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12 Einfache mechanische Systeme - THEP Mainz

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Wieviele Freiheitsgrade hat dieses System? Wir haben natürlich wieder den Drehwinkel χ des<br />

Rades. Außerdem können wir das Rad an eine beliebige Stelle auf dem Tisch platzieren. Das<br />

sind noch einmal zwei Freiheitsgrade, denen wir die Koordinaten x und y zuordnen. Es sei also<br />

o + x ex + y ey der Punkt, an dem das Rad auf der Fläche aufliegt. Insgesamt hat das System<br />

dann drei Freiheitsgrade (x, y, χ), also einen dreidimensionalen reduzierten Konfigurationsraum<br />

Q.<br />

Der Mittelpunkt des Rades befindet sich, da es nur aufrecht stehen kann, an der Stelle o+x ex+<br />

y ey + R ez. Wenn wir wieder annehmen, dass die Masse des Rades auf den Rand konzentriert<br />

ist und aus N gleichen Teilchen besteht, können wir mit dem bereits bekannten Trick auch hier<br />

die kinetische Energie bestimmen. Das Teilchen mit der Nummer n befindet sich am Ort<br />

rn = o + x ex + y ey + R � �<br />

sin χn ey + (1 − cos χn) ez , mit χn = χ −<br />

2π n<br />

. (<strong>12</strong>.78)<br />

N<br />

Die Geschwindigkeiten sind folglich<br />

˙rn = ˙x ex + ˙y ey + R ˙χ � �<br />

cos χn ey + sin χn ez , (<strong>12</strong>.79)<br />

Wenn wir davon die Quadrate bilden und über alle Teilchen summieren, erhalten wir<br />

T = 1<br />

2 M R2 ˙χ 2 + 1<br />

2 M ˙x2 + 1<br />

2 M ˙y2 . (<strong>12</strong>.80)<br />

Eine Bewegung des Rades in x- oder y-Richtung trägt also gerade so viel zur Energie bei wie die<br />

Bewegung eines Körpers der Masse M, und die Rotationsenergie ist genau die, die wir auch für<br />

das fixierte Rad gefunden hatten.<br />

Aufgabe <strong>12</strong>.28 Man verifiziere das Ergebnis (<strong>12</strong>.80). Warum muss man dazu wieder annehmen,<br />

dass die Massen gleichmäßig über den Radkreis verteilt sind?<br />

Aus (<strong>12</strong>.80) entnimmt man sofort, dass die Rotations- und Translationsbewegung des Rades entkoppeln,<br />

wenn keine dynamischen Kräfte wirken. Allerdings haben wir noch gar nicht berücksichtigt,<br />

dass noch eine weitere Zwangsbedingung vorliegt. Das Rad soll auf der Ebene rollen und<br />

nicht rutschen. Es darf sich also nur in eine Richtung bewegen, die senkrecht zur Achse steht, und<br />

muss dabei auch tatsächlich abrollen. Wenn es sich um einen Winkel α dreht, dann muss es dabei<br />

eine Strecke R α zurücklegen.<br />

Eine solche Zwangsbedingung stellt offenbar eine Einschränkung an die Geschwindigkeiten,<br />

aber nicht an die Orte dar. Sie ist deshalb nicht holonom. Um sie explizit aufzuschreiben, betrachten<br />

wir wieder ein bestimmtes Teilchen auf der Lauffläche des Rades, und zwar das Teilchen, das<br />

gerade auf dem Tisch aufliegt. Wenn das Rad nicht rutschen soll, dann darf sich dieses Teilchen<br />

in dem Moment, in dem es den Tisch berührt, nicht bewegen.<br />

Das Teilchen, dass gerade den Tisch berührt, hat natürlich wieder die Nummer ¯n = N χ/2π,<br />

und für dieses Teilchen gilt χ¯n = 0. Die Geschwindigkeit dieses Teilchens ist laut (<strong>12</strong>.79)<br />

˙r¯n = ˙x ex + ( ˙y + R ˙χ) ey. (<strong>12</strong>.81)<br />

57<br />

Somit lauten die zusätzlich zu stellenden Zwangsbedingungen<br />

X 1 = ˙x = 0, X 2 = ˙y + R ˙χ = 0. (<strong>12</strong>.82)<br />

Das Rad kann sich nicht in x-Richtung bewegen, und es rollt in y-Richtung genau in der Art,<br />

wie wir es gerade beschrieben haben. Eine Änderung des Winkels um α kann nur gleichzeitig<br />

mit einer Bewegung um −R α in y-Richtung erfolgen. Dass hier noch ein Minuszeichen auftritt<br />

liegt nur an der speziellen Ausrichtung des Koordinatensystems und der willkürlichen Wahl der<br />

positiven Drehrichtung des Rades.<br />

Die Zwangsbedingungen sind genau von der Form (<strong>12</strong>.72). Sie sind linear in den Geschwindigkeiten,<br />

das heißt die schränken die Bewegungsrichtungen im Konfigurationsraum ein, aber sonst<br />

nichts. Von den drei möglichen Richtungen, in denen sich das System “rollendes Rad” bewegen<br />

könnte, nämlich in x-, y- oder χ-Richtung, ist nur eine zulässig, nämlich eine Rollbewegung in<br />

y-Richtung mit gleichzeitiger Drehung in χ-Richtung.<br />

Um die Bewegungsgleichungen aufzustellen, müssen wir nun die erweiterten d’Alembertschen<br />

Gleichungen (<strong>12</strong>.77) mit Zwangskräften verwenden. Da hier keine dynamischen Kräfte vorliegen,<br />

ist Fµ = 0. Es muss also gelten<br />

d ∂T<br />

dt ∂ ˙x<br />

d ∂T<br />

dt ∂ ˙y<br />

− ∂T<br />

∂x = λ1 X 1 x + λ2 X 2 x ⇒ M ¨x = λ1,<br />

− ∂T<br />

∂y = λ1 X 1 y + λ2 X 2 y ⇒ M ¨y = λ2,<br />

d ∂T ∂T<br />

−<br />

dt ∂ ˙χ ∂χ = λ1 X 1 χ + λ2 X 2 χ ⇒ M R 2 ¨χ = R λ2. (<strong>12</strong>.83)<br />

Die Koeffizienten X k µ für k ∈ {1, 2} und µ ∈ {x, y, χ} haben wir aus (<strong>12</strong>.82) entnommen. Es<br />

sind die Koeffizienten in den Zwangsbedingungen X k = X k µ ˙q µ .<br />

Wir müssen jetzt ein Gleichungssystem für fünf unbekannte Funktionen lösen, nämlich die<br />

Ortskoordinaten x(t), y(t) und χ(t), und die beiden Lagrange-Multiplikatoren λ1(t) und λ2(t).<br />

Wir haben aber auch fünf Gleichungen, nämlich die Bewegungsgleichungen (<strong>12</strong>.83) und die<br />

Zwangsbedingungen (<strong>12</strong>.82). Zum Glück sind sie sehr einfach. Wir können die Lösungen sofort<br />

angeben.<br />

Aus der ersten Zwangsbedingung und der ersten Bewegungsgleichung folgt ˙x = 0 und λ1 = 0.<br />

Es findet keine Bewegung in x-Richtung statt, und es wirkt auch keine Zwangskraft in diese Richtung.<br />

Teilen wir die dritte Bewegungsgleichung durch R und subtrahieren sie von der zweiten, so<br />

bekommen wir ¨y − R ¨χ = 0. Leiten wir die zweite Zwangsbedingung noch einmal nach t ab, so<br />

ergibt das ¨y + R ¨χ = 0. Beides zusammen impliziert ¨y = 0 und ¨χ = 0, und schließlich mit folgt<br />

daraus auch λ2 = 0. Zusammengefasst ergibt sich die folgende allgemeine Lösung,<br />

x(t) = x0, y(t) = y0 − R ω t, χ(t) = χ0 + ω t, λ1(t) = 0, λ2(t) = 0. (<strong>12</strong>.84)

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