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Gyps fulvus - Nationalpark Berchtesgaden

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nach Salzburger Vorbild diskutiert wird. Da die Salzburger<br />

Gruppe 1980 erstmals 2 Jungtiere in freier Wildbahn<br />

hervorgebracht hat, könnte so eine nordalpine, künstlich<br />

gestützte Gänsegeierbrutpopulation entstehen. Von<br />

einzelnen Kritikern wurde in diesem Zusammenhang<br />

der Vorwurf der Unnatürlichkeit erhoben. Dazu ist erstens<br />

zu sagen, daß sogar die gegenwärtige Geierverbreitung<br />

in diesem Sinne unnatürlich ist, da sie nur auf<br />

Grund von extensiver Weidewirtschaft bestehen kann<br />

und zweitens werden wir für viele Vogelarten noch viel<br />

Unnatürlicheres tun müssen als füttern, um sie überhaupt<br />

zu erhalten.<br />

Der Gefangenschaftsbestand an Gänsegeiern ist durch<br />

das Entgegenkommmen mehrerer Tiergärten ermöglicht<br />

worden. Besonders hervorzuheben ist hier der Zoo<br />

Rotterdam, der 2 Tiere seiner Zucht als Geschenk dem<br />

Projekt zu Verfügung stellte.<br />

Bartgeier haben etwa die gleiche Größe wie Gänsegeier,<br />

durch ihren langen Schwanz jedoch ein Flugbild, das<br />

eher einem Riesenfalken gleicht. Er ist der sagenhafte<br />

Lämmergeier der Alpen, den man bis hin zur Kindesentführung<br />

so ziemlich alles Schlechte angedichtet hat. In<br />

Spanien wußte man um seine Hauptnahrung offenbar<br />

immer schon besser Bescheid: dort heißt er Quebrantahuesos<br />

= Knochenbrecher. Der Ausrottungsfeldzug in<br />

den Alpen war systematisch und total, bis zur Jahrhundertwende<br />

war er praktisch aus dem Alpenbogen verschwunden.<br />

Auch in den anderen Verbreitungsländern<br />

erging es ihm nicht viel besser; in Europa leben heute<br />

nur mehr etwa 120 bis 150 Exemplare. Ausgehend von<br />

den Zuchterfolgen im Innsbrucker Alpenzoo wurde ein<br />

Gemeinschaftsprojekt WWF/Frankfurter Zoologische<br />

Gesellschaft ins Leben gerufen, das in drei Phasen aufgebaut<br />

ist:<br />

Phase 1: Zucht mit Hilfe von bereits in Gefangenschaft<br />

befindlichen Tieren.<br />

Phase 2: Vorbereitung der Ausbürgerung (Auswahl von<br />

Gebieten, Public Relation für den Bartgeier<br />

und die Greifvögel im allgemeinen)<br />

Phase 3: Freilassung mit Überwachung der Erfolges.<br />

Der neue und vielleicht richtungsweisende Weg bestand<br />

darin, die in Zoos gehaltenen Tiere heranzuziehen und<br />

unter den Hut des Projektes zu bringen. Sollte das Projekt<br />

der Freilassung scheitern, ist nichts weniger Schlimmes<br />

passiert, als daß aus Zoobeständen einer gefährdeten<br />

Tierart eine funktionierende Zuchtgruppe aufgebaut<br />

wurde. Die Einstellung der Tiergärten erwies sich als<br />

überaus kooperativ und unbürokratisch, wobei Dr. Faust<br />

von der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft eine<br />

tragfähige Plattform geschaffen hat. Mit einer Ausnahme<br />

(Westberlin) sind alle Bartgeier in europäischen Tiergärten<br />

unter dem Hut des Projektes vereint. Teilweise<br />

wurden Tiere leihweise zur Verfügung gestellt, teilweise<br />

verkauft und teilweise wurden in den Zoos selbst Paare<br />

zusammengestellt. Besonderer Dank gebührt hier dem<br />

Zoo Amsterdam, der dem Alpenzoo Innsbruck ein Weibchen<br />

zum Geschenk machte und damit die Fortführung<br />

der Zucht ermöglichte. Ein Großteil der Tiere befindet<br />

sich bei Dr. Frey von der Vet. med. Universität Wien, wobei<br />

diese Station von der Frankfurter Zoolog. Gesell­<br />

