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12 Einfache mechanische Systeme - THEP Mainz

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Wechselwirkungen der Teilchen untereinander als auch die möglicherweise von außen einwirkenden<br />

Kräfte. Die Zwangskräfte Zµ sind dagegen diejenigen Kräfte, von denen wir nur wissen,<br />

was sie bewirken, aber uns nicht damit auseinandersetzen wollen oder können, wie sie entstehen.<br />

Das Ziel ist es, diese unbekannten Kräfte aus dem Gleichungssystem (<strong>12</strong>.3) zu eliminieren.<br />

Betrachten wir zuerst den Fall, dass nur eine einzige Zwangsbedingung C(q, t) = 0 vorliegt.<br />

Wir können in diesem Fall die Zwangskraft Zµ als Grenzfall einer Potenzialkraft ansehen. Wir<br />

stellen uns vor, dass ein sehr hohes und steiles Potenzial das System daran hindert, sich von dem<br />

Unterraum des Konfigurationsraumes zu entfernen, in dem C(q, t) = 0 ist. Ein solches Potenzial<br />

ist durch<br />

V(q, t) = 1<br />

Λ C(q, t)2<br />

(<strong>12</strong>.4)<br />

2<br />

gegeben, wobei Λ eine große Zahl sein soll. Sie muss natürlich die richtige physikalische Dimension<br />

haben, damit V eine Energie ist. Das Potenzial bewirkt eine rücktreibende Kraft<br />

∂V(q, t)<br />

Zµ(q, t) = −<br />

∂q µ<br />

∂C(q, t)<br />

= −Λ C(q, t)<br />

∂q µ . (<strong>12</strong>.5)<br />

Sie zeigt in Richtung des Gradienten der Funktion C(q, t) im Konfigurationsraum. Die<br />

Zeitabhängigkeit spielt dabei keine Rolle. Sie bewirkt nur, dass zu unterschiedlichen Zeiten am<br />

selben Ort im Konfigurationsraum unterschiedliche Kräfte wirken.<br />

Was passiert nun, wenn wir den Grenzwert Λ → ∞ bilden? Das Potenzial wird dann unendlich<br />

hoch, außer dort, wo C(q, t) = 0 ist. Das System, das immer nur eine endliche Energie besitzt,<br />

wird gezwungen, sich dort aufzuhalten. Die Zwangskraft stellt sich dabei so ein, dass sie endlich<br />

bliebt, denn trotz der Zwangsbedingung erfahren die einzelnen Teilchen ja nur endliche Beschleunigungen.<br />

Während Λ wächst, geht der Faktor C(q, t) gegen Null, denn das System wird immer<br />

stärker gezwungen, in der Nähe des erlaubten Unterraumes zu bleiben. Es bliebt schließlich im<br />

Grenzfall ein Ausdruck für die Zwangskraft, dessen Betrag wir nicht kennen. Denn dieser ergibt<br />

sich aus dem Grenzwert des Produktes Λ C(q, t), und der hängt von der tatsächlich realisierten<br />

Bewegung ab. Aber wir kennen die Richtung dieser Kraft. Sie zeigt in Richtung des Gradienten<br />

der Funktion C(q, t) im Konfigurationsraum.<br />

Aus der realistischen Annahme, dass eine Zwangskraft in Wirklichkeit eine sehr starke Potenzialkraft<br />

ist, folgt also, dass sie stets in die Richtung des Gradienten der Zwangsbedingung<br />

zeigt. Auch hier geht wieder die Eigenschaft ein, dass die Kraft ein dualer Vektor auf dem Konfigurationsraum<br />

ist. Denn sonst würde eine solche Aussage keinen Sinn ergeben. Nur bei einem<br />

Ein-Teilchen-System, dessen Konfigurationsraum mit dem dreidimensionalen Euklidischen<br />

Raum identisch ist, ist sie äquivalent zu der Aussage, dass die Zwangskraft auf den möglichen<br />

Bewegungsrichtungen senkrecht steht, denn nur dann steht uns immer eine Metrik zur Verfügung.<br />

Eine wesentliche Voraussetzung bei dieser Überlegung ist, dass der Gradient ∂C/∂q µ überall<br />

dort, wo C = 0 ist, nicht verschwindet. Das ist die Analogie zu der Eigenschaft einer gewöhnlichen<br />

reellen Funktion von einer Variablen, eine einfache Nullstelle zu haben, also eine Nullstelle,<br />

an der nicht gleichzeitig ihre Ableitung verschwindet. Anschaulich heißt das, dass die Funktion<br />

