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Erzähl mal! Glut der Eifersucht - Literaturmachen

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Literatur machen – Unterricht im Dialog:<br />

Schreibwerkstätten im Deutschunterricht<br />

<strong>Erzähl</strong> <strong>mal</strong>!<br />

<strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Ein Roman.<br />

Publikation <strong>der</strong> Prosa-Werkstatt<br />

an <strong>der</strong> Schlossrealschule Stuttgart<br />

Klasse 8b · Schuljahr 2007/2008


Literatur machen – Unterricht im Dialog:<br />

Schreibwerkstätten im Deutschunterricht<br />

<strong>Erzähl</strong> <strong>mal</strong>!<br />

<strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Ein Roman<br />

Publikation <strong>der</strong> Prosa-Werkstatt<br />

an <strong>der</strong> Schlossrealschule Stuttgart<br />

Klasse 8b · Schuljahr 2007/2008


2 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Impressum<br />

<strong>Erzähl</strong> <strong>mal</strong>! ist <strong>der</strong> aktuelle Werkstattbericht <strong>der</strong> Werkstatt für Prosa<br />

an <strong>der</strong> Schlossrealschule Stuttgart in <strong>der</strong> Klasse 8b im Schuljahr 2007/2008<br />

„Literatur machen – Unterricht im Dialog: Schreibwerkstätten im Deutschunterricht“<br />

Ein Projekt des Literaturhauses Stuttgart.<br />

In Kooperation mit dem Landesinstitut für Schulentwicklung und den<br />

Seminareinrichtungen für Lehrerinnen und Lehrer in Baden-Württemberg.<br />

Geför<strong>der</strong>t durch die Robert Bosch Stiftung.<br />

Dozent: Tilman Rau<br />

Verantwortliche Lehrerin: Rebecca Müller<br />

Redaktion dieser Ausgabe: Tilman Rau und Rebecca Müller<br />

Layout: Jochen Starz – starz engineering<br />

Fotos: Tilman Rau, Yves Noir<br />

Copyright: Die Rechte für die einzelnen Beiträge liegen bei den Autorinnen<br />

und Autoren, für die Gesamtausgabe beim Literaturhaus Stuttgart<br />

Kontakt: Literaturhaus Stuttgart, Erwin Krottenthaler<br />

Boschareal, Breitscheidstraße 4, 70174 Stuttgart<br />

Tel. 0711/220 21 741, Fax 0711/220 21 748<br />

info@literaturhaus-stuttgart.de, www.literaturhaus-stuttgart.de<br />

Besuchen Sie auch die Internetseite für junge Literatur<br />

des Literaturhauses Stuttgart: www.literaturmachen.de<br />

<strong>Erzähl</strong> <strong>mal</strong>! erscheint mit freundlicher Unterstützung<br />

<strong>der</strong> Robert Bosch Stiftung GmbH Stuttgart<br />

Auflage 2008: 500 Exemplare<br />

Inhaltsverzeichnis 3<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Rebecca Müller / Tilman Rau: Viele Ideen und ein Ergebnis ................ 4<br />

Marc Philip Vocht: Kapitel 1 ..................................................... 8<br />

Gülistan Akseven: Kapitel 2 ..................................................... 11<br />

Philipp Herold: Kapitel 3 ......................................................... 15<br />

Loreen Mateo: Kapitel 4 .......................................................... 19<br />

Armin Hrustanović: Kapitel 5 ................................................... 22<br />

Dardan Vuci: Kapitel 6 ........................................................... 24<br />

Denis Breutner: Kapitel 7 ......................................................... 28<br />

Teresa Greve: Kapitel 8 ........................................................... 30<br />

Yonca Özdemir: Kapitel 9 ........................................................ 33<br />

Sofia Büch: Kapitel 10 ............................................................. 36<br />

Anna-Lena Fischer: Kapitel 11 ................................................... 39<br />

Kim Zeger: Kapitel 12 ............................................................. 41<br />

Christian Münzer: Kapitel 13 .................................................... 44<br />

Mario Conticello: Kapitel 14 ..................................................... 45<br />

Vanessa Boutzikoudi: Kapitel 15 ................................................ 47<br />

Ali-Ke<strong>mal</strong> Özkul: Kapitel 16 ..................................................... 52<br />

Martina Tomašić: Kapitel 17 ..................................................... 54<br />

Alexandra Defix: Kapitel 18 ...................................................... 58<br />

Daniel Lesar: Kapitel 19 ........................................................... 62<br />

Yvonne Nachlinger: Kapitel 20 .................................................. 65<br />

Tim Läpple: Kapitel 21 ............................................................ 69<br />

Annika Thal: Kapitel 22 .......................................................... 73<br />

Ebru Yagdi: Kapitel 23 ............................................................ 75<br />

Haris Kurtalić: Kapitel 24 ........................................................ 77<br />

Franziska Meißner: Kapitel 25 ................................................... 80<br />

David Saeidi: Kapitel 26 .......................................................... 84<br />

Birol Lafatan: Kapitel 27 .......................................................... 86<br />

Loreen Mateo und Haris Kurtalić: Kapitel 28 ................................. 88<br />

Aleksej Kurmantschuk: Kapitel 29 .............................................. 92<br />

Elias Brenneisen: Kapitel 30 – Epilog ........................................... 94


4 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Rebecca Müller / Tilman Rau<br />

Viele Ideen und ein Ergebnis<br />

Ein Vorwort<br />

Die Theorie sieht so aus: Wenn dreißig Autorinnen und Autoren an einem<br />

Roman mit dreißig Kapiteln schreiben, müsste <strong>der</strong> Roman in kürzester Zeit<br />

fertig sein.<br />

Das klingt logisch und gut, hat mit <strong>der</strong> Praxis aber wenig zu tun.<br />

Ein ganzes Schuljahr haben wir – das heißt die Klasse 8b <strong>der</strong> Schlossrealschule<br />

– benötigt, um diesen Roman mit dem Titel „<strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong>“<br />

fertig zu stellen. Denn wie es eben so ist, wenn viele Menschen an einer<br />

einzigen Sache arbeiten, gab es zunächst ein<strong>mal</strong> viele Fragen zu klären und<br />

viele Diskussionen zu führen.<br />

Wovon soll er handeln, <strong>der</strong> gemeinsame Roman? Soll es ein Krimi sein, eine<br />

Horror-Story o<strong>der</strong> eine Liebesgeschichte? Wie viele Hauptfiguren brauchen<br />

wir?<br />

Natürlich hatte fast je<strong>der</strong> eine Antwort auf diese Fragen. Die Kunst bestand<br />

darin, diese Antworten so zusammen zu bringen, dass auch alle damit zufrieden<br />

sind. Von vielen Elementen haben wir uns verabschiedet. Von dem<br />

Mör<strong>der</strong> zum Beispiel, <strong>der</strong> seine Opfer zu Frikadellen verarbeitet. Ebenso von<br />

den beiden Zwillingsbrü<strong>der</strong>n, die nach <strong>der</strong> Geburt voneinan<strong>der</strong> getrennt<br />

wurden und sich erst wie<strong>der</strong> treffen, als sie sich bereits in dasselbe Mädchen<br />

verliebt haben.<br />

Geblieben ist die Geschichte, die auf den folgenden Seiten, in den folgenden<br />

dreißig Kapiteln erzählt wird. Es ist die Geschichte von Adisa, Chiara,<br />

Pelin und Nic, die in Stuttgart studieren und miteinan<strong>der</strong> befreundet sind.<br />

Eines Tages verschwindet Chiara. Ist sie entführt worden? O<strong>der</strong> hat ihr<br />

Verschwinden etwas damit zu tun, dass Nic und Adisa plötzlich ein Paar<br />

sind? Eine spannende Suche beginnt…<br />

Rebecca Müller / Tilman Rau: Viele Ideen und ein Ergebnis 5<br />

Viele Arbeitsschritte waren nötig, damit <strong>der</strong> Roman zu dem werden konnte,<br />

was er nun ist. Allein die Diskussion darüber, welche Namen die Haupt-<br />

personen haben sollen, dauerte erstaunlich lange. Und sind solche Hürden<br />

erst ein<strong>mal</strong> überwunden, lauert schon die nächste Herausfor<strong>der</strong>ung. Es ist<br />

nämlich gar nicht so einfach, voneinan<strong>der</strong> unabhängig dreißig Kapitel zu<br />

schreiben, so dass sie am Ende auch noch zusammen passen. Da musste<br />

genau aufgepasst und im Bedarfsfall nachgebessert werden – um zu verhin<strong>der</strong>n,<br />

dass die einzelnen Teile sich zu sehr überschneiden o<strong>der</strong> sich gar<br />

gegenseitig wi<strong>der</strong>sprechen.<br />

Man merkt den Kapiteln immer noch an, dass sie von unterschiedlichen<br />

Schülerinnen und Schülern stammen. Manch<strong>mal</strong> klafft auch eine kleine<br />

Lücke in <strong>der</strong> Handlung. Aber trotzdem ist es eine Geschichte, eine spannende<br />

dazu. Die Arbeit und Zeit haben sich also gelohnt, wie wir finden.<br />

Es ist eine schöne Erfahrung zu sehen, wie etwas, das zu Beginn des Schuljahres<br />

nur als Idee existiert, plötzlich Form annimmt. Zuerst als lose Seiten,<br />

an denen noch gearbeitet wird. Und dann als Buch, das man in <strong>der</strong> S-Bahn<br />

o<strong>der</strong> am Strand lesen kann.<br />

Auf dieses Produkt, die zweite Ausgabe von <strong>Erzähl</strong> <strong>mal</strong>!, können die Schülerinnen<br />

und Schüler <strong>der</strong> 8b stolz sein. Sie haben aus ihren Ideen und ihrer<br />

Kreativität einen Roman gemacht. Das an sich ist schon ein guter Lohn für<br />

all die Mühe. Noch größer kann <strong>der</strong> Lohn nur dadurch werden, dass auch<br />

Sie, die Leser, Gefallen an „<strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong>“ finden.<br />

Viel Spaß beim Lesen!<br />

Rebecca Müller (Lehrerin)<br />

Tilman Rau (Dozent)


6 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong> Rebecca Müller / Tilman Rau: Viele Ideen und ein Ergebnis 7


8 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Marc Philip Vocht<br />

Kapitel 1<br />

Ein warmer Luftzug fegte durch das Café, als die Tür aufging und zwei junge<br />

Frauen herein kamen. Der junge Mann am hintersten Tisch blickte auf und<br />

musterte die zwei Frauen. Nic stieß Chiara in die Seite.<br />

„Hey, da ist Pelin endlich. Aber wer ist ihre Begleiterin?“<br />

Chiara: „Hm…, keine Ahnung.“<br />

Pelins Begleiterin war größer als Pelin, ungefähr 1,63 Meter, aber genauso<br />

schlank und sportlich, und sie trug ihr langes blondes Haar offen.<br />

Am hinterstem Tisch sprang Nic auf und rief durchs Café: „Hier sind wir!“<br />

Pelin bemerkte ihn und kam mit ihrer Begleiterin an den Tisch von Nic und<br />

Chiara.<br />

Nic: „Setzt euch doch.“<br />

Er wies den Beiden zwei freie Plätze an ihrem Tisch zu.<br />

Pelin stellte ihre Begleiterin vor. „Das ist Adisa“, sagte sie.<br />

Nic: „Hallo Adisa, ich bin Nic und das ist Chiara.“<br />

Nic: „Was wollt ihr trinken?“<br />

Pelin: „Ich will eine heiße Schokolade, und sie will bestimmt eine Cola,<br />

hab ich Recht, Adisa?“<br />

Adisa: „Du kennst meinen Geschmack schon sehr gut.“<br />

Nic rief den Kellner und bestellte.<br />

Nic: „Ein<strong>mal</strong> Cola und eine heiße Schokolade, bitte.“<br />

Kellner: „OK, kommt sofort.“<br />

Fünf Minuten später waren die Getränke auf dem Tisch.<br />

Adisa: „Und wie lange kennt ihr euch schon?“<br />

Chiara: „Ungefähr zwei Jahre schon, seitdem studieren wir zusammen.“<br />

Adisa: „Aha.“<br />

Nic: „Wie lang lebst du schon in Stuttgart?“<br />

„Seit zwei Wochen, ich hab mich erst heute Morgen in <strong>der</strong> Uni eingeschrieben“,<br />

sagte sie.<br />

Marc Philip Vocht: Kapitel 1 9<br />

Bald kamen sie in ein unterhaltsames Gespräch. Nic und Chiara fanden<br />

Adisa sehr sympathisch. Und so fand <strong>der</strong> Abend kein baldiges Ende. Sie<br />

verabredeten sich für Sonntag ins Kino.<br />

Chiara rief Nic am Abend nach dem Kino an.<br />

„Hallo Nic.”<br />

„Ah, hallo Chiara, was ist?”<br />

„Ich hab da <strong>mal</strong> ne Frage an dich.“<br />

„OK, schieß los!“<br />

„Also… hast du mein Handy eingesteckt?“<br />

„Das war’s bestimmt nicht, was du mich fragen wolltest.“<br />

„Du hast Recht, eigentlich wollte ich dich fragen, wie du Adisa findest?“<br />

„Eigentlich ganz OK. Warum fragst du das?“<br />

„Nur so… nun, dann bis morgen.“<br />

Es war eine schwüle und heiße Nacht.<br />

Am Morgen ging Adisa früh zur Uni los.<br />

„Hey, Adisa warte <strong>mal</strong>“, rief jemand. Es war Nic.<br />

Sie antwortete mit verschlafener Stimme: „Oh, hallo Nic.“<br />

Als sie in <strong>der</strong> Uni ankamen, waren auch Pelin und Chiara schon dort.<br />

Gemeinsam liefen sie zum Vorlesungsraum 401, ohne zu sprechen. Doch<br />

Chiara konnte sich gar nicht konzentrieren, denn sie musste immer an Nic<br />

denken. Um 14.00 Uhr trafen sie sich in <strong>der</strong> Uni- Cafeteria und verabredeten<br />

sich für den nächsten Abend im Café Sutsche.<br />

Um 18 Uhr saßen die Vier am Tisch. Alle hatten schon was zum Trinken.<br />

Nic stand auf, um aufs Klo zu gehen. Auf dem Klo hing ein Plakat, auf dem<br />

man Fahrrä<strong>der</strong> sehen konnte. Da hatte er die Idee. Als er zum Tisch zurück<br />

kam, schlug er sie sofort vor.<br />

Nic: „Hättet ihr Lust, in eineinhalb Wochen eine Fahrradtour zu machen?“<br />

Adisa: „Ist das nicht <strong>der</strong> übernächste Samstag?“<br />

Nic: „Ja genau.“<br />

Pelin: „Also ich hätte schon Lust.“<br />

Nic: „OK, und was ist mit euch?“<br />

Adisa: „Ich muss es mir noch überlegen.“


10 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Plötzlich klingelte das Handy von Chiara, es war ihr Vater.<br />

Chiara: „Ja, Papa?“<br />

Vater: „Komm schnell ins Krankenhaus.“<br />

Chiara: „Was ist?“<br />

Vater: „Deine Mutter ist krank.“<br />

Chiara: „Bin gleich da.“<br />

Sie stand auf und sagte nur noch: „Ruf mich an.“<br />

Sie blieb bis 21.30 Uhr im Krankenhaus.<br />

Dann ging sie müde und schlapp nach Hause.<br />

Gülistan Akseven: Kapitel 2 11<br />

Gülistan Akseven<br />

Kapitel 2<br />

Chiara war einem Nervenzusammenbruch nah. Sie machte mit voller Wut<br />

die Türe auf, warf ihren Schlüssel auf den Boden, setze sich auf die Couch<br />

und versuchte Pelin anzurufen. Doch das Telefon war die ganze Zeit besetzt.<br />

Mit wem sie wohl die ganze Zeit wie<strong>der</strong> <strong>mal</strong> redet, dachte sich Chiara.<br />

Endlich ging sie an das Telefon. Sie antwortete mit unsicherer Stimme.<br />

Pelin: „Ja?”<br />

Chiara: „Hi Pelin, ich bin es, Chiara.“<br />

Pelin: „Hey… na, wie läuft es bei dir so? Alles klar?“<br />

Chiara: „Ja, es geht. Wann bist du eigentlich zu Hause angekommen?“<br />

Pelin antwortete nicht mehr. Es war nix mehr von ihr zu hören. Aufgelegt<br />

hatte sie auch nicht.<br />

Chiara: „Hallo, ist da noch jemand? Pelin, bist du noch dran?“<br />

Endlich antwortete Pelin wie<strong>der</strong>. Sie hatte die Haustür geöffnet, weil es geklingelt<br />

hatte.<br />

Pelin: „So, bin da.“<br />

Chiara: „Du meine Güte, wo warst du denn? Warum hast du nicht mehr<br />

geantwortet?“<br />

Pelin: „Habe nur die Türe aufgemacht, weil es geklingelt hat.“<br />

Chiara: „Jetzt beantworte doch bitte meine vorherige Frage!“<br />

Pelin: „Ich? Ehhhhmmmmm…“<br />

Chiaras Handy fing an zu klingeln. Es war Nic. Er wollte sie wegen <strong>der</strong><br />

Fahrradtour fragen. Chiara wollte als erstes gar nicht an ihr Handy ran-<br />

gehen. Aber dann überlegte sie es sich doch an<strong>der</strong>s. Sie antwortete mit kalter<br />

Stimme.


12 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Chiara: „Ja? Nic, bist du es?“<br />

Nic: „Hallo Chiara. Na, wie läuft es?“<br />

Chiara: „Ganz gut, und bei dir?“<br />

Nic: „Na klar, immer doch. Du, ich wollte dich wegen <strong>der</strong> Fahrradtour am<br />

Wochenende fragen. Wie wäre es? Du, Pelin, Adisa und ich.“<br />

Chiara: „Also, für mich ist es keine Sache, außer ich muss noch Pelin fragen.<br />

Könntest du bitte kurz noch am Apparat bleiben?“<br />

Nic: „OK. Ich warte dann.“<br />

Chiara legt den Hörer von ihrem Haustelefon an ihr rechtes Ohr und fragt<br />

Pelin.<br />

Chiara: „Pelin, bist du noch da?“<br />

Pelin: „Ja, bin da. Und, wer war es?“<br />

Chiara: „Ach, das war Nic. Er ist grad immer noch dran.“<br />

Pelin: „Nic? Unser Nic? Seit wann ruft <strong>der</strong> dich auf deinem Handy an?“<br />

Chiara: „Nein nein, nicht so, wie du denkst. Er wollte mich doch nur wegen<br />

<strong>der</strong> Fahrradtour fragen.“<br />

Pelin: „Und, was hast du dann gesagt? Kommt Adisa auch mit?“<br />

Chiara: „Ich hab einfach ja gesagt. Ich wollte ja immer <strong>mal</strong>, dass wir das<br />

Wochenende zusammen genießen. Hättest du vielleicht Interesse dran, an<br />

<strong>der</strong> Fahrradtour mitzumachen? Adisa kommt natürlich auch mit.“<br />

Pelin: „Ich habe nor<strong>mal</strong>erweise sehr viel zu tun, aber da es ja Wochenende<br />

ist und nur für ein paar Stunden, genieße ich die Zeit, mit meiner besten<br />

Freundin zusammen zu sein. Hehe…“<br />

Chiara: „Klasse, du bist die Beste. Das habe ich auch von dir erwartet.“<br />

Pelin fängt an zu kichern und Chiara gibt Nic Bescheid, dass sie bei <strong>der</strong><br />

Fahrradtour dabei sind.<br />

Chiara: „OK Nic, wir sind auch dabei.“<br />

Nic: „Na toll. Freut mich sehr.“<br />

Chiara: „Gut, dann sehen wir uns morgen.“<br />

Nic: „OK, dann bis morgen.“<br />

Chiara: „ Jo, mach es gut und grüß’ Adisa von mir.“<br />

Nic: „Danke, du auch, mach ich. Ciao.“<br />

Chiara: „Bye.“<br />

Chiara schaltete ihr Handy aus und führte ihr Gespräch mit Pelin weiter.<br />

Gülistan Akseven: Kapitel 2 13<br />

Chiara: „Na, wo waren wir stehen geblieben?“<br />

Pelin: „Du bist manch<strong>mal</strong> echt komisch.“<br />

Chiara: „Warum denn?“<br />

Pelin: „Als erstes sagst du, dass du Adisa nicht leiden kannst, dann richtest<br />

du ihr noch Grüße aus. Warum machst du das überhaupt?“<br />

Chiara: „Ich will einfach nicht, dass Nic bemerkt, wie stark ich in ihn verliebt<br />

bin. Und ich will auch nicht Adisa wehtun, auch wenn ich sie nicht<br />

leiden kann. Ich will mich nicht in ihre Liebessituation einmischen.“<br />

Pelin: „Ja schon, aber du bist auch ein Mensch und hast auch das Recht,<br />

wie die an<strong>der</strong>en zu leben. Und außerdem – Adisa ist nicht die Einzige, die in<br />

Nic verliebt ist, son<strong>der</strong>n du auch.“<br />

Chiara war fast am Weinen. Ihre Stimme brach sich bei jedem zweiten<br />

Wort.<br />

Chiara: „Ich kann einfach nix dafür. Ich liebe ihn so sehr. Einfach über alles<br />

an<strong>der</strong>e auf <strong>der</strong> Welt. Ich würde alles für ihn machen. Ich kann ihn einfach<br />

nicht aus meinem Herz und meinem Kopf loswerden“.<br />

Pelin: „Ich glaub, du musst einfach abwarten, was noch alles passiert.<br />

Gib die Hoffnung nicht auf. Vielleicht machen die ja später <strong>mal</strong> Schluss und<br />

du kannst dann mit ihm zusammen sein, außer er hat dir gegenüber keine<br />

Gefühle. Lass dich nicht unterkriegen. Du musst stark sein und auch so bleiben.<br />

Ignoriere einfach alles. Ich will dir jetzt keine Kopfschmerzen machen.<br />

Ich meine halt nur, wenn er dich geliebt hätte, dann hätte er schon längst<br />

mit Adisa Schluss gemacht und wäre jetzt mit dir zusammen. Aber man<br />

weiß ja nie, was passiert. Vielleicht wird es ja später was zwischen dir und<br />

Nic. Du musst dich jetzt nur auf die Noten konzentrieren. Hey, ich geb’ dir<br />

einen Rat. Wir könnten doch <strong>mal</strong> in den Semesterferien für 2 Wochen in<br />

den Urlaub fliegen. Mallorca wäre doch nicht schlecht. Wir könnten uns für<br />

die Reise etwas sparen, und von meinem Opa kann ich auch was leihen. Das<br />

würde uns gut tun. Wir können damit den ganzen Stress abbauen. Na, wie<br />

wäre es?“<br />

Chiara: „Ja, könnten wir machen. Ich will auch den ganzen Stress dadurch<br />

abbauen.“<br />

Pelin: „Geh dich doch jetzt einfach ausruhen. Also schlafen wäre nicht<br />

schlecht für dich. Du hattest heute nämlich schreckliche Augenringe, wie<br />

ein Monster. Geh lieber schlafen, sonst bekommst du nachher noch Depressionen,<br />

und ich will nicht, dass du in Liebeskummer fällst.“


14 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Chiara fing an zu lachen.<br />

Chiara: „Danke, dass du an mich denkst.“<br />

Chiara war glücklich, dass sie so eine nette Freundin hatte.<br />

Chiara: „Ich gehe mich jetzt lieber hinlegen. Als erstes duschen, eine heiße<br />

Tasse Tee trinken und dann schlafen. Das schadet mir auch nicht. Ich wollte<br />

heute eigentlich noch in die Stadt gehen, aber ich bin total fertig.“<br />

Pelin: „OK, dann sehen wir uns morgen.“<br />

Chiara: „Jo, mach es gut, bis morgen. Bye.“<br />

Pelin: „Danke, du auch. Ciao.“<br />

Chiara hatte aufgelegt. Sie war sehr müde. Sie ging als erstes duschen, dann<br />

trank sie eine heiße Tasse Tee. Sie wurde langsam müde und schlief auf <strong>der</strong><br />

Couch mit vielen Gedanken tief ein.<br />

Philipp Herold: Kapitel 3 15<br />

Philipp Herold<br />

Kapitel 3<br />

Es war ein warmer, sonniger Samstagmorgen um 9.30 Uhr. Ein angenehm<br />

kühler Wind wehte Chiara, Pelin und Nic um die Füße. Nic fragte: „Wisst<br />

ihr, wo Adisa ist, ich mach mir echt Sorgen, sie ist doch sonst immer so<br />

pünktlich.“<br />

„Nein keine Ahnung“, meinte Chiara.<br />

„Sollen wir sie auf ihrem Handy anrufen?“ fragte Nic.<br />

Da mischte sich Chiara ein: „Wie wäre es, wenn ihr euch <strong>mal</strong> umdreht?“<br />

Tatsächlich: da kam Adisa. Sie trug ihr Fahrrad und ihr Gesicht war ganz<br />

rot vor Zorn.<br />

„Was ist denn passiert?“ fragte Nic sofort.<br />

„Ach, meine Kette ist abgesprungen, und ich krieg sie nicht mehr drauf“,<br />

erwi<strong>der</strong>te Adisa wutentbrannt.<br />

Nic ging auf sie zu und meinte: „Das haben wir gleich.“<br />

Nach zwei, drei Handgriffen saß die Kette wie<strong>der</strong> an ihrem richtigen Platz.<br />

„So, das hätten wir wie<strong>der</strong>“, meinte er.<br />

Und Adisa erwi<strong>der</strong>te nur: „Dankeschön.“<br />

„Kein Problem“, meinte er nur bescheiden.<br />

„Hast du schon eine Fahrkarte?“ mischte sich plötzlich Pelin ein.<br />

„Nein, noch nicht“, antwortete Adisa.<br />

„Dann hol dir noch schnell eine“, meinte Pelin, „da hinten ist ein Fahr-<br />

kartenautomat.“<br />

„Oh, danke“, erwi<strong>der</strong>te Adisa freundlich. Und ging gelassen zum Fahr-<br />

kartenautomaten und zog eine Vierfahrtenkarte. Sie ging langsam und gemächlich<br />

zu ihnen zurück und steckte ihre Fahrkarte in die rechte Hosen-<br />

tasche. „Wisst ihr, wann die nächste Bahn kommt?“ fragte sie munter.<br />

„Hä, wie spät ist es denn?“ fragte Pelin zurück.<br />

„Zirka 9.40 Uhr“, meinte Chiara.


16 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

„Dann gehe ich <strong>mal</strong> schauen, wann die nächste Bahn kommt“, erwi<strong>der</strong>te<br />

Adisa gelassen. Sie schlen<strong>der</strong>te los in Richtung Fahrplan. Sie schaute erst,<br />

und dann rief sie: „Um 9.45 Uhr kommt die nächste Bahn!“ Dann kam sie<br />

genauso gelassen zurück geschlen<strong>der</strong>t.<br />

„Na dann ist ja gut, dann müssen wir nicht so lange warten“, meinte Nic.<br />

„Schaut, da kommt die Bahn schon“, meinte Chiara.<br />

Sie stiegen ein. Sie stempelten ihre Fahrkarten, dann stellten sie ihre Fahrrä<strong>der</strong><br />

an die Wand und setzten sich direkt daneben auf einen freien Viererplatz.<br />

Sie verbrachten die Bahnfahrt ruhig, keiner sagte auch nur ein Wort.<br />

Chiara schaute träumerisch aus dem Fenster. Die an<strong>der</strong>en schauten nur auf<br />

den Boden. Nach etwa zehn Minuten und fünf Haltestellen nahmen sie ihre<br />

Fahrrä<strong>der</strong> und stiegen aus. „Und wo müssen wir jetzt hin?“ fragte Pelin.<br />

„Wir müssen hier die Treppen runter“, antwortete Nic.<br />

Sie schoben ihre Fahrrä<strong>der</strong> zur Treppe und trugen sie die Treppen runter.<br />

Sie schoben ihre Fahrrä<strong>der</strong> durch die Unterführung und trugen sie auf<br />

<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite wie<strong>der</strong> hoch. Die Sonne schien ihnen direkt ins Gesicht,<br />

inzwischen war es noch etwas wärmer geworden.<br />

Pelin sagte: „Schaut <strong>mal</strong>, da hinten ist eine Ampel, dort können wir die<br />

Straße überqueren, denn dann sind wir gleich im Wald.“<br />

Sie gingen zur Ampel und überquerten die Straße und schoben ihre Fahrrä<strong>der</strong><br />

in den Wald hinein. Es wurde ruhiger. Die Straße hörte man schon<br />

lang nicht mehr. Sie hörten nur die Vögel in den Bäumen zwitschern. Es war<br />

angenehm kühl im Wald.<br />

„Na, dann wollen wir <strong>mal</strong>“, sagte Nic und stieg auf sein Fahrrad. Die an<strong>der</strong>en<br />

stiegen auch auf und sie fuhren los. Sie fuhren etwa fünf Minuten, als<br />

sie an einer Quelle vorbeikamen. Der kleine Bach, <strong>der</strong> aus <strong>der</strong> Quelle entstanden<br />

war, floss neben ihnen her. Der kleine Bach wurde immer größer,<br />

er war schon fast ein kleiner Fluss, als er in einen kleinen Tümpel floss. Der<br />

Tümpel lag mitten im Wald. Direkt an seinem Ufer wuchsen keine Bäume,<br />

nur grünes Gras. Die Sonne spiegelte sich im klaren blauen Wasser des kleinen<br />

Tümpels.<br />

„Hier könnten wir doch richtig gut picknicken“, sagte Pelin.<br />

„Ein Picknick?“ fragte Chiara ganz verwun<strong>der</strong>t.<br />

„Macht es euch einfach bequem“, sagte Pelin und zog dabei eine große<br />

grüne Decke aus ihrer Fahrradtasche und breitete sie auf dem Boden aus.<br />

Philipp Herold: Kapitel 3 17<br />

Die an<strong>der</strong>en setzten sich auf die Decke. Adisa setzte sich neben Nic. Pelin<br />

holte einen Korb aus ihrer Fahrradtasche und stellte ihn auf die Decke.<br />

Sie holte noch einen an<strong>der</strong>en Korb aus <strong>der</strong> Tasche und stellte beide auf die<br />

Decke. „Lasst es euch schmecken“, sagte sie grinsend und setzte sich neben<br />

Chiara. Sie begannen zu essen.<br />

„Mhhhh, das schmeckt echt gut, von wo hast du denn den Käse?“ fragte<br />

Chiara.<br />

Darauf antwortete Pelin: „Der ist von dem Metzger, <strong>der</strong> bei mir ums Eck<br />

ist.“<br />

Es kam im Laufe <strong>der</strong> Zeit zu Annäherungen zwischen Adisa und Nic. Adisa<br />

legte ihren Kopf auf Nics Kopf. Chiara verzog das Gesicht, schließlich war<br />

sie in Nic verliebt. Sie ließ es sich aber nicht anmerken. Nach einer halben<br />

Stunde sagte Nic plötzlich: „Mir sind die Beine eingeschlafen, ich muss mich<br />

bewegen.“ Er stand auf und ging näher an den Tümpel heran. „Na, dann<br />

räumen wir <strong>mal</strong> auf“, sagte Pelin. Sie nahm die Brote, die Wurst und den<br />

Käse und verstaute alles in <strong>der</strong> Fahrradtasche. Dann nahm sie die Decke<br />

und packte sie wie<strong>der</strong> ein. Adisa folgte Nic an den Tümpel und legte ihren<br />

Kopf auf seine Schulter. Chiara schaute sie sauer an. Pelin hatte in <strong>der</strong><br />

Zwischenzeit alles verstaut.<br />

„Wir können jetzt weiter fahren, das heißt, wenn ihr wollt“, sagte Pelin<br />

heiter, um Chiara zu besänftigen.<br />

Adisa sagte: „Okay, wir kommen gleich.“<br />

„Ich finde, es ist schön hier“, sagte Nic verträumt.<br />

Und Adisa antwortete fröhlich: „Mmh.“<br />

„Kommt ihr jetzt endlich“, fuhr Chiara aggressiv dazwischen.<br />

Nic antwortete gelassen: „Wir kommen ja gleich.“<br />

Die beiden drehten sich um und gingen auf Pelin und Chiara zu. Adisa ging<br />

ganz nah bei Nic. „Na endlich“, maulte Chiara.<br />

Sie stiegen auf ihre Fahrrä<strong>der</strong> und fuhren los. Ein kleiner, sch<strong>mal</strong>er Pfad<br />

führte zwischen den Bäumen hindurch. Es war angenehm kühl unter den<br />

Bäumen, da nur wenige Sonnenstrahlen durch die Baumgipfel fielen. Sie<br />

fuhren schweigend neben einan<strong>der</strong> her. Adisa fuhr immer ganz nahe bei<br />

Nic. Sie fuhren etwa eine halbe Stunde, und man merkte, dass sich Adisa und<br />

Nic immer näher kamen, und Chiaras Stimmung wurde immer schlechter.<br />

Chiara wirkte erleichtert, als sie die Bahnhaltestelle erreichten. Die Bahn


18 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

kam kurz nachdem sie die Bahnhaltestelle erreicht hatten. Sie stiegen ein<br />

und stellten ihre Fahrrä<strong>der</strong> an die Wand und setzten sich wie<strong>der</strong> an einen<br />

Viererplatz. Während <strong>der</strong> Bahnfahrt schauten sich Adisa und Nic die ganze<br />

Zeit leicht verträumt an. Chiara wurde immer saurer. Pelin machte sich<br />

schon Sorgen, dass sie gleich platzen würde. Sie stiegen aus, Chiara versuchte<br />

ihre Wut zu unterdrücken. Es war inzwischen 13.00 Uhr.<br />

„So, das war alles für heute“, sagte Nic, <strong>der</strong> erstaunlich ruhig war.<br />

Nun trennten sich ihre Wege. Adisa ging in dieselbe Richtung wie Nic, und<br />

Chiara passte das gar nicht. Chiara ging merkbar sauer davon, ohne sich zu<br />

verabschieden. Adisa und Nic verabschiedeten sich von Pelin und gingen.<br />

Loreen Mateo: Kapitel 4 19<br />

Loreen Mateo<br />

Kapitel 4<br />

,,Gott, bin ich müde“, nuschelte Chiara. Sie stand mühevoll auf und machte<br />

sich Kaffee. Sie schlief nicht wirklich gut, dachte die ganze Zeit an Nic.<br />

Sie seufzte und ging ins Wohnzimmer. Im Fernseher lief nichts, es war langweilig.<br />

Chiara stand auf, stellte ihren Kaffee ab und ging ins Schlafzimmer.<br />

Sie machte ihr Bett und räumte noch ein bisschen auf. Dann sah sie das<br />

Telefon. In <strong>der</strong> Nacht beschloss sie, ihm heute ihre Liebe zu gestehen, indem<br />

sie sich in ihrem Lieblingscafé treffen würden. Aber es war noch zu früh<br />

um anzurufen, und es machte ihr auch Angst. Sie sprang in die Dusche.<br />

Draußen war schönes Wetter.<br />

Chiara beschloss, einen Spaziergang zu machen. Sie machte sich hübsch und<br />

ging nach draußen. Überall sah sie Familien, glückliche Paare und Singles,<br />

die sich – genauso wie sie – total einsam fühlten. Auf ein<strong>mal</strong> kam eine Frau<br />

auf sie zu gerannt und umarmte sie. Es war Maria, ihre frühere italienische<br />

Freundin. Chiara freute sich und umarmte sie. Maria hatte ihren Hund<br />

Chucky dabei. Die beiden gingen in ein Café und plau<strong>der</strong>ten über die alten<br />

Zeiten. Lachten, tranken und aßen Eis, wie früher. Das hatte Chiara gefehlt.<br />

Sie erzählte auch von Nic. Maria wollte alles von ihm wissen, auch hatte<br />

Chiara davon erzählt, dass sie ihm heute ihre Liebe gestehen würde. Die<br />

beiden hatten viel Spaß miteinan<strong>der</strong>, und Maria gab ihr auch Tipps, was Nic<br />

betraf. Die Sonne schien etwas und es war angenehm windig. Die beiden<br />

Mädels machten sich auf den Heimweg. Auf dem Weg liefen sie an <strong>der</strong> alten<br />

Sporthalle vorbei, wo sie früher immer Volleyball gespielt hatten. Es war<br />

echt eine schöne Zeit mit Maria gewesen. Chiara hatte ganz vergessen, dass<br />

sie in einer halben Stunde Hiphop hatte, sie verabschiedete sich und machte<br />

sich auf den Heimweg. Zuhause angekommen, klingelte das Telefon.<br />

Sie nahm ab.<br />

,,Ja?“ sagte sie etwas schüchtern.<br />

„Hey. Ich wollte dich immer schon <strong>mal</strong> hören!“ sagte eine raue Stimme am<br />

Telefon.


20 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

„Wer sind Sie? Und was wollen Sie?“<br />

„Ich bin es, <strong>der</strong> aus dem Chat!“<br />

Chiara zuckte zusammen und legte schnell auf. Seit einigen Wochen schrieb<br />

sie in ihrem Messenger mit einem Mann, den sie eigentlich als sehr nett<br />

empfand, <strong>der</strong> jedoch sehr komisch auf sie wirkte. Er schickte ihr dauernd<br />

Briefe, er kam ihr schon vor wie ein Stalker. Sie versuchte nicht mehr daran<br />

zu denken und packte ihre Tanzsachen. Dann schaute sie noch <strong>mal</strong> auf das<br />

Telefon und ging aus <strong>der</strong> Haustüre. Das Sportstudio war gleich nebenan.<br />

Es sah sehr geräumig aus und gemütlich. Ihre Tanzlehrerin sah ihr an, wie<br />

verwirrt sie war.<br />

„Hey, was ist denn los mit dir?“ fragte sie besorgt. „Ach. Komischer Tag!“<br />

„Du musst heute nicht mitmachen, wenn du keine Lust hast.“<br />

„Okay, tut mir Leid. Ich geh wie<strong>der</strong>, bye!“<br />

Auf dem Heimweg machte sie sich Vorwürfe, sie liebte es zu tanzen, aber<br />

Chiara war nicht in <strong>der</strong> Stimmung.<br />

Vielleicht sollte ich jetzt <strong>mal</strong> Nic anrufen, dachte sie, als sie vor ihrer Haustür<br />

stand. „O<strong>der</strong> doch nicht?“ murmelte sie. Sie suchte fünf Minuten lang<br />

nach ihrem Schlüssel. In ihrem Kopf waren bestimmt hun<strong>der</strong>t Dinge auf<br />

ein<strong>mal</strong>, sie war total verwirrt. Chiara schaute hinter sich. Eine alte Dame<br />

wartete darauf, ins Haus rein zu dürfen. Chiara lächelte sie an und fand<br />

dann ihren Schlüssel. Sie ging ins Haus und hielt <strong>der</strong> alten Dame die Tür<br />

auf. Oben angekommen, ging sie so schnell wie möglich in ihre Wohnung,<br />

legte alles ab und ging in die Küche, um sich etwas zu trinken zu holen. Sie<br />

machte das Radio an und trank ihr Glas leer. Ihr Lieblingslied lief, sie stellte<br />

das Glas ab und schnappte sich eine Banane. Sie benutzte sie als Mikrofon.<br />

Dann tanzte sie durch die Gegend, irgendwie total glücklich, aber doch total<br />

fertig mit <strong>der</strong> Welt. Als es vorbei war, seufzte sie und legte die Banane wie<strong>der</strong><br />

in den Korb. Gelangweilt schaute Chiara durch die Wohnung. Alles war<br />

sauber, sie hatte nichts, gar nichts mehr zu tun. Vielleicht lief ja was im Fernseher.<br />

Chiara warf sich auf das Sofa und nahm die Fernbedienung, die genau<br />

neben dem Telefon lag. Einen Moment lang schaute sie auf das Telefon, doch<br />

ihr Kopf war leer. Sie konzentrierte sich auf den Bildschirm. Es kam eine<br />

Talkshow, das Thema war „Wie sag ich es ihm o<strong>der</strong> ihr?“.<br />

„Passt ja gut“, seufzte Chiara und schaute sich die Sendung eine Weile an.<br />

Nach einer halben Stunde wurde es ihr zu blöd und sie schaltete den Fernseher<br />

ab. Es war schon 15.00 Uhr, jetzt konnte Chiara ihn aber wirklich <strong>mal</strong><br />

Loreen Mateo: Kapitel 4 21<br />

anrufen. Sie gab die Nummer in das Telefon ein und es klingelte. Total aufgeregt<br />

wartete sie. Dann überkam sie die Angst und sie legte schnell wie<strong>der</strong><br />

auf.<br />

„Was mache ich da eigentlich?“ fragte sie etwas beschämt. Dann gab sie die<br />

Nummer noch <strong>mal</strong> in das Telefon ein und wartete.<br />

„Hallo?“ sagte Nic.<br />

„Hey, ich bin’s, Chiara“, stotterte sie etwas.<br />

„Hey Chiara, na, wie geht’s dir?“<br />

„Mir geht’s gut, danke. Dir?“<br />

„Mir auch, wolltest du irgendwas, o<strong>der</strong>…?“<br />

Chiara war etwas verunsichert, aber fragte dann: „Ja, ich wollte fragen, ob<br />

du Lust hast, mit mir ins Café zu gehen?“<br />

Auf ein<strong>mal</strong> hörte Chiara ein Lachen im Hintergrund, es war das Lachen von<br />

Adisa. Chiara wurde irgendwie traurig.<br />

„Sorry, ich hab keine Zeit, Adisa ist hier.“<br />

„Ach so, ja okay. Viel Spaß euch noch. Tschüü-.“<br />

Sie legte auf, bevor sie fertig geredet hatte. Ihr kamen die Tränen. Sie flossen<br />

einfach so über ihr Gesicht. Sie war verzweifelt. Fühlte sich wie nie<strong>der</strong>geschlagen.<br />

Chiara holte ihre Zigarettenpackung und rauchte erst<strong>mal</strong> eine,<br />

um sich zu beruhigen. Aber sie konnte nicht. Sie war schon lang nicht mehr<br />

so am Boden zerstört. Dachte an nichts mehr, war weg mit ihrem Kopf,<br />

woan<strong>der</strong>s, in einer an<strong>der</strong>en Welt, irgendwo. Sie legte sich in ihr Bett und<br />

schlief unter Tränen ein. Abends wachte sie wie<strong>der</strong> auf. Machte sich Essen<br />

und setzte sich ins Wohnzimmer. Im Fernseher kam eine Liebeskomödie,<br />

das konnte sie jetzt keineswegs gebrauchen. Auf einem an<strong>der</strong>en Sen<strong>der</strong> lief<br />

ein Film, den sie mit Nic immer gerne angeschaut hatte. Wie<strong>der</strong> kamen ihr<br />

die Tränen, aber sie versuchte sie zu verdrängen. Dann kam ihr die Idee,<br />

Maria anzurufen und mit ihr etwas trinken zu gehen. Maria war einverstanden.<br />

Zusammen trafen sie sich in einer in <strong>der</strong> Stadt sehr bekannten Bar.<br />

Es lief immer gute Musik, das brauchte Chiara jetzt! Sie erzählte Maria von<br />

dem Gespräch mit Nic. Maria tröstete sie und sagte ihr, dass das schon werden<br />

würde, sie sollte sich jetzt entspannen, und morgen wäre ja auch noch<br />

ein Tag. Doch Chiara wusste es besser. Sie dachte kurz nach. Die beiden<br />

unterhielten sich eine Weile. Chiara trank etwas zu viel, Maria besorgte ihr<br />

ein Taxi, fuhr noch mit und brachte sie in ihre Wohnung. Chiara warf sich<br />

in ihr Bett und schlief ein…


22 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Armin Hrustanović<br />

Kapitel 5<br />

Es ist zwei Uhr Nachmittags. Es ist ein wun<strong>der</strong>schöner Sommertag. Alle<br />

Menschen saßen im Park und genossen die frische Sommerluft. Nach einer<br />

Weile trafen sich Pelin, Adisa und Nic wie abgesprochen zum Mittagessen<br />

in <strong>der</strong> Mensa. Sie wollten über die Radtour diskutieren. Die Ereignisse <strong>der</strong><br />

letzten Tage waren so interessant, dass sie nicht gemerkt haben, wie die Zeit<br />

verging. Auf ein<strong>mal</strong> fiel Pelin auf, dass Chiara nicht gekommen ist.<br />

„Nic, wo ist denn Chiara? Sie wollte doch auch kommen, o<strong>der</strong>?“<br />

Alle fragten sich, was könnte passiert sein, wo könnte sie nur sein. Als Nic<br />

auch nicht wusste, wo sie geblieben ist und was mit ihr in <strong>der</strong> letzten Zeit los<br />

war, wurden die Sorgen immer größer. Sie versuchten, Chiara zu erreichen,<br />

aber es ging immer nur die Mailbox ran. Sie überlegten, was sie machen<br />

sollten. Sie hatten vor, noch eine halbe Stunde auf sie zu warten. „Aber Nic,<br />

es kann doch nicht sein, sie ist doch immer so zuverlässig. Chiara war bei<br />

unseren Treffen immer pünktlich da.”<br />

Sie versuchten immer wie<strong>der</strong>, telefonischen Kontakt aufzunehmen. Fehlanzeige.<br />

Nach einer halben Stunde verlor Pelin die Geduld. Adisa und Nic<br />

versuchten Pelin zu beruhigen.<br />

Nic fragte Pelin: „Pelin, war Chiara denn heute nicht im Seminar? Du bist<br />

doch mit ihr zusammen in einem, o<strong>der</strong>?“<br />

„Nein, sie ist schon den ganzen Tag nicht da. Aber sie würde uns doch an-<br />

rufen, wenn sie krank wäre o<strong>der</strong> wenn etwas dazwischen gekommen wäre.“<br />

Nic fand, dass sie sich viel zu viele Sorgen machte. Chiara war alt genug, um<br />

sich um sich selbst zu kümmern. Die Angst um Chiara wuchs immer mehr.<br />

Nach einer Zeit sagte Adisa: „Wenn wir sie finden wollen, dann müssen wir<br />

woan<strong>der</strong>s suchen. O<strong>der</strong> seid ihr an<strong>der</strong>er Meinung?“<br />

Pelin sagte ein bisschen verwirrt: „Ähm… ja klar. Natürlich… aber wo<br />

sollen wir denn anfangen? Sie könnte überall sein, o<strong>der</strong>?“<br />

Armin Hrustanović: Kapitel 5 23<br />

„Jetzt, Pelin. Beruhige dich ein bisschen. Wir werden sie schon finden. Sie<br />

kann doch nicht weit sein. Vielleicht sind kurzfristig ihre Eltern krank geworden,<br />

und dann ist sie so schnell wie möglich sie besuchen gegangen.<br />

O<strong>der</strong> sie hat so viel Stress mit einem Seminar, dass sie unser Treffen total<br />

vergessen hat“, sagte Nic.<br />

„Ja, aber dann wäre sie doch vielleicht an ihr Handy rangegangen, o<strong>der</strong>?“<br />

Pelin war total fertig. Sie wollte nicht, dass sich Chiara was antut. Sie wusste<br />

ja, was Chiara über Nic dachte und was sie für ihn fühlte.


24 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Dardan Vuci<br />

Kapitel 6<br />

Chiara ist immer noch verschwunden. Pelin ruft Nic und Adisa an und will<br />

sich mit den beiden im VaPiano treffen. Pelin erzählt den beiden, dass sie<br />

alle angerufen hat und dass auch niemand sonst was von ihr gehört hat. Sie<br />

sitzen da und starren sich nur an.<br />

Pelin sagt: „Ähhm…. Leute, ich will euch keine Angst machen o<strong>der</strong> so, aber<br />

gestern hab ich einen Anruf bekommen, und als ich ran gegangen bin, hab<br />

ich nur ein Atmen gehört.“<br />

Nic erwi<strong>der</strong>te: ,,Bei mir hat auch jemand angerufen.“<br />

Adisa sagte stotternd: „Hey, das ist doch voll krank!“<br />

„Bei mir hat auch jemand angerufen, und als ich gefragt hab, wer das ist,<br />

hat er aufgelegt“, sagte Pelin.<br />

„Vielleicht war das ja Chiara“, sagte Nic.<br />

Pelin wurde blass im Gesicht und war sprachlos.<br />

Adisa sagte: „Leute, das hat sicher nichts zu bedeuten.“<br />

Pelin sprang auf und wollte zur Polizei gehen.<br />

Nic sagte: „Pelin! Warte, geh nicht zur Polizei. Vielleicht wird sie ja fest-<br />

gehalten, und wenn wir zur Polizei gehen, kann es sein, dass sie Chiara was<br />

antun.“<br />

„Ich gehe nicht zur Polizei. Du hast ja Recht. Wir wissen gar nicht, ob das<br />

was mit Chiara zu tun hat“, sagte Pelin.<br />

Sie setzten sich wie<strong>der</strong> hin und blieben noch 30 Minuten zusammen sitzen.<br />

Nic stand auf und sagte: „Es ist schon spät und ich muss noch für mein<br />

Geschichtsexamen lernen.“<br />

Adisa erwi<strong>der</strong>te: „Warte, ich komm mit, ich muss auch noch lernen.“<br />

Pelin wollte noch da bleiben und noch einen Kaffee trinken. Kurz nachdem<br />

die beiden gegangen waren, machte sich Pelin auf den Weg zum Polizei-<br />

revier.<br />

In <strong>der</strong> S-Bahn denkt Pelin an Chiara, und sie weiß nicht, was sie <strong>der</strong> Polizei<br />

sagen soll.<br />

Dardan Vuci: Kapitel 6 25<br />

Sie denkt auch an Adisa und Nic und ob es wirklich eine gute Idee ist, zur<br />

Polizei zu gehen.<br />

Als sie aus <strong>der</strong> S-Bahn aussteigt, setzt sie sich erst<strong>mal</strong> hin und denkt noch<br />

<strong>mal</strong> an alles, was bisher passiert ist. Dass Chiara verschwunden ist und dass<br />

keiner weiß, wo sie ist. Und auch an die Anrufe und ob das wirklich was mit<br />

Chiara zu tun hat. Sie sitzt einfach da und starrt in die Leere. Nach zehn<br />

Minuten steht sie auf und geht doch zum Polizeirevier.<br />

Als sie vor dem Polizeirevier stand, blieb sie erst ein<strong>mal</strong> für ein paar Sekunden<br />

stehen. Dann ging sie rein.<br />

Der Polizist sagte: „Jetzt beruhigen Sie sich erst<strong>mal</strong>. Mein Name ist Thomas<br />

Meier. Wie heißen Sie?“<br />

Pelin antwortete: „Pelin.“<br />

„OK, Pelin, komm <strong>mal</strong> mit mir mit.“<br />

Er brachte Pelin zu einem an<strong>der</strong>en Polizeibeamten. Herr Meier sagte: „Also<br />

Pelin, das ist Ulf Giesenknecht, er ist Kriminalkommissar, er wird deinen<br />

Fall übernehmen.“<br />

Pelin sah den Kommissar an. Er war sehr alt und hatte auch schon eine<br />

Halbglatze, einen Schnauzbart und ein rundes Gesicht. Er war auch noch<br />

dick.<br />

Herr Giesenknecht sagte zu Pelin: „Also Pelin, setz dich erst<strong>mal</strong> und erzähl<br />

mir, was passiert ist.“<br />

Pelin antwortete: „Also, meine Freundin Chiara wurde entführt!“<br />

„Hast du Beweise, dass sie entführt ist?“ fragte Herr Giesenknecht.<br />

„Ähhm… eigentlich nicht, aber ich und meine Freunde Adisa und Nic<br />

haben gestern alle einen merkwürdigen Anruf bekommen“, sagte Pelin stotternd.<br />

Herr Giesenknecht erwi<strong>der</strong>te: „Hat <strong>der</strong> Anrufer gesagt, dass er Chiara festhält?“<br />

„Nein, <strong>der</strong> Anrufer hat gar nichts gesagt, wir haben nur jemanden atmen<br />

gehört“, sagte Pelin wuterfüllt.<br />

„Also Pelin, wir können Ihnen nichts versprechen, aber wir werden nach<br />

ihr suchen. Und wenn sich wie<strong>der</strong> jemand meldet, versuchen Sie herauszu-<br />

bekommen, wer das ist.“<br />

Pelin sagte: „Also soll das heißen, dass Sie mir nicht helfen wollen…<br />

o<strong>der</strong>??“<br />

„Doch, natürlich versuchen wir Ihnen zu helfen“, sagte Herr Giesenknecht.


26 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

„Aber wenn Chiara jetzt wirklich von einem kranken, perversen alten Sack<br />

festgehalten wird?“ sagte Pelin wuterfüllt.<br />

Herr Giesenknecht erwi<strong>der</strong>te: „Jetzt werden Sie nicht hysterisch, wir werden<br />

sie schon finden.“<br />

Pelin stand wuterfüllt auf und wollte gehen.<br />

Herr Giesenknecht sagte zu ihr: „Pelin, warten Sie <strong>mal</strong> bitte, ich hab noch<br />

ein paar Fragen.“<br />

„Ja, was denn?“ fragte Pelin.<br />

„Also Pelin, sagen Sie mir <strong>mal</strong>, ob Chiara alleine lebt o<strong>der</strong> mit jemandem<br />

zusammen?“ fragte Herr Giesenknecht.<br />

Pelin sagte: „Sie lebt nicht alleine, son<strong>der</strong>n in einer WG mit zwei an<strong>der</strong>en<br />

Studenten.“<br />

„Und haben die was von ihr gehört o<strong>der</strong> wissen sie, wo sie ist?“ fragte Herr<br />

Giesenknecht.<br />

„Nein, ich habe beide schon gefragt, und die haben auch nichts von ihr gehört“,<br />

sagte Pelin.<br />

Herr Giesenknecht fragte Pelin: „Und wissen Sie, wann genau Chiara verschwunden<br />

ist?“<br />

„Ja, sie ist genau vor zwei Tagen verschwunden, die beiden Mitbewohner<br />

sagen, dass sie einfach mitten in <strong>der</strong> Nacht aufgestanden sei und einfach<br />

raus gegangen sei. Sie dachten, sie will was an <strong>der</strong> Tanke kaufen o<strong>der</strong> so, aber<br />

dann ist sie nicht mehr nachhause gekommen.“ Herr Giesenknecht starrte<br />

Pelin nachdenklich an.<br />

„Also Pelin, wie schon gesagt: Wir werden versuchen sie zu finden, aber<br />

wenn sie von alleine raus gegangen ist, dann können wir auch nichts machen,<br />

denn sie ist ja eine erwachsene Frau und sie kann überall sein. Vielleicht<br />

will sie ja von ihrem Job o<strong>der</strong> jemand bestimmtem Abstand halten.<br />

Wenn sie entführt wurde, werden wir natürlich nach ihr suchen, aber im<br />

Moment können wir nichts machen, denn wir wissen ja nicht, ob sie wirklich<br />

entführt wurde“, sagte Herr Giesenknecht.<br />

Pelin stand wuterfüllt auf und rannte aus <strong>der</strong> Polizeistation.<br />

Als Pelin vor <strong>der</strong> Polizeistation stand, blieb sie erst<strong>mal</strong> stehen und dachte<br />

noch <strong>mal</strong> über alles nach. Sie blieb zehn Minuten stehen und sagte sich die<br />

ganze Zeit: „Was, wenn es eine schlechte Idee war zur Polizei zu gehen? Was,<br />

wenn <strong>der</strong> Entführer das alles mitbekommt? Was, wenn er was mit Chiara<br />

anstellt? Was, wenn er sie verletzt o<strong>der</strong> schlimmer?“<br />

Das alles ist ihr durch den Kopf gegangen.<br />

Dardan Vuci: Kapitel 6 27


28 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Denis Breutner<br />

Kapitel 7<br />

Einige Tage später wollte Pelin zu Chiaras WG. Sie bat Nic, sie zu begleiten.<br />

Sie machten sich auf den Weg. Als sie bei <strong>der</strong> WG angekommen waren, mussten<br />

sie daran denken, was wohl mit Chiara passiert sei. Pelin klopfte an <strong>der</strong><br />

Tür. Einer <strong>der</strong> Mitbewohner, er war ein ehrgeiziger junger Mann, schaute sie<br />

stumm an und fragte dann, wo sie hin wollten.<br />

„Wir wollten schauen ob Chiara da ist.“<br />

„Sie ist nicht da“, antwortete eine leise Stimme. Es war ein zweiter Mitbewohner.<br />

Er hieß Max und wurde durch das Klopfen an <strong>der</strong> Tür geweckt.<br />

Nor<strong>mal</strong>erweise schlief er immer bis Mittags durch. Er war 23. Beide Mitbewohner<br />

wussten nicht, wo Chiara abgeblieben war. Alle fingen an, sich<br />

große Sorgen zu machen. Niemand wusste, was mit Chiara geschehen war.<br />

Es war seltsam, denn es gab keine Anzeichen für das Verschwinden von<br />

Chiara. Sie hatten große Angst.<br />

Pelin fragte, ob sie in Chiaras Zimmer durfte. Sie wollte im Zimmer nach<br />

Hinweisen suchen, die Chiaras Verschwinden erklärten. Die Mitbewohner<br />

ließen sie in das Zimmer. Pelin und Nic gingen in das Zimmer und schauten<br />

sich um. Es war sehr schmutzig und sehr staubig, alles dreckig… Es<br />

roch genauso verraucht wie auch in <strong>der</strong> restlichen Wohnung. Der Geruch<br />

war unerträglich. Es wurde beiden schon fast schlecht. Pelin fand auf dem<br />

Schreibtisch einen Stapel Briefe. Sie schaute auf die Absen<strong>der</strong>. Sie waren<br />

noch nicht sehr alt. Einen Absen<strong>der</strong> gab es lei<strong>der</strong> nicht. Sie wussten nur, dass<br />

<strong>der</strong> Absen<strong>der</strong> in <strong>der</strong>selben Stadt wohnte wie sie auch. Pelin nahm die Briefe<br />

mit, ging zur Tür und verabschiedete sich von den zwei Mitbewohnern.<br />

Sie gingen wie<strong>der</strong>…<br />

Als sie vor Chiaras WG waren, überkamen sie beide schlimme Gedanken.<br />

Sie mussten an Chiara denken… Sie schauten die Briefe an und wurden neugierig,<br />

was wohl in ihnen stehen würde, denn es standen keine Absen<strong>der</strong> auf<br />

den Briefen .Wer steckte wohl hinter den Briefen? Er wohnte in <strong>der</strong> Nähe?<br />

Aber sie hatten keinen Anhaltspunkt, woher sie kamen. Pelin fragte Nic,<br />

Denis Breutner: Kapitel 7 29<br />

wie er dachte und was er jetzt machen würde. Er sagte, dass sie vielleicht die<br />

Briefe öffnen sollten, da sich möglicherweise ein Hinweis auf den Absen<strong>der</strong><br />

hinter ihnen verbergen könnte. Die beiden hatten sehr große Angst um<br />

Chiara, sie hatten sehr schlimme Vorstellungen. Die Briefe machten ihnen<br />

Angst, was würde wohl in ihnen stehen? Sie gingen ein Stück die Straße<br />

entlang, sie konnten keinen klaren Gedanken mehr fassen.<br />

„Sie ist von einem auf den an<strong>der</strong>en Moment verschwunden.”<br />

„Aber warum, aus welchem Grund? O<strong>der</strong> ist sie vielleicht entführt worden?“<br />

„Ich weiß es nicht“, sagte Nic zu Pelin. „Wir sollten vielleicht noch ein<strong>mal</strong><br />

zur Polizei gehen und ihnen die Briefe geben, sie können damit wohl mehr<br />

anfangen….“


30 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Liebes Tagebuch,<br />

Teresa Greve<br />

Kapitel 8<br />

ich bin so glücklich, dass ich Nic kennen gelernt habe, ich meine, klar kenne<br />

ich ihn zwar noch nicht so lange, aber ich bin froh ihn zu haben. Und ich liebe<br />

ihn so sehr! Ich könnte mir ein Leben ohne ihn nicht mehr vorstellen. Er ist <strong>der</strong><br />

tollste Mensch, den ich je kennen gelernt habe. Aber seit heute Mittag mache<br />

ich mir echt Sorgen um Chiara. Ich weiß nicht, wo sie ist, und ich weiß nicht,<br />

wie es ihr geht! Ich hoffe, ihr ist nichts passiert und sie ist nur aus irgendwelchen<br />

unsinnigen Gründen abgehauen, aber an<strong>der</strong>erseits müsste ich mir keine<br />

Sorgen mehr um Nic und Chiara machen, denn es kommt mir nämlich so vor,<br />

als wenn sie sich an ihn ranmachen wollte. Sie ist mir so ans Herz gewachsen,<br />

aber ich habe so Angst, dass mich Nic für sie verlassen könnte, ich kann ohne<br />

Nic nicht mehr klar denken, das darf nicht passieren, aber ich kann echt froh<br />

sein, dass ich in dieser kurzen Zeit solche Freunde gefunden habe. Und nein,<br />

ich bin nicht oberflächlich, nur weil ich sie erst seit kurzem kenne und von<br />

Freundschaft rede, sie sind meine Freunde geworden, und zwar richtig gute.<br />

Oh Mann… warum passiert in letzter Zeit so viel Schlimmes? Meiner Oma<br />

geht es richtig schlecht, sie kann nicht mehr ohne Schmerzen laufen, weil sie<br />

drei Bandscheibenvorfälle in einem Jahr hatte, und die Krankenkasse meint,<br />

es reicht, wenn sie eine ambulante Reha macht. Ich will, dass es ihr wie<strong>der</strong><br />

besser geht. Und meine Tante Edda ist im Krankenhaus, weil sie eine Herz-<br />

operation hat, die Ärzte wissen nicht <strong>mal</strong>, ob sie die Operation überlebt, ihr<br />

geht es wirklich so schlecht. Und ich weiß nicht, was passieren würde, wenn<br />

meine Tante Edda nicht mehr da wäre, ich wäre für immer am Boden zerstört.<br />

Und Max geht es in letzter Zeit auch sehr schlecht. Er hört sich am Telefon<br />

immer so traurig an und will mir nie sagen, was mit ihm los ist. Das macht<br />

mich so fertig… Ich will unbedingt wissen, was mit ihm los ist, ich will ihm ja<br />

schließlich helfen und ihm nicht schaden. Ich weiß nicht mehr weiter.<br />

Teresa Greve: Kapitel 8 31<br />

Dann habe ich ständig am Telefon Stress mit meinen Eltern und ich vernachlässige<br />

meine besten Freunde von früher. Ich kann echt nicht mehr, warum<br />

geht es allen schlecht und alle sind sauer auf mich, ich weiß nicht mehr, wie<br />

ich das Ganze wie<strong>der</strong> gerade gebogen bekomme. Ich habe so Angst, meine<br />

beste Freundin zu verlieren. Ich habe jetzt schon seit Langem nichts mehr mit<br />

ihr gemacht, und immer wenn sie zu mir kam und mich gefragt hat, ob ich<br />

Zeit habe, habe ich gesagt ich könne nicht, ich hätte schon was mit meinen<br />

an<strong>der</strong>en Freunden vor. Es tut mir so weh, es jedes Mal zu ihr sagen zu müssen.<br />

Warum passiert in letzter Zeit so viel? Ich mache zu viel mit Nic und zu wenig<br />

mit meinen an<strong>der</strong>en Freunden.<br />

Oh je, ich muss hier auch <strong>mal</strong> wie<strong>der</strong> aufräumen und umstellen, und wenn<br />

ich so weiter mache, werde ich auch keine Modelaufträge mehr bekommen.<br />

Ich muss unbedingt wie<strong>der</strong> abnehmen, ich esse viel zu viel und immer nur das<br />

Falsche. Immer wenn ich mich mit Nic und Pelin treffe, essen wir Pizza o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>es fettiges Essen.<br />

Mir wächst in letzter Zeit alles über den Kopf. Ich kann nicht mehr, ich bin<br />

am Ende und heul jeden Tag die ganze Nacht durch. Ich weiß echt nicht mehr<br />

weiter. Vielleicht hat meine Mutter doch Recht, und ich sollte <strong>mal</strong> eine Pause<br />

mit allem machen. Naja, ist ja jetzt auch egal. Es kommen auch wie<strong>der</strong> bessere<br />

Zeiten, hoffe ich zumindest. Ich werde direkt nach dem Schreiben dieses<br />

Tagebucheintrages meine Tante im Krankenhaus anrufen und sie fragen, wie<br />

es ihr geht. Ich werde versuchen, sie aufzumuntern und ihr einzureden, dass<br />

die Operation gut verläuft. Und dann werde ich noch morgen früh gleich zu<br />

meiner besten Freundin gehen und ihr sagen, dass ich wie<strong>der</strong> mehr mit ihr<br />

machen werde, dass ich nicht will, dass unsere Freundschaft wegen An<strong>der</strong>en<br />

kaputt geht. Und morgen Mittag gehe ich zu meiner Oma und helfe ihr beim<br />

Aufräumen, und wenn sie noch einkaufen gehen muss, werde ich auch das für<br />

sie erledigen.<br />

Ich werde jetzt wie<strong>der</strong> anfangen, mit allen Freunden gleich viel zu machen.<br />

Ich werde hier jetzt noch ein bisschen aufräumen, umstellen und einen<br />

Kuchen backen. Ich weiß nicht wieso, aber ich habe gerade so Lust darauf,<br />

einen Kuchen zu backen. Ich habe gehört, es kommt heute um 20.15 Uhr<br />

ein Film, den ich unbedingt anschauen will. Ich werde Kuchen backen und<br />

nebenher noch den Film anschauen. Ich glaube, ich rufe aber noch schnell


32 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

meine Freundin an und frage sie, ob sie morgen Zeit hat, ich will, dass es<br />

wie<strong>der</strong> so wird wie früher, dass wir wie<strong>der</strong> bis spät in die Nacht über Gott<br />

und die Welt reden. Es hat so Spaß gemacht. Wir haben uns dann immer über<br />

irgendwelche Leute aufgeregt, die genügend Geld haben, aber zu geizig sind,<br />

es an Arme zu spenden. O<strong>der</strong> wir reden über an<strong>der</strong>e lustige Sachen. Es hat<br />

immer so viel Spaß gemacht, und ich hoffe, dass es wie<strong>der</strong> so wird wie früher.<br />

Naja, ich werde dann jetzt wohl aufhören zu schreiben, weil ich sonst heute<br />

nicht mehr fertig werde mit all dem, was ich vorhabe. Und ich will ja schließlich<br />

auch morgen einigermaßen ausgeschlafen sein, wenn ich so viel vorhabe.<br />

Also dann bis bald,<br />

Adisa<br />

Yonca Özdemir: Kapitel 9 33<br />

Yonca Özdemir<br />

Kapitel 9<br />

Als Pelin die Briefe gefunden und mitgenommen hatte, trafen sich die Drei<br />

im Café im Jugendhaus West. Dort kannte je<strong>der</strong> jeden. Sie suchten einen<br />

Sitzplatz, wo sie in Ruhe reden konnten. Doch überall war es laut und sehr<br />

stinkig, alle schrien rum, waren am Spielen o<strong>der</strong> Alkohol trinken. Nun<br />

gingen sie ins zweite Obergeschoss, dort war es ein bisschen besser. Einen<br />

besseren Platz würden sie nicht bekommen. Sie machten sich Gedanken, ob<br />

sie an <strong>der</strong> Fensterscheibe sitzen sollten o<strong>der</strong> ein bisschen weiter weg vom<br />

Fenster.<br />

Nic machte einen Vorschlag: „Hey, wir sollten lieber außen Platz nehmen,<br />

da wo uns niemand zuhören kann, ist das OK?“<br />

Pelin fand Nics Vorschlag nicht gut: „Nein, lieber nicht, das wird zu auffällig,<br />

außerdem wissen die Menschen nicht, worum es geht, nicht wahr,<br />

Adisa?“<br />

Adisa gab keinen Kommentar ab: „Ach, mir ist es egal, es soll nur nicht<br />

stinken!“<br />

Sie einigten sich und nahmen dann innen Platz, an einem Dreiertisch, dort<br />

hatten sie Ruhe.<br />

Als sie an ihrem Platz waren, machte Nic einen unnötigen Kommentar:<br />

„Endlich <strong>mal</strong> Ruhe und alleine sein!“<br />

In <strong>der</strong> Zwischenzeit ging Adisa etwas zum Trinken holen, sie tranken meistens<br />

Cola o<strong>der</strong> Sprite, aber auf gar keinen Fall Alkohol. Alle trafen sich<br />

an diesem Ort und hatten Spaß, lachten und amüsierten sich sehr toll. Sie<br />

konnten dort verschiedene Dinge unternehmen, die sehr viel Spaß machten,<br />

zum Beispiel Tischfußball, Billard, etwas trinken und vieles mehr. Meistens<br />

trafen sich die Freunde dort, dieser Ort war für jeden ein Treffpunkt. Doch<br />

Pelin, Nic und Adisa waren nicht dort, um sich zu amüsieren o<strong>der</strong> Spaß<br />

zu haben, son<strong>der</strong>n wegen etwas viel Wichtigerem, nämlich wegen Chiara,<br />

da sie verschwunden war und in Schwierigkeiten sein konnte.


34 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Nun las Pelin den beiden an<strong>der</strong>en, Adisa und Nic, vor, was in den Briefen<br />

stand. Die Briefe waren von einem Verehrer, sehr deutlich und zuerst liebevoll<br />

und nett. Doch nach und nach wurde seine Stimmung immer schlechter<br />

und sein Ton wurde vor allem rauer.<br />

Sie bekamen fürchterliche Angst um Chiara, machten sich über schlechte<br />

Dinge wie Tod, Vergewaltigung und Mord Gedanken. Der Verehrer stellte<br />

For<strong>der</strong>ungen an Chiara, er war sehr merkwürdig, so als hätte er den Wahn,<br />

er und Chiara seien zusammen.<br />

Nun hatte Pelin schon zwei bis drei Briefe gelesen. Es ging weiter. Adisa und<br />

Nic hörten Pelin weiterhin aufmerksam zu und überlegten sich dabei, was<br />

sie machen könnten, wie sie vorgehen sollten, wo sie zu suchen anfangen<br />

sollten.<br />

Anschließend las Pelin bereits weiter und weiter. In den nächsten Briefen<br />

wurde sein Ton schon, wie gesagt, rauer und ängstlicher. In den Briefen<br />

stand, wie sehr er Chiara liebte und wie er an nichts an<strong>der</strong>es als an sie denken<br />

konnte, dass er ohne Chiara nicht leben konnte, <strong>der</strong> einzige Weg für ihn<br />

wäre „sterben“!<br />

Der nächste Brief war vor allem sehr interessant, aber auch nachdenklich:<br />

Chiara mein Schatz, gib es zu, Du liebst mich auch. Ich liebe Dich, Chiara,<br />

ohne Dich ist mein Leben nutzlos und nichts wert. Ohne Dich hat sich mein<br />

Leben verän<strong>der</strong>t, mein Selbstbewusstsein, mein Vertrauen, alles. Ich wusste<br />

nicht <strong>mal</strong>, was ich tue. In den engen, schmutzigen, stinkenden Räumen konnte<br />

ich nur an dich denken. Ich war so einsam überall, keine Freunde, keine<br />

Familie, kein Job, kein Leben, gar nichts. Ich habe alles verloren, was ich habe,<br />

aber Dich will ich auf gar keinen Fall verlieren. Bitte komm zu mir und verlass<br />

mich nicht wie<strong>der</strong>. Du gehörst mir. Du darfst nicht jemand an<strong>der</strong>en lieben<br />

außer mich. Komm bitte zu mir, am kommenden Donnerstag um 15.00 Uhr,<br />

wo wir uns treffen, ist Dir bestimmt klar, immer am selben Ort. Bitte, Chiara!<br />

Falls Du nicht kommst, weiß ich, dass du mich nicht mehr liebst und mich<br />

vergessen hast. Ich werde länger auf Dich warten. Wenn Du immer noch nicht<br />

auftauchst, werde ich zu Dir kommen. Aber nicht, weil ich Dich sehen will,<br />

son<strong>der</strong>n um Dich zu töten. Ich werde als erstes Dich, dann mich selbst töten.<br />

Ohne Dich hat mein Leben kein Sinn. Also überlege es Dir ganz gut, ich verspreche<br />

Dir, Dir wird nichts passieren, wenn Du kommst. Aber wenn nicht,<br />

dann weißt Du schon, was Dir und mir passieren wird. Und das nur wegen<br />

Dir. Ich werde auf Dich warten.<br />

Yonca Özdemir: Kapitel 9 35<br />

Nachdem Pelin endlich diesen letzten, langen, erschrecklichen Brief fertig<br />

gelesen hatte, wurde es immer schlimmer mit <strong>der</strong> Sorge um Chiara. Am<br />

schlimmsten war es, dass sie nicht wussten, wo sie sich um 15.00 Uhr treffen<br />

wollten.<br />

Nic stand mit vollem Schwung vom Tisch auf, schrie durch den Raum<br />

und warf Stühle um. „Was ist das für eine Scheiße, was ist, wenn Chiara<br />

etwas passiert ist? Wenn ja, dann werde ich diesen Volltrottel selbst fertig<br />

machen!“<br />

Pelin und Adisa beruhigten Nic: „Hey Nic, wir werden sie unverletzt wie<strong>der</strong><br />

finden, keine Sorge, ihr wird nichts passieren, okay? Beruhige dich ein<br />

bisschen. Pelin und ich wissen genau, wie du gerade drauf bist, das bringt<br />

aber überhaupt nichts!“<br />

Adisa machte einen Vorschlag: „Nic, Pelin, wir wissen gar nichts jetzt, also<br />

lasst uns zur Polizei gehen und warten. Los!“<br />

Doch Nic wurde immer schlimmer und unberechenbarer, er würde jedem<br />

etwas antun. Sie gingen zur Polizei, um die Briefe abzugeben, damit <strong>der</strong><br />

Kommissar auch Bescheid wusste.


36 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Sofia Büch<br />

Kapitel 10<br />

Heute wachte Pelin schon sehr früh auf. Weil sie aber weiter schlafen wollte<br />

und die Sonne sie dabei störte, stand sie auf, zog die Vorhänge zu und legte<br />

sich schnell wie<strong>der</strong> hin. Sie konnte aber nicht mehr einschlafen. Ihr gingen<br />

viele Dinge durch den Kopf: das Verschwinden von Chiara und die seltsamen<br />

Briefe. Nach guten zehn Minuten stand sie dann aber doch auf und<br />

zog wie immer als erstes ihre Vorhänge auf, ging auf die Toilette, duschte<br />

und zog sich an. Eigentlich hätte sie ja sehr glücklich sein müssen, wenn da<br />

nur nicht dieses merkwürdige Gefühl in ihrem Bauch gewesen wäre, das ihr<br />

sagte, dass mit Chiaras Verschwinden und diesen seltsamen Briefen etwas<br />

ganz und gar nicht stimmte. Eigentlich wollte Pelin was für ihr Studium tun,<br />

aber nach dem Frühstück wurde ihre Unruhe so groß, dass sie beschloss,<br />

noch ein<strong>mal</strong> zur Polizei zu gehen, um den Beamten doch noch zu über-<br />

reden, sich mit dem Fall zu beschäftigen. Wenige Augenblicke später war sie<br />

schon unterwegs zur Bushaltestelle. Sie hatte aber, seit sie auf dem Weg zur<br />

Bushaltestelle war, so ein ungutes Gefühl im Bauch, dass sie irgend etwas<br />

vergessen hatte. Als <strong>der</strong> Bus dann herangefahren kam, wusste sie, was sie<br />

vergessen hatte – nämlich die Briefe. Schnell rannte sie noch ein<strong>mal</strong> zurück,<br />

um die Briefe zu holen.<br />

Nach zirka einer halben Stunde kam sie dann endlich an <strong>der</strong> Polizeiwache<br />

an. Sie sah den Polizisten Siegfried Lappen<strong>mal</strong>, mit dem sie schon das letzte<br />

Mal geredet hatte, und ging geradewegs auf ihn zu.<br />

„Hallo“, sagte Pelin, und <strong>der</strong> Beamte erwi<strong>der</strong>te: „Ach du schon wie<strong>der</strong>.“<br />

Der Beamte ließ sie mehr als deutlich spüren, dass er keine Notwendigkeit<br />

darin sah, eine Vermisstenanzeige zu Protokoll zu nehmen. Er wollte sie so<br />

schnell wie möglich wie<strong>der</strong> los werden.<br />

Er sagte: „Tut mir wirklich fürchterlich Leid, aber ich habe dir doch das<br />

letzte Mal schon gesagt, dass ich nichts für dich tun kann.“<br />

Doch dieses Mal blieb sie hart und wollte nicht so schnell aufgeben, sie<br />

wollte alles daran setzen, um sich durchzusetzen. Sie verlangte also darauf-<br />

Sofia Büch: Kapitel 10 37<br />

hin, mit einem an<strong>der</strong>en Beamten zu sprechen, weil sie hoffte, dass ein an<strong>der</strong>er<br />

Beamter sie verstehen und endlich ein Protokoll aufnehmen würde. Der<br />

Beamte war natürlich nicht so sehr begeistert davon und versuchte sie dazu<br />

zu bringen, erst ein<strong>mal</strong> ein paar Tage abzuwarten. Er meinte, dass sich die<br />

Angelegenheit von selber aufklären würde.<br />

Doch sie war an<strong>der</strong>er Meinung und sagte daraufhin schon fast schreiend:<br />

„Ich will jetzt nicht mehr mit einem an<strong>der</strong>en Beamten reden, son<strong>der</strong>n mit<br />

Ihrem Vorgesetzten, und ich werde mich dieses Mal nicht so einfach abwimmeln<br />

lassen!!!“<br />

Voller Zorn in sich riss sie ihre Tasche auf, nahm die Briefe und knallte sie<br />

dem Beamten auf den Tisch. Plötzlich ging die Türe auf und <strong>der</strong> Kommissar<br />

Ulf Giesenknecht kam herein.<br />

Er fragte: „Was ist hier los und warum ist es so laut…?“<br />

Und dann fing Pelin wie aus <strong>der</strong> Pistole geschossen an zu reden, vom<br />

Verschwinden von Chiara, von <strong>der</strong> Radtour und von dem heimlichen Verehrer,<br />

<strong>der</strong> die seltsamen Briefe schrieb. Sie erzählte, dass sie schon ein<strong>mal</strong> hier<br />

gewesen war, aber abgewimmelt wurde. Sie war schon ganz rot im Gesicht,<br />

weil sie zwischen den Wörtern kaum Luft holte, aber sie redete trotzdem<br />

weiter. Als <strong>der</strong> Beamte Siegfried Lappen<strong>mal</strong> sie dann beruhigt hatte und sie<br />

einen Schluck Wasser zu sich genommen hatte, war <strong>der</strong> Beamte endlich bereit,<br />

ein Vermisstenprotokoll aufzunehmen, aber er meinte das nicht wirklich<br />

ernst, er wollte bloß, dass Pelin endlich Ruhe gab.<br />

Sie schil<strong>der</strong>te genau ihre zuletzt mit Chiara verbrachten Stunden des Radausfluges,<br />

die eigenartigen Telefonanrufe mit diesen komischen Lauten,<br />

die nach Atmen klangen, und die sie alle in den letzten Tagen bekommen<br />

hatten. Sie erzählte alles, was ihr noch zu Chiaras Charakter einfiel, und<br />

dass es Chiara wegen ihrer Gewissenhaftigkeit nie<strong>mal</strong>s eingefallen wäre,<br />

einfach zu verschwinden, ohne vorher Bescheid zu geben.<br />

Die Briefe ließ sie, nachdem sie das Protokoll unterschrieben hatte, auf<br />

dem Polizeirevier. Der Beamte meinte, sie könnten noch wichtig für die Ermittlungen<br />

werden. Er versprach ihr, jetzt alles Notwendige zu veranlassen<br />

und verabschiedete sich nun sehr freundlich von Pelin. Pelin bedankte sich<br />

ebenfalls und entschuldigte sich dann noch für ihr Verhalten.<br />

Der Beamte sagte: „Ich verspreche dir außerdem, dich gleich zu informieren,<br />

wenn sich etwas Neues ergeben würde.“


38 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Er sagte das mit einem aufmunternden Lächeln. Pelin bedankte und entschuldigte<br />

sich noch ein<strong>mal</strong> und trat sehr nachdenklich, aber doch viel beruhigter<br />

als davor, den Heimweg an.<br />

Als sie dann zu Hause angekommen war, riss sie aus lauter Langweile den<br />

Kühlschrank auf und suchte, ob sie irgend etwas Süßes dahatte. Sie sah<br />

Milchschnitten und holte eine aus dem Kühlschrank raus. Sie biss ein Stück<br />

ab, aber irgendwie hatte sie keinen Hunger und keine Lust mehr darauf.<br />

Also ging sie wie<strong>der</strong> zum Kühlschrank und guckte, ob sie was An<strong>der</strong>es hatte.<br />

Weil sie nichts fand, schlug sie den Kühlschrank wie<strong>der</strong> zu und setzte<br />

sich an ihren Schreibtisch, um sich auf ihr Studium zu konzentrieren. Sie<br />

saß ungefähr zehn Minuten da, starrte in die Luft und dachte nach, ob es<br />

auch wirklich richtig gewesen war, zur Polizei zu gehen. Sie konnte sich im<br />

Moment nicht auf ihr Studium konzentrieren, darum beschloss sie, sich für<br />

eine halbe Stunde hinzulegen. Sie drehte sich jede Minute zwei<strong>mal</strong> um. Als<br />

sie dann <strong>mal</strong> unbewusst unter ihr Kopfkissen griff, fand sie ihr Tagebuch,<br />

und weil sie eh nicht einschlafen konnte, beschloss sie, ihre Erlebnisse von<br />

diesem Tag aufzuschreiben. Sie wurde dann aber doch noch sehr müde und<br />

legte sich dann doch hin. Sie schlief fünf Minuten, als das Telefon klingelte.<br />

Sie meldete sich: „Hallo!“<br />

Eine dunkle Männerstimme sagte darauf: „Hallo… Bin ich hier bei<br />

Maier?“<br />

„Nein“, sagte Pelin.<br />

„Ach so, dann entschuldigen Sie die Störung. Tschüss.“<br />

Und schon hatte er aufgelegt.<br />

Pelin ging es nicht beson<strong>der</strong>s gut. Sie machte sich sehr große Sorgen um<br />

Chiara. Es war mittlerweile schon 18 Uhr, und auch wenn sie sich dagegen<br />

wehrte, musste sie sich irgendwann <strong>mal</strong> um ihr Studium kümmern. Also<br />

setzte sie sich hin und las ihre Unterlagen zwei- o<strong>der</strong> drei<strong>mal</strong> durch, aber<br />

den Inhalt konnte sie nicht wie<strong>der</strong>geben. Sie war mit ihren Gedanken ganz<br />

woan<strong>der</strong>s.<br />

Einige Stunden später, so gegen 22 Uhr, legte sie sich dann völlig erschöpft<br />

von diesem Tag ins Bett und schlief sofort ein.<br />

Anna-Lena Fischer: Kapitel 11 39<br />

Liebes Tagebuch!<br />

Anna-Lena Fischer<br />

Kapitel 11<br />

Die letzten Tage waren anstrengend, es ist so viel passiert, vor allem mit Nic.<br />

Aber es ist besser, wenn ich erst <strong>mal</strong> von Pelin erzähle, ich mag sie am meisten<br />

von allen, sie ist die Einzige, die am ersten Tag zu mir gekommen ist,<br />

und wegen ihr kenne ich Nic. Schon am Anfang fand ich ihn süß, aber es gab<br />

nur ein Problem, und das gleich schon beim ersten Treffen – und das heißt<br />

Chiara. Zwischen Nic und ihr war <strong>mal</strong> was, ich weiß es, und da ist auch noch<br />

was – es wird auch immer irgendwas sein. Sie hat ein Problem damit, dass<br />

ich jetzt mit Nic zusammen bin. Aber ich habe sie schon lange nicht mehr<br />

gesehen, ich glaube, sie ist verschwunden, entführt o<strong>der</strong> umgezogen, ohne uns<br />

was zu sagen. Eigentlich sollte ich mich freuen, aber Nic macht sich die ganze<br />

Zeit Vorwürfe, er sei schuld, dabei ist das doch Blödsinn. Ich habe mir noch<br />

nie Vorwürfe gemacht, nur weil ich mit jemandem zusammen bin, aber jetzt<br />

mache ich sie mir. Ich glaube, Chiara ist wegen mir und Nic verschwunden,<br />

weil ich mit ihm zusammen bin. Ich weiß nicht, was mein Herz gerade für ein<br />

Problem hat. Einerseits bin ich froh, dass Chiara endlich weg ist und ich mir<br />

keine Sorgen mehr machen muss wegen Nic und ihr, aber an<strong>der</strong>erseits macht<br />

Nic sich Vorwürfe, weil Chiara verschwunden ist. Am liebsten würde ich jetzt<br />

einfach nur losschreien und weinen. Ich habe mich echt in Nic verliebt, und<br />

diese Chiara, die habe ich auch in mein Herz geschlossen.<br />

Ich frage morgen am besten gleich Nic, was <strong>mal</strong> zwischen den Beiden war<br />

o<strong>der</strong> ob da immer noch was ist. Ach, meine Gefühle spielen einfach nur noch<br />

verrückt!<br />

Was ist eigentlich mit Max? Er ist einer meiner besten Kumpels, und ich weiß<br />

immer noch nicht, was mit ihm genau los ist, aber ich freue mich so für ihn,<br />

dass er in ein paar Wochen seine Kochausbildung anfängt, dann ist er endlich<br />

nicht mehr so alleine, wie ich die ganze Zeit befürchtet habe.


40 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Und wie geht es eigentlich meiner Tante, von <strong>der</strong> hab ich auch schon lange<br />

nichts mehr gehört. Ich hoffe, die Herzoperation ist gut verlaufen. Seit ich hier<br />

in Stuttgart wohne, habe ich gar keine Zeit mehr für meine alten Freunde und<br />

für meine Familie. Und mit meiner Modelkarriere geht es auch gerade bergab.<br />

Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt sofort meine Tante im Kranhaus anrufe.<br />

Ich muss ja wissen, wie es ihr geht, aber ich muss auch Nic anrufen, am<br />

besten, ich erledige das alles morgen, es ist sowieso schon zu spät dafür.<br />

Ich hätte vielleicht gleich schon am Anfang alles an<strong>der</strong>s machen sollen. Ich<br />

hätte mich nie in Nic verlieben sollen, dann wäre Chiara vielleicht nicht<br />

verschwunden und ich müsste mir keine Sorgen darüber machen, dass ich<br />

daran schuld bin.<br />

Ich bin voller Liebe für Nic. Wenn das alles mit Chiara nicht wäre, würde<br />

unsere Liebe halten bis wir sterben, ich weiß es!<br />

Ich möchte wissen, was Nic gerade denkt, ob er sein Tagebuch voll schreibt,<br />

falls er eins hat, weil bei ihm grade so viel im Kopf herumschwirrt. Ob er mich<br />

genauso liebt wie ich ihn? O<strong>der</strong> nicht? Ob er Chiara genauso liebt wie mich?<br />

Ob er mich überhaupt noch liebt?<br />

Es gibt so viele Fragen, die ich beantwortet haben will, die ich aber nie beantwortet<br />

bekomme, o<strong>der</strong> doch?<br />

HILFE, in meinem Kopf ist ein großes Fragezeichen. Zum Beispiel: gestern<br />

wollte ich von Nic wissen, ob er mich liebt. Er antwortete leise und überhaupt<br />

nicht bei <strong>der</strong> Sache: „Ja natürlich, was fragst du?“<br />

So kann es nicht weiter gehen, es muss sich etwas än<strong>der</strong>n, ich weiß es. Und es<br />

muss bald geschehen, denn sonst werde ich noch verrückt und muss in eine<br />

Klapse.<br />

Haha, ich muss schon selbst über mich lachen, über meine Dummheit. Ich<br />

glaube, ich muss jetzt schlafen gehen und in <strong>der</strong> Nacht über alles nachdenken<br />

– über meine Zukunft und über meine Vergangenheit mit Nic und meiner<br />

Modelkarriere. Ich will wie<strong>der</strong> klein sein und bei meiner Mutter leben, in die<br />

Schule gehen und noch <strong>mal</strong> von vorne anfangen, aber das geht nicht mehr, es<br />

ist zu spät. Ich geh jetzt schlafen, <strong>mal</strong> sehn, was morgen passiert – also dann<br />

gute Nacht, bis morgen!<br />

Adisa<br />

Kim Zeger: Kapitel 12 41<br />

Kim Zeger<br />

Kapitel 12<br />

„Ding – dong“, läutete es an <strong>der</strong> Türe. Nic machte auf und sah Adisa und<br />

Pelin: „Hallo, schön, dass ihr da seid.“<br />

„Ja, da haben wir Glück gehabt, dass wir dem Regen gerade noch entkommen<br />

sind.“<br />

„Habt ihr einen Film dabei?“ fragte Nic.<br />

„Ja“, antwortete Adisa.<br />

„Welchen denn?“ fragte Nic neugierig.<br />

„Lass dich überraschen“, antwortete Pelin nur.<br />

„Hier riecht es aber gut“, meinte Adisa.“<br />

„Ich habe Popcorn gemacht, kommt doch rein“, sagte Nic.<br />

Sie machten es sich auf dem roten Sofa bequem. Nic legte die DVD ein. Sie<br />

konnten sich gar nicht richtig auf den Film konzentrieren. Obwohl er sie<br />

eigentlich von Chiara ablenken sollte, dachten sie alle an sie. Wie es ihr<br />

wohl geht, wo sie ist, was sie macht und ob sie überhaupt noch lebt. Diese<br />

Gedanken brachte Pelin den Tränen nahe.<br />

Plötzlich klingelte das Telefon. Nic ging in den Flur und hob den Hörer<br />

ab. Adisa und Pelin hörten nur, wie Nic immer wie<strong>der</strong> „Ja“, „Ach echt?“,<br />

„Wirklich? “ und „…“ sagte. Nach zehn Minuten kam er wie<strong>der</strong> ins Wohnzimmer<br />

und berichtete: „Es war jemand von <strong>der</strong> Polizei, denn…“<br />

„Was wollte er?“ fiel Pelin ihm ins Wort. „Hat er etwas über Chiaras heimlichen<br />

Verehrer herausgefunden?“<br />

„Und ob“, antwortete Nic. „Er ist wegen Körperverletzung und Vergewaltigung<br />

vorbestraft.“<br />

„Das ist ja schrecklich“, warf Adisa erschrocken ein.<br />

„Außerdem hat er noch gesagt, dass Adisa und ich auch eine Aussage<br />

machen müssen und deshalb morgen um halb zehn am Polizeirevier sein<br />

sollen“, sagte Nic.


42 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Sie schauten den Film noch gelangweilt zu Ende, danach, es war 22 Uhr,<br />

gingen Pelin und Adisa nach Hause. Es war schon dunkel. Deshalb riefen sie<br />

gemeinsam ein Taxi, denn Adisa wohnte nicht weit von Pelin entfernt – nur<br />

zwei Straßen weiter.<br />

Adisa und Nic trafen sich am nächsten Morgen um kurz vor halb zehn am<br />

Polizeirevier. Dort kam ihnen ein freundlicher Mann mit Schnauzbart entgegen.<br />

„Guten Morgen“, sagte dieser und führte Adisa und Nic in einen Raum mit<br />

mehreren Schreibtischen. Dort setzte er sich an seinen Schreibtisch, auf dem<br />

ein Computer stand. Adisa und Nic setzten sich. Neben ihnen am Schreibtisch<br />

saßen ein Polizist und ein Mann. Der Mann kam ihnen bekannt vor.<br />

„Das ist doch <strong>der</strong> Verehrer von Chiara“, entfuhr es Adisa.<br />

„Sie meinen wohl den Herrn Dragoslav Senti“, ergänzte <strong>der</strong> Polizist.<br />

Dragoslav stand auf und ging.<br />

„Aber – aber…“, stotterte Nic, „wieso darf <strong>der</strong> gehen?“<br />

„Wir haben zu wenig Beweise“, antwortete <strong>der</strong> Polizist, <strong>der</strong> am Schreibtisch<br />

nebenan saß.<br />

„Und was ist mit den Briefen?“ fragte Adisa.<br />

„Das reicht nicht“, antwortete er knapp.<br />

„So, erst<strong>mal</strong> muss ich euch nach euren Personalien fragen“, sagte <strong>der</strong> Polizist<br />

mit dem Schnauzbart.<br />

Als dies erledigt war, berichteten sie, was sie alles über Chiaras Verschwinden<br />

wussten. Adisa erzählt aber nicht, dass sie das Gefühl hatte, dass Nic<br />

sie für das Verschwinden von Chiara verantwortlich machte. Der Polizist<br />

schrieb alles mit und stellte ihnen manch<strong>mal</strong> Fragen.<br />

Nach einer Stunde standen sie wie<strong>der</strong> draußen. Sie liefen zur Straßenbahn,<br />

um zu Pelin zu fahren. Nach fünf Minuten kam die Straßenbahn. Sie stiegen<br />

ein und setzten sich hin. Sie schwiegen. Sie dachten ständig über Chiara<br />

nach.<br />

Adisa machte sich Vorwürfe: „Wenn ich nicht ständig etwas mit Nic gemacht<br />

hätte, wäre Chiara vielleicht noch da.“<br />

„Ich fühle mich so schlecht“, sagte Adisa zu Nic.<br />

„Ich auch“, gab er zurück. „Ich vermisse sie so sehr. Hoffentlich geht es ihr<br />

gut.“ Fast flüsternd fügte er hinzu: „Falls sie noch lebt!“<br />

Kim Zeger: Kapitel 12 43<br />

„Endhaltestelle Vogelsang, bitte alles aussteigen, dieser Zug endet hier“, ertönte<br />

eine Stimme aus dem Lautsprecher. Sie stiegen aus und liefen zu Pelin.<br />

Dort wollten sie überlegen, wie sie Chiara helfen konnten.<br />

Jetzt waren es nur noch wenige Meter, bis sie da waren. Nic drückte auf den<br />

Klingelknopf.<br />

Plötzlich ertönte eine Stimme: „Hallo?“ Es war die Stimme von Pelin.<br />

„Wir sind es, Nic und Adisa“, sagte Adisa.<br />

Die Tür öffnete sich und sie gingen rein. Dort merkten sie, dass <strong>der</strong> Aufzug<br />

kaputt war, so mussten sie bis in den vierten Stock laufen. Nic fluchte,<br />

denn er hasste es, so viele Treppen zu steigen. An <strong>der</strong> Türe empfing Pelin<br />

sie schon.<br />

„Kommt herein“, sagte sie.<br />

Sie gingen hinein und machten es sich bequem. Im selben Moment verließ<br />

die Mitbewohnerin von Pelin die Wohnung, ohne „Hallo“ o<strong>der</strong> „Tschüss“<br />

zu sagen.<br />

„Wie hältst du es nur mit ihr zusammen in einer Wohnung aus?“ fragte<br />

Nic.<br />

„Gewöhnungssache“ , sagte Pelin.


44 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Christian Münzer<br />

Kapitel 13<br />

Am nächsten Tag gingen Pelin, Nic und Adisa nach <strong>der</strong> Mensa in ein Café,<br />

um zu beraten, was sie jetzt tun sollten. Sie tranken etwas und sprachen über<br />

den Verehrer. Pelin machte den Vorschlag, dass sie den Verehrer beschatten<br />

sollten. Doch Adisa gefiel diese Vorstellung überhaupt nicht. Deshalb kam<br />

es zu einem Streit zwischen Adisa und Nic.<br />

Nic sagte: „Wenn die Polizei schon nichts macht, dann müssen wir was<br />

unternehmen.“<br />

Adisa sagte: „Aber das ist viel zu gefährlich, ihr habt doch gehört, <strong>der</strong> Mann<br />

ist vorbestraft – wegen Körperverletzung!“<br />

Zwei Stunden dauerte das Gespräch. Dann standen sie auf und verabschiedeten<br />

sich. Pelin ging in die eine Richtung davon, Nic und Adisa in die<br />

an<strong>der</strong>e.<br />

Mario Conticello: Kapitel 14 45<br />

Liebes Tagebuch!<br />

Mario Conticello<br />

Kapitel 14<br />

Heute war ein schöner Tag, abgesehen davon, dass Nic immer zurückweisen<strong>der</strong><br />

zu mir wird. Zum Beispiel: er redet und trifft sich nicht mehr so oft mit<br />

mir, und anrufen tut er schon gar nicht. Vor zwei Tagen wollte ich mit ihm<br />

ins Kino gehen. Als ich vor dem Kino stand, war er nicht da. Ich fühlte mich<br />

verarscht, denn es kamen so viele Frauen mit ihren Freunden, und ich wartete<br />

zwei Stunden vor dem Kino. Mich haben alle schon schief angeguckt und über<br />

mich gelästert, kalt war es dazu auch noch. Also habe ich versucht, ihn auf<br />

seinem Handy anzurufen, aber da ging nur die Mailbox ran. Dann habe ich<br />

es bei ihm zuhause versucht, aber da ging auch niemand ran, also habe ich<br />

ihm eine SMS geschrieben, dass er mich anrufen soll, aber das hat er bis heute<br />

noch nicht gemacht. Gestern habe ich es auch schon fünf <strong>mal</strong> versucht und<br />

keiner ist rangegangen.<br />

Heute habe ich ihn erreicht und habe ihn zur Rede gestellt, warum er das<br />

Treffen im Kino nicht absagt, wenn er nicht kommen will. Dann fragte ich<br />

ihn, warum er sich nicht meldet, da antwortete er: Ich habe dich nicht erreicht.<br />

Ich antwortete, dass es nicht sein kann, dass ich ihn ständig angerufen<br />

habe und dass ich mich total schlecht gefühlt habe, und warum er nicht auf<br />

die SMS antwortete. Er sagte einfach, er hätte keine Zeit gehabt – und dann<br />

versuchte er vom Thema abzuweichen und fing wie<strong>der</strong> damit an, dass wir den<br />

Verehrer beschatten sollen, aber ich finde immer noch, dass es eine schlechte<br />

Idee ist, denn er wurde ja schon wegen Körperverletzung und Vergewaltigung<br />

vorgestraft. Und wer weiß, was er mit uns macht, wenn er sieht, dass wir ihn<br />

beschatten. Das habe ich ihm auch gesagt, und dass wir abwarten sollen.


46 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Offensichtlich ist Chiara nicht wegen Nic und mir weggelaufen, aber ich<br />

glaube, er empfindet doch noch etwas für sie. In dem Fall ist es gut, dass sie<br />

entführt worden ist, denn dann kann er sie besser vergessen und kann sich<br />

ganz auf mich konzentrieren und mich nicht vor dem Kino stehen lassen. Er<br />

könnte ja sagen, dass er keine Lust hat, dann wäre es auch kein Thema gewesen,<br />

aber er meldet sich auch nicht mehr. Na ja, ich will jetzt abwarten und<br />

sehen, wie es sich alles entwickelt, aber ich hoffe, dass sich alles zum Guten<br />

entwickelt.<br />

Adisa<br />

Vanessa Boutzikoudi: Kapitel 15 47<br />

Vanessa Boutzikoudi<br />

Kapitel 15<br />

Nachdem Nic und Pelin seit ganzen 6 Stunden im Gebüsch vor <strong>der</strong> Wohnung<br />

des Verehrers gesessen und durch die Fenster geschaut hatten, war<br />

immer noch nichts passiert. „Nichts, einfach nichts. Der Kerl muss doch <strong>mal</strong><br />

aus dem Haus gehen!“ sagte Pelin mit einem Seufzer, um die ewige Stille zu<br />

durchbrechen.<br />

„Du hast Recht, Pelin“, stimmte Nic ihr zu. „Der sitzt jetzt schon seit Stunden<br />

auf <strong>der</strong> Couch, schaut in seine blöde Kiste und läuft höchstens <strong>mal</strong> zum<br />

Kühlschrank, um sich ein Bier zu holen. Mich wun<strong>der</strong>t es, dass er noch nicht<br />

auf die Toilette musste, bei all dem, was er getrunken hat.“ Ein Schmunzeln<br />

war auf Nic seinem Gesicht zu erkennen, als er das sagte. Das war <strong>der</strong> erste<br />

Ansatz eines Lächelns seit Tagen. Seine Sorgen über Chiaras Verschwinden<br />

haben ihm jegliche Freude genommen. Gerade als er dachte, glücklich zu<br />

sein, weil er Adisa gefunden hat, passiert so etwas, und bringt wie<strong>der</strong> völliges<br />

Chaos in seine Gefühlswelt. Nic, <strong>der</strong> in seinen Gedanken versunken<br />

war, wurde von Pelin unterbrochen. „Ich denke, dass wir momentan nicht<br />

mehr herausfinden können“, sagte Pelin, während sie ein gelangweilter Seufzer<br />

überkam. „Das denke ich auch. Ich habe einen riesigen Hunger, und auf<br />

die Toilette muss ich auch.“<br />

Inzwischen war es schon spät geworden, und die beiden hatten es schon fast<br />

aufgegeben, als sich im Haus plötzlich etwas regte. Sie sahen, wie <strong>der</strong> Mann,<br />

<strong>der</strong> zu faul schien auf die Toilette zu gehen, sich mit einem Ruck von <strong>der</strong><br />

Couch bewegte und in Richtung Flur marschierte. Pelin und Nic hielten den<br />

Atem vor Spannung an. Sie trauten sich kaum zu blinzeln, und warteten<br />

gespannt darauf, was sich wohl ereignen würde.<br />

„Ich kann nichts sehen, ich kann nichts sehen!“<br />

„Nicht so laut, Nic! Das Fenster ist offen, nicht dass er uns noch hört.“<br />

Während Pelin sprach, zog sie Nic wie<strong>der</strong> runter ins Gebüsch. Vor lauter<br />

Panik war er aufgesprungen und hätte sie somit fast verraten. Kaum hatte


48 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Pelin zu Ende gesprochen, sahen sie den Mann wie<strong>der</strong>. Er kam ins Wohnzimmer<br />

zurück, mit einem Paar alter, ausgetretener Sportschuhe und einer<br />

braunen Le<strong>der</strong>jacke in <strong>der</strong> Hand. Kaum hatte er seine Schuhe angezogen,<br />

sprang er wie<strong>der</strong> auf und marschierte Richtung Haustür.<br />

„Hey, wo will <strong>der</strong> denn hin um diese Zeit?“ sagte Nic, während er schon<br />

wie<strong>der</strong> am Aufspringen war. „Jetzt warte doch! Mal schauen, in welche<br />

Richtung er läuft. Zudem: meinst du wirklich, dass wir ihm hinterher gehen<br />

sollten?“<br />

„Nein, wir gehen ihm nicht hinterher. Wir werden ihm einen Besuch abstatten.“<br />

„Einen Besuch abstatten? Wie meinst du das? Du denkst doch nicht wirklich<br />

daran, bei ihm einzubrechen?“<br />

„Nicht ich, son<strong>der</strong>n wir. Du wirst mich doch nicht im Stich lassen, Pelin?<br />

Alleine kann ich das nicht.“<br />

„Ich kann das nicht, Nic. – Oh, sieh nur, er verlässt das Haus.“<br />

Der Mann kam für einen Moment ins Wohnzimmer zurück, um das Fenster<br />

zu schließen. Dann verließ er das Haus und verschwand hinter <strong>der</strong> nächsten<br />

Abbiegung.<br />

„Also das mit dem hinterherlaufen hat sich ja dann wohl erledigt, Pelin.<br />

Dem kommen wir nicht mehr nach, so schnell wie <strong>der</strong> verschwunden ist.<br />

Man könnte meinen, es ist etwas passiert. Hast du gesehen, wie bleich er im<br />

Gesicht war? Da stimmt doch etwas nicht.“<br />

„Das stimmt, er sah wirklich etwas mitgenommen aus. Aber von deiner Idee<br />

bei ihm einzubrechen, bin ich immer noch nicht begeistert. Vor allem, wie<br />

stellst du dir das vor? Das Fenster ist geschlossen, ich sehe keine Möglichkeit,<br />

ins Haus einzusteigen.“<br />

„Ja, <strong>der</strong> alte Idiot hat tatsächlich noch daran gedacht, das Fenster zu schließen.<br />

Ich habe wirklich geglaubt, er würde es vergessen. Doch ich bin mir<br />

sicher, dass wir Chiara hier finden werden. O<strong>der</strong> zumindest einen Hinweis<br />

darauf, wo er sie versteckt hält.“<br />

„Warum sind wir ihm dann nicht hinterher? Wenn er Chiara bei sich im<br />

Haus versteckt halten würde, wäre er doch sicher <strong>mal</strong> in den Raum gegangen,<br />

in dem er sie gefangen hält. Meinst du nicht auch? Stattdessen saß er die<br />

ganze Zeit auf dem Sofa rum.“<br />

„Da hast du schon Recht. So habe ich das Ganze noch gar nicht gesehen.<br />

Vielleicht hätten wir ihm doch nachlaufen sollen. So ein Mist. Was sollen<br />

Vanessa Boutzikoudi: Kapitel 15 49<br />

wir tun? Was sollen wir tun?“ Ein weiterer Panikanfall wurde in seinem<br />

Gesicht erkennbar.<br />

„Bitte Nic, bleib ruhig. Panik hilft uns jetzt auch nicht weiter.“<br />

Nun saßen sie da. Still schweigend, die Minuten vergingen. Der Himmel<br />

verdunkelte sich immer mehr und Pelin spürte allmählich, wie die Kälte<br />

sie beide einhüllte. „Was sollen wir denn jetzt machen? Nic? Hörst du mir<br />

überhaupt zu?“<br />

„Eh, ja, natürlich höre ich dir zu. Aber ich weiß auch nicht weiter. Außer….“<br />

„Nic, ich weiß nicht. Was ist, wenn er zurückkommt?“<br />

„Dann müssen wir das eben geschickt anstellen. Wir finden einen Weg ins<br />

Haus zu kommen, und du wartest dann draußen, damit du mich warnen<br />

kannst, falls er wie<strong>der</strong> um die Ecke kommt. Solange werde ich versuchen, einen<br />

Hinweis zu finden, wo er Chiara versteckt haben könnte. Pelin, bitte!“<br />

Nic sah verzweifelt aus. Wie ein kleines Welpen, dem man seine Mami<br />

genommen hat.<br />

„Dir scheint ja wirklich viel daran zu liegen. Versteh mich nicht falsch,<br />

seitdem Chiara verschwunden ist, bekomme ich nachts kaum ein Auge zu,<br />

aber dir scheint es doch näher zu gehen, als ich erwartet hatte.“<br />

Erschrocken sah er sie an. Er fühlte sich, als würde sie es von seiner Stirn<br />

ablesen. Nic verstand nicht, wie sie etwas ahnen konnte, schließlich war er<br />

mit Chiara genauso befreundet wie Pelin. „Ja also….Ich….und Chiara….“<br />

„Hör auf, so zu stottern! Also ich bin doch nicht auf den Kopf gefallen.<br />

Du hast gemerkt, dass du doch in Chiara verliebt bist.“<br />

„Ja, du hast Recht. Anfangs war ich mir nicht sicher, vor allem wegen Adisa.<br />

Wir haben uns doch gerade erst etwas besser kennen gelernt, und ich war<br />

mir so sicher, dass sie die Richtige ist. Aber seitdem Chiara verschwunden<br />

ist, fühle ich mich, als hätte mir jemand ein Messer ins Herz gestochen und<br />

es dort stecken lassen. Ich kann an nichts an<strong>der</strong>es mehr denken, und <strong>der</strong> Gedanke,<br />

dass ihr etwas Schlimmes zugestoßen sein könnte, macht mir solche<br />

Angst. Wir müssen sie einfach finden, und dann werde ich sie nie wie<strong>der</strong> aus<br />

den Augen lassen. Ich liebe sie, ja ich liebe sie!“<br />

Pelin war hin und weg von Nics Liebeserklärung, jedoch überkam sie eine<br />

unglaubliche Traurigkeit bei dem Gedanken, Chiara könnte nie<strong>mal</strong>s erfahren,<br />

was Nic ihr gerade mit so schönen Worten beschrieben hatte. „Ach<br />

Nic, wir werden sie finden. Ich bin mir sicher, dass alles wie<strong>der</strong> gut wird.<br />

Aber was ist mit Adisa?“


50 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

„Ich werde es ihr erklären müssen. Es tut mir auch sehr Leid wegen ihr, das<br />

Letzte was ich will ist, sie zu verletzen. Aber ich kann meine Gefühle einfach<br />

nicht verdrängen, und ich will Adisa auch nichts vormachen.“<br />

„Das kann ich verstehen. Ich finde auch gut, dass du vor hast, ehrlich mit<br />

Adisa zu reden. Aber wir müssen jetzt erst ein<strong>mal</strong> Chiara finden. Also lass<br />

uns schauen, wie wir am besten ins Haus kommen.“<br />

„Danke Pelin! Ich weiß das zu schätzen.“<br />

„Jetzt mach <strong>mal</strong> nicht so, schließlich ist Chiara auch meine Freundin.“ Sie<br />

lächelten sich an, und ohne weiter zu sprechen fingen sie an, um das Haus<br />

zu laufen, um ein offenes Fenster o<strong>der</strong> eine an<strong>der</strong>e Einstiegsmöglichkeit zu<br />

finden. Jedoch erfolglos, denn alle Fenster, die sie entdeckten, waren verschlossen.<br />

„Sieh <strong>mal</strong>, da ist eine Verandatür. Los Pelin, wir schauen uns das <strong>mal</strong> näher<br />

an.“<br />

„Schnell, nicht dass er wie<strong>der</strong> kommt.“<br />

Nic nahm die Verandatür genauer unter die Lupe, fand jedoch keine Möglichkeit,<br />

sie zu öffnen, ohne Spuren eines Einbruchs zu hinterlassen. Je aussichtsloser<br />

ihre Situation wurde, desto hektischer wurde Nic. Schließlich sah<br />

er einen großen Ast, <strong>der</strong> in ihrer Nähe lag und marschierte direkt darauf<br />

zu. „Nic, was hast du vor? Du willst doch nicht die Scheibe einschlagen?<br />

Ich wäre ja damit einverstanden gewesen in ein offenes Fenster zu klettern,<br />

aber dazu auch noch Sachbeschädigung. Das ist wirklich zuviel!“<br />

Doch Nic nahm sie nicht mehr wahr. Er packte den Ast und lief wie<strong>der</strong> zurück<br />

zu <strong>der</strong> Verandatür. Angekommen, holte er weit aus, bereit die Scheibe<br />

einzuschlagen, doch mit einem Ruck von Pelin wurde er von seinem Vor-<br />

haben abgebracht.<br />

„Er kommt, er kommt. Schnell, wir müssen verschwinden. Nic, lass uns<br />

abhauen.“<br />

Nic ließ den Ast gerade noch rechtzeitig fallen, und die beiden rannten, als<br />

ginge es um ihr Leben, um das Haus herum und in das Gebüsch, in dem<br />

sie sich zuvor versteckt hatten. Keuchend und mit rot angelaufenen Köpfen<br />

krümmten sie sich auf dem Boden. „Das war knapp. Wie bist du nur auf<br />

diese unsinnige Idee mit dem Ast gekommen?“<br />

„Das war wirklich knapp, sehr knapp. Aber ich sah keinen an<strong>der</strong>en Weg, in<br />

das Haus zu kommen. Jetzt ist es zu spät, alles vorbei. Ist <strong>der</strong> Kerl eigentlich<br />

wie<strong>der</strong> im Haus?“<br />

Vanessa Boutzikoudi: Kapitel 15 51<br />

Beide spähten über das Gebüsch in das Fenster hinein, in das sie schon den<br />

ganzen Tag gestarrt hatten. „Das gibt es doch nicht. Schau dir den an, kaum<br />

ist er zu Hause, schon sitzt er wie<strong>der</strong> auf seiner Couch.“<br />

„Der hat Nerven.“<br />

Fassungslos über das Geschehene, blieben sie noch eine Weile sitzen und<br />

beobachteten ihn weiter durch das Fenster. Jedoch merkten beide, wie erschöpft<br />

sie waren und beschlossen, es für diesen Tag aufzugeben, mit dem<br />

sicheren Gefühl, nicht das letzte Mal dort gewesen zu sein.


52 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Ali-Ke<strong>mal</strong> Özkul<br />

Kapitel 16<br />

Nic kam nach einem anstrengenden und regnerischen Tag nach Hause und<br />

war sehr müde. Es war schon 22.00 Uhr. Aber bevor er ins Bett ging, ging<br />

er noch duschen, denn er roch nicht gut. Kein Wun<strong>der</strong>, denn er hatte den<br />

ganzen Tag sehr geschwitzt. Er war Nachmittags beim Überqueren des<br />

Marktplatzes am Obststand zufällig Dragoslav Senti begegnet. Diese Gelegenheit<br />

nahm er natürlich sofort wahr, doch nach einigen Stunden bemerkte<br />

er, dass sein Beschatten ihn nicht weiterbringen würde und gab auf. Nach<br />

dem Duschen zog er noch kurz seinen Schlafanzug an. Er legte sich in sein<br />

gemütliches Bett und zog die Decke über sich, denn es was sehr kalt. Aber<br />

Nic konnte nicht schlafen, vielleicht wegen seiner Uhr an <strong>der</strong> Wand, denn er<br />

hörte nur noch „Tick Tack Tick Tack“ – o<strong>der</strong> es war wegen Chiara. Er konnte<br />

nur an sie denken, er hatte Angst, dass ihr was zugestoßen war und dass er<br />

sie nie wie<strong>der</strong> sehen würde.<br />

Er merkte erst jetzt, wie sie ihm fehlte. Er ging in die Küche, wo es sehr<br />

schmutzig war und wo noch die Essensreste von gestern herumlagen, weil<br />

er nie dazu kam, die Küche zu säubern, und weil er ein bisschen faul war. Er<br />

nahm ein Glas und eine Flasche Wein und ging ins Wohnzimmer. In dem<br />

Moment klingelte sein Haustelefon. Er hörte nur Atmen, sonst nichts. Er<br />

fragte, wer dran war, aber keiner antwortete. Er legte das Haustelefon auf.<br />

Er machte den Fernseher an, setzte sich auf sein gemütliches Sofa, füllte das<br />

Glas mit Wein, nahm ein paar Schlucke und sah in den Fernseher, aber es<br />

lief nichts Gutes. Er durchsuchte alle Kanäle, aber fand immer noch nichts<br />

Gutes, also schaltete er den Fernseher wie<strong>der</strong> aus. Er füllte sein zweites Glas<br />

und dachte dabei an die alten schönen Zeiten mit Chiara. Wie sie immer<br />

zusammen gelacht hatten und dass sie sich <strong>mal</strong> Nachts im Wald verlaufen<br />

hatten, als sie campen wollten, und dass Nic den falschen Weg nach Hause<br />

ging, obwohl Chiara ihm gesagt hatte: „Wir gehen in die falsche Richtung.“<br />

Aber Nic hatte nicht zugehört. Sie fanden den Weg erst nach einigen Stunden,<br />

als Nic dann endlich auf Chiara hörte. Danach lud Chiara Nic auf einen<br />

Kaffee ein.<br />

Ali-Ke<strong>mal</strong> Özkul: Kapitel 16 53<br />

O<strong>der</strong> es fiel ihm noch ein, wie sie beim Fahrrad fahren alle einen Platten am<br />

Rad gehabt hatten und zu Fuß nach Hause mussten.<br />

Chiara fehlte ihm sehr, er merkte jetzt, wie er Chiara liebte. Er beschuldigte<br />

sich selbst, dass Chiara weg war und weil er früher hätte merken müssen,<br />

dass Chiara ihn liebte. Dann wäre sie jetzt nicht weg und das alles wäre<br />

überhaupt nicht passieren.<br />

Er ballte die Hände so sehr, dass er das Glas in seiner Hand zerdrückte. Die<br />

Scherben lagen alle auf dem Boden und er stand nicht auf, um die Scherben<br />

zu putzen. Seine Hand blutete. Er machte nur ein Tuch um seine Hand und<br />

spannte sich stark an, dass man seine A<strong>der</strong>n sehen konnte. Langsam ließ er<br />

locker, und dann begannen Tränen aus seinen Augen zu fließen, er schwor<br />

sich: Wenn er Chiara wie<strong>der</strong> finden würde, dann würde er sie nie wie<strong>der</strong><br />

allein lassen und alles würde schöner werden. Er ging in die Küche, um eine<br />

zweite Flasche zu holen, dann setzte er sich wie<strong>der</strong> auf das Sofa.<br />

Plötzlich war es hell und die Sonne schien in seine Wohnung rein. Er war<br />

wohl auf dem Sofa eingeschlafen. Er schaute auf die Uhr und sah, dass es<br />

schon 10.00 Uhr war. Er zog sich um, machte noch Frühstück und rief Pelin<br />

an, um sich mit ihr zu treffen. Pelin sagte, dass er zu ihr kommen sollte und<br />

dass er in einer Stunde bei ihr zuhause sein soll. Nic ging nach 45 Minuten<br />

los. Unterwegs bildete er sich ein, Chiaras Stimme zu hören. Dann war er da<br />

und klingelte. Pelin machte die Tür auf.


54 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Martina Tomašić<br />

Kapitel 17<br />

„Hallo“, begrüßte Pelin Nic.<br />

Sie trafen sich, um für die bevorstehende Klausur zu lernen.<br />

Nach fünf Minuten sagte Pelin: „Ich kann nicht mehr, mir raucht schon jetzt<br />

<strong>der</strong> Kopf.“<br />

„Da bist du nicht allein“, antwortete Nic darauf.<br />

„Willst du was essen?“ fragte Pelin.<br />

„Was zu essen“, erwi<strong>der</strong>te Nic mit nickendem Kopf.<br />

„Was denn? Nudeln, Pizza o<strong>der</strong> was vom Chinesen?“<br />

„Ehmm… alles ist gut, ich entscheide mich für eine Pizza mit Peperoni, mit<br />

Pilzen und Salami“, entschloss sich Nic.<br />

„Okay“, sagte Pelin und tippte die Nummer ins Telefon. Als sie gerade den<br />

Knopf zum Anrufen drücken wollte, klingelte das Telefon in ihrer Hand. Sie<br />

erschrak leicht.<br />

„Meine Güte, wer ist das denn schon wie<strong>der</strong>“, klagte sie und schaute auf das<br />

Display vom Telefon: keine Anrufinfo. Den Hörer nahm sie aber trotzdem<br />

ab.<br />

„Hallo, wer ist da?“<br />

Keine Antwort.<br />

„Hallo?!“ Pelin wurde langsam unruhig. „Hallo!?“<br />

Ein tiefes Ein- und Ausatmen war zu hören. Nun war auch eine Stimme zu<br />

hören: sie war tief und ranzig.<br />

„Hallo, wer ist da?! Hier ist Uschi Bauer.“<br />

Pelin fiel ein Stein vom Herzen. Es war Nics Mutter, die eine Raucherlunge<br />

hatte.<br />

„Ach Sie sind es“, sagte Pelin.<br />

„Könnte ich bitte Nic haben, ich möchte ihn was fragen. Ich habe ihn zuhause<br />

angerufen und niemand war da, und da habe ich gedacht, dass mein Bubi<br />

bei dir ist“, sagte Uschi Bauer.<br />

„Ja, einen Moment bitte. Nic, es ist deine Mutter, du Muttersöhnchen“,<br />

sagte Pelin.<br />

Martina Tomašić: Kapitel 17 55<br />

Er schaute sie drohend an, dann nahm er das Telefon und fragte genervt:<br />

„Ja Mama, was ist denn schon wie<strong>der</strong>?“<br />

„Kommst du am Sonntag zu Besuch, dein Vater und ich würden uns<br />

freuen.“<br />

„Ja, okay, ist noch was!?“ fragte er genervt.<br />

„Nein, mein Pupsi, und bleib brav. Tschüss, bis dann“, sagte Uschi. Sie legte<br />

den Hörer auf, bevor Nic noch Tschüss sagen konnte.<br />

„Und was ist, Pupsi“, sagte Pelin als Scherz.<br />

„Es ist jetzt schon spät, ich geh nach Hause“, sagte Nic.<br />

Ihm ist es jetzt bestimmt peinlich, dachte Pelin. Pelin verabschiedete sich<br />

von Nic und er ging zur Tür hinaus.<br />

Mit müden Augen schlen<strong>der</strong>te sie in ihr Wohnzimmer, nahm die Fernbedienung<br />

für den Fernseher, legte sich auf ihr Sofa und machte den Fernseher an.<br />

Sie zappte in allen Kanälen herum. Das alles wurde ihr aber zu lächerlich,<br />

also machte sie die Kiste aus.<br />

„Meine Güte, gibt es denn nirgends einen gescheiten Film o<strong>der</strong> eine Serie, in<br />

<strong>der</strong> nicht geballert wird“, klagte sie.<br />

„Aber es ist schon spät“, sagte Pelin zu sich selbst, ging ins Bad, putzte ihre<br />

Zähne, wusch ihr Gesicht und zog ihren Pyjama an. Ging in ihr Zimmer<br />

und kuschelte sich in ihr Bett. Sofort schlief sie ein, weil sie so erschöpft<br />

war.<br />

„Riiiiinnnnnng“, klingelte plötzlich das Telefon.<br />

Pelin wurde aus dem Tiefschlaf gerissen. Müde richtete sie sich auf, machte<br />

die Nachttischlampe an und nahm das Telefon.<br />

„Meine Güte, wer ruft denn jetzt so spät an?“ meckert sie und nahm den<br />

Hörer ab.<br />

„Hallo, wer ist da“, sagte sie noch im Halbschlaf.<br />

Keine Antwort.<br />

„Hallo, sagen Sie mir doch Ihren Namen. Ist das denn so schwer!?“<br />

Auf ihre Frage bekam sie keine Antwort. Nur ein tiefes, verruchtes Atmen.<br />

„Hallo, wer sind Sie. Erst wecken Sie mich um zwei Uhr Morgens auf, dann<br />

wollen Sie mir nicht Ihren Namen sagen, und jetzt machen Sie mir noch<br />

Angst.“<br />

Sie bekam keine Antwort.<br />

„Hören Sie, ich rufe die Polizei“, drohte Pelin <strong>der</strong> unbekannten Person.<br />

Auch das schreckte den Unbekannten nicht ab.


56 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

„Hallo?!“<br />

Sie legte dann den Hörer auf und legte sich ins Bett. Kaum hatte sie ihre<br />

Augen zu gemacht, klingelte das Telefon wie<strong>der</strong>. Genervt richtete sie sich<br />

wie<strong>der</strong> auf, nahm das Telefon, drückte den Knopf zum Abnehmen und meldete<br />

sich.<br />

„Hallo, wenn Sie es wie<strong>der</strong> sind, <strong>der</strong> von vorhin dann, dann… weiß ich auch<br />

nicht.“ Keine Antwort. „Hallo, hören Sie auf, mich zu terrorisieren.“<br />

Total verzweifelt wusste sie nicht, was sie machen sollte. Da fiel ihr ein, dass<br />

sie in <strong>der</strong> Schublade ihres Nachttisches eine Trillerpfeife hatte. Sie nahm die<br />

Pfeife raus und pfiff genau in den Hörer des Telefons. Danach hörte man nur<br />

noch ein Tuutt. Sie legte sich in ihr Bett, das nicht mehr so kuschelig war.<br />

Die ganze Nacht schlief sie nicht. Kurz vor fünf Uhr schlief sie dann ein,<br />

aber nicht für lange, denn das Telefon klingelte wie<strong>der</strong>. Pelin erschrak im<br />

Schlaf und wusste nicht, wo sie sich gerade befand.<br />

Das Telefon klingelte weiter. Sie stand auf und suchte mit verschlafenen<br />

Augen das verflixte Telefon. Pelin war so verschlafen. dass sie mit einem Fuß<br />

gegen die Tischkante lief. Das Telefon hatte bestimmt schon ein dutzend<br />

Mal geklingelt. Endlich fand sie es und meldete sich mit einem einfachen:<br />

„Hallo, Pelin am Apparat, wer ist da!?“<br />

Niemand meldete sich.<br />

„Hallo!?“<br />

In diesem Moment war Pelin hellwach, denn ihr fiel wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Unbekannte<br />

ein. „Sind Sie es wie<strong>der</strong>, <strong>der</strong> mich die ganze Nacht mit seinen Anrufen<br />

terrorisiert hat?“ fragte Pelin. Sie hörte nur ein tiefes Atmen, das besser war<br />

als im besten Horrorfilm.<br />

„Hallo!? Hallo!?“<br />

Ängstlich legte sie den Hörer auf.<br />

„Oh mein Gott, was soll ich nur tun?“<br />

Sie legte sich auf ihr Bett und dachte über alles nach. Plötzlich hörte sie<br />

Schritte, als würde jemand die Treppen hoch laufen. Ihr Herz pochte wie<br />

wild. Ruhig lag sie in ihrem Bett und horchte. Die Schritte wurden lauter,<br />

ihr Herz schlug schneller. Der Schweiß lief ihr die Stirn runter. Plötzlich<br />

lief jemand im Flur rum, und genau auf ihr Zimmer zu. Das Herz von Pelin<br />

schlug schneller, lauter und <strong>der</strong> Schweiß lief ihr den Rücken runter. Die Türklinke<br />

bewegte sich, die Tür öffnete sich einen Spalt. Vor <strong>der</strong> Tür sah man<br />

Martina Tomašić: Kapitel 17 57<br />

einen schwarzen Schatten. Sie zog die Decke über ihr Gesicht. Plötzlich ging<br />

das Licht in ihrem Zimmer an. Pelin fiel ein Stein vom Herzen. Es war ihre<br />

Mitbewohnerin Sandra.<br />

„Oh, hab ich dich erschreckt!?“ fragte Sandra.<br />

„Ja, und zwar sehr“, sagte Pelin.<br />

„`Tschuldigung“, entschuldigte sich Sandra und ging raus.<br />

Pelin dachte: So eine. Sie legte sich wie<strong>der</strong> hin und schlief sofort wie<strong>der</strong> ein.


58 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Alexandra Defix<br />

Kapitel 18<br />

Es war an einem Samstag Morgen. Nic richtete sich auf und setzte sich auf<br />

den Rand seines Bettes.<br />

Der Tag, an dem sich alles än<strong>der</strong>n könnte, dachte Nic. Er war sich sehr<br />

sicher, dass Pelin und er heute Chiara finden würden.<br />

11 Uhr: Er entschied sich zu Pelin zu gehen. Nic stand gerichtet vor ihrer<br />

Haustür. Pelin ließ ihn hinein. Nic setzte sich auf das Sofa. Er stellte den<br />

gemeinsamen Plan für den heutigen Tag auf.<br />

„Also, wir müssen heute auf ihn warten, sobald er mit <strong>der</strong> Arbeit fertig ist.<br />

Dann fangen wir an, ihm aufzulauern”, sagte Nic. Pelin war damit einverstanden.<br />

Sie nahmen zur Sicherheit ihre Handys mit, so dass sie sich gegenseitig<br />

erreichen konnten. Nic war fest davon überzeugt, dass sie Chiara heute<br />

finden würden. Seitdem Chiara verschwunden war, machte er sich Vorwürfe:<br />

Er fühlte sich an ihrem Verschwinden schuldig. Er hatte sich vorgenommen,<br />

Chiara seine Liebe zu gestehen, sobald sie sie gefunden hätten. Sollte<br />

Nic etwas falsch gemacht haben, wollte er sich entschuldigen. Um 13.30 Uhr<br />

gingen sie aus dem Haus. Kurz danach saßen sie in einem Café und tranken<br />

eine Cola.<br />

„Um 14 Uhr beendet er nor<strong>mal</strong>erweise seine Arbeit, also müsste er gleich<br />

rauskommen”, sagte Nic. Und dann ging eine Tür auf, ein Mann, Mitte 20,<br />

groß, kräftig und mit einer grünen Mütze kam heraus.<br />

Pelin flüsterte: „Gut, jetzt haben wir seine Spur gefunden. Wir müssen ihm<br />

nur noch nachlaufen, und wer weiß, vielleicht führt er uns zu dem Versteck,<br />

wo er Chiara gefangen hält.”<br />

Pelin wollte ihre Freundin endlich wie<strong>der</strong> für sich haben, die Freundin, mit<br />

<strong>der</strong> sie über alles reden konnte. Einfach wie<strong>der</strong> zusammen etwas unternehmen,<br />

wie zum Beispiel Kaffee trinken gehen. Der Verehrer nahm die Straßenbahn<br />

bis in die Stadt. An dem Tag war in <strong>der</strong> Stadt sehr viel los. Pelin<br />

und Nic verloren immer wie<strong>der</strong> seine Spur.<br />

Nic schaute Pelin verwirrt an: „Ach nein, jetzt finden wir ihn nicht mehr.<br />

Schau dir <strong>mal</strong> die ganze Menschenmenge an. Er ist irgendwo in dieser<br />

Alexandra Defix: Kapitel 18 59<br />

Meute versteckt o<strong>der</strong> in einem Laden.” „Aber da, da war doch ein Mann mit<br />

einer grünen Mütze”, sagte Pelin.<br />

Er hielt gerade eine Tasse Kaffee in <strong>der</strong> Hand.<br />

„Nic, schau! Da ist er. In <strong>der</strong> Zwischenzeit hat er sich einen Kaffee geholt”,<br />

sagte sie.<br />

Beunruhigt fuhr sie fort: „Aber schau, wo er jetzt hinläuft. Das ist doch ein<br />

Reisebüro.”<br />

„Du denkst doch nicht dasselbe wie ich?” fragte Pelin.<br />

„Oh doch. Er will jetzt in ein an<strong>der</strong>es Land fliehen. Er will sicherlich Chiara<br />

entführen.”<br />

Pelin und Nic hatten vor, zu warten, bis <strong>der</strong> Verehrer den Laden verlassen<br />

hatte. Nach ungefähr einer halben Stunde ging er mit einem Prospekt<br />

hinaus. Er sah die beiden an, erkannte sie aber nicht. Also nahmen sie ein<br />

bisschen Abstand.<br />

Er stieg in einen Bus Richtung Wald. Natürlich liefen die Freunde hinter<br />

ihm her, aber sie versuchten, es sehr unauffällig zu tun. Im Bus redeten Pelin<br />

und Nic vor lauter Aufregung und Angst gar nicht mehr. Pelin fragte als<br />

erste ihren Freund, was sie machen würden, wenn Chiara in <strong>der</strong> Gewalt des<br />

Verehrers vor ihnen stehen würde.<br />

Nic antwortete: „Natürlich werden wir sie retten…”<br />

Und dann verstummte er. Pelin schaute in die Richtung des Verehrers.<br />

Dieser sah Pelin böse an, denn er hatte ihren Blick bemerkt.<br />

Pelin flüsterte Nic zu: „Du, Nic. Ich glaube, er hat uns jetzt erkannt. Er schaut<br />

immer in unsere Richtung. Hast du das denn nicht gemerkt?“<br />

Nic antwortete nicht, son<strong>der</strong>n schielte auch in seine Richtung.<br />

„Oh, du hast Recht. Wir müssen ihn irgendwie ablenken, aber wie? Er darf<br />

nicht denken, dass wir hinter ihm her sind. Sonst wird es bestimmt Ärger<br />

geben, denn er hat ja gerade keine freundliche Miene drauf“, erwi<strong>der</strong>te Nic.<br />

Sie entwarfen einen neuen Plan.<br />

„Es wäre wirklich dumm, wenn <strong>der</strong> Verehrer merken würde, dass wir ihn<br />

beobachten. Er könnte die Polizei verständigen“, sagte Pelin.<br />

Der Verehrer stieg aus und die Freunde überlegten sich schnell, ob sie mit<br />

ihm den Bus verlassen sollten. Sie entschieden sich zu bleiben und bei <strong>der</strong><br />

nächsten Haltestelle auszusteigen. Natürlich war es ein Risiko, die Verbindung<br />

mit dem Verehrer zu verlieren. Es ging nicht an<strong>der</strong>s, sie machten das<br />

alles für Chiara.<br />

Nic fragte Pelin: „Ähm… Pelin? Warum steigen wir bei <strong>der</strong> nächsten


60 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Haltestelle aus? Wir verlieren doch den Verehrer, und <strong>der</strong> ganze Tag war<br />

umsonst.“<br />

„Ach Nic, musst du immer so pessimistisch und zaghaft sein? Wir müssen<br />

manch<strong>mal</strong> auch Risiken eingehen“, sagte Pelin etwas genervt.<br />

Sie rannten die eine Haltestelle wie<strong>der</strong> zurück und suchten den Verehrer.<br />

Aber dieser war spurlos verschwunden.<br />

„Na toll, Pelin, das hast du wie<strong>der</strong> super geschafft. Er könnte sich überall<br />

befinden, und wir sind mitten im Wald, toll! Wir wissen nicht, wo wir sind<br />

und wir haben jegliche Spur verloren.“<br />

Jetzt war Pelin ganz außer sich und schrie Nic an: „Wenn du Chiara nicht<br />

finden möchtest, dann kannst du gleich wie<strong>der</strong> nach Hause gehen. Das war<br />

nur ein Vorschlag von mir. Du hättest nicht mitkommen brauchen, wenn<br />

meine Idee dir nicht gefallen hat.“<br />

Nic sagte dazu nichts mehr. Er wollte nur, dass Chiara nichts Schlimmes<br />

passierte. So entschied er sich, bei Pelin zu bleiben und die Suche fortzusetzen.<br />

„Pelin, es bringt nichts, wenn wir uns jetzt streiten. Wir wollen doch beide<br />

dasselbe, und zwar Chiara finden. Entschuldige, wenn ich manch<strong>mal</strong> ausraste,<br />

aber das alles macht mich total verrückt.“<br />

Pelin wusste mit diesen Worten nicht richtig etwas anzufangen und nahm<br />

die Entschuldigung an.<br />

„Ja, kein Problem. Ich kann dich verstehen. Du liebst Chiara und du fühlst<br />

dich nutzlos, weil du ihr nicht helfen kannst, o<strong>der</strong>?“<br />

Nic stimmte zu.<br />

„Ach Nic, mach dir doch nicht so viele Sorgen. Wir werden sie finden.“<br />

Sie waren seit heute früh unterwegs, es war jetzt schon dunkel geworden.<br />

„Hätten wir doch eine Karte mitgenommen.“<br />

„Nic, fang jetzt nicht schon wie<strong>der</strong> an zu meckern. Es bringt nichts, dich<br />

jetzt darüber zu ärgern. Die Karte wird bestimmt nicht vom Himmel herunterfallen.“<br />

Jetzt hatte Pelin komplett die Geduld verloren. Sie war <strong>der</strong> Meinung, dass er<br />

sich wie ein kleines Kind benahm.<br />

„Wir sind mitten im Wald und sollten versuchen, raus zu kommen. Ach je,<br />

wir haben nicht ein<strong>mal</strong> eine Taschenlampe dabei. Wir haben keine an<strong>der</strong>e<br />

Waaaa…“ Pelin konnte ihren Satz nicht beenden.<br />

„Pelin, was ist los? Ich kann dich nicht sehen. Wo bist du?“<br />

Nic war total außer sich. Er wollte jetzt nicht auch noch Pelin verlieren.<br />

Alexandra Defix: Kapitel 18 61<br />

„Wenn du mit deiner Freundin Pelin, o<strong>der</strong> wie immer sie auch heißt, sprechen<br />

möchtest, dann sag mir, was ihr von mir wollt und warum ihr mich<br />

schon seit Tagen beobachtet. Die Polizei hängt wie<strong>der</strong> wie eine Klette an<br />

mir, und das bestimmt nur euretwegen. Wer seid ihr? Spielt ihr Detektive,<br />

o<strong>der</strong> was?“<br />

Nic zuckte, als er die Stimme des Verehrers erkannte. Wie konnte er sich<br />

und seine Freundinnen vor ihm retten, ohne sich selbst und die beiden Mädchen<br />

in Gefahr zu bringen? „Wir vermissen unsere Freundin Chiara seit ein<br />

paar Tagen, und wir haben Beweise, dass Sie sie entführt haben. Wir wissen<br />

genau, dass Sie ihr Briefe geschrieben haben, und wir kennen den Inhalt<br />

dieser Briefe.“<br />

Der Verehrer fragte genervt: „Wer hat euch diesen Blödsinn erzählt? Eure<br />

Freundin wohl. So eine blöde Kuh.“<br />

Pelin wollte etwas sagen, aber <strong>der</strong> Verehrer hielt ihren Mund mit seiner<br />

Hand zu. Sie biss ihn mit voller Kraft.<br />

„Du kleine Schlampe, ich werde es dir zeigen!“<br />

Er bedrohte und ohrfeigte sie. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel zu<br />

Boden. Sie täuschte vor, bewusstlos zu sein. Das ging Nic zu weit. Er wollte<br />

den Verehrer von hinten packen.<br />

Dieser wehrte sich aber, drehte sich um und schrie ihn an: „Jetzt bist du<br />

dran, du kleiner Zwerg.“<br />

Nic ließ sich das nicht gefallen und ging ein zweites Mal auf ihn los. Er bereitete<br />

seine Faust vor. Der Verehrer reagierte schneller. Ein paar Sekunden<br />

später lag Nic K.O. auf dem Waldboden. Als <strong>der</strong> Verehrer feststellte, dass die<br />

beiden bewusstlos waren, ergriff er die Flucht. Keiner sollte wissen, was im<br />

Wald vorgefallen war. Als Pelin bemerkte, dass <strong>der</strong> Verehrer geflohen war,<br />

suchte sie Nic und rief ihn. Keine Reaktion! Ein Glück, dass sie ihr Handy<br />

hatte! Pelin war erleichtert als sie hörte, wie <strong>der</strong> Krankenwagen sich <strong>der</strong> Stelle<br />

näherte.


62 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Daniel Lesar<br />

Kapitel 19<br />

Es war drei Uhr Nachmittags und Nic schlief immer noch. Der Arzt gab<br />

an, dass Nic keine allzu schweren Verletzungen davon getragen hatte. Pelin<br />

sah zu ihm rüber und dachte an den Kampf zwischen ihm und dem Verehrer.<br />

Trotz allem sah er ziemlich mitgenommen aus. Nur gut, dass sie ihn so<br />

schnell ins Krankenhaus gebracht hatten. Sie war stolz auf Nic, weil er den<br />

Verehrer stoppen wollte. Nun war es fünf Uhr Nachmittags und Nic rührte<br />

sich allmählich. Pelin kam auf ihn zu und sah ihn an. Nic sagte Hallo und<br />

freute sich, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Pelin teilte ihm mit, dass er heute<br />

das Krankenhaus verlassen dürfte. Nic freute sich über diese Nachricht<br />

und versuchte, wie<strong>der</strong> auf die Beine zu kommen. Pelin nahm ihr Handy und<br />

wählte Adisas Nummer.<br />

Es klingelte drei <strong>mal</strong> und Adisa nahm ab. Pelin teilte ihr mit, dass Nic wie<strong>der</strong><br />

wach sei und dass er heute das Krankenhaus verließ. Adisa meinte, sie wäre<br />

in einer halben Stunde im Krankenhaus. Adisa war wie immer pünktlich<br />

und betrat das Zimmer. Sie kam zu Nic und sie umarmte ihn. Doch es schien<br />

Adisa so, als würde Nic sie nicht mehr wirklich beachten. Adisa schwieg und<br />

wartete, bis <strong>der</strong> Arzt kam und die Entlassungsunterlagen brachte.<br />

Adisa brach ihr Schweigen und stellte Nic zur Rede. Sie sagte, dass er sie<br />

nicht mehr beachtete und dass sie sich von ihm vernachlässigt fühlte. Nic<br />

antwortete, er empfinde nicht mehr dasselbe für sie. Adisa setzte sich auf<br />

den Stuhl und atmete tief durch.<br />

Sie stand wie<strong>der</strong> auf und schrie Nic an: „Warum, warum, was hat diese<br />

Chiara, dass es sich lohnt, mich für sie aufzugeben?“<br />

Nic wusste nicht so recht, was er dazu sagen sollte und sah Adisa vorwurfsvoll<br />

an. Adisa konnte das alles noch gar nicht so recht verarbeiten.<br />

Nic fragte, warum sie überhaupt hergekommen sei? Adisa antwortete, sie<br />

wolle nett sein und Nic mit nach Hause begleiten. Nic versuchte zu erklären,<br />

dass Chiara gerade viele Probleme hätte und er ihr nur helfen wollte. Adisa<br />

grinste wütend und erklärte ihm, sie hätte auch Probleme, aber Chiara wäre<br />

Daniel Lesar: Kapitel 19 63<br />

ja wichtiger! Adisa war tierisch eifersüchtig und Nic ahnte nicht, was auf ihn<br />

zukommen würde, wenn er Chiara begegnete.<br />

Der Arzt kam herein und nahm einen Zettel aus seiner Tasche. Er über-<br />

gab ihn an Nic und <strong>der</strong> las ihn. Es war <strong>der</strong> Bericht über die Verletzungen.<br />

Der Arzt gab ihm Zeit, den Zettel zu studieren. Dann nahm <strong>der</strong> Arzt einen<br />

Kugelschreiber und bat Nic, auf <strong>der</strong> unteren Linie zu unterschreiben.<br />

Der Arzt nahm noch einen zweiten Brief und sagte: „Das ist <strong>der</strong> Ent-<br />

lassungsbericht und noch ein paar Versicherungsdaten, das wäre dann <strong>der</strong><br />

Papierkram. Ich wünsche Ihnen eine gute Genesung.“<br />

Dann verließ er das Zimmer und die Krankenschwester gab Nic zwei Gehstützen.<br />

Nic ging zum Schrank und nahm seine nor<strong>mal</strong>en Klamotten. Es fiel<br />

ihm schwer, mit Gehstützen zu laufen, denn er hatte noch keine Erfahrung<br />

mit so was. Das Bad war aber nicht weit entfernt und er ging hinein und<br />

verschloss die Tür. Er wusch sein Gesicht und zog sich an. Es dauerte lange,<br />

denn er war ja noch nicht fit. Er kam heraus und sah wie<strong>der</strong> nor<strong>mal</strong> aus. Die<br />

Gehstützen waren eine Last für ihn, und er legte sie beiseite. Er trottete langsam<br />

zum Tisch, um sich ein Glas Wasser einzuschenken. Adisa fragte, ob sie<br />

ihm helfen sollte. Doch Nic meinte, er schaffe es alleine. Pelin saß schweigend<br />

auf ihrem Stuhl. Sie wollte sich nicht in den Streit <strong>der</strong> beiden einmischen.<br />

Adisa war nicht mehr so sauer, aber sie war auch nicht zufrieden, wie<br />

Nic sie behandelte. Nic stieg <strong>der</strong> ganze Ärger zu Kopf, denn er war heute erst<br />

aufgewacht, und dann so etwas. Nun, so hatte Nic sich das nicht vorgestellt,<br />

aufzuwachen und sich mit seiner Freundin zu streiten. Es war ja auch nicht<br />

so, dass er Chiara liebte. Adisa war einfach zu eifersüchtig, und so lange sie<br />

sich nicht än<strong>der</strong>te, war er auch nicht bereit, mit ihr zu reden. Adisa stand auf<br />

und meinte, es sei Zeit zu gehen. Nic stimmte ein und wollte aufstehen. Pelin<br />

kam zu ihm herüber, weil sie sah, dass er Hilfe brauchte.<br />

Dass ich Hilfe brauche, kam Adisa nicht in den Sinn, dachte Nic. Nic war<br />

kurz vor einem Wutanfall. Doch um die Situation nicht zu verschlimmern,<br />

sagte er nichts dazu. Nic war nun fähig nach Hause zu gehen. Doch Adisa<br />

redete nur von Chiara. Sie fragte, ob er lieber gehabt hätte, wenn sie ihn<br />

abholte.<br />

Nic platze vor Wut und schrie sie an: „Es reicht, ich gehe alleine, ich habe<br />

deine <strong>Eifersucht</strong> satt.“<br />

Nic verließ schweigend das Zimmer. Adisa brach in Tränen aus, sie hatte<br />

ihn dazu gebracht, ohne sie zu gehen. Pelin kam zu ihr und umarmte sie.<br />

Adisa weinte immer noch. Pelin sagte, sie solle zu ihr nach Hause gehen.


64 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Adisa stimme zu und sie gingen. Bei Pelin zu Hause saßen sie schließlich<br />

und tranken Tee. Adisa beruhigte sich allmählich: Pelin bot ihr an, bei ihr<br />

zu übernachten. Adisa hielt das für keine schlechte Idee und blieb. Nic kam<br />

zu Hause an und saß vor dem Fernseher. Er dachte über die schönen Zeiten<br />

mit Adisa nach. Adisa und Pelin saßen ebenfalls nachdenklich auf dem Sofa.<br />

Es wurde spät und sie gingen schlafen. Nic saß noch bis spät Abends vor<br />

dem Fernseher, bis ihn dann doch die Verletzungen müde machten. Am<br />

nächsten Morgen gingen Adisa und Pelin in ein Bistro zum Frühstück. Es<br />

war das Stammlokal von Pelin, nicht allzu weit von ihr entfernt. Sie saßen<br />

und tranken Kaffee, den brauchte Adisa jetzt, denn sie konnte wegen dem<br />

Streit nicht recht schlafen. Pelin jedoch war schon etwas fitter. Der Kellner<br />

kam und brachte den beiden ihre Croissants, die sie bestellt hatten. Croissants<br />

waren Pelins Stammbestellungen zum Frühstück, die sie sehr mochte.<br />

Es war etwa zehn Uhr Vormittags, als sie zurück nach Hause gingen. Pelin<br />

lud Adisa noch zum Mittagessen ein, aber Adisa lehnte bescheiden ab. Adisa<br />

bedankte sich für Pelins Beistand und ihren Trost, packte ihre Sachen und<br />

verließ Pelins Wohnung. Adisa kam zu Hause an und legte ihr Gepäck ab.<br />

Sie ging zum Telefon und hörte den Anrufbeantworter ab. Keine einzige<br />

Nachricht befand sich auf dem Band. Dabei hatte sie so sehr eine Antwort<br />

von Nic erwartet. Nic jedoch schlief noch zu Hause. Der Streit hatte beide<br />

sehr mitgenommen. Derweil saß Pelin auf dem Sofa und surfte mit ihrem<br />

Notebook im Internet. Sie interessierte sich für Mode. Es gab viele schöne<br />

Klei<strong>der</strong> und sonstiges zu sehen. Aber das Budget erlaubte es lei<strong>der</strong> nicht. Sie<br />

dachte nach. Warum haben die beiden so viele Probleme, sie waren doch<br />

beide ein hübsches Paar gewesen. Dass Chiara <strong>der</strong> Hauptgrund für diese<br />

Misere war, wusste sie. Aber da war noch mehr, irgendetwas stimmte nicht.<br />

Nic sagte zwar, dass Chiara nur eine gute Freundin war, aber Adisa kam<br />

das komisch vor. Um zwölf Uhr stand Nic dann auch auf. Die Verletzungen<br />

schmerzten sehr, aber <strong>der</strong> Streit mit Adisa tat ihm viel mehr weh. Was, wenn<br />

er einen großen Fehler gemacht hatte? Was, wenn er seine große Liebe zu<br />

sehr verletzt hatte? Wie auch immer, er wusste nicht, was er jetzt tun sollte.<br />

Adisa saß ebenso ratlos herum. Sie hatte eine <strong>der</strong>maßen große Wut auf<br />

Chiara, aber sie war auch sauer auf sich selbst. Sie haben beide einen Fehler<br />

gemacht. Sie fing wie<strong>der</strong> an zu weinen. Sie nahm das Telefon und rief Pelin<br />

an und bat sie um Trost. Pelin kam und umarmte Adisa. Die Situation konnte<br />

so nicht bleiben. Pelin wusste jedoch nicht, wie sie hier noch helfen sollte.<br />

Wie sollte es mit den beiden und ihrer Beziehung weiter gehen?<br />

Yvonne Nachlinger: Kapitel 20 65<br />

Yvonne Nachlinger<br />

Kapitel 20<br />

Als Adisa dann völlig erschöpft aus dem Krankenhaus zu Hause ankam,<br />

zog sie ihre Schuhe aus, lief lustlos in die Küche und machte sich eine heiße<br />

Tasse Holun<strong>der</strong>tee. Solange <strong>der</strong> Teebeutel in dem kochenden Wasser einwirkte,<br />

ging sie ins Bad, um ihre Hände und ihr Gesicht zu waschen. Adisa<br />

sah sich im Spiegel an und erschrak, durch das Heulen war sie kreidebleich<br />

und hatte dazu noch Tränensäcke.<br />

Schlimmer kann es kaum noch werden, heulte sie innerlich vor sich hin.<br />

Adisa machte ihren relativ mo<strong>der</strong>nen Wasserhahn an und hielt ihre zärtlichen<br />

Hände unter das warme Wasser, wusch ihr Gesicht und lief wie<strong>der</strong><br />

zurück in die Küche. Sie hob den Teebeutel aus <strong>der</strong> Tasse und trank einen<br />

Schluck, daraufhin verbrannte sie gleich ihre Zunge.<br />

„Heute ist ein bescheuerter Tag!“ schrie Adisa ihren Holun<strong>der</strong>tee an, obwohl<br />

sie genau wusste, dass nicht <strong>der</strong> Tee, son<strong>der</strong>n sie die Schuld daran hatte,<br />

dass sie ihre Zunge verbrannt hatte. Sie ging mit dem Holun<strong>der</strong>tee langsam,<br />

damit auch nichts überschwappen konnte, in Richtung Schlafzimmer, stellte<br />

ihren Tee langsam auf den Nachttisch und legte sich mit ihren Klamotten<br />

ins Bett. Adisa deckte sich mit ihrer Decke, auf <strong>der</strong> Rosen aufgedruckt waren,<br />

zu und trank noch einen Schluck ihres Tees. Dann holte sie ihr Tagebuch<br />

heraus, das Adisa immer unter ihr Bett legte, aber bevor sie mit ihrem<br />

roten Kugelschreiber anfing zu schreiben, ließ sie sich noch<strong>mal</strong>s alles durch<br />

den Kopf gehen. Dann klappte sie ihr Tagebuch, auf dem ein Füller abgebildet<br />

war, auf, hob ihre Hand und fing an zu schreiben.<br />

Liebes Tagebuch!<br />

Ich weiß nicht, was ich tun soll. In letzter Zeit ist alles außer Kontrolle.<br />

Mein Freund, also Nic – wir streiten uns ständig, vor allem wegen Chiara,<br />

obwohl wir manch<strong>mal</strong> gar keinen Grund haben, uns zu streiten. Ich habe<br />

gemerkt, dass er nichts mehr für mich empfindet. Denn wenn ich ihn küsse, ist


66 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

er nicht bei dem, was gerade geschieht. Er küsst auch nicht mehr mit Gefühl,<br />

wie er es sonst immer tat. Ich glaube, er wünscht, dass ich an Chiaras Stelle<br />

verschwunden wäre, denn er liebt Chiara, so kommt es mir zumindest vor. Ich<br />

weiß, dass er keine Gefühle mehr für mich hat, das merkt man doch. Ich fühle<br />

mich gerade total scheiße. Ich mache mir ja auch Sorgen um Chiara, aber er<br />

interessiert sich ja gar nicht mehr für mich. Letzte Nacht habe ich was geträumt.<br />

Dieser Traum war so real wie nie zuvor, und ich kann mich nicht sehr<br />

oft an meine Träume erinnern. Ich habe geträumt, dass ich mit Nic im Urlaub<br />

war, in <strong>der</strong> Karibik. Dieser Traum hat richtig schön angefangen, wir lagen beide<br />

am Strand, nur wir beide, sonst war kein Mensch mehr in Sicht, auch keine<br />

Strandliegen. Es war ein einsamer Strand, vielleicht noch zwei Möwen und<br />

zehn Einsiedlerkrebse, sonst niemand. Wir lagen unter Kokospalmen. Das<br />

Wasser war so türkis, wie ich es nur auf Bil<strong>der</strong>n kannte. Und ich hörte das<br />

Rauschen des Meers, und ein paar Vögel versuchten, die Weibchen mit ihrem<br />

wun<strong>der</strong>vollen Gesang zu beeindrucken, es hat sich alles so wun<strong>der</strong>voll angehört.<br />

Der Sand war fast schon so weiß wie Schnee, aber er war warm, so dass<br />

es sich richtig angenehm angefühlt hat, wenn man ihn mit <strong>der</strong> nackten Haut<br />

berührte. Nic und ich, wir beschlossen, in das klare, türkise Salzwasser zu gehen<br />

und zu schwimmen. Das Wasser war angenehm kühl. Zuerst planschten<br />

wir ein bisschen, aber dann wollte Nic weiter hinaus schwimmen. Ich hab<br />

mich nicht getraut, weil ich immer so Angst vor Strömungen habe, denn man<br />

sieht sie ja nicht. Nic wollte nicht auf mich hören und schwamm in das endlose<br />

Meer. Nach einer Weile sah ich nur noch einen Punkt, ich glaube, das war sein<br />

Kopf, ich habe ihn gerufen, dass er jetzt zurück schwimmen sollte, aber ich<br />

hörte nur einen leisen Hilferuf. Und ab diesem Moment wusste ich, dass er zu<br />

weit raus geschwommen war und nicht mehr zurück schwimmen konnte.<br />

Ich fing an zu heulen und wusste nicht, was ich tun soll, ich hatte ja kein<br />

Handy dabei, und weit und breit war kein Mensch zu sehen. Nach einer Weile<br />

war er ganz verschwunden und ich wusste, ich würde ihn nie wie<strong>der</strong> sehen. In<br />

diesem Moment wachte ich auf und ich war noch nie so froh, dass es nur ein<br />

Traum war. Und ich spürte, wie eine Träne über eine meiner Wangen lief.<br />

Ich finde es irgendwie merkwürdig: <strong>der</strong> Traum hat eine Vorhersage getroffen,<br />

denn ich glaube, dass Nic sich von mir trennen will, obwohl ich ihn immer<br />

noch so sehr liebe. Man kann Gefühle nun ein<strong>mal</strong> nicht beeinflussen. Ich war<br />

so naiv und habe geglaubt, dass Nic alles für mich tun würde. Das ist total ver-<br />

Yvonne Nachlinger: Kapitel 20 67<br />

rückt, aber ich habe mir manch<strong>mal</strong> Abends schon Hochzeitspläne gemacht.<br />

Mein größter Traum wäre, wenn Nic mir einen Heiratsantrag machen würde,<br />

das wird aber sicher nicht mehr passieren. Alle meine vorherigen Freunde<br />

habe ich nicht so sehr geliebt wie Nic, so kommt es mir auf jeden Fall vor.<br />

Ehrlich gesagt, ich bin total eifersüchtig auf Chiara, obwohl sie nicht da ist.<br />

Komischerweise haben meine Beziehungen früher auch nie geklappt, ich weiß<br />

nicht, aber manch<strong>mal</strong> mache ich mir Sorgen, dass es an mir liegen könnte,<br />

o<strong>der</strong> habe ich immer die falschen Typen erwischt. Es kann aber auch sein, dass<br />

es zwischen uns nie richtig gefunkt hat. Darüber mache ich mir oft Gedanken.<br />

Bei Marco, meinem Freund davor, war es so ähnlich wie bei Nic, er hat erst<br />

auch so getan, als ob er mich lieben würde und nur für mich da wäre, aber<br />

eigentlich ist er ein richtiges Arschloch gewesen, denn als ich gerade für mein<br />

Abi lernen musste, habe ich ihm gesagt, dass ich viel lernen wollte und sehr<br />

selten Zeit hätte. Ich hatte eigentlich in dem halben Jahr keine Zeit für ihn,<br />

und da hat er sich gleich an meine beste Freundin rangemacht und hat ihr<br />

erzählt, wir hätten Schluss gemacht, und zwar, weil ich fürs Abi lernen musste<br />

und er mir egal wäre. Aber ich denke, dass Marco immer eine Freundin um<br />

sich herum haben muss, egal wie sie ist, Hauptsache er hat jemanden. Das hat<br />

Marco gemacht, obwohl ich schon fast eineinhalb Jahre mit ihm zusammen<br />

war.<br />

Mir fällt gerade ein, dass ich vorgestern auch einen sehr seltsamen Traum<br />

hatte. Ich war auf einem Hochhaus. Ich weiß nicht genau, wo sich das Hochhaus<br />

befand, weil es war so hoch, dass ich nur Blau um mich herum sah. Es<br />

war so ein stechendes Blau, man kann das nur sehr schwer erklären. Es sah<br />

eisig aus.<br />

Ich spürte kalten Wind an mir vorbeirauschen, und am Abgrund des Hochhauses<br />

stand ein junger Mann, ich wusste nicht, wer er war, aber ich wollte<br />

auf keinen Fall, dass er sich in den Tod stürzte, denn es sah ganz so aus, als<br />

ob er gleich losspringt.<br />

Ich ging langsam auf diese Person zu, denn es reizte mich zu wissen, wer dieser<br />

Mann war. Ich schlich zu dieser geheimnisvollen Person und spürte, dass mein<br />

Adrenalinspiegel stieg und mein Herz immer schneller klopfte. Als ich direkt<br />

hinter ihm stand, schaute <strong>der</strong> Mann immer noch in den Abgrund.<br />

Ich stupste ihn langsam mit dem Zeigefinger an und sein Kopf drehte sich in<br />

Richtung meines Gesichts. Ich erschrak und wich einen großen Schritt zurück,<br />

<strong>der</strong> Mann hatte eine Maske auf, die sein wahres Gesicht verdeckte. Es war


68 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

keine ausgefallene Maske, die irgendeine Figur darstellen sollte, sie war einfach<br />

weiß und bedeckte das Gesicht. Als ich mich wie<strong>der</strong> von dem Schreck<br />

erholt hatte, fragte ich den Mann, wer er ist und wie es schien, war das definitiv<br />

die falsche Frage, denn kurz darauf sprang <strong>der</strong> Mann, ohne noch mit den<br />

Wimpern zu zucken, mit einem Kopfsprung in den endlosen Abgrund.<br />

Ich schrie noch „NEIN“, aber ab diesem Moment lag ich schon wach im Bett.<br />

In letzter Zeit sind wirklich sehr seltsame Dinge passiert, und ich weiß auch<br />

nicht, was dieser Traum für einen Sinn hat, aber die Antwort folgt bestimmt<br />

in den folgenden Tagen darauf.<br />

Bis morgen, falls ich Zeit habe.<br />

Adisa<br />

Adisa legte ihr Tagebuch wie<strong>der</strong> unter ihr Kopfkissen und legte sich erschöpft<br />

vom Tag und Schreiben in ihr Bett. Sie musste sich anstrengen, sich<br />

mit ihrer Bettdecke zuzudecken.<br />

Adisa schlief sofort ein, obwohl das Licht noch brannte, aber das störte sie<br />

nicht weiter.<br />

Tim Läpple: Kapitel 21 69<br />

Tim Läpple<br />

Kapitel 21<br />

Nic war nicht nach Hause gegangen, son<strong>der</strong>n schlen<strong>der</strong>te nachdenklich<br />

die Straße entlang. Ihm brummte <strong>der</strong> Kopf. Jetzt erst <strong>mal</strong> ins Café Sutsche,<br />

eine Cola trinken und sich beruhigen…<br />

Er wollte nicht, dass Adisa ihn erreichte und schaltete das Handy aus.<br />

„Zicke“, dachte er.<br />

Hm, das war jetzt aber ungerecht. Schließlich war er es, <strong>der</strong> nicht wusste,<br />

was er wollte. Die Aufregung wegen Chiaras Verschwinden, dann eine von<br />

diesem Blödmann auf die Mütze kriegen, <strong>der</strong> Streit mit Adisa – und jetzt<br />

auch noch dieses Gefühlschaos. Er hatte echt erst <strong>mal</strong> die Nase voll.<br />

Als er das Café Sutsche betrat, war Pelin schon da. „Hallo Blauauge, hierher!“<br />

rief sie ihm zu und winkte ihn an ihren Tisch. Er verzog das Gesicht<br />

und ging zu ihr.<br />

„Wie wäre es, wenn du dich das nächste Mal mit dem Typ prügelst?“ maulte<br />

er.<br />

„Schon gut, schon gut!“ beschwichtigte ihn Pelin. „Es war ja nicht böse gemeint.<br />

Ich soll dich übrigens von Adisa grüßen.“<br />

Sie schaute ihn an. Nic schwieg.<br />

„Ich will mich ja nicht einmischen“, begann Pelin zaghaft, „aber du solltest<br />

Adisa die Wahrheit sagen über deine Gefühle. Egal, was mit Chiara ist. Das<br />

ist sonst nicht fair.“<br />

„Hm“, brummte Nic.<br />

„Und was machen wir jetzt?“ fragte Pelin, nachdem er seine Bestellung aufgegeben<br />

hatte. „Wie, was machen wir jetzt?“ Er zog die Augenbrauen hoch,<br />

das blaue Auge tat dabei weh.<br />

„Was meinst du, Pelin?“<br />

„Na, Chiara ist immer noch verschwunden und <strong>der</strong> Typ läuft auch noch frei<br />

rum!“ Ihre Stimme wurde schrill.<br />

„Ja, ja, du hast natürlich Recht. Was schlägst du vor?“


70 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Die Bedienung brachte die Cola, und Nic trank sofort einen großen<br />

Schluck.<br />

„Wir sollten zur Polizei gehen“, sagte Pelin. „Sofort!!!“<br />

Als sie auf dem Weg zur Polizeistation waren, wurde Pelin unsicher:<br />

„Was erzählen wir denen denn eigentlich dieses Mal?“<br />

„Na, die Wahrheit!“ erwi<strong>der</strong>te Nic.<br />

Pelin verdrehte die Augen.<br />

„Und was meinst du damit?“ fragte Pelin.<br />

„Na, von dem Typen, von <strong>der</strong> Prügelei und so“, entgegnete Nic.<br />

Inzwischen standen sie vor <strong>der</strong> Polizeistation.<br />

„Und was sagen wir, wenn sie uns fragen, warum wir den Typen verfolgt<br />

haben?“ fragte Pelin.<br />

Nic überlegte kurz. „Wir sagen, dass wir zwei zusammen im Wald spazieren<br />

waren und ihn zufällig gesehen haben. Und dann, dass wir ihm gefolgt sind,<br />

weil wir glaubten, er führt uns zu Chiara.“<br />

„Okay“, sagte Pelin, „lass uns reingehen!“<br />

Ein großer, breitschultriger Polizeibeamter in Uniform stand hinter einem<br />

Tresen und begrüßte Pelin grinsend.<br />

„Na, kleines Fräulein, du schon wie<strong>der</strong>? Was hast du denn heute auf dem<br />

Herzen?“<br />

Nic, <strong>der</strong> sich sehr unwohl fühlte, versuchte Pelin zu helfen.<br />

„Na hören Sie <strong>mal</strong>!“ rief er. „Wir sind hier wegen einer Entführung und<br />

wegen Körperverletzung! Ich möchte eine Anzeige machen!“<br />

Der Polizist hob beschwichtigend die Hände, als er Nics Veilchen bemerkte.<br />

„Ok, ok, ihr zwei. Na, dann wollen wir <strong>mal</strong>!“<br />

Er zückte einen Stift und ein Blatt Papier und beugte sich zu ihnen über den<br />

Tresen. Nic hatte schon Luft geholt, als Pelin sagte: „Wir möchte mit Kommissar<br />

Giesenknecht sprechen.“<br />

Der Beamte zog die Augenbrauen hoch, schnaufte hörbar und richtete sich<br />

wie<strong>der</strong> zu seiner vollen Körpergröße auf. „Könnt ihr haben“, knurrte er und<br />

stapfte los. Ein paar Minuten später war er zurück und deutete in den langen<br />

Flur, den er entlang gekommen war.<br />

„Er wartet“, brummte er. „Letzte Türe links.“<br />

Tim Läpple: Kapitel 21 71<br />

Pelin und Nic gingen den langen Gang entlang. An den Wänden hingen<br />

Fahndungsplakate von Terroristen und an<strong>der</strong>en Verbrechern. Die sahen eigentlich<br />

alle ganz nor<strong>mal</strong> aus, dachte Nic, gar nicht wie Verbrecher. Eines<br />

<strong>der</strong> Bil<strong>der</strong> hatte sogar Ähnlichkeit mit seinem netten Mathelehrer, und eines<br />

tatsächlich mit Tante Mathilde! Tante Mathilde, die immer so nass küsste.<br />

Eigentlich war das auch ein Verbrechen, dachte er. Weiter hinten im Gang<br />

hingen die Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong> vermissten Personen.<br />

Wahnsinn, wie viele Leute einfach verschwinden und nicht wie<strong>der</strong> auftauchen,<br />

dachte er und schluckte. Pelins und er sahen sich an. Sie dachten beide<br />

dasselbe – Chiara!<br />

Endlich kamen sie an dem Zimmer an. Auf dem Schild neben <strong>der</strong> Türe stand<br />

„Kommissar Giesenknecht“. Pelin klopfte. Nichts passierte. Nic schlug mit<br />

<strong>der</strong> Faust an die Türe.<br />

„Herein!“ brüllte es von drinnen.<br />

Hinter einem Schreibtisch saß ein dicker Mann und tippte auf einer Computertastatur<br />

herum. „Was kann ich für euch tun?“ sagte er, ohne sich zu<br />

ihnen umzudrehen.<br />

„Ich möchte eine Anzeige machen – wegen Körperverletzung“, begann Nic.<br />

„Dazu hättest du nicht zu mir kommen müssen, das macht Wachtmeister<br />

En<strong>der</strong>lein vorne.“<br />

Der Kommissar tippte weiter. Nic wurde unsicher, Pelin sprang ein.<br />

„Ich war schon vor einigen Tagen bei Ihnen“, begann sie hastig, „wegen des<br />

Verschwindens meiner Freundin Chiara!“<br />

Der Kommissar brummte etwas Unverständliches und tippte weiter.<br />

„Wir haben den Entführer gefunden! Im Wald! Er hat Nic angegriffen!“<br />

Jetzt endlich drehte sich <strong>der</strong> Kommissar zu ihnen um und sah sie direkt an.<br />

Er kniff die Augen zusammen und musterte die beiden eingehend. Pelin<br />

war rot geworden vor Aufregung, Nic stand etwas verlegen und mit seinem<br />

Veilchen neben ihr.<br />

„So, so“, sagte <strong>der</strong> Kommissar, „er hat deinen Freund da angegriffen.“<br />

Er griff neben die Tastatur und hob einen handbeschriebenen Bogen Papier<br />

in die Höhe. Er fuchtelte wild damit herum.<br />

„Wohl eher hat dein Freund ihn angegriffen, o<strong>der</strong> warum schreibe ich hier<br />

eine Anzeige wegen Körperverletzung gegen einen gewissen Herrn Nic?“<br />

Nic und Pelin blieben alle Worte im Hals stecken.


72 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

„Ihr könnt froh sein, wenn euch dieser Mann nicht noch wegen Stalking<br />

anzeigt, weil ihr ihm die ganze Zeit nachgeschlichen seid“, schrie er.<br />

Pelin und Nic zuckten erschrocken zusammen. Was war hier los? Der Typ<br />

war doch <strong>der</strong> Verbrecher, er war <strong>der</strong> Stalker und ein Entführer obendrein!<br />

„Aber, aber, aber…“, stotterte Pelin.<br />

„Nichts aber“, unterbrach sie <strong>der</strong> Kommissar, jetzt wie<strong>der</strong> mit nor<strong>mal</strong>er<br />

Stimme. „Außerdem hat <strong>der</strong> Mann ein hieb- und stichfestes Alibi, also lasst<br />

ihn in Ruhe – und mich auch! Guten Tag.“<br />

Er drehte sich wie<strong>der</strong> zu seinem Bildschirm und tippte weiter. Pelin und Nic<br />

standen da wie begossene Pudel. Sie sahen sich an und zuckten die Schultern.<br />

Nachdem klar war, dass <strong>der</strong> Kommissar nicht mehr mit ihnen reden<br />

wollte, drehten sie sich um und verließen den Raum. Sie rannten fast zum<br />

Ausgang. Wachtmeister En<strong>der</strong>lein sah ihnen verwun<strong>der</strong>t nach.<br />

„Kacke, was war das denn?“ fragte Nic und schüttelte den Kopf. „Was<br />

machen wir jetzt?“<br />

„Sollen wir ins Café Sutsche gehen und auf den Schreck eine Cola trinken?“<br />

fragte Pelin.<br />

Nic nickte nur.<br />

Annika Thal: Kapitel 22 73<br />

Annika Thal<br />

Kapitel 22<br />

„Ich kann nicht glauben, dass <strong>der</strong> Typ ein Alibi hat“, sagte Nic sauer und<br />

schmiss dabei seine Tasse Kaffe um. „Mist, hast du ein paar Taschentücher?“<br />

fragte er gereizt.<br />

„Ja klar, hier“, sagte Pelin genervt.<br />

Sie saßen schon eine ganze Weile im Café Sutsche und redeten aufgeregt über<br />

das, was in den letzten Tagen passiert war. Sie saßen ganz nah am Fenster, da<br />

man nicht draußen sitzen konnte, und weil sie trotzdem das für den Herbst<br />

schöne Wetter sehen wollten. Von dort aus sah man direkt auf die Straße mit<br />

dem Zebrastreifen. Im Café war eine sehr ruhige und gelassene Atmosphäre,<br />

je<strong>der</strong> unterhielt sich mit dem, <strong>der</strong> ihm gegenüber saß. Ab und zu wurde die<br />

Stille von lauten „Tor!“-Rufen, die vom Tischkicker kamen, unterbrochen.<br />

Draußen war es im Gegensatz sehr laut. Viele Schulkin<strong>der</strong> und Jugendliche<br />

kamen vorbei. Sie sahen sehr zufrieden, aber auch erschöpft aus.<br />

„Die haben uns ganz schön abserviert“, unterbrach Pelin die Stille. „Wir<br />

konnten ihnen gar nicht alles erzählen. Hoffentlich ist Chiara nichts passiert.<br />

Wenn wir sie nicht bald finden, weiß ich auch nicht mehr weiter!“<br />

„Wir werden sie schon finden. Da bin ich mir ganz sicher“, tröstete sie Nic in<br />

einem besorgtem Ton. „Aber weißt du, was mich am meisten fertig macht?“<br />

fragte Nic.<br />

„Nein, was denn?“<br />

„Ich weiß jetzt nicht mehr, warum Chiara weg ist. Entwe<strong>der</strong> <strong>der</strong> Typ hat<br />

ein falsches Alibi o<strong>der</strong> er war es nicht. Und warum sollte Chiara dann weg<br />

sein?“<br />

„Ich weiß es auch nicht, aber irgendwie hab ich ein komisches Gefühl, was<br />

den Typ angeht“, wendete Pelin ein.<br />

„Sie fehlt mir so sehr“, sagte Nic.<br />

„Mir auch“, stimmte Pelin zu.


