FALSCHE PRIORITÄTEN - Stadtgespräche Rostock
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00.5 __ //// ENERGIEWENDE<br />
Um die angereisten DemonstrantInnen unterzubringen, gab es<br />
neben einem Camp vor allem eine Bettenbörse, bei der über<br />
400 Betten zu vergeben waren; viele davon auch in Ferienappartements.<br />
Noch vor drei Jahren demonstrierten beim letzten<br />
Atommülltransport lediglich 160 Menschen. Diesmal waren es<br />
über 3.500 TeilnehmerInnen bei der Auftaktdemonstration am<br />
11.12.2010, welche von einem breiten Bündnis organisiert<br />
wurde. Der Castor-Transport kam mit über 10 Stunden Verspätung<br />
im Zwischenlager an.Auch der zweite Transport im Februar<br />
2011 hatte mit erheblichen Verzögerungen zu kämpfen.<br />
Schon im Vorfeld des Transportes wurden viele Menschen mit<br />
dem Castor-Streckenaktionstag bundesweit entlang den Strekken<br />
mobilisiert. An mehr als 22 Orten zwischen Karlsruhe und<br />
Greifswald protestierten über 3000 Menschen. Der Transport<br />
hatte es von Anfang an schwer. Es war nicht willkommen, dass<br />
er überhaupt die Reise antrat. Überall waren die DemonstrantInnen,<br />
mal auf der Schiene, mal an der Schiene - immer mit<br />
dem Ziel vor Augen: So geht es nicht weiter.<br />
Das dezentrale Aktionenkonzept ging beim zweiten Mal noch<br />
besser auf. An mehr als 22 Orten entlang der Strecke gab es unterschiedlichste<br />
Aktionsformen wie Mahnwachen, Schienenchecks<br />
und Sitzblockaden. Schon am Startpunkt des Transports<br />
in Karlsruhe waren u.a. 700 Menschen an der Nachttanzblockade<br />
beteiligt. Dort rollte der Transport auf Straßenbahnschienen<br />
durch dichtbesiedelte Gebiete der Stadt. Im Raum<br />
Karlsruhe wurde eine allgemeine Verfügung ausgesprochen -<br />
alle Versammlungen entlang der Strecke waren verboten und<br />
Grundrechte außer Kraft gesetzt. Wenn Atompolitiik mit so<br />
undemokratischen Mitteln durchgesetzt werden muss, ist die<br />
Frage, ob sich die Atomkraft überhaupt noch rechtfertigen<br />
lässt.<br />
Auf dem Weg gen Norden kam es immer wieder zu kleineren<br />
und größeren Hindernissen - Menschen hingen an den Gleisen<br />
oder ketteten sich an. Mit der Aktion „Schienencheck“ inspizierten<br />
viele Gruppen die Castor-Strecke und sorgten immer<br />
wieder für Wirbel und ungeplante Stopps. Besorgniserregend<br />
und unverantwortlich war die Geschwindigkeit, mit der der<br />
Transport an Menschen vorbeiraste. Je näher der Transport<br />
sich dem ZLN näherte, desto häufiger wurden die Protestaktionen<br />
und fanden ihren Abschluss in den Sitzblockaden nahe<br />
Lubmin.<br />
Anlass zur Kritik gab vor allem das Verhalten der Polizei. Neben<br />
überproportional vielen Personen und Fahrzeugkontrollen<br />
stellte die Polizei rechtswidrig Platzverweise aus. Nachdem Widerspruch<br />
eines Aktivisten stellte das Verwaltungsgericht in<br />
Greifswald fest, dass aus dem Platzverweis weder hervorginge,<br />
welche Behörde den Platzverweis erlassen habe, noch die<br />
Rechtsgrundlage eindeutig sei. Zudem agierten die Beamten<br />
mit unverhältnismäßiger Gewaltanwendung bei der Mahnwache<br />
in Kemnitz, obwohl keine Straftaten begangen wurden und<br />
die Versammlung friedlich verlief. Die Beamten kesselten die<br />
Mahnwache ein und untergruben zum wiederholten Male das<br />
Versammlungsrecht, des Weiteren wurden DemonstrantenInnen<br />
mit gezielten Faustschlägen ins Gesicht Gewalt zugefügt.<br />
Insgesamt beteiligten sich mehr als tausend Menschen bundesweit<br />
an den Protestaktionen gegen den Atommülltourismus<br />
und die verantwortungslose Energiepolitik der Bundesregierung.<br />
Im Vergleich zum Castor-Transport im letzten Dezember<br />
gab es eine erfreuliche Zunahme der dezentrale Proteste und eine<br />
große Vielfalt an Protestformen, mit denen viele Menschen<br />
für die Atomproblematik sensibilisiert werden konnten. Die<br />
Besonderheit besteht darin, dass nicht alle zu Aktionen nach<br />
Greifswald fuhren, sondern vor Ort und an der Strecke aktiv<br />
wurden. Es gab eine breite Auftaktdemonstration, einen symbolischen<br />
„Castor-Transport“ zu Merkels Wahlkreisbüro in<br />
Stralsund, eine Lichterkette, Andachten, eine Demonstration,<br />
um rechte Heimatschützer von vornherein aus der Bewegung<br />
auszuschließen, eine Aktionswoche in Schwerin, viele Vorträge,<br />
Aktionstrainings und nicht zuletzt direkte Aktionen, wie mehrere<br />
Kletter- und Ankettaktionen von Greenpeace, Robin<br />
Wood und freien Aktivistinnen. Diese Vielfalt des Protestes,<br />
die seit Langem die Anti-Atom-Bewegung bereichert, zeigt<br />
dass sich Menschen aller Altersstufen am Widerstand beteiligen.<br />
Das Konzept ging auf, selbst die eingerechneten Zeitpuffern<br />
seitens der Polizei mit einkalkulierend kam der Transport verspätet<br />
an und wurde genauso lange aufgehalten wie der vorherige<br />
Transport im Dezember. Viele AtomkraftgegnerInnen haben<br />
sich den Protesten im Nordosten angeschlossen. Ein weiteres<br />
Ergebnis ist das Anti-Atom-Bündnis NordOst selbst. Innerhalb<br />
weniger Monate hat sich eine breite Bewegung aufgestellt,<br />
die trotz der historischen Verbundenheit zum ehemaligen<br />
AKW bei Lubmin, große Unterstützung und Sympathie in der<br />
Bevölkerung erhalten hat.<br />
Aktuelle Entwicklungen in Japan und die Reaktionen<br />
aus der Politik<br />
Unsere Gedanken sind bei den Menschen in Japan, die nicht<br />
nur mit den Folgen der Naturkatastrophe zu kämpfen haben,<br />
sondern auch noch der nuklearen Bedrohung ausgesetzt sind.<br />
Es ist nicht vorstellbar, was dort passiert ist und wie sich die Situation<br />
in den nächsten Tagen und Monaten weiter entwickeln<br />
wird. Die hiesigen PolitikerInnen sprechen jetzt von einer Zäsur<br />
und wollen deutsche AKW früher oder später stilllegen.<br />
Warum kommt da nur schwer Freude auf ?<br />
Erstens passiert dies vor dem Hintergrund der schrecklichen<br />
Ereignisse in Japan und zweitens fühlt man sich von den Politikerinnen<br />
für dumm verkauft. Diese Zäsur hätte es vor 25 Jahren<br />
nach dem Super-Gau in Tschernobyl geben müssen. Tausende<br />
Menschen haben durch die Katastrophe ihr Leben verloren<br />
und viele Weitere leiden an Spätfolgen - auch in Deutschland,<br />
wo radioaktive Partikel abgeregnet sind. Merkel und Co.<br />
wussten dies und haben trotzdem an ihrem „revolutionären“<br />
Energiekonzept mit Laufzeitverlängerungen festgehalten. Sie<br />
haben bewusst das Restrisiko kleingeredet, um der Atomindustrie<br />
riesige Profite zu ermöglichen. Dieses Restrisiko wird Japan<br />
jetzt zum Verhängnis und ist Grund für den Kurswechsel<br />
der Regierung. „Man habe nichts gewusst“ ist eine Verleugnung