entziehen<br />
und auf Dauer schädlich sind. Auch an Bulimie<br />
erkranken mehr Mädchen als Jungen.<br />
Allgem<strong>ein</strong> ist es nicht schlimm zu versuchen,<br />
sich gesund zu ernähren oder als Übergewichtiger<br />
<strong>ein</strong>e Diät zu machen, aber am besten nur<br />
unter ärztlicher Aufsicht. Denn Essstörungen<br />
ziehen schlimme Folgen nach sich. Der Körper<br />
versucht, den Nährstoffmangel auszugleichen,<br />
indem er mehr und mehr <strong>ein</strong>spart. Es<br />
kann zu Osteoporose (Knochen-Krankheit),<br />
Haarausfall und – bei Frauen – zum Ausbleiben<br />
der Menstruation kommen. Obwohl die<br />
Krankheit so schreckliche Auswirkungen hat,<br />
sagt Elke Mödinger: „Ich habe nicht das Gefühl,<br />
gegen <strong>ein</strong>en unbesiegbaren Gegner zu<br />
kämpfen, schließlich gibt es immer wieder<br />
Patienten, die es schaffen, durch langwierige<br />
Therapien die Essstörung zu besiegen.“<br />
Auf der behandelnden Station des Diakonie-Klinikums<br />
arbeitet der Chefarzt Jörg<br />
Lachenmann, der Facharzt für Innere Medizin<br />
und für Psychosomatische Medizin ist.<br />
Zu s<strong>ein</strong>em Team gehören <strong>ein</strong> Oberarzt, sowie<br />
zwei Assistenten und <strong>ein</strong> Spezial-Therapeut.<br />
Therapeuten führen sowohl Einzel- als auch<br />
Gruppengespräche. Zusätzlich gibt es Musik-,<br />
Körperbild- und Bewegungstherapien. Sowohl<br />
Menschen mit Essstörungen haben oftmals solche Angst vor<br />
dem Dickwerden, dass sie nicht <strong>ein</strong>mal kl<strong>ein</strong>e Portionen essen wollen.<br />
die Gespräche als auch die Therapien finden<br />
zweimal in der Woche statt. Ziel der Behandlung<br />
ist, mit sich selbst ins R<strong>ein</strong>e zu kommen,<br />
den ermüdeten Körper wieder an das Alltagsleben<br />
zu gewöhnen und zu lernen, sich so zu<br />
lieben, wie man ist.<br />
Die Krankenkasse übernimmt für den Patienten<br />
alle anfallenden Kosten während des<br />
Aufenthaltes. Die Station hat vierzehn Plätze,<br />
und mehr sollen es auch nicht s<strong>ein</strong>, damit<br />
man sich mit jedem Patienten ausführlich befassen<br />
kann.<br />
Um sicher zu gehen, dass die Erkrankten<br />
nicht in ihre alten Gewohnheiten zurückfallen,<br />
wie zum Beispiel heimlich Sportübungen<br />
zu machen oder sich zu erbrechen, werden<br />
immer wieder Kontrollen durchgeführt. Wenn<br />
<strong>ein</strong> schwerer Fall von Essstörung vorliegt,<br />
darf der Patient zu s<strong>ein</strong>er eigenen Sicherheit<br />
das Klinikgelände nicht verlassen. Außerdem<br />
wird von <strong>ein</strong>em Krankenpfleger kontrolliert,<br />
ob jeder auch wirklich s<strong>ein</strong>e drei normalen<br />
Mahlzeiten zu sich nimmt, damit er <strong>ein</strong> „normales“<br />
Gewicht erlangt. Täglich werden die<br />
Patienten gewogen, um ihre Fortschritte zu<br />
sehen.<br />
Wir sollten sehr froh s<strong>ein</strong>, dass es heutzutage<br />
Ärzte gibt, die auf Essstörungen spezialisiert<br />
sind, und dazu die passenden Einrichtungen<br />
wie das Diakonie-Klinikum. Denn früher fielen<br />
Erkrankte nur als Sonderlinge auf und<br />
starben oftmals an Depressionen oder nahmen<br />
sich das Leben.<br />
In den Sechziger Jahren war das Model Leslie<br />
Hornby, genannt Twiggy, sehr berühmt, Der<br />
„Daily Express“ erklärte sie 1966 zum Gesicht<br />
des Jahres. Daraufhin begann für das extrem<br />
dünne Model <strong>ein</strong>e Gesangs- und Filmkarriere.<br />
Ihr neuer Modestil fand weltweit Anhänger.<br />
Doch erst 1980 wurden die Essstörungen im<br />
Zuge des Schlankheitsideals immer massiver.<br />
Auch heute sollen sehr viele berühmte Stars<br />
– und vor allem Models – unter Essstörung<br />
leiden. In den Medien fallen in<br />
diesem Zusammenhang immer<br />
wieder Namen wie Kate Moss,<br />
Nicole Richie, Keira Kinghtley<br />
und Victoria Beckham.<br />
Ich finde, wenn <strong>ein</strong>e Person<br />
unter <strong>ein</strong>er Essstörung leidet<br />
und noch nicht in Behandlung<br />
ist, sollten Verwandte<br />
und Bekannte sie nicht unter<br />
Druck setzen oder zum Essen<br />
zwingen, denn das ist m<strong>ein</strong>er<br />
M<strong>ein</strong>ung nach falsch. Denn<br />
dadurch wird der Widerstand<br />
des Betroffenen erst recht angestachelt.<br />
Auch sollte man<br />
sich nicht von dieser Person<br />
abwenden, sondern für sie<br />
da s<strong>ein</strong>. Auf jeden Fall sollte<br />
man bei Anzeichen <strong>ein</strong>er Ess-<br />
störung <strong>ein</strong>en Arzt aufsuchen,<br />
was für den Betroffenen die<br />
größte Hilfe ist.