74 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Danach war es lange Zeit sehr still. Die beiden sahen sich gegenseitig nicht<br />

an. Sie tranken nur gedankenversunken ihren Kaffee (Nic hatte sich, gleich<br />

nachdem er seinen Kaffee verschüttet hatte, einen neuen bestellt). Stunden<br />

vergingen. Der Kellner fragte, ob sie noch etwas wollten. Doch sie schüttelten<br />

nur stumm den Kopf. Es war jetzt schon gegen Abend. Als Nic auf die<br />

Uhr schaute, zeigten die Zeiger schon sechs Uhr. Jetzt wurde es allmählich<br />

laut und voll. Doch das war ihnen egal, es war ihnen alles egal. Nic starrte<br />

weiter vor sich hin, doch Pelin beobachtete die Straße und den Zebrastreifen.<br />

Mittlerweile war die Straße schon fast leer. Nur ab und zu kamen ein<br />

paar müde Schüler vorbei. Doch plötzlich erschrak Pelin. Dort drüben lief<br />

doch Chiara! Ohne ein Wort zu sagen, ihren Mantel anzuziehen o<strong>der</strong> zu<br />

sagen, was los sei, rannte sie wie <strong>der</strong> Blitz zur Tür raus.<br />

„Pelin!“ schrie Nic, doch da war sie schon weg.<br />

Nic legte schnell das passende Geld auf den Tisch, nahm ihre Mäntel und<br />

rannte ebenfalls zur Tür raus. Und was er dort sah, konnte er einfach nicht<br />

glauben! Pelin stand mit Tränen im Gesicht im Arm von Chiara! Nach<br />

kurzem Zögern, rannte er auch zu ihnen und umarmte sie. Doch allmählich,<br />

als die Herbstsonne weg war, wurde es trotz <strong>der</strong> Umarmung ziemlich<br />

kalt und so beschlossen sie, erst<strong>mal</strong> wie<strong>der</strong> ins Café Sutsche zu gehen und<br />

sich dort aufzuwärmen. Nic bestellte sofort drei große Becher Vanilleeis<br />

mit heißen Kirschen, und dazu heiße Schokolade mit Sahne. Nic und Pelin<br />

wollten sofort alles wissen, doch Chiara war ziemlich erschöpft. Und so beschlossen<br />

sie, sie erst<strong>mal</strong> in Ruhe zu lassen. Zudem waren sie heilfroh, dass<br />

sie wie<strong>der</strong> da war.<br />

„Es wird mir jetzt irgendwie zu laut, und es ist schon ziemlich spät, können<br />

wir jetzt nach Hause gehen?“ fragte Chiara in einem auffor<strong>der</strong>nden Ton.<br />

„Ja, klar“, sagten Nic und Pelin sofort. Nachdem sie das zweite Mal bezahlt<br />

hatten, machten sie sich auf den Weg zum Bus.<br />

Ebru Yagdi: Kapitel 23 75<br />

Ebru Yagdi<br />

Kapitel 23<br />

Im Bus (auf dem Weg zu ihrer WG) fragte Pelin Chiara noch <strong>mal</strong>, wo sie<br />

gesteckt hatte, wie es ihr ging, und sie sagte, dass sie sie vermisst hatten<br />

„Ich erzähle es später, weil wir gleich aussteigen müssen“, antwortete sie und<br />

holte plötzlich ihr Handy raus.<br />

„Was ist? Wieso holst du dein Handy raus?“ fragte Pelin.<br />

„Er hat wie<strong>der</strong> geschrieben“, antwortete sie verärgert. ,,Ach, so ein Depp.“<br />

„Hegelplatz – Lindenmuseum, zu den Linien 40, 42 und 43 bitte umsteigen.“<br />

Als sie ankamen, klingelten sie und ein Mitbewohner machte ihnen auf.<br />

Als sie oben ankamen, umarmten sie sich erst<strong>mal</strong> gegenseitig.<br />

„Oh mein Gott, hier sieht es aber dreckig aus, wir müssen <strong>mal</strong> sorgfältig<br />

putzen“, sagte Pelin. Sie streifte ihre Hand über den Schrank und sah, wie<br />

viel Staub da lag. „Bäh.“<br />

Sie nahm einen Putzlappen und putzte ein bisschen.<br />

„Oh, da kommt wie<strong>der</strong> unsere Putzfrau, haha“, spottete Nic, während<br />

Chiara, ohne was zu sagen, duschen gegangen war.<br />

„Wo ist Chiara?“ fragte Pelin.<br />

„Keine Ahnung.“<br />

„Jetzt steh doch auf und hilf mir!“<br />

„Tss, heiße ich Pelin, frag doch Chiara“, antwortete Nic.<br />

„Warte, ich schau <strong>mal</strong> nach ihr…“<br />

„Chiara, wo bist du? Chiara!“ rief er, aber sie hörte nichts.<br />

Er lief ins Bad, doch die Tür war abgeschlossen.<br />

Er klopfte und rief: „Chiara, geht es dir gut?“<br />

„Ja, ich komme gleich, bin nur kurz duschen.“<br />

„OK.“<br />

Er ging wie<strong>der</strong> rein. „Sie ist duschen.“<br />

Nic machte sich einen Kaffee. Nach einer halben Stunde kam Chiara raus<br />

und föhnte sich die Haare.


76 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

„Na los, erzähl doch“, sagte Nic.<br />

Chiara liefen die Tränen aus den Augen: „Es tut mir Leid!“<br />

Pelin tröstete sie: „Nicht weinen.“<br />

Sie wischte ihr die Tränen weg und sagte: „Wenn du willst, kannst du es uns<br />

ein an<strong>der</strong>es Mal erzählen.“<br />

„Ich wollte nur ein bisschen Abstand. Es tut mir Leid, dass ich so viel Auf-<br />

regung verursacht habe. Aber ich wollte einfach meine Ruhe.“<br />

„Wir haben uns so Sorgen um dich gemacht“, sagte Nic darauf.<br />

Pelin: „Ja, wir haben dich überall gesucht und sind drei<strong>mal</strong> zur Polizei gegangen.<br />

Wir haben Dragoslav Senti verfolgt, weil wir nach den Briefen, die<br />

wir hier gefunden haben, dachten, dass er dich entführt hat.“<br />

Chiara war geschockt. Sie wusste nicht, was sie sagen sollte.<br />

„Naja, vergessen wir jetzt das Ganze.“<br />

„Ich hab Hunger“, sagte Nic, während man ein Bauchknurren hörte.<br />

„Essen wir hier etwas und gehen <strong>mal</strong> wie<strong>der</strong> alle zusammen Kaffee trinken“,<br />

sagte Pelin, indem sie Adisas Handynummer wählte.<br />

„Ja?“<br />

„Adisa, wir treffen uns um 17.30 im Sutsche, OK? Wir haben Chiara gefunden.“<br />

„Echt? Na endlich! OK, bis später.“<br />

Nachdem alle nach Hause gegangen waren, ruhten sie sich noch aus.<br />

Als plötzlich Nics Telefon klingelte, war Chiara dran.<br />

„Sorry Nic, ich kann doch nicht kommen“, sagte Chiara.<br />

„Toll, dann gehen wir heute auch nicht. Wir können uns ja morgen treffen.<br />

Ich sag den an<strong>der</strong>en Bescheid.“<br />

„OK, dann bis morgen, tschüss.“<br />

„Ciao, Ciao.“<br />

Haris Kurtalić: Kapitel 24 77<br />

Haris Kurtalić<br />

Kapitel 24<br />

Adisa wachte an diesem Morgen recht früh auf. Sie schlenkerte langsam ins<br />

Bad. Sie ließ sich Zeit, wie je<strong>der</strong> Morgenmuffel. Sie machte sich große Sorgen<br />

wegen gestern.<br />

„Was ist nur los mit Nic? Warum benimmt er sich in letzter Zeit nur so<br />

komisch?“ dachte Adisa.<br />

Sie trank ihren Kaffee und schaute fern. Sie starrte auf den Bildschirm, doch<br />

sie dachte unentwegt nur an Nic. Sie nahm alles um sie herum nicht wahr.<br />

Erst als die Werbung anfing, schrak sie hoch. Ihr Handy lag auf dem Tisch<br />

und sie überprüfte, ob sie neue Nachrichten hatte. Sie rief Nic an. Es klingelte,<br />

doch Nic ging nicht ans Telefon. Adisa war gekränkt.<br />

„Der schläft bestimmt nicht mehr“, dachte Adisa wütend.<br />

Sie schrieb ihm eine SMS: „Hey Schatz, sollen wir heute vielleicht etwas<br />

zusammen unternehmen? Ich liebe Dich. Adisa.“<br />

Sie sendete die SMS und wartete. Nach einiger Zeit wurde ihr das Ganze<br />

zu blöd und sie zog sich an. Sie nahm ihre Hausschlüssel, ging runter zum<br />

Bäcker und kaufte sich ein paar Brötchen. Sie ging zurück in die Wohnung<br />

und frühstückte in Ruhe. Sie aß und wartete auf Nics Antwort. Es kam den<br />

ganzen Vormittag keine SMS zurück.<br />

Langsam wurde sie richtig sauer. Sie nahm ihr Handy und rief ihn erneut an.<br />

Es klingelte und er ging endlich ran.<br />

„Ja, hallo?“ sagte Nic.<br />

„Warum, zum Teufel, gehst du nicht an dein Telefon? Du schreibst mir nicht<br />

zurück. Was soll das, Nic?“ donnerte ihm Adisa entgegen.<br />

Nic sagte: „Hey, komm <strong>mal</strong> wie<strong>der</strong> runter. Ich war den Vormittag über beschäftigt.<br />

Tut mir Leid. Ich hab deine SMS grade gelesen. Auf was hast du<br />

denn heute Lust?“ fragte Nic mit gezwungenem Unterton.<br />

„Ich weiß nicht. Wir könnten in die Stadt gehen o<strong>der</strong> so was. Wäre das ein<br />

Vorschlag?“ fragte Adisa.<br />

„Ja, meinetwegen“, sagte Nic und klang sehr gelangweilt, was Adisa nicht<br />

entging.


78 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Sie machten eine Uhrzeit aus und legten auf. Adisa hatte noch ein wenig<br />

Zeit, und die verbrachte sie mit Aufräumen. Es war 14.20 Uhr, als sie zur<br />

Bahn ging und einstieg.<br />

Sie stieg am Hauptbahnhof aus, und dort wartete Nic schon auf sie. Sie<br />

begrüßten sich mit einem Kuss, doch Adisa merkte, dass Nic ihn nur gezwungen<br />

erwi<strong>der</strong>te.<br />

Nic ist in letzter Zeit an<strong>der</strong>s, dachte Adisa, er benimmt sich so komisch, das<br />

macht mir ein bisschen Sorgen.<br />

Sie nahm Nics Hand und sie gingen in die Stadt. Nic hielt ihre Hand sehr<br />

locker, so als ob es ihm egal wäre, wenn sie los lassen würde, nein, mehr aus<br />

Hoffung, dass sie los ließ, hielt er sie so locker.<br />

Sie setzten sich in ein gemütliches Café und Adisa wollte ein Gespräch anfangen:<br />

„Na, wie geht’s dir?“ fragte Adisa mit einem sanften Lächeln.<br />

„Gut“, antwortete Nic knapp, ohne ihr dabei in die Augen zu schauen.<br />

„Wie war dein Tag bis jetzt?“ fragte Adisa.<br />

„Gut“, antwortete Nic erneut, mit langsam genervtem und ungeduldigem<br />

Unterton.<br />

Adisa gab es auf, ein Gespräch mit Nic anfangen zu wollen, also schwiegen<br />

sie sich an. Der Kellner kam herüber zu ihnen und sie bestellten. Adisa nahm<br />

einen Espresso und Nic einen Milchkaffee. Sie tranken still ihre Getränke<br />

und schauten sich nicht ein<strong>mal</strong> an. Adisa hatte genug und wollte nach Hause.<br />

Sie packte ihre Sachen und ging, ohne ein Wort zu sagen.<br />

Heiße Tränen liefen über ihre Wangen und sie ging schnell zur Bahn. Ihr<br />

Kopf war zu voll von Gedanken. Sie hatte Angst. Angst, dass Nic Schluss<br />

machen würde und sie wie<strong>der</strong> allein wäre. Sie wollte morgen noch ein<strong>mal</strong><br />

mit ihm weg gehen, und wenn es wie<strong>der</strong> so werden sollte wie heute, dann<br />

wollte sie Schluss machen. Sie schaute bis tief in die Nacht fern und machte<br />

sich Gedanken über sich und Nic. Dann schlief sie irgendwann auf <strong>der</strong><br />

Couch ein.<br />

Adisa wachte gegen 12.00 Uhr auf, ging ins Bad und aß etwas, bevor sie sich<br />

mit Nic in einem Café traf. Dies<strong>mal</strong> begrüßten sie sich beide nur halbherzig.<br />

Sie tranken still ihre Getränke. Adisa dachte sehr viel nach und wollte jetzt<br />

mit Nic darüber reden.<br />

„Was ist los mit dir, Nic?“ fragte sie.<br />

„Nichts, was soll sein?“ sagte Nic, <strong>der</strong> etwas überrascht wirkte.<br />

„Du benimmst dich in letzter Zeit so komisch. Mir kommt es vor, als wäre<br />

Haris Kurtalić: Kapitel 24 79<br />

die Luft bei uns raus“, sagte Adisa bedrückt.<br />

„Ja, das denke ich auch. Es ist einfach so, dass ich nicht mehr so starke<br />

Gefühle für dich habe“, sagte Nic und sah in Adisas tränengefüllte Augen,<br />

ohne auch nur das kleinste Mitgefühl zu zeigen.<br />

Adisa blickte ihm in die Augen, und es war ein Blick, <strong>der</strong> ihr Herz und ihren<br />

Verstand zu Eis erstarren ließ. Es war ein Blick voll <strong>der</strong> Abscheu und<br />

Finsternis. Adisa versuchte mit aller Kraft die Tränen zu unterdrücken,<br />

doch ein paar kullerten trotz alldem ihre Wange entlang.<br />

Nic hingegen starrte sie weiterhin an und wartete, bis sie was sagte.<br />

„Na gut, Nic. Ich denke, dass aus uns beiden nicht mehr viel werden kann“,<br />

sagte Adisa und versuchte krampfhaft, ihr Schluchzen zu unterdrücken.<br />

„Ja, <strong>der</strong> Meinung bin ich auch. Mach’s gut“, sagte Nic kühl, stand auf und<br />

ging aus dem Café.<br />

Adisa legte Geld auf den Tisch – und sie lief. Sie lief durch die Stadt, ohne<br />

Weg und ohne Ziel. Sie wollte einfach verdrängen, was gerade geschehen<br />

war. Sie wollte Nics kalten Blick vergessen, <strong>der</strong> sich tief in ihr Gehirn eingebrannt<br />

hatte. Sie lief und sah sich das erste Mal um. Sie war am Rotebühlplatz<br />

angekommen und stieg unten in die Bahn nach Hause.<br />

Sie war wie<strong>der</strong> in Gedanken vertieft und steckte zitternd den Schlüssel in<br />

die Tür, drehte ihn um und machte auf. Sie zog ihre Schuhe aus, ging in ihr<br />

Zimmer und legte sich ins Bett. Diese Nacht schlief sie unter Kummer und<br />

Tränen ein.


80 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Franziska Meißner<br />

Kapitel 25<br />

Währenddessen erzählte Chiara Pelin und Nic, wie es mit dem Verehrer<br />

und den Briefen angefangen hat.<br />

„Und wie hast du ihn kennen gelernt?“ fragte Pelin.<br />

„Er saß jeden Morgen mit mir in dem Bus, mit dem ich zur Uni fahre“, antwortete<br />

Chiara.<br />

„Ist er dir nie aufgefallen?“ unterbrach Nic sie.<br />

„Nein, eigentlich nicht, denn er hat sich ja nie komisch verhalten, und bei<br />

unseren Gesprächen war eigentlich auch nichts Eigenartiges.“<br />

Da unterbrach Nic sie wie<strong>der</strong>: „Und dem gibst du einfach deine Adresse?“<br />

„Nein, das habe ich ja gar nicht, das würde ich doch nie<strong>mal</strong>s tun. Ich kenne<br />

ihn ja nicht <strong>mal</strong> richtig.“<br />

„Woher hat er denn dann deine Adresse?“<br />

„Das weiß ich ja nicht“, antwortete Chiara.<br />

„Ist er dir vielleicht gefolgt?“ fragte Nic.<br />

„Keine Ahnung, darauf habe ich nicht geachtet. O<strong>der</strong> schaust du alle zehn<br />

Meter hinter dich, um zu sehen, ob dich jemand verfolgt? Nicht, o<strong>der</strong>? Doch<br />

jetzt weiß er, wo ich wohne und er schreibt mir ständig irgendwelche Briefe“,<br />

quasselte Chiara nervös.<br />

„Okay, dann gehen wir jetzt zur Polizei und melden denen, dass du wie<strong>der</strong><br />

da bist“, fiel ihr Pelin ins Wort.<br />

„Ja, okay das ist eine gute Idee, denn dann braucht sich keiner mehr Sorgen<br />

zu machen.“<br />

Und dann machten sich Chiara, Pelin und Nic auf zum Polizeirevier. Eine<br />

große Glastüre führte zur Eingangshalle, in <strong>der</strong> viele Beamte herum liefen,<br />

es war sehr laut und alle paar Sekunden klingelte das Telefon. Ein großer<br />

Tresen stand an <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Eingangshalle, hinter dem zwei Beamte standen.<br />

Den dreien war dort nicht wohl.<br />

Nic ging zum Tresen und wollte einem <strong>der</strong> Beamten Chiaras Entführungsgeschichte<br />

erzählen.<br />

Franziska Meißner: Kapitel 25 81<br />

Doch <strong>der</strong> wollte mit ihm in seinem Büro darüber sprechen. Nic erzählte<br />

dem Beamten aufgeregt die ganze Geschichte noch <strong>mal</strong>. Da unterbrach <strong>der</strong><br />

Polizist Nic: „Wir reden die ganze Zeit von Chiara, aber sie selbst hat noch<br />

überhaupt nichts dazu gesagt.“<br />

„Ja, ich spreche nicht gerne darüber“, erzählte Chiara leise.<br />

„Als erstes muss ich deine Personalien aufnehmen.“<br />

Sie sagte ihm ihren Namen, ihr Alter, ihre Adresse und ihr Geburtsdatum.<br />

Danach wurden sie wie<strong>der</strong> rausgeschickt, und sie mussten wie<strong>der</strong> in <strong>der</strong><br />

Eingangshalle warten.<br />

Unsicher meinte Chiara zu Nic und Pelin: „War es denn richtig, zur Polizei<br />

zu gehen? Ich weiß nicht, die hätten das schon irgendwie selbst rausgekriegt,<br />

dass ich wie<strong>der</strong> da bin.“<br />

„Doch, natürlich war das richtig, die hätten doch die ganze Zeit noch gedacht,<br />

dass du verschwunden bist“, antwortete Nic ihr.<br />

„Genau, für die bist du so lange verschwunden, bis wir dich wie<strong>der</strong> zurückgemeldet<br />

haben.“<br />

„Ja, okay, ich sehe es ja ein, dass es richtig war, es zu melden“, antwortete<br />

Chiara.<br />

In <strong>der</strong> Zwischenzeit besprach <strong>der</strong> Beamte den Fall von Chiara mit seinem<br />

Chef. Nach einigen Minuten kam <strong>der</strong> Polizist auf die Drei zu und erzählte<br />

ihnen, dass die Fahndung von Chiara wie<strong>der</strong> eingestellt werde. So war alles<br />

wie<strong>der</strong> in Ordnung, und sie waren glücklich.<br />

Zurück in <strong>der</strong> WG angekommen, unterhielten sich Chiara, Nic und Pelin<br />

darüber, wie es weiter gehen sollte. Die Sache mit dem Verehrer war doch<br />

eine komische Geschichte.<br />

„Ich finde, du solltest dich bei meinem Verehrer entschuldigen, schließlich<br />

hatte er ja nichts mit meinem Verschwinden zu tun“, antwortete Chiara gereizt.<br />

„Ja spinnst du denn? Zu diesem Kerl soll ich gehen und mich entschuldigen,<br />

ich hatte ja einen Grund, ihn zu verdächtigen, wenn <strong>der</strong> dir solche Briefe<br />

schreibt. Und wenn du das vor mir verheimlichst, muss ich doch denken,<br />

dass an <strong>der</strong> Sache etwas nicht stimmt“, rief Nic ziemlich aufgebracht und<br />

ging in die Küche, um sich einen Kaffee zu machen.<br />

„Ich kann nicht verstehen, was daran so schwer ist, sich einfach zu entschuldigen.<br />

Du musst ihm ja nicht um den Hals fallen und vor ihm auf die


82 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Knie gehen, ein einfaches Es tut mir Leid, es war nicht richtig, dass ich dich<br />

verdächtigt habe, etwas mit dem Verschwinden von Chiara zu tun zu haben<br />

würde ja schon reichen“, meinte Chiara schon etwas genervt und lief ihm<br />

nach in die Küche, wo sie sich auf den Küchentisch setzte und weiter auf<br />

Nic einreden wollte, als Pelin dazu kam, um auch <strong>mal</strong> etwas zu <strong>der</strong> Sache<br />

zu sagen.<br />

„Ich finde, Chiara hat Recht, du solltest dich bei diesem Typen entschuldigen,<br />

dann ist die Sache aus <strong>der</strong> Welt und wir können sie endlich vergessen.“<br />

Nic war ganz erstaunt, dass Pelin für Chiara Partei ergriff. Er meinte: „Das<br />

war ja klar, dass du wie<strong>der</strong> zu Chiara hältst und ihrer Meinung bist.“<br />

Wütend ging er aus <strong>der</strong> Küche, setzte sich trotzig auf das Sofa und schwieg.<br />

Plötzlich, nach langem Schweigen, rief Nic trotzig: „Und wie soll ich mich<br />

bei ihm entschuldigen, wir haben ja gar keine Adresse o<strong>der</strong> Handynummer<br />

von diesem Idioten, und außerdem…“<br />

„Das ist so nicht ganz richtig, ich habe doch mit ihm geschrieben und ab<br />

und zu auch mit ihm telefoniert“, unterbrach Chiara ihn.<br />

„Ach so, telefoniert hast du auch mit ihm, wer weiß, was du noch mit ihm<br />

gemacht hast. Vielleicht hast du dich ja auch mit ihm getroffen o<strong>der</strong> bist in<br />

<strong>der</strong> Zwischenzeit auch schon mit ihm zusammen“, rief Nic jetzt wirklich<br />

sehr gereizt, und seine Stimme wurde immer lauter.<br />

„Ach, so ein Scheiß, was soll das denn jetzt wie<strong>der</strong>? Vertraust du mir jetzt<br />

nicht mehr? Was soll das denn?“ schrie Chiara, und ihre Stimme klang jetzt<br />

schon etwas weinerlich.<br />

Jetzt mischte sich Pelin wie<strong>der</strong> ein und meinte zu Nic: „Kannst du nicht<br />

<strong>mal</strong> damit aufhören? Merkst du denn nicht, wie traurig du Chiara damit<br />

machst?“<br />

„Ja, okay, ich entschuldige mich bei Chiara….“<br />

„Und bei wem noch?“ sah Pelin ihn fragend an.<br />

„Ja, bei dem Verehrer entschuldige ich mich auch“, antwortete Nic trotzig.<br />

Nachdem er sich schon bei Chiara entschuldigt hatte, war jetzt auch <strong>der</strong> Verehrer<br />

dran.<br />

„Ich gebe dir seine Handynummer, und du kannst ihn ja dann anrufen, um<br />

dich mit ihm zu treffen und dich zu entschuldigen, denn am Telefon wirkt<br />

eine Entschuldigung nicht so, wie wenn du dich persönlich bei ihm entschuldigst“,<br />

sagte Chiara jetzt schon wie<strong>der</strong> etwas freundlich zu Nic.<br />

Nic ging in sein Zimmer und rief den Verehrer an, um mit ihm einen Termin<br />

auszumachen. Er deutete an, dass er sich bei ihm entschuldigen werde.<br />

Franziska Meißner: Kapitel 25 83<br />

Am Telefon hörte sich <strong>der</strong> Verehrer ja eigentlich ganz nett an, dachte sich<br />

Nic, als <strong>der</strong> Verehrer am Telefon einwilligte, sich mit ihm zu treffen.<br />

„Okay, morgen um halb vier im Café Sutsche, perfekt“, meinte Nic und verabschiedete<br />

sich vom Verehrer. „So, ab morgen Nachmittag ist alles wie<strong>der</strong><br />

in Ordnung, ich treffe mich morgen mit ihm in einem Café in <strong>der</strong> Stadt.“<br />

„Danke, das war mir jetzt wichtig, denn wenn du dich bei dem entschuldigt<br />

hast, können wir die Sache wirklich vergessen.“<br />

Am nächsten Nachmittag um halb vier in <strong>der</strong> Stadt, vor dem Café Sutsche.<br />

Der sieht ja ganz in Ordnung aus, und am Telefon klang er ja auch ganz nett,<br />

<strong>mal</strong> sehen wie <strong>der</strong> so ist, dachte sich Nic, als <strong>der</strong> Verehrer auf ihn zukam.<br />

„Bist du Nic?“<br />

„Ja, <strong>der</strong> bin ich, du musst dann Dragoslav sein.“<br />

„Ja, <strong>der</strong> bin ich, du bist hier, um dich mit mir auszusprechen?“<br />

„Ja, ich wollte mich entschuldigen, weil ich dich verdächtigt habe, meine<br />

Freundin entführt zu haben. Es tut mir echt Leid und ich weiß gar nicht, wie<br />

ich es wie<strong>der</strong> gut machen kann.“<br />

„Ich denke, eine Tasse Kaffee und ein Gespräch wären nicht schlecht“, meinte<br />

Dragoslav.<br />

Nic willigte ein und sie gingen ins Café und bestellten zwei Tassen Kaffee<br />

und unterhielten sich nett über alles Mögliche, um sich wenigstens etwas<br />

kennen zu lernen.<br />

Nach fast zwei Stunden war das Gespräch fertig, und es stellte sich heraus,<br />

dass Dragoslav gar nicht so ein schlechter Mensch war, wie Nic angenommen<br />

hatte. Sie verabschiedeten sich nett, und dann gingen Nic und Dragoslav<br />

wie<strong>der</strong> getrennte Wege. Wie<strong>der</strong> zu Hause in <strong>der</strong> WG angekommen,<br />

berichtete Nic den An<strong>der</strong>en, wie das Treffen mit dem Verehrer abgelaufen<br />

war.<br />

„Er heißt Dragoslav und ist eigentlich ein netter Kerl, wir haben uns ein<br />

bisschen unterhalten und einen Kaffee miteinan<strong>der</strong> getrunken. Er ist wirklich<br />

ein netter Kerl.“<br />

„Aber wo ist eigentlich Adisa?“<br />

„Keine Ahnung, wir haben sie schon etwas länger nicht mehr gesehen.“<br />

Nic ging in ihr Zimmer, doch dort war sie nicht. Da sah er auf ihrem Bett<br />

einen Brief liegen. Er nahm ihn, machte ihn auf, las ihn und konnte einfach<br />

nicht glauben, was er da las.


84 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Liebe Freunde,<br />

David Saeidi<br />

Kapitel 26<br />

ich weiß, dass ich euch viel Ärger bereitet habe. Dafür entschuldige ich mich.<br />

Ich entschuldige mich auch für das, was ich jetzt tun werde. Ich tue das, weil<br />

ich keinen an<strong>der</strong>en Ausweg mehr sehe. Es tut mir Leid, dass ich mich zwischen<br />

eure Freundschaft gestellt habe. Ich dachte, dass wir ein Viererteam bilden<br />

könnten und alle glücklich wären. Aber ich habe mich getäuscht. Ich hätte<br />

wissen müssen, dass ich nicht einfach in eurem Freundschaftskreis dabei sein<br />

kann. Zuerst war ja alles ganz schön, wir hatten viel Spaß und alles schien perfekt,<br />

aber dann haben die Probleme angefangen. Ich habe mich zwischen euch<br />

gestellt, anstatt dazu zu gehören. Das tut mir Leid. Und dann ist Chiara auch<br />

noch weggelaufen, und das alles nur wegen mir. Wenn ich gehe, dann müsste<br />

ja eigentlich alles wie<strong>der</strong> gut sein, aber wenn ich noch länger bleibe, wird eure<br />

Freundschaft zerstört. Also gehe ich besser, bevor das passiert. Wenn ich das<br />

jetzt tue, könnt ihr drei wie<strong>der</strong> alles zusammen machen, so wie früher, als ich<br />

noch nicht da war. Ich habe erkannt, dass ohne mich alles viel besser ist. Und<br />

genau aus diesem Grund werde ich mich umbringen.<br />

Als kleines Kind hatte ich von Selbstmör<strong>der</strong>n gehört, aber ich konnte mir nicht<br />

vorstellen, wie man selbst sein Leben beenden kann. Aber jetzt weiß ich, dass<br />

wenn in deinem Leben alles schief läuft, du keine an<strong>der</strong>e Wahl hast, als es<br />

zu beenden. Schon da<strong>mal</strong>s bei meinen Eltern und Freunden, fühlte ich mich<br />

wie das fünfte Rad am Wagen, richtig überflüssig. Da mich dieses Gefühl zu<br />

verfolgen scheint bis ich sterbe, werde ich dafür sorgen, dass ich sterbe, damit<br />

ich dieses Gefühl endlich loswerde. Als ich da<strong>mal</strong>s bei <strong>der</strong> Beerdigung meiner<br />

Oma in ihren Sarg sah, sah ich, wie friedlich sie aussah. Seitdem weiß ich,<br />

dass <strong>der</strong> Tod etwas Schönes ist. Es ist vielleicht schwer für euch zu verstehen,<br />

aber glaubt mir, ich muss das tun. Es ist besser für uns alle. Ihr könnt wie<strong>der</strong><br />

zusammen Kaffee trinken, Fahrrad fahren, ins Kino gehen und all die an<strong>der</strong>en<br />

Sachen machen, die ihr gemacht habt, bevor ich zu euch gestoßen bin. Ich<br />

David Saeidi: Kapitel 26 85<br />

habe eure Freundschaft zerrissen, indem ich mich zwischen euch gedrängt<br />

habe. Ich danke euch für die schöne Zeit, die wir zusammen erlebt haben und<br />

dafür, dass ihr mich angenommen habt. Chiara ist nur weggelaufen, weil<br />

ich dazu gekommen bin. Wenn ich da bleibe, wird alles nur noch schlimmer.<br />

Pelin, ich danke dir, dass du mich zu euch geholt hast. Dir verdanke ich diese<br />

schöne Zeit, die ich mit euch verbringen konnte. Nic, die Zeit mit dir war<br />

wun<strong>der</strong>bar und ich danke dir für alles, was du für mich getan hast. Und<br />

Chiara, es tut mir Leid, dass ich mich zwischen dich und Nic gestellt habe, und<br />

dass du meinetwegen weggelaufen bist. Bitte vergib mir. Es tut mir wirklich,<br />

wirklich, wirklich Leid. Jetzt heißt es Abschied nehmen. Ich entschuldige mich<br />

noch<strong>mal</strong>s für alles, was ihr wegen mir durchmachen musstet. Habt bitte viel<br />

Spaß miteinan<strong>der</strong> und macht euch keine Sorgen um mich, denn ich bin jetzt<br />

an einem besseren Ort.<br />

Auf Wie<strong>der</strong>sehen.<br />

Eure Adisa.


86 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Birol Lafatan<br />

Kapitel 27<br />

Nachdem Adisa den Abschiedsbrief an ihre Freunde geschrieben hatte, legte<br />

sie ihn auf das Bett. Sie bereitete sich für den Selbstmord vor. Sie telefonierte<br />

das letzte Mal mit dem Schwarzhändler, um den Zeitpunkt auszumachen,<br />

an dem sie sich treffen sollten. Er sagte ihr, dass sie sich Nachts um 1.00 Uhr<br />

treffen würden. Sie hatte zu große Angst, um sich mit einem Seil zu er-<br />

hängen und entschied sich für die Pillen. Sie wartete darauf, dass je<strong>der</strong> einschlief,<br />

um sich aus dem Haus raus zu schleichen. Als alle einschliefen, ging<br />

sie ganz leise aus dem Haus raus. Es war ein weiter Weg bis zum Treffpunkt.<br />

Sie überlegte sich auf dem Weg öfters, ob sie sich die Pillen wirklich kaufen<br />

sollte. Sie war sich nicht ganz sicher, aber als sie sich immer mehr näherte,<br />

dachte sie, dass es kein Zurück mehr gab. Sie dachte über ihre Freunde nach,<br />

wie sie sich fühlen würden, wenn sie tot wäre.<br />

Nachdem sie am Treffpunkt war, redete sie eine Weile mit dem Händler,<br />

sie gab ihm das Geld und kriegte die Pillen. Sie fühlte sich nicht sehr wohl<br />

und überlegte lange. Sie entfernte sich von dem Händler, sie suchte sich<br />

einen ruhigen Platz, damit niemand sie retten könnte. Als sie einen Platz<br />

neben einem alten Haus fand, setzte sie sich hin und schluckte die Pillen.<br />

Sie schluckte nicht so viele, weil ihr übel wurde. Als sie nicht mehr wusste,<br />

was sie machte, kroch sie auf dem Boden zur Straße. Sie hatte Glück, denn<br />

da kam ein Taxifahrer, <strong>der</strong> gerade Nachtschicht hatte. Er sah Adisa auf dem<br />

Boden liegen. Er dachte zuerst, es sei ein Obdachloser, aber als er die Verpackung<br />

von den Pillen sah, hielt er gleich an und rannte zu ihr, um ihr zu<br />

helfen. Er nahm Adisa auf die Arme und legte sie auf den Rücksitz vom Taxi<br />

und fuhr los zum Krankenhaus.<br />

Er sagte im Krankenhaus Bescheid. Er sagte: „Hallo, ich bringe grade eine<br />

junge Dame, die irgendwelche Pillen geschluckt hat. Ich bringe sie mit<br />

meinem Taxi gerade zu Ihnen.“ Er legte auf.<br />

Birol Lafatan: Kapitel 27 87<br />

Er fuhr so schnell er konnte ins Krankenhaus, auf dem Weg versuchte er mit<br />

ihr zu reden, aber sie sagte nichts. Er wurde immer aufgeregter und kriegte<br />

Angst, weil ihm schlimme Gedanken durch seinen Kopf gingen. Er fühlte<br />

sich jetzt verantwortlich, wenn ihr auf <strong>der</strong> Fahrt etwas passieren würde zum<br />

Beispiel. Er dachte, es hänge von ihm ab, ob sie es noch überlebte o<strong>der</strong> nicht.<br />

O<strong>der</strong> was würde sein, wenn sie schon tot war und sie ihm nicht glauben<br />

würden, dass er unschuldig war?<br />

Als er beim Krankenhaus ankam, warteten schon Ärzte vor dem Eingang.<br />

Nach ein paar Stunden ging es Adisa wie<strong>der</strong> gut und die Ärzte bedankten<br />

sich bei dem Taxifahrer, dass er geholfen hatte, und dass es heutzutage nicht<br />

mehr so viele hilfsbereite Menschen geben würde.<br />

Nic, Chiara und Pelin hörten, dass Adisa im Krankenhaus sei und sie gingen<br />

gleich ins Krankenhaus, wo Adisa lag. Sie wollten mit ihr reden.<br />

Pelin fragte sie: „Warum hast du so was versucht. Hast du gar nicht an uns<br />

gedacht?“<br />

Adisa kamen die Tränen, und sie flüsterte: „Ich hab an euch gedacht, aber<br />

ich dachte, das sei die einzige Lösung.“<br />

Chiara fragte: „Aber warum hast du das gemacht, welchen Grund hattest<br />

du dafür?“<br />

Sie sagte: „Okay, ich sag es. Ich hab es wegen Nic gemacht, weil ich in ihn<br />

verliebt war und er sagte, dass er jemand an<strong>der</strong>es liebt. Deswegen hab ich es<br />

gemacht.“<br />

Ihr kamen die Tränen. Nic war geschockt.<br />

Adisa sagte: „Aber jetzt weiß ich es. Es war eine dumme Idee, ich mach es<br />

nie wie<strong>der</strong>.“<br />

Nic war in dem Moment sprachlos. Nachdem alles geklärt und besprochen<br />

war, gingen die drei Freunde nach Hause, und Adisa musste noch einen Tag<br />

im Krankenhaus bleiben.


88 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Loreen Mateo und Haris Kurtalić<br />

Kapitel 28<br />

Adisa und die an<strong>der</strong>en trafen sich zum ersten Mal nach langer Zeit wie<strong>der</strong><br />

im Café. Sie sprachen wie immer über die alltäglichen Dinge. Eigentlich war<br />

es wie immer, jedoch wollte die Stimmung einfach nicht mehr so aufkommen<br />

wie sonst.<br />

Irgendwie traurig, dachte sich Nic. Er schaute auf Adisa. Sie sah wie<strong>der</strong> genauso<br />

aus wie sonst, aber irgendwie nicht glücklich. Es schien so, als wolle<br />

sie irgendwas verkünden.<br />

„Ist alles klar bei dir?“ fragte Nic unsicher.<br />

„Na klar“, sagte sie und lächelte etwas schief.<br />

Nic glaubte ihr nicht, aber er wollte auch nicht weiter fragen.<br />

„Gehen wir ein bisschen in die Stadt? Bummeln o<strong>der</strong> so?“ fragte Pelin.<br />

„Okay“, antworteten Nic und die an<strong>der</strong>en.<br />

Auf dem Weg in die Stadt waren alle seltsam ruhig. Jeden plagte noch <strong>der</strong><br />

Gedanke an den Selbstmordversuch Adisas und das Verschwinden Chiaras.<br />

Nach einer Weile hielt es Pelin nicht mehr aus und sie fing an, drauf los zu<br />

plappern.<br />

„Hey, habt ihr schon das neue Kleid gesehen, in diesem megageilen Laden?“<br />

fragte sie in die Runde. Niemand reagierte.<br />

„Mh, ihr seid ja gesprächig.“ Pelin war enttäuscht. Jetzt wo alles vorbei war,<br />

konnte doch wie<strong>der</strong> alles so werden wie früher, o<strong>der</strong>?!<br />

„Sorry, Pelin. Ich denke nur grade etwas nach, vielleicht ist es besser, wenn<br />

ich erst <strong>mal</strong> nach Hause gehe. Tut mir Leid, ich wünsch euch noch viel Spaß,<br />

man sieht sich“, sagte Adisa und ging.<br />

Nic guckte ihr trotzig hinterher.<br />

„Oh Mann“, murmelte er.<br />

Die Drei gingen in ein paar Geschäfte, dann liefen sie nach Hause. Bei <strong>der</strong><br />

Hälfte des Weges trennte sich Pelin von ihnen. Sie musste noch dringend<br />

was holen.<br />

„Nic, ist alles okay bei dir? Du guckst so traurig…“, fragte Chiara.<br />

Loreen Mateo und Haris Kurtalić: Kapitel 28 89<br />

„Naja, ich hab so ein komisches Gefühl. Aber ist schon okay.“<br />

Der Rest des Weges verlief wortlos. Zehn Minuten später waren sie vor<br />

Chiaras Haus angekommen.<br />

„Ich meld mich einfach <strong>mal</strong> bei dir, wir wollten morgen vielleicht ins Kino,<br />

okay?“ sagte Chiara.<br />

„Okay, bis dann“, sagte er leise und ging.<br />

„So kann es doch nicht bleiben. Unsere ganze Freundschaft geht kaputt“,<br />

murmelte Chiara auf dem Weg zur Tür.<br />

Sie war traurig.<br />

Am nächsten Morgen stand Chiara mit heftigen Kopfschmerzen auf. Sie<br />

lief in die Küche, alles war unaufgeräumt. Und als hätte das nicht schon<br />

gereicht, stolperte sie über ihre Schuhe. „Na, <strong>der</strong> Tag kann ja nur noch besser<br />

werden.“ Das Telefon klingelte.<br />

„Ja , Hallo?“ sagte Chiara mit genervter Stimme.<br />

„Oh, ich kann auch später noch <strong>mal</strong> anrufen, wenn du willst“, meinte Adisa<br />

eingeschüchtert.<br />

„Ne, ne, passt schon. Was is’n los?”<br />

Chiara versuchte freundlich zu klingen, doch das klappte irgendwie nicht.<br />

Sie wollte es sich zwar nicht eingestehen, aber <strong>der</strong> Gedanke verfolgte sie,<br />

Adisa wäre an allem Schuld. An <strong>der</strong> schlechten Stimmung zwischen allen,<br />

und dass die Freundschaft bald an all dem zerbrechen würde. Manch<strong>mal</strong><br />

wünschte sie sich, dass sie Adisa einfach wegzaubern könnte. Aber das war<br />

natürlich unwahrscheinlich.<br />

„Naja, wir wollten doch ins Kino gehen? Wann sollen wir uns denn treffen,<br />

und vor allem, in welchen Film gehen wir?“ fragte Adisa.<br />

Chiara überlegte.<br />

„Da läuft grad so’n cooler Film mit Brad Pitt. Der soll gut sein, hab ich gehört“,<br />

sagte Chiara lustlos.<br />

„Okay, ich sag dann den An<strong>der</strong>en Bescheid, rufst du Nic an?“<br />

„Warum ich? Ruf du ihn doch an, er ist dein Freund!“<br />

Für einen kurzen Moment war Adisa still.<br />

„Okay, wir sehen uns dann später, ciao“, sagte sie und legte auf.<br />

Chiara schaute in den Spiegel. Sie war so wütend, sie wollte einfach <strong>mal</strong> alles<br />

rauslassen, aber es ging nicht. Sie liebte Nic. Nic liebte jedoch Adisa. Und<br />

Adisa machte Probleme. Und das war das, was Chiara nicht gefiel. Eigentlich<br />

hatte Adisa doch alles, was sie sich gewünscht hatte. Chiara verstand es


90 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

einfach nicht. Nach langem Grübeln war es ihr dann auch egal. Sie machte<br />

sich frisch und räumte die Wohnung auf. Zwischendrin rief ein alter Bekannter<br />

an. Früher waren sie gut miteinan<strong>der</strong> befreundet gewesen, mittlerweile<br />

verloren sie den Kontakt zueinan<strong>der</strong>. Sie freute sich über den Anruf<br />

und sah dann all das, was geschah, nicht mehr so schief. Um die Mittagszeit<br />

trafen sich Nic, Chiara und Pelin. Adisa war nirgends zu sehen.<br />

„Man, wo bleibt sie denn“, meinte Chiara genervt.<br />

Nic schaute sie böse an.<br />

„Was hast du jetzt eigentlich für ein Problem, als ob du dich noch nie ver-<br />

spätet hättest!“ meinte er sauer.<br />

„Ich hab kein Problem, ich hab einfach keine Lust, den Film zu verpassen.“<br />

Chiara wirkte traurig, so was hätte sie nicht von ihm erwartet.<br />

„Ich hab das Gefühl, dass du was gegen Adisa hast, kann das sein?“ fragte<br />

Nic.<br />

„Wenn auch, was würde es än<strong>der</strong>n“, murmelte Chiara.<br />

„Da kommt sie.“<br />

Irgendwie freute sich Nic aber nicht. Kein Wun<strong>der</strong> – bei dem Gesicht, das<br />

Adisa zog.<br />

„Hey, was’n los? Du siehst so aus, als würde dich was bedrücken?“ fragte<br />

Nic.<br />

„Hey. Also, na ja. Ich hab vorhin einen Entschluss getroffen. Ich möchte weg<br />

hier. Irgendwie neu beginnen. Weiterstudieren. Vor allem will ich einfach<br />

nicht mehr hier bei den vielen Erinnerungen sein. Ich will euch nicht die<br />

Freundschaft zerstören und nicht einfach in alle Dinge reinpfuschen. Ich<br />

hoffe, ihr versteht das.“<br />

Adisa fiel es schwer, dies zu sagen. Aber ihrer Meinung nach war es das<br />

Richtige.<br />

„Aber…“<br />

„Nein, nicht Aber, Nic. Es ist besser so, und ich habe vor, heute noch mit<br />

euch einen tollen Tag zu verbringen. Denn ich möchte so schnell wie möglich<br />

gehen!“<br />

Die an<strong>der</strong>en schauten sich an. Chiara dachte nach: „Die ganze Zeit hab ich<br />

mir genau DAS gewünscht. Und nun fällt es mir schwer, das zu hören. Ich<br />

fühle mich so, als ob ich daran schuld wäre. Oh Mann. Nic wird so sauer auf<br />

mich sein, jetzt geht die Freundschaft erst richtig kaputt!“<br />

„Hey, schaut doch nicht alle so“, lächelte Adisa, „<strong>der</strong> Film fängt bestimmt<br />

schon an, gehen wir rein.“<br />

Loreen Mateo und Haris Kurtalić: Kapitel 28 91<br />

Sie gingen ins Kino.<br />

„Bist du dir sicher? Willst du uns wirklich verlassen?“ fragte Pelin während<br />

des Filmes.<br />

„Es ist besser so, glaub mir.“ Adisa war sich ihrer Sache sicher.<br />

Nach dem Film gingen sie noch etwas trinken. Dann musste Adisa nach<br />

Hause, Koffer packen. Nic, Chiara und Pelin verabschiedeten sich von ihr.<br />

Auf dem Heimweg dachte sie noch <strong>mal</strong> nach, sie fand keinen Grund, da zu<br />

bleiben. Den Rest des Weges war sie in Gedanken verloren. Derweil saßen<br />

Pelin, Nic und Chiara noch in <strong>der</strong> Bar und unterhielten sich über Adisa.<br />

„Vielleicht ist es gar nicht so ne schlechte Idee. Adisa muss <strong>mal</strong> wie<strong>der</strong> runterkommen<br />

und auf an<strong>der</strong>e Gedanken kommen vor allem! Ich denke, dass<br />

sie uns allen sehr fehlen wird, aber das Leben geht weiter“, sagte Nic.<br />

Chiara war erstaunt. Dass so was von ihm kommen würde, hätte sie sich nie<br />

gedacht. Die beiden Mädels stimmten ihm zu. Dann gingen sie nach Hause,<br />

alle mit dem Gedanken an Adisa.


92 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Aleksej Kurmantschuk<br />

Kapitel 29<br />

An diesem kühlen und grauen Tag fuhren die vier Freunde zum Hautbahnhof,<br />

um Adisa zu verabschieden. Sie fuhren mit <strong>der</strong> U-Bahn da hin, es war<br />

fast niemand da, nur die vier Freunde und ein Paar. Als sie am Hautbahnhof<br />

ankamen, schauten sie zuerst auf die Anzeigetafel. Es war noch eine Stunde<br />

übrig, bis <strong>der</strong> Zug von Adisa abfuhr, denn er hatte sich verspätet.<br />

Also schlug Nic vor: „Kommt, wir gehen noch einen Kaffee zusammen<br />

trinken.“<br />

„Hört sich gut an“, meinte Adisa, „ einen Kaffee mit meinen Freunden.“<br />

Je<strong>der</strong> bestellte sich seine Lieblingssorte. Sie saßen alle an einem Tisch und<br />

redeten.<br />

„Hey Adisa, wohin fährst du eigentlich?“ fragte Chiara.<br />

„Ich fahr nach München und studiere dann dort“, meinte Adisa.<br />

„Ach komm, bleib doch hier, du kannst doch hier auch studieren. Und deine<br />

ganzen Freunde sind hier“, sagte Pelin.<br />

„Ja, das stimmt schon, aber in München leben meinen ganzen Verwandten“,<br />

sagte Adisa.<br />

„Da kann man nichts machen, das ist allein deine Entscheidung“, sagte Nic<br />

zu Adisa.<br />

„Ich danke dir, das du meine Entscheidung akzeptierst, Nic – und was ist<br />

mit euch?“ fragte Adisa Pelin und Chiara.<br />

„Wenn es dein Wunsch ist, dann akzeptieren wir das auch“, meinten die<br />

beiden Mädchen.<br />

Als sie mit Kaffee trinken fertig waren, stand <strong>der</strong> Zug schon auf dem Gleis<br />

und man hörte die Lautsprecher: „Der Zug nach München fahrt in zehn<br />

Minuten, also steigen Sie bitte schon <strong>mal</strong> ein.“ Also war es Zeit, sich zu<br />

verabschieden. Die Freunde standen neben dem Zug.<br />

Zuerst verabschiedete sich Nic: „Na, dann wird es Zeit, Abschied zu<br />

nehmen.“<br />

Aleksej Kurmantschuk: Kapitel 29 93<br />

„Ja, willst du mir noch was sagen o<strong>der</strong> war es das schon,“ meinte Adisa.<br />

„Ja, da gibt es schon noch was, das ich dir sagen muss. Die Zeit mit dir zu<br />

verbringen war echt super und hat auch sehr viel Spaß gemacht. Bleiben wir<br />

im Kontakt?“ fragte Nic sie. Daraufhin meinte Adisa: „Na klar, das ist doch<br />

selbstverständlich.“<br />

Nic umarmte sie noch ein<strong>mal</strong> und ging zu den An<strong>der</strong>en zurück. Chiara und<br />

Pelin verabschiedeten sie zusammen. Sie liefen auf sie zu und umarmten<br />

sie.<br />

„Also, jetzt ist es soweit, wir müssen Abschied nehmen“, meinten die beiden,<br />

als sie zu weinen begannen.<br />

„Ihr seid meine besten Freundinnen, ich werde euch nie vergessen“, sagte<br />

Adisa zu ihnen.<br />

„Und wenn du <strong>mal</strong> Probleme hast, dann ruf uns an. FREUNDE FÜRS<br />

LEBEN“, sagten Nic, Chiara und Pelin zu Adisa, die schon stark weinte.<br />

Und dann hörte man die Lautsprecher: „Letzter Aufruf nach München, bitte<br />

einsteigen.“<br />

„Okay, dann gehe ich <strong>mal</strong> in den Zug“, sagte Adisa zu den An<strong>der</strong>en.<br />

Als sie im Zug Platz am Fenster genommen hatte, sah sie, dass Nic mit<br />

Chiara Händchen hielt. Da war ihr gleich klar, dass sie zusammen waren.<br />

Als <strong>der</strong> Zug losfuhr, winkten sie ihr zu und gingen langsam weg.


94 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Hey Adisa,<br />

Elias Brenneisen<br />

Kapitel 30<br />

Epilog<br />

na, wie geht’s dir so? Mir geht’s ganz gut, ich habe mein Studium abgebrochen<br />

und arbeite nun im Café. Nic und Chiara kommen auch ab und zu, aber ich<br />

treffe mich nur noch selten mit ihnen. Weil sie so miteinan<strong>der</strong> beschäftigt sind,<br />

dass ich gar keine Chance habe, mit ihnen Blickkontakt aufzunehmen o<strong>der</strong><br />

gar zu reden. Ich will nicht sagen, dass Nic ein Angeber ist, aber er schwärmt<br />

Chiara immer noch vor, wie toll er sie vor dem Verehrer verteidigt hätte und<br />

wie toll er jetzt Fußball spielen könnte.<br />

Es wun<strong>der</strong>t mich dann aber, warum Chiara nicht zu seinen Spielen kommen<br />

darf. Ich habe <strong>mal</strong> zugeschaut, er spielt im linken Mittelfeld, und glaub mir,<br />

er spielt nicht so toll, wie er es behauptet. Nach dem Spiel kam er dann zu mir<br />

und hat mir gesagt, dass ich es auf keinen Fall Chiara erzählen dürfte, dass<br />

ich da war.<br />

Der heimliche Verehrer heißt Dragoslav. Er ist eigentlich total nett…<br />

Naja, ich hab mich in ihn verliebt… Wir haben uns jetzt schon oft getroffen.<br />

Ach, ich erzähl dir das jetzt <strong>mal</strong>. Ich habe ihn im Café gesehen, und als ich<br />

fertig war und nach Hause gegangen bin, lief er mir nach. Ich wollte gerade<br />

die Polizei rufen, als er mich rief… Ich hatte so eine Angst, aber er wollte sich<br />

nur entschuldigen, dass er Nic letztes Jahr so zugerichtet hatte. Ich sagte ihm<br />

dann, dass er das nicht mir sagen müsste, son<strong>der</strong>n Chiara, weil sie noch sehr<br />

wütend auf Dragoslav war. Wir kamen dann ins Gespräch, und irgendwann<br />

fragte ich ihn nach seiner Handynummer. Er gab sie mir und ich rief ihn ein<br />

paar Mal an und wir trafen uns immer öfter. Ja, und jetzt liebe ich ihn. Das<br />

Café ist jetzt viel größer, wir haben die Terrasse vergrößert und es gibt jetzt<br />

drei Aufenthaltsräume, einen für die Jugendlichen, einen für die Erwachsenen<br />

und einen für die älteren Damen und Herren aus dem Seniorenheim. Es ist<br />

jetzt auch viel schöner geworden. Die Wände haben jetzt ein helles Grün und<br />

die Theke ist leicht rot.<br />

Elias Brenneisen: Kapitel 30 – Epilog 95<br />

Ich fände es schön, wenn du <strong>mal</strong> wie<strong>der</strong> kommen könntest. Ich bin wie<strong>der</strong> bei<br />

meinen Eltern eingezogen. Mir hat das Geld gefehlt. Wenn ich wie<strong>der</strong> genügend<br />

Geld habe, nehme ich an einem Auslandssemester in Spanien teil. Mir<br />

gefällt es dort. Du kannst doch Spanisch, o<strong>der</strong>? Vielleicht könnten wir ja zusammen<br />

fahren. Wir könnten ja dann eine Wohnung zusammen mieten, und<br />

dann ein Semester in Spanien bleiben. Meine Eltern streiten sich zurzeit total<br />

oft, aber ich glaube, das liegt dies<strong>mal</strong> nicht an mir. Ich hoffe, dass es dir auch<br />

gut geht. Denk <strong>mal</strong> drüber nach, ob du das mit dem Semester machen willst.<br />

Wir müssen ja nichts mit Nic und Chiara machen, zumindest habe ich keine<br />

Lust auf die zwei. Die würden nur negative Stimmung rein bringen.<br />

Also, wie gesagt, denk <strong>mal</strong> drüber nach und schreib mir dann o<strong>der</strong> ruf mich<br />

dann an. Meine Handynummer hast du ja.<br />

Hab’ dich lieb.<br />

Deine Pelin.


96 <strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong>


<strong>Erzähl</strong> <strong>mal</strong>!<br />

<strong>Glut</strong> <strong>der</strong> <strong>Eifersucht</strong><br />

Ein Roman · Publikation <strong>der</strong> Prosa-Werkstatt in <strong>der</strong> Klasse 8b<br />

an <strong>der</strong> Schlossrealschule Stuttgart im Schuljahr 2007/2008<br />

Dozent: Tilman Rau · Verantwortliche Lehrerin: Rebecca Müller<br />

Literatur machen – Unterricht im Dialog:<br />

Schreibwerkstätten im Deutschunterricht<br />

Ein Projekt des Literaturhauses Stuttgart.<br />

In Kooperation mit dem Landesinstitut für Schulentwicklung<br />

und den Seminareinrichtungen für Lehrerinnen und Lehrer<br />

in Baden-Württemberg.<br />

Geför<strong>der</strong>t durch die Robert Bosch Stiftung.<br />

Copyright: Die Rechte für die einzelnen Beiträge liegen bei den Autoren.<br />

Die Rechte für die Gesamtausgabe liegen beim Literaturhaus Stuttgart.<br />

Kontakt: Literaturhaus Stuttgart, Erwin Krottenthaler<br />

Boschareal, Breitscheidstraße 4, 70174 Stuttgart<br />

Tel.: 0711 / 220 21 741<br />

Fax: 0711 / 220 21 748<br />

E-Mail: info@literaturhaus-stuttgart.de<br />

www.literaturmachen.de

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