schaft finanziert wird. Von den in den Saisonen 1979 und<br />

1980 produzierten Jungvögeln (insgesamt 10 in der<br />

Schweiz, in Holland und Österreich) konnten bereits<br />

einige an Zoos zurückgegeben werden, die adulte Vögel<br />

zur Verfügung gestellt hatten. Diese Zoos werden im<br />

Rahmen des Projektes selbst an der Weiterzucht arbeiten.<br />

Das Gesamtprojekt erstreckt sich im Moment auf die<br />

Schweiz, Frankreich und Österreich, Kooperationsgespräche<br />

mit dem <strong>Nationalpark</strong> <strong>Berchtesgaden</strong> sind im<br />

Gange.<br />

Von einem Schweizer Wissenschafterteam wird simultan<br />

zur Phase 1 bereits an der Auswahl der Freilassungsgebiete<br />

gearbeitet. Für Österreich ist diese Frage<br />

von untergeordneter Bedeutung, da durch die bestehende<br />

"Geierhilfsinfrastruktur« für die Gänsegeier in den<br />

Hohen Tauern und durch die Anwesenheit dieser sich<br />

der Freilassungsplatz von selbst anbietet.<br />

Zweifellos ist die Anwesenheit von Gänsegeiern für die<br />

Freilassung von Bartgeiern ein Vorteil: sie kennen die<br />

Luftstraßen (Thermikentwicklungen), was für das hochalpine<br />

Gebiet von besonderer Bedeutung sein dürfte, sie<br />

kennen die Nahrungsquellen (u.a. den Futterplatz) und<br />

wirken als Anzeiger. Aus eigenen Beobachtungen in den<br />

Pyrenäen ist bekannt, daß sich Bartgeier sehr intensiv<br />

für Gänsegeieranhäufungen im Bereich ihres Territoriums<br />

interessieren.<br />

Noch nicht ausdiskutiert ist die Technik der Freilassung,<br />

da hier die zu erwartenden Erfahrungen mit den Gänsegeiern<br />

mit einbezogen werden. Unter Umständen werden<br />

hier die dem Projekt angeschlossenen Länder zunächst<br />

verschiedene Wege gehen. Fest steht jetzt<br />

schon, daß Jungtiere in Gruppen freigelassen werden<br />

sollen. Obwohl ab der Paarbildung territorial, verhalten<br />

sich junge Bartgeier durchaus sozial: aus Südafrika gibt<br />

es Beispiele für das gleichzeitige Auftreten von bis zu 7<br />

jungen Bartgeiern an Futterplätzen, die für den Cape<br />

Vulture errichtet wurden.<br />

Das Futterangebot ist derzeit wesentlich höher als zur<br />

Zeit der Ausrottung des Bartgeier, zumindest im ostalpinen<br />

Raum sind die Wilddichten teilweise um ein mehrfaches<br />

höher als im vergangenen Jahrhundert. Für die<br />

Brutzeit war der Nahrungsanteil, der von Jungtierkadavern<br />

stammt, immer schon bedeutungslos. Der Bartgeier<br />

ist ein Winterbrüter mit Eiablage im Dezember/Jänner,<br />

also zu Zeiten, wo nie Weidevieh aufgetrieben wurde.<br />

Im Hinblick auf das doch zunehmende Verständnis<br />

der Jägerschaft für die Greifvögel und unter Berücksichtigung<br />

der sicherlich notwendigen Pulic - Relation - Kampagne<br />

der Phase 2 vor der Aussetzung, ist das Risiko<br />

von Abschüssen (hoffentlich) nicht zu groß. Die geplante<br />

vollständige, telemetrische Verfolgung der freigesetzten<br />

Tiere zumindest in der Anfangsphase wird sicherlich helfen,<br />

etwaige Übergriffe aufzudecken. Ein echtes Problem<br />

könnte der unabsichtliche Fallenfang (Fuchseisen)<br />

darstellen. Hier wird ein enger Kontakt zur Jägerschaft<br />

notwendig sein, damit Verluste durch sorgfältige Wahl<br />

der Aufstellungsplätze der Fallen vermieden werden.<br />

Die im Gang befindliche Diskussion über die Sinnhaftigkeit<br />

des Fallenfanges an sich, die unter anderem auch<br />

aus gravierenden Tierschutzaspekten geführt wird,<br />

könnte auch dem Bartgeier nützen.<br />

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