41<br />

C in jede Richtung weg von der Nullstellenmenge linear ansteigt oder abfällt. Ohne diese Voraussetzung<br />

könnten wir die Zwangskraft nicht auf diese Weise darstellen.<br />

Aufgabe <strong>12</strong>.1 Davon abgesehen haben wir bei der Formulierung der Zwangsbedingungen aber<br />

eine gewisse Freiheit. Es seien C und ˜ C zwei Funktionen auf Q, die dieselbe Nullstellenmenge haben,<br />

und deren Gradienten auf dieser Nullstellenmenge nirgendwo verschwinden. Man zeige, dass<br />

dann die Gradienten beider Funktion zumindest auf der Nullstellenmenge in dieselbe Richtung<br />

zeigen. Es gilt ∂ ˜ C/∂q µ ∝ ∂C/∂q µ überall dort, wo C = 0 und ˜ C = 0 ist.<br />

Das ganze lässt sich leicht auf ein System von mehreren Zwangsbedingungen erweitern. Wir betrachten<br />

dann einfach ein Potenzial, das das System zwingt, alle Zwangsbedingungen zu erfüllen,<br />

zum Beispiel<br />

V(q, t) = 1<br />

2<br />

�<br />

Λkl C k (q, t) C l (q, t) ⇒ Zµ(q, t) = − �<br />

k,l<br />

kl<br />

Λkl C k (q, t) ∂Cl (q, t)<br />

∂q µ . (<strong>12</strong>.6)<br />

Hier ist Λkl irgendeine symmetrische, positive K×K-Matrix, deren Einträge wir so wählen, dass<br />

alle Summanden die Dimension einer Energie haben. Das Potenzial V ist dann überall dort positiv,<br />

wo mindestens eine Zwangsbedingung nicht Null ist, und Null genau dort, wo alle Zwangsbedingungen<br />

erfüllt sind.<br />

Lassen wir nun die Einträge der Matrix Λkl, oder zumindest deren Eigenwerte gegen Unendlich<br />

gehen, so wird das System wieder gezwungen, die Zwangsbedingungen zu erfüllen. Denn das<br />

Potenzial bleibt nur dort endlich, wo alle Zwangsbedingungen erfüllt sind. Die dann wirkende<br />

Zwangskraft ist eine Linearkombination der Gradienten ∂C k /∂q µ . Wir schreiben dafür<br />

Zµ = − �<br />

k<br />

λk<br />

∂C k<br />

µ . (<strong>12</strong>.7)<br />

∂q<br />

Die unbekannten Koeffizienten λk werden Lagrange-Multiplikatoren genannt. Sie werden erst<br />

durch die tatsächlich realisierte Bewegung des Systems bestimmt und hängen dann natürlich auch<br />

von der Zeit ab.<br />

Auch hier setzen wir wieder voraus, dass sich jede mögliche Zwangskraft so darstellen lässt.<br />

Das ist genau dann der Fall, wenn die Gradienten X k µ = ∂C k /∂q µ einen Satz von K linear unabhängigen<br />

dualen Vektoren bilden, und zwar an jeder Stelle der gemeinsamen Nullstellenmenge<br />

der Funktionen C k . Anschaulich heißt das wieder, dass in jede Richtung weg von der Nullstellenmenge<br />

mindestens eine der Zwangsbedingungen linear ansteigt. Nun unter dieser Voraussetzung<br />

wird durch das Potenzial (<strong>12</strong>.6) in jede Richtung eine lineare rücktriebende Kraft erzeugt.<br />

Wenn wir das hier beschriebene Verfahren anwenden wollen, müssen wir die Zwangsbedingungen<br />

also immer so formulieren, dass ihre Gradienten zumindest auf der Nullstellenmenge linear<br />

unabhängig sind. Beim Pendel ist dies der Fall. Der Gradient Xµ = ∂C/∂q µ von (<strong>12</strong>.1) ist in kartesischen<br />

Koordinaten Xx = 2 x, Xy = 2 y und Xz = 2 z, oder in Kugelkoordinaten Xr = 2 r,

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