KinderschutzBund München: Jahresbericht 2007/2008
KinderschutzBund München: Jahresbericht 2007/2008
KinderschutzBund München: Jahresbericht 2007/2008
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Aus dem Alltag der FamilienHilfe<br />
Erster Familienbesuch<br />
Vor dem Erstkontakt mit der Familie ist man<br />
schon ein bisschen aufgeregt. Wie werde ich als<br />
Familienhelferin angenommen? Wie wird es sein,<br />
deutlich zu machen, dass es um »Hilfe zur Selbsthilfe«<br />
geht? Es ist ein langsamer, behutsamer<br />
Prozess mit aktivem Zuhören. Wie unsere wunderbare<br />
Supervisorin zu sagen pflegt: »Halt!<br />
Langsam – wir haben es eilig!« Das bedeutet so<br />
viel wie, den Koffer mit Ratschlägen, den man<br />
gleich analytisch und praktisch bepackt zur Hand<br />
hat, erst einmal beiseite stellen. Nicht leicht, da<br />
man ja gleich loslegen und verändern will.<br />
Es ist ein äußerst zufrieden machender<br />
Moment, wenn man dann nach einiger Zeit spürt,<br />
wie sich etwas entwickelt, wie z. B. Freude aufeinander,<br />
Zutrauen zu sich selbst und Zuversicht,<br />
dass sich die Lebenssituation der betreuten Familie<br />
bessert. Oft sind zunächst praktische Hilfen<br />
gefragt, wie Formulare ausfüllen, Besuche bei<br />
Ärzten, Essen besorgen, wenn alle Vorräte aufgebraucht<br />
sind, und vieles mehr. Besondere Glücksmomente<br />
sind es, wenn man mit den Kindern<br />
einmal ungestört Memory oder Mensch-ärgere-<br />
Dich-nicht spielen kann und sie dabei die so<br />
nötige Zuwendung erfahren.<br />
Es gibt auch immer wieder Augenblicke,<br />
die eine beklemmende Betroffenheit auslösen.<br />
Aber man lernt, diese »beladenen Taschen« da zu<br />
lassen, wo sie hingehören. Auch wenn man im<br />
gleichen Atemzug intensiv nach Verbesserungen<br />
für die Familie sucht. Ein vielfältiges Netzwerk<br />
an erfahrenen Familienhelferinnen und unsere<br />
Supervisorin stehen dann zur Seite, hören zu und<br />
kümmern sich einfühlsam. Man lernt dabei Unglaubliches<br />
dazu – auch für das eigene Leben.<br />
Die Familien werden meist über die Zeit<br />
von zwei Jahren betreut. Dann geht es auf zur<br />
nächsten Herausforderung. So bunt und vielschichtig<br />
wie das Leben ist auch die Situation der<br />
um Hilfe bittenden Familien. Für jeden ist eine<br />
dabei ... in die man sich fast ein bisschen verliebt.<br />
(Heidi Schels, Supervisorin)<br />
Neugierig geworden? Melden Sie sich,<br />
und machen Sie mit!<br />
Johanna Tenschert<br />
ehrenamtliche Familienhelferin<br />
Manchmal eskaliert die Situation<br />
»Meine« zwei Jungen (vier und sieben Jahre alt)<br />
und ihre Mutter sind besonders nett und liebenswert.<br />
Doch es gibt auch noch einige traurige Sei-<br />
ten. Die Mutter ist an MS erkrankt und braucht<br />
außer Haus einen Rollstuhl. Sie hat aus triftigen<br />
Gründen ihren Mann verlassen und musste nun<br />
in einer neuen Umgebung Freunde finden.<br />
Wegen des Scheidungsstresses und der<br />
schwierigen finanziellen Situation liegen die<br />
Nerven blank, und manchmal eskaliert die Situation.<br />
Dann helfen Gespräche, in denen wir gemeinsam<br />
nach Lösungen suchen. Danach entspannt<br />
sich die Atmosphäre meist wieder, der<br />
»Spuk« ist vorbei, und die Drei können wieder<br />
glücklich lächeln.<br />
Katja Lieven<br />
ehrenamtliche Familienhelferin<br />
Hilferufe nach Entlastung<br />
»Meine« Familie wohnt in einem Asylbewerberheim.<br />
Wir kennen uns nun seit über einem Jahr.<br />
Die Mutter kam vor einigen Jahren aus einem<br />
Kriegsgebiet hierher. Ihr kleiner Sohn war damals<br />
vier Monate alt, sie selbst noch nicht volljährig,<br />
mit lückenhaften Deutschkenntnissen. Die Schule<br />
hatte sie wegen der Schwangerschaft abgebrochen.<br />
Die eingeschalteten Behörden versprachen<br />
sich durch die Betreuung der FamilienHilfe eine<br />
Verbesserung des Kontaktes zu Mutter und Sohn.<br />
Es dauerte jedoch einige Monate, bis eine Vertrauensbasis<br />
aufgebaut war.<br />
Da ein zweites Kind erwartet wurde, war<br />
besonders Hilfe im häuslichen Bereich sowie bei<br />
Ärzten und Behörden gefragt. Schwierig war<br />
stets die Einhaltung von Fristen und Terminen,<br />
und ich versuchte, die bei Ämtern besprochenen<br />
Sachverhalte verständlich zu machen. Zusätzliche<br />
Probleme kamen auf, als kurzfristig die Verlegung<br />
des Asylbewerberheimes angeordnet wurde.<br />
Auch familiäre Differenzen mit dem Vater der<br />
Kinder traten auf – und das alles wenige Wochen<br />
vor der Niederkunft.<br />
Viele Hilferufe erreichten mich in dieser<br />
Zeit, und zahllose persönliche und telefonische<br />
Gespräche waren nötig, um etwas Entlastung zu<br />
schaffen.<br />
Nach der Geburt des zweiten Jungen kam<br />
die Familie in »ruhigeres Fahrwasser«, wenngleich<br />
die Beziehungsprobleme immer wieder<br />
Aufregung und Verzweiflung hervorriefen. Der<br />
größere Junge soll nun ab Herbst eine Kinderkrippe<br />
besuchen, um wenigstens zeitweise der<br />
Enge und Unruhe in der Unterkunft zu entkommen.<br />
In diesen Tagen wird er angemeldet, und<br />
wir hoffen, dass er einen Platz erhält.<br />
Gerlinde Niggl<br />
ehrenamtliche Familienhelferin<br />
FamilienHilfe 45