0.32 __ //// OKÖHAUS - EINE BILANZ kommen. Das <strong>Rostock</strong>er Anti-Atom-Bündnis trifft sich wöchentlich im Ökohaus und nutzt die Infrastruktur für die Planung und Vorbereitung von Aktionen. Im Ökohaus liefen auch die Fäden zusammen für die Anmeldungen für Busfahrten zur Menschenkette zwischen Krümmel und Brunsbüttel und ins Wendland. Auch wenn ich mich zeitweilig wie in einem Reisebüro für Anti-Atom-Protest-Reisen fühlte („Ja, wir haben noch einen Platz frei.“), war es doch schön zu erleben, dass es ein enormes Potential gibt. Viele Menschen in <strong>Rostock</strong> wollen sich engagieren und die Ereignisse in Japan zeigen, wie wichtig dieses Engagement ist, damit wir endlich umdenken! Wer etwas will, sucht Wege, wer etwas nicht will, sucht Gründe In den letzten vier Jahren habe ich zusammen mit meiner Kollegin Arne Schneider das Bildungsprojekt „Nachhaltig Leben Lernen“ aufgebaut. Unser pädagogisches Ziel war es, Menschen für eine nachhaltige Lebensweise zu motivieren und zu befähigen. Die Teilnehmer/innen unserer Bildungsveranstaltungen sollten Kompetenzen erwerben, um aktiv und eigenverantwortlich die Zukunft gestalten zu können. Um eine größere Ausstrahlungskraft zu entfalten, haben wir Multiplikator/innen ausgebildet. Allein 2010 haben mehr als 80 Menschen an den Schulungen teilgenommen. Die Multiplikator/innen gestalteten in ganz Mecklenburg-Vorpommern eigenverantwortlich 150 Bildungsprojekte mit Schulklassen und Erwachsenengruppen. Die Themenpalette reichte von Klimagerechtigkeit über Ressourcenverbrauch am Beispiel Wasser und Regenwald bis zu globaler Ernährung, Fairem Handel und Kindersklaverei in der Kakaoproduktion. Bei allen Themen geht es immer darum, Handlungsoptionen mit den Teilnehmer/innen zu erarbeiten: Es gibt dafür mindestens drei Ebenen: 1. Ich kann ein/e bewusste/r Konsument/in sein. 2. Ich kann in meinem beruflichen und sozialen Umfeld für Veränderungen werben, zum Beispiel dafür, Recyclingpapier zu benutzen. 3. Ich kann politisch aktiv werden. Die Zusammenarbeit mit den Multiplikator/innen war für mich eine große Freude und Motivation: Ich habe das enorme Potential unseres gemeinsamen Arbeitens erlebt - kreativ, partizipativ und offen. Es gibt viel Kraft, mal nicht gegen ignorante Argumente anzukämpfen oder als idealistisch abgestempelt zu werden, sondern mit Gleichgesinnten nach Wegen zu suchen und dadurch auch selbst neue Ideen zu bekommen. Viele unserer Multiplikator/innen waren bei der Fahrt zum Klimagipfel in Kopenhagen dabei. Auch wenn der Gipfel selbst grandios gescheitert ist, war die Teilnahme für uns doch ein Erfolg. Mich persönlich hat besonders die Begegnung mit Vandana Shiva tief beeindruckt. Ihre Rede über die Folgen des Klimawandels für die Menschen in Indien und Südasien war so klar und gleichzeitig so kraftvoll. Wir können etwas verändern, wenn wir es nur wollen! Ich habe Lust mich einzumischen - trotz oder gerade wegen der komplexen und komplizierten Problemlagen. Der Ansatz für mein Engagement und für meine Motivation ist ganz einfach. Ich selbst kann jeden Tag neu entscheiden, was ich tue: Was ich einkaufe ... Wie ich mich fortbewege ...Worüber ich mit wem spreche ... Wofür ich mich engagiere ... Ich will mich in meinem Engagement nicht davon abhängig machen, ob und was die anderen tun. Sätze wie „Das bringt doch eh nichts“ oder „Da müssten ja alle mitmachen, damit es was nützt“, sind zwar nicht unwahr, aber sie lähmen. Sie machen mich manchmal persönlich traurig. Aber ich habe gelernt, mich davon nicht entmutigen zu lassen. In einer Schule in Stavenhagen, in der ich mit Schüler/innen und Lehrer/innen mit der interaktiven Ausstellung „Globales Klassenzimmer Mittelamerika“ arbeitete, habe ich folgenden Spruch gelesen: „Wer etwas will, sucht Wege. Wer etwas nicht will, sucht Gründe.“ Dieser Spruch ist seither mein Leitmotiv. Jeder Abschied ist ein Neubeginn ... Im letzten Sommer habe ich drei Wochen lang sieben Gäste aus Guatemala begleitet, die im Rahmen der Schulpartnerschaft mit dem Schulcampus Evershagen in <strong>Rostock</strong> zu Gast waren. Die Gespräche mit den Gästen, besonders mit der Lehrerin Martina Perez, haben mir gezeigt, wie wichtig die kleinen Schritte sind. Martina war beeindruckt von den vielen Projekten, z.B. für fairen Handel und ökologischen Landbau. Sie bat uns, diese Arbeit unbedingt fortzusetzen. Sie hätte dadurch soviel Zuversicht und Anregungen erhalten. Wir haben auch darüber gesprochen, dass es manchmal Pausen braucht, um weiter machen zu können. Es war Martina, die mir letztlich den Anstoß gab, über ganz persönliche Veränderungen nachzudenken. Ich habe in meiner Zeit bei Ökohaus viel gelernt, konnte viele meiner Ideen und Ideale verwirklichen. Nach fast 20 Jahren ehrenamtlicher und 13 Jahren hauptamtlicher Arbeit dort suche ich für mich nun neue Wege. Mein Abschied von Ökohaus ist kein Zeichen von Resignation sondern ein bewusster Schritt, um Kraft zu tanken, um Platz zu schaffen für neue Ideen und Freiraum für zukünftige Projekte. Meine eigenen Kinder sind jetzt groß, auch von daher ist ein Neubeginn für mich jetzt möglich. Ich will die Auszeit auch dafür nutzen, zu entscheiden, wofür ich mich in den nächsten 20 Jahren engagieren will. Aber zuerst gehe ich nach England, werde auf Biobauerhöfen und in anderen Projekten praktisch mitarbeiten und dabei ganz nebenbei mein Englisch verbessern. Und dann? Mal sehen - ob in <strong>Rostock</strong> oder anderswo - sicher werde ich mich auch weiterhin für eine nachhaltige Zukunft, Gerechtigkeit und Solidarität einsetzen. ¬
FOTO: TOM MAERCKER