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12 Einfache mechanische Systeme - THEP Mainz

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nicht eingeht. Nur der Term, der proportional zu ˙ϕ 2 ist, erscheint in der Bewegungsgleichung<br />

d ∂L ∂L d � � 2<br />

− = m (ℓ − c t) ˙ϕ = 0. (<strong>12</strong>.56)<br />

dt ∂ ˙ϕ ∂ϕ dt<br />

Auch hier wird die Bewegungsgleichung wieder in einer Form geliefert, aus der wir sofort den<br />

entscheidenden Erhaltungssatz ablesen können. In der Klammer steht natürlich wieder der Drehimpuls.<br />

Dass er erhalten ist, ergibt sich auch daraus, dass die Zwangskraft, die auf den Körper<br />

wirkt, eine Zentralkraft ist. Als Lösung findet man<br />

m (ℓ − c t) 2 ˙ϕ = pϕ ⇒ ˙ϕ =<br />

pϕ<br />

pϕ<br />

2 ⇒ ϕ(t) =<br />

. (<strong>12</strong>.57)<br />

m (ℓ − c t) c m (ℓ − c t)<br />

Für t → ℓ/c, wenn das Seil ganz eingezogen wird, wird der Körper offenbar immer schneller und<br />

umläuft das Zentrum unendlich oft. Berechnen wir die kinetische Energie als Funktion der Zeit,<br />

so ergibt sich<br />

T − 1<br />

2 m c2 = 1<br />

2 m (ℓ − c t)2 ˙ϕ 2 =<br />

pϕ 2<br />

2 → ∞ für t → ℓ/c. (<strong>12</strong>.58)<br />

2 m (ℓ − c t)<br />

Wo kommt diese Energie her? Sie muss offenbar als <strong>mechanische</strong> Leistung von der Zwangskraft<br />

aufgebracht werden, also von der äußeren Instanz geliefert werden, die das Seil verkürzt. Um das<br />

zu zeigen, berechnen wir für dieses Beispiel die Zwangskraft. Wir führen dazu auf dem Konfigurationsraum<br />

die zusätzliche Koordinate r ein und definieren die erweiterte Lagrange-Funktion<br />

mit einem Multiplikator λ und der Zwangsbedingung C = r − ℓ + c t,<br />

�L = 1<br />

2 m� ˙r 2 + r 2 ˙ϕ 2 � − λ (r − ℓ + c t). (<strong>12</strong>.59)<br />

Der Lagrange-Multiplikator ist dann bis auf das Vorzeichen die r-Komponente der Zwangskraft,<br />

und die ϕ-Komponente der Zwangskraft verschwindet,<br />

Aus der Bewegungsgleichung für r ergibt sich<br />

Zr = −λ ∂C<br />

∂r = −λ, Zϕ = −λ ∂C<br />

= 0. (<strong>12</strong>.60)<br />

∂ϕ<br />

d ∂<br />

dt<br />

� L<br />

∂ ˙r − ∂ � L d � � 2 pϕ<br />

= m ˙r − m r ˙ϕ + λ ⇒ Zr = −λ = −<br />

∂r dt<br />

2<br />

3 . (<strong>12</strong>.61)<br />

m (ℓ − c t)<br />

Auch die Zwangskraft divergiert für t → ℓ/c. Um das Seil ganz einzuziehen, wird schließlich<br />

eine unendliche Kraft benötigt. Die einzige Ausnahme liegt vor, wenn pϕ = 0 ist. Dann wird der<br />

Körper einfach radial nach innen gezogen. In diesem Fall ist gar keine Zwangskraft erforderlich,<br />

da sich der Körper ohnehin geradlinig und gleichförmig mit der Geschwindigkeit c auf das Loch<br />

zu bewegen würde.<br />

52<br />

Aufgabe <strong>12</strong>.22 Man berechne die Gesamtlänge des von dem Körper zurückgelegten Weges im<br />

Zeitintervall 0 < t < ℓ/c.<br />

Aufgabe <strong>12</strong>.23 Man diskutiere auch dieses Beispiel wieder mit einer zusätzlichen Reibungskraft,<br />

die proportional zur Geschwindigkeit des Körpers auf der Ebene ist.<br />

Das <strong>mechanische</strong> System in Abbildung <strong>12</strong>.4(b) ist zu dem gerade diskutierten in einem gewissen<br />

Sinne komplementär. Dort befindet sich ein Körper auf einer Stange, die mit einer Winkelgeschwindigkeit<br />

ω rotiert. Auch hier bewegt sich der Körper in einer Ebene, jedoch wird diesmal<br />

statt der radialen Koordinate die Winkelkoordinate durch die Zwangsbedingung vorgegeben. Am<br />

einfachsten gehen wir hier von der Darstellung (<strong>12</strong>.59) der Lagrange-Funktion für ein freies Teilchen<br />

in Polarkoordinaten aus, und setzen ϕ = ω t. Daraus ergibt sich<br />

L = 1<br />

2 m ˙r2 + 1<br />

2 m ω2 r 2 . (<strong>12</strong>.62)<br />

Die einzige verbleibende Koordinate r auf dem reduzierten Konfigurationsraum gibt an, in welcher<br />

Entfernung vom Drehpunkt sich der Körper befindet. Sie kann hier auch negativ werden,<br />

wenn sich die Stange in beide Richtungen erstreckt.<br />

Diese Lagrange-Funktion kennen wir bereits. Es ist die gleiche Funktion (<strong>12</strong>.26), die wir auch<br />

schon für die über die Tischkante gleitende Kette gefunden haben. Folglich ergeben sich auch<br />

die gleichen Lösungen. Es handelt sich um zwei äquivalente <strong>mechanische</strong> <strong>Systeme</strong>. Da sie die<br />

gleiche Lagrange-Funktion besitzen, besitzen sie auch die gleichen dynamischen Eigenschaften.<br />

Der Körper auf der Stange “sieht” offenbar das Potenzial eines harmonischen Oszillators, allerdings<br />

wieder mit dem falschen Vorzeichen, V (r) = −m ω 2 r 2 /2. Bei r = 0 befindet sich eine<br />

instabile Gleichgewichtslage. Nach beiden Seiten fällt das Potenzial ab, so dass der Körper nach<br />

außen beschleunigt wird. Die allgemeine Lösung der Bewegungsgleichung ist<br />

r(t) = b e ω t + c e −ω t . (<strong>12</strong>.63)<br />

Die rotierende Stange ist eine Schleuder, auf der der Körper exponentiell nach außen beschleunigt<br />

wird.<br />

Aufgabe <strong>12</strong>.24 Die rotierende Stange lässt sich wie folgt variieren. Die Rotationsachse muss<br />

nicht zur Stange senkrecht stehen. Der Körper bewegt sich dann nicht in einer Ebene, sondern<br />

auf einem Kegel. Nehmen wir an, die Stange rotiere mit einer Winkelgeschwindigkeit ω um die<br />

z-Achse und bilde mit dieser einen Winkel α. Zusätzlich spürt der Körper die Gravitationskraft.<br />

Wo befindet sich jetzt die Gleichgewichtslage? Handelt es sich um eine stabile oder instabile<br />

Gleichgewichtslage?<br />

Das rotierende Pendel<br />

Ein weiteres Beispiel für ein System mit zeitabhängigen Zwangsbedingungen ist das angetriebene<br />

Pendel in Abbildung <strong>12</strong>.5(a). Der Aufhängepunkt rotiert mit einer Winkelgeschwindigkeit ω auf<br />

einem Kreis mit Radius a. Die Länge des Pendels sei ℓ.

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