Erzähl mal! Glut der Eifersucht - Literaturmachen

40 Glut der Eifersucht
Und wie geht es eigentlich meiner Tante, von der hab ich auch schon lange
nichts mehr gehört. Ich hoffe, die Herzoperation ist gut verlaufen. Seit ich hier
in Stuttgart wohne, habe ich gar keine Zeit mehr für meine alten Freunde und
für meine Familie. Und mit meiner Modelkarriere geht es auch gerade bergab.
Ich glaube, es ist besser, wenn ich jetzt sofort meine Tante im Kranhaus anrufe.
Ich muss ja wissen, wie es ihr geht, aber ich muss auch Nic anrufen, am
besten, ich erledige das alles morgen, es ist sowieso schon zu spät dafür.
Ich hätte vielleicht gleich schon am Anfang alles anders machen sollen. Ich
hätte mich nie in Nic verlieben sollen, dann wäre Chiara vielleicht nicht
verschwunden und ich müsste mir keine Sorgen darüber machen, dass ich
daran schuld bin.
Ich bin voller Liebe für Nic. Wenn das alles mit Chiara nicht wäre, würde
unsere Liebe halten bis wir sterben, ich weiß es!
Ich möchte wissen, was Nic gerade denkt, ob er sein Tagebuch voll schreibt,
falls er eins hat, weil bei ihm grade so viel im Kopf herumschwirrt. Ob er mich
genauso liebt wie ich ihn? Oder nicht? Ob er Chiara genauso liebt wie mich?
Ob er mich überhaupt noch liebt?
Es gibt so viele Fragen, die ich beantwortet haben will, die ich aber nie beantwortet
bekomme, oder doch?
HILFE, in meinem Kopf ist ein großes Fragezeichen. Zum Beispiel: gestern
wollte ich von Nic wissen, ob er mich liebt. Er antwortete leise und überhaupt
nicht bei der Sache: „Ja natürlich, was fragst du?“
So kann es nicht weiter gehen, es muss sich etwas ändern, ich weiß es. Und es
muss bald geschehen, denn sonst werde ich noch verrückt und muss in eine
Klapse.
Haha, ich muss schon selbst über mich lachen, über meine Dummheit. Ich
glaube, ich muss jetzt schlafen gehen und in der Nacht über alles nachdenken
– über meine Zukunft und über meine Vergangenheit mit Nic und meiner
Modelkarriere. Ich will wieder klein sein und bei meiner Mutter leben, in die
Schule gehen und noch mal von vorne anfangen, aber das geht nicht mehr, es
ist zu spät. Ich geh jetzt schlafen, mal sehn, was morgen passiert – also dann
gute Nacht, bis morgen!
Adisa
Kim Zeger: Kapitel 12 41
Kim Zeger
Kapitel 12
„Ding – dong“, läutete es an der Türe. Nic machte auf und sah Adisa und
Pelin: „Hallo, schön, dass ihr da seid.“
„Ja, da haben wir Glück gehabt, dass wir dem Regen gerade noch entkommen
sind.“
„Habt ihr einen Film dabei?“ fragte Nic.
„Ja“, antwortete Adisa.
„Welchen denn?“ fragte Nic neugierig.
„Lass dich überraschen“, antwortete Pelin nur.
„Hier riecht es aber gut“, meinte Adisa.“
„Ich habe Popcorn gemacht, kommt doch rein“, sagte Nic.
Sie machten es sich auf dem roten Sofa bequem. Nic legte die DVD ein. Sie
konnten sich gar nicht richtig auf den Film konzentrieren. Obwohl er sie
eigentlich von Chiara ablenken sollte, dachten sie alle an sie. Wie es ihr
wohl geht, wo sie ist, was sie macht und ob sie überhaupt noch lebt. Diese
Gedanken brachte Pelin den Tränen nahe.
Plötzlich klingelte das Telefon. Nic ging in den Flur und hob den Hörer
ab. Adisa und Pelin hörten nur, wie Nic immer wieder „Ja“, „Ach echt?“,
„Wirklich? “ und „…“ sagte. Nach zehn Minuten kam er wieder ins Wohnzimmer
und berichtete: „Es war jemand von der Polizei, denn…“
„Was wollte er?“ fiel Pelin ihm ins Wort. „Hat er etwas über Chiaras heimlichen
Verehrer herausgefunden?“
„Und ob“, antwortete Nic. „Er ist wegen Körperverletzung und Vergewaltigung
vorbestraft.“
„Das ist ja schrecklich“, warf Adisa erschrocken ein.
„Außerdem hat er noch gesagt, dass Adisa und ich auch eine Aussage
machen müssen und deshalb morgen um halb zehn am Polizeirevier sein
sollen“, sagte Nic.