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12 Einfache mechanische Systeme - THEP Mainz

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eigentlichen Bewegungsgleichungen aufzustellen, genügt es daher völlig, die Funktion T nur als<br />

Funktion der reduzierten Koordinaten χ α , der zugehörigen Geschwindigkeiten ˙χ α und der Zeit t<br />

auf dem Unterraum Qt zu kennen. Die Koordinaten ζ l brauchen wir dazu überhaupt nicht.<br />

Das gleiche gilt für die rechte Seite der Bewegungsgleichung (<strong>12</strong>.20). Um die Komponenten<br />

Fα der dynamischen Kraft zu berechnen, benötigen wir die zusätzlichen Koordinaten ζ l außerhalb<br />

des physikalischen Unterraumes Qt nicht. Wenn wir die Kraft ursprünglich als Funktion der<br />

affinen Koordinaten q µ durch ihre Komponenten Fµ dargestellt haben, so ergeben sich die Komponenten<br />

Fα aus dem üblichen Transformationsverhalten eines dualen Vektors. Das hatten wir<br />

bereits in (11.43) aufgeschrieben, oder in der Form (11.58) für ein N-Teilchen-System. In dem<br />

hier verwendeten speziellen Koordinatensystem ergeben sich daraus die Komponenten<br />

Fα = ∂qµ<br />

∂χ α Fµ, Fl = ∂qµ<br />

∂ζ l Fµ. (<strong>12</strong>.21)<br />

In die eigentlichen Bewegungsgleichungen (<strong>12</strong>.20) gehen nur die Komponenten Fα ein.Es genügt<br />

deshalb, die ursprünglichen Koordinaten q µ als Funktion der reduzierten Koordinaten χ α zu kennen.<br />

Wir müssen nur eine explizite Darstellung der Lösungen der Zwangsbedingung kennen. Nur,<br />

wenn wir die Zwangskräfte berechnen wollen, benötigen wir zur Berechnung von Fl die zusätzlichen<br />

Koordinaten ζ l .<br />

Besonders einfach ist die Situation wieder dann, wenn alle Kräfte Potenzialkräfte sind. In diesem<br />

Fall gilt statt (<strong>12</strong>.21) einfach Fα = −∂V/∂χ α und Fl = −∂V/∂ζ l . Wir müssen dazu nur das<br />

Potenzial als Funktion der angepassten Koordinaten {χ α } und {ζ l } darstellen. Und auch hier gilt,<br />

dass wir für die eigentlichen Bewegungsgleichungen die Funktion V nur auf Qt, also für ζ l = 0<br />

kennen müssen. Denn zur Berechnung der Komponenten Fα müssen wir nur die Ableitungen des<br />

Potenzials nach den Koordinaten χ α bilden.<br />

In jedem Fall können wir die Bewegungsgleichungen wieder in der gemischten Form (11.67)<br />

aufschreiben, die alle möglichen Fälle von konservativen und nicht konservativen Kräften umfasst.<br />

Auch die Lagrange-Funktion L = T − V müssen wir dazu nur auf Qt kennen, das heißt<br />

als Funktion der reduzierten Koordinaten χ α , der Geschwindigkeiten ˙χ α und der Zeit t. Zusätzlich<br />

müssen wir dann nur noch diejenigen Kräfte, die sich nicht aus dem Potenzial V ableiten,<br />

gemäß (<strong>12</strong>.21) in dem angepassten Koordinatensystem darstellen. Formal ergeben sich wieder<br />

die gleichen Bewegungsgleichungen, nämlich<br />

reduzierte<br />

Bewegungsgleichung<br />

d<br />

dt<br />

∂L ∂L<br />

α −<br />

∂ ˙χ ∂χ α = Fα. (<strong>12</strong>.22)<br />

Unabhängig davon, welche Form der Bewegungsgleichungen wir verwenden, sind es jetzt nur<br />

noch 3 N − K Differenzialgleichungen, die wir lösen müssen. Das sind genau so viele, wie das<br />

System Freiheitsgrade besitzt. Besonders für <strong>Systeme</strong> mit sehr vielen Zwangsbedingungen bedeutet<br />

das eine erhebliche Reduktion der Zahl der Bewegungsgleichungen.<br />

Dass das neue Verfahren sehr effizient ist, sieht man schon an dem einfachen Beispiel des Pendels.<br />

In diesem Fall sind die reduzierten Koordinaten die Winkelkoordinaten (ϑ, ϕ). Wir können<br />

45<br />

die Lagrange-Funktion unmittelbar als Funktion dieser Koordinaten und ihrer Zeitableitungen<br />

ausdrücken, indem wir in (<strong>12</strong>.13) r = ℓ setzen. Das ergibt<br />

L = T − V = 1<br />

2 m ℓ2� ˙ ϑ 2 + sin 2 ϑ ˙ϕ 2 � − m g ℓ cos ϑ. (<strong>12</strong>.23)<br />

Sie hängt jetzt nur noch von den Koordinaten (ϑ, ϕ) und den Geschwindigkeiten ( ˙ ϑ, ˙ϕ) ab.<br />

Der prinzipielle Unterschied zu der früheren Herleitung ist, dass wir jetzt nicht mehr zuerst die<br />

kinetische und potenzielle Energie eines frei beweglichen Teilchens in Kugelkoordinaten ausrechnen<br />

müssen, um dann eine erweiterte Lagrange-Funktion zu definieren, indem wir die Zwangsbedingung<br />

mit einem Multiplikator addieren. Statt dessen müssen wir nur noch die Energien für<br />

tatsächlich realisierbare Orte und Geschwindigkeiten bestimmen, also für Bahnen mit r(t) = ℓ,<br />

die im physikalischen Konfigurationsraum Qt liegen, der in diesem Fall zeitunabhängig ist.<br />

Aufgabe <strong>12</strong>.4 Man zeige, dass die Lagrange-Gleichungen (<strong>12</strong>.22) für die Funktion (<strong>12</strong>.23) und<br />

mit Fα = 0 jetzt unmittelbar die Pendelgleichungen (<strong>12</strong>.15) liefern.<br />

Aufgabe <strong>12</strong>.5 Was passiert, wenn der Pendelkörper zusätzlich eine Ladung q trägt, und sich<br />

am Aufhängepunkt des Pendels eine Ladung Q befindet? Zum Gravitationspotenzial VG =<br />

m g r cos ϑ kommt dann noch ein elektrisches Potenzial VE = Q q/r hinzu. Hat dies irgendeinen<br />

Einfluss auf die Bewegungen des Pendels?<br />

<strong>Einfache</strong> Beispiele<br />

Wir wollen nun das gerade hergeleitete Verfahren anwenden und die Bewegungsgleichungen für<br />

ein paar typische <strong>Systeme</strong> mit holonomen Zwangsbedingungen aufstellen. Es wird sich zeigen,<br />

dass die praktische Anwendung im Einzelfall meist sehr viel einfacher ist als die allgemeine<br />

Herleitung.<br />

Zunächst betrachten wir nur konservative <strong>Systeme</strong>, deren Kräfte sich aus einem zeitunabhängigen<br />

Potenzial ableiten lassen. Für solche <strong>Systeme</strong> haben wir nun ein sehr einfaches Rezept zur<br />

Herleitung der Bewegungsgleichungen. Man führt zunächst einen Satz von reduzierten Koordinaten<br />

χ α ein, um die physikalisch möglichen Konfigurationen zu parametrisieren. Auf diese Weise<br />

definiert man implizit den reduzierten Konfigurationsraum Q. Es ist gar nicht mehr nötig, diesen<br />

zuerst mit Hilfe von Zwangsbedingungen als Teilmenge eines erweiterten Konfigurationsraumes<br />

�Q zu definieren. Es genügt, die Lösungsmenge dieser Zwangsbedingungen zu beschreiben, was<br />

oft wesentlich einfacher ist.<br />

Dann muss man nur noch die kinetische Energie T und die potenzielle Energie V des Systems<br />

als Funktion der Koordinaten χ α , der Geschwindigkeiten ˙χ α und der Zeit t darstellen. Daraus<br />

ergibt sich die Lagrange-Funktion L = T − V, und aus ihr können wir unmittelbar die Bewegungsgleichungen<br />

(<strong>12</strong>.22) ableiten. Bei einem konservativen System steht auf der rechten Seite<br />

einfach Null.<br />

In Abbildung <strong>12</strong>.2 sind ein paar einfache <strong>mechanische</strong> <strong>Systeme</strong> dieser Art dargestellt. In der<br />

Abbildung (a) bewegt sich ein Teilchen auf einer vorgegeben Kurve. Die Kurve soll sich in der

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