Castlepoint - bei 360° Neuseeland
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Travel & Backpacking Travelogues<br />
erreichte ich wieder die Dart Hütte, wo schon Vladimir mit<br />
einem breiten Grinsen auf mich wartete, wir uns sofort<br />
über das Erlebte unterhielten und uns gegenseitig versicherten,<br />
wie einmalig dieser Tag für uns gewesen war.<br />
Kurze Zeit später kamen auch Shelly und Sandy wieder in<br />
der Hütte an und gemeinsam hatten wir uns immer wieder<br />
erzählt, wie wir den Tag erlebt hatten. Zufrieden und<br />
erschöpft krochen wir dann alle in unsere Schlafsäcke.<br />
Vierter Tag: 10. Dezember<br />
Von der Dart Hut zur Daleys Flat Hut –<br />
16 Kilometer – 6 bis 8 Stunden<br />
Nach dem langen Tag zuvor ging es am vierten Tag nur<br />
sehr langsam aus den Federn. Wir waren alle noch sehr<br />
müde und darüber hinaus hatte sich das Wetter über<br />
Nacht deutlich verschlechtert. Dicke Wolken lagen über<br />
der Hütte.<br />
Nach und nach machten wir uns alle auf den Weg zum<br />
nächsten Ziel, der Daleys Flat Hut. Der erste Teil der<br />
Strecke führt durch einen Buchenwald, bevor es auf eine<br />
große Grasfläche geht, die Cattle Flat. Damit man die Orientierung<br />
nicht verliert, wurden im Laufe der Jahre kleine<br />
und größere Steinhaufen von den Wanderern gebildet.<br />
Die Wolken wurden immer dichter und es wurde immer<br />
schwüler – Bedingungen, die die zahlreichen Sandflies<br />
anscheinend bevorzugen: Kaum fanden wir eine Stelle,<br />
an der sich eine kleine Rast angeboten hätte, kamen<br />
diese Blutsauger schon in Scharen an und wir konnten<br />
nur noch flüchten. Dadurch, dass uns keine Pausen vergönnt<br />
waren, und durch den immer stärker werdenden<br />
Regen, hatten wir die nächste Hütte, die Dalys Flat Hut,<br />
in Rekordzeit erreicht. Diese ist im Gegensatz zu den bisherigen<br />
Unterkünften noch nicht modernisiert worden. So<br />
gibt es nur „long-drops“ und alles wirkt ein wenig wie<br />
kurz vor dem Einstürzen. Aber es ist trotz allem – oder<br />
gerade deswegen – sehr gemütlich. An diesem Abend<br />
war auch eine Hüttenwirtin anwesend – zufälligerweise<br />
eine Deutsche –, die uns vorsorglich vor dem darauf folgenden<br />
Tag warnte. Am letzten Tag der Wanderung müssen<br />
einige Flüsse durchquert werden, die <strong>bei</strong> lang anhaltendem<br />
Regen unpassierbar werden können. Von der<br />
Hütte aus hat man einen Blick auf den Dart River, an dessen<br />
Seiten die Böschung flach ansteigt. Nach Aussage der<br />
Hüttenwirtin werden die Flussdurchquerungen schwierig,<br />
wenn das Wasser bis zur Hälfte der Böschung reicht.<br />
Mit diesen mahnenden Worten im Ohr krochen wir einer<br />
nach dem anderen in unsere Schlafsäcke.<br />
Fünfter Tag: 11. Dezember<br />
Von der Daleys Flat Hut zum Chinamans<br />
Carpark – 15 Kilometer – 4 bis 6 Stunden<br />
Es kam wie es kommen musste: Die ganze Nacht hatte<br />
es nur geregnet und wir alle hatten ständig einen Blick<br />
aus dem Fenster geworfen um zu schauen, wie weit das<br />
Wasser schon angestiegen war. Und tatsächlich, es war<br />
über der Marke, die die Hüttenwirtin uns am Abend<br />
zuvor gezeigt hatte. Aus diesem Grund beschlossen wir,<br />
in Gruppen zu gehen, damit wir uns gegenseitig helfen<br />
konnten, wenn wir an eine schwer zu passierende Stelle<br />
kamen. Bevor wir allerdings aufbrachen, hinterließ Vladimir<br />
noch sein nicht benötigtes Proviant, was nicht gerade<br />
wenig war. Offenbar hatte er Angst zu verhungern – was<br />
ihm auch nicht zu verdenken war, es war schließlich<br />
seine erste ungeführte Wanderung. Auf die Frage, ob er<br />
<strong>bei</strong>m nächsten Mal besser planen würde, um Gewicht zu<br />
sparen, antwortet er mir, dass er <strong>bei</strong>m nächsten Mal wieder<br />
eine geführte Tour machen werde und er sich daher<br />
dem Problem nicht stellen müsse.<br />
So brachen wir dann alle in unseren Regensachen gruppenweise<br />
auf. Ich hatte mich mit den <strong>bei</strong>den Neuseeländerinnen<br />
zusammen getan und gemeinsam wanderten<br />
wir immer am Dart River entlang leicht abschüssig durch<br />
den Buchenwald, bis wir zur Dredge Flat kamen. Hier<br />
zeigte sich uns eine ähnliche Graslandschaft wie am Tag<br />
zuvor. Durch den Dauerregen war die Wanderung allerdings<br />
viel anstrengender und deutlich matschiger. Nach<br />
einer Weile erreichten wir den ersten Fluss an diesem<br />
Tag, der aber – abgesehen von nassen Schuhen – noch<br />
kein Problem darstellte. Etwas später kamen wir zu einer<br />
Gabelung des Weges: links führt er zu einer Notunterkunft,<br />
rechts weiter zum nächsten Fluss. Die Notunterkunft<br />
ist ein riesiger Felsen mit Feuerstelle, unter dem<br />
man eine Nacht verbringen kann, falls der nächste Fluss<br />
unpassierbar ist und man warten muss, bis der Wasserspiegel<br />
wieder sinkt. Wir beschlossen, erst einmal<br />
eine kleine Pause zu machen und verteilten schon mal<br />
aus Spaß die Schlafplätze, falls wir unter diesem Felsen<br />
hätten übernachten müssen.<br />
Gemeinsam den Fluten trotzen<br />
40 06 | 2008 © <strong>360°</strong> <strong>Neuseeland</strong><br />
Nach ein paar Minuten ging es dann weiter zum nächsten<br />
Fluss. Wir wussten gleich, dass es diesmal mit dem<br />
Durchqueren etwas schwieriger würde. Der Fluss war<br />
nicht tief, aber das Wasser floss mit einer ordentlichen<br />
Geschwindigkeit, sodass die Gefahr bestand, auszurutschen<br />
und mit dem schweren Rucksack wäre das nicht<br />
gerade angenehm gewesen. Wir fanden uns in Gruppen<br />
zu Dritt zusammen und gemeinsam bewältigten wir die<br />
Fluten. Zu Dritt kann man viel stabiler durch das Wasser<br />
gehen als alleine – man darf nur keine Scheu vor nassen<br />
Schuhen und Hosen haben.<br />
Da das Wasser ziemlich kalt war, setzten wir unsere Wanderung<br />
zügig fort. Dieser Fluss sollte auch die einzige<br />
schwierige Stelle sein, sodass wir die letzten Stunden auf<br />
dem Rees-Dart Track trotz schlechten Wetters noch genießen<br />
konnten. Nach einer Weile hatten wir das letzte Stück<br />
Graslandschaft erreicht und <strong>bei</strong> einem Blick zurück konnten<br />
wir noch die schneebedeckten Berge erkennen, die<br />
wir nur Tage zuvor aus nächster Nähe gesehen hatten.<br />
Schon bald kamen wir zu einer Stelle, von der aus man mit<br />
einem Jet-Boot über den Dart River fahren und die Wanderung<br />
abschließen kann. Wir gingen jedoch die letzten zwei<br />
bis drei Stunden dem Ende des Tracks entgegen, wo hoffentlich<br />
der Shuttle auf uns warten würde. Das war nicht<br />
so sicher, da es noch eine Flussdurchquerung gab – allerdings<br />
nicht für uns Wanderer, sondern für die Fahrzeuge,<br />
die am Ende des Tracks die Wanderer wieder abholen sollten.<br />
Da es seit über 24 Stunden nur geregnet hatte und<br />
dieser Regen auch immer stärker geworden war, hatten<br />
wir doch alle Bedenken, ob es der Bus durch den Fluss<br />
schaffen könnte oder nicht. In Wanderführern steht, dass<br />
Wanderer unter solchen Umständen zwei bis drei Stunden<br />
weiter gehen müssen, um den Transport zu treffen.<br />
Mit einem aufkommenden Motorgeräusch wurden unsere<br />
Bedenken dann allerdings schnell zerstreut und wir verließen<br />
diese einmalige Landschaft.<br />
Rückblick<br />
Travelogues Travel & Backpacking<br />
Falls der Fluss unpassierbar ist, bietet der Felsen eine trockene übernachtungsmöglichkeit<br />
Obwohl der Rees-Dart Track kein sogenannter „Great<br />
Walk“ ist, gehört diese Wanderung für mich zu einen der<br />
besten, die <strong>Neuseeland</strong> zu bieten hat. Sie ist abwechslungsreich<br />
und hat mit offenen Graslandschaften und<br />
Gletschern bis hin zu alpiner Vegetation fast alles zu<br />
bieten, was das Herz eines Wanderers höher schlagen<br />
lässt. Das Highlight dieser Wanderung ist der Abstecher<br />
zum Cascade Saddle. Er ist zwar lang, aber man wird<br />
mit herrlichen Blicken auf den Dart Glacier, den Mount<br />
Aspiring und das West Matukituