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12 Einfache mechanische Systeme - THEP Mainz

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ordinatensystem {χ α } auf dem physikalischen Konfigurationsraum Qt einzuführen. Der Index<br />

α läuft dabei von 1 bis 3 N − K, oder nimmt Werte aus irgendeiner Indexmenge mit 3 N − K<br />

Elementen an. Beim Pendel sind dies die Winkelkoordinaten (ϑ, ϕ), mit denen wir jeden Punkt<br />

auf der Kugeloberfläche identifizieren, also jede physikalisch mögliche Konfiguration des Pendels<br />

erfassen können.<br />

Wir finden solche Koordinaten, indem wir die Zwangsbedingungen “auflösen”. Die Zwangsbedingungen<br />

C k ({q µ }, t) = 0 sind K Gleichungen für 3 N Unbekannte, nämlich die ursprünglichen<br />

Koordinaten q µ auf Q. Wenn wir annehmen, dass die Gleichungen genügend regulär sind, dann<br />

lässt sich die Lösungsmenge zu jeder Zeit t durch 3 N − K Parameter darstellen. Diese Parameter<br />

bezeichnen wir mit χ α , und wir betrachten sie als Koordinaten auf dem physikalischen<br />

Konfigurationsraum Qt. Jede tatsächlich realisierbare Konfiguration wird dann durch die Angabe<br />

ihrer Koordinaten χ α identifiziert, und folglich können wir jede realisierbare Bahn durch die<br />

Koordinatenfunktion χ α (t) vollständig beschreiben.<br />

Da es sich im allgemeinen um krummlinige Koordinaten handelt, wird es jedoch nicht immer<br />

möglich sein, ein Koordinatensystem zu finden, das den ganzen physikalischen Konfigurationsraum<br />

abdeckt und jedem Punkt eindeutig einen Satz von Koordinaten zuordnet. Die für das<br />

Pendel verwendeten Kugelkoordinaten sind zum Beispiel an den Polen, also den beiden Gleichgewichtslagen<br />

des Pendels nicht wohldefiniert. Es genügt aber für die folgenden Überlegungen,<br />

dass zumindest ein Teil von Q durch ein solches Koordinatensystem abgedeckt wird. Wir beschränken<br />

uns dann zunächst auf Bewegungen, die in dieser Teilmenge stattfinden. Im nächsten<br />

Kapitel werden wir uns ein wenig ausführlicher mit diesem Problem beschäftigen und zeigen, wir<br />

man es umgehen kann.<br />

In Abbildung <strong>12</strong>.1(b) sind die Koordinatenlinien von χ α auf dem Unterraum Q = Qt eingezeichnet.<br />

Wir können sie wie folgt zu einem Koordinatensystem von � Q ergänzen. Wir fügen noch<br />

K zusätzliche Koordinaten ζ l hinzu, so dass der reduzierte Konfigurationsraum Qt die Koordinatenfläche<br />

ζ l = 0 ist. Die Koordinatenlinien der zusätzlichen Koordinaten ζ l zeigen also aus dem<br />

physikalischen Unterraum hinaus, in die K verbleibenden Richtungen. Zumindest in einer gewissen<br />

Umgebung von Qt bekommen wir auf diese Weise ein vollständiges Koordinatensystem<br />

({χ α }, {ζ l }) auf � Q, wobei der Index α insgesamt 3 N − K Werte annimmt, und der Index l über<br />

K Werte läuft.<br />

In diesem Koordinatensystem haben die Zwangsbedingungen C k eine sehr einfache Darstellung.<br />

Wenn wir sie in der Nähe des reduzierten Konfigurationsraumes in eine Taylor-Reihe in den<br />

Koordinaten ζ l entwickeln, dann fallen die konstanten Glieder weg, denn die Zwangsbedingungen<br />

C k sind ja genau dort gleich Null, wo auch die Koordinaten ζ l Null sind. Es gilt also<br />

C k = X k l ζ l + O(ζ l ) 2 mit X k l = ∂Ck<br />

∂ζ l<br />

�<br />

�<br />

� . (<strong>12</strong>.18)<br />

ζl =0<br />

Die Koeffizienten X k l bilden eine K×K-Matrix, deren Einträge im allgemeinen noch von den<br />

Koordinaten χ α und der Zeit abhängen. Es handelt sich also um Funktionen auf dem reduzierten<br />

Konfigurationsraum Qt.<br />

44<br />

Die Matrix X k l ist sogar überall auf Qt invertierbar. Das folgt aus der Voraussetzung, dass die<br />

Gradienten der Zwangsbedingungen linear unabhängig sind. Die Einträge der Matrix X k l sind<br />

die einzigen nicht verschwindenden Komponenten dieser Gradienten in dem angepassten Koordinatensystem,<br />

denn die übrigen Komponenten X k α = ∂C k /∂χ α sind überall auf Qt gleich Null,<br />

weil dort die Zwangsbedingungen verschwinden, also insbesondere konstant sind. Die Einträge<br />

der K×K-Matrix X k l bilden daher ein System von K linear unabhängigen Vektoren, also eine<br />

invertierbare Matrix.<br />

Beim Pendel können wir als eine zusätzliche Koordinate mit den verlangen Eigenschaften zum<br />

Beispiel ζ = r − ℓ wählen. Die Zwangsbedingung lautet dann C = r 2 − ℓ 2 = ζ (2 ℓ + ζ) =<br />

X ζ + O(ζ 2 ), und offenbar ist sie genau dann gleich Null, wenn ζ = 0 ist. Außerdem ist sie von<br />

der Form (<strong>12</strong>.18), wobei die 1×1-Matrix X = 2 ℓ in diesem Fall konstant, und natürlich auch<br />

invertierbar ist.<br />

Nachdem wir ein solches angepasstes Koordinatensystem eingeführt haben, ergibt sich alles<br />

andere fast von selbst. Wir müssen jetzt nur noch die d’Alembertschen Bewegungsgleichungen<br />

aufschreiben. Da wir nun zwei Sätze von Koordinaten {χ α } und {ζ l } haben, zerfallen auch die<br />

Bewegungsgleichungen entsprechend. Betrachten wir zunächst die für die Koordinaten ζ l . Für sie<br />

ergibt sich<br />

d<br />

dt<br />

∂T<br />

∂ ˙ ∂T<br />

−<br />

l<br />

ζ ∂ζ l = Fl − �<br />

k<br />

λk<br />

∂C k<br />

∂ζ l = Fl − �<br />

λk X k l. (<strong>12</strong>.19)<br />

Hier haben wir benutzt, dass wir nur solche Bahnen q(t) betrachten müssen, die zu jedem Zeitpunkt<br />

t in Qt liegen. Wir können also, nachdem wir die Bewegungsgleichungen aufgestellt haben,<br />

überall ζ l = 0 und natürlich auch ˙ ζ l = 0 setzen. Auf der rechten Seite bedeutet das, dass wir die<br />

Gradienten der Zwangsbedingungen durch die oben definierte Matrix X k l ausdrücken können.<br />

Da diese Matrix wissen wir, dass sie invertierbar ist. Folglich lassen sich diese Gleichungen<br />

immer nach λk auflösen. Es handelt sich nicht um Bewegungsgleichungen im eigentlichen Sinne.<br />

Diese Gleichungen bestimmen die Lagrange-Multiplikatoren und damit die Zwangskräfte.<br />

Man sieht auch sofort, dass jede zusätzliche dynamische Kraftkomponente Fl in eine “verbotene”<br />

Richtung, also in Richtung einer Koordinaten ζ l , automatisch eine entsprechende zusätzliche,<br />

entgegengesetzt ausgerichtete Zwangskraft bewirkt.<br />

Die eigentlichen Bewegungsgleichungen sind die für die Koordinaten χ α . Sie lauten<br />

d ∂T ∂T<br />

α −<br />

dt ∂ ˙χ ∂χ α = Fα − �<br />

k<br />

λk<br />

k<br />

∂C k<br />

∂χ α = Fα. (<strong>12</strong>.20)<br />

Auch hier können wir ζ l = 0 und ˙ ζ l = 0 setzen, nachdem wir die Gleichungen aufgestellt haben,<br />

denn es kommen ja nur solche Bahnen in betracht. Die Zwangsbedingungen fallen dann ganz<br />

weg, denn ihre Ableitungen in Richtung der Koordinaten χ α verschwinden.<br />

Das entscheidende ist nun, dass wir hier bereits ζ l = 0 und ˙ ζ l = 0 setzen können, bevor wir<br />

die partiellen Ableitungen von T auf der linken Seite berechnen. Es werden nämlich gar keine<br />

Ableitungen in Richtung der Koordinaten ζ l oder der Geschwindigkeiten ˙ ζ l gebildet. Um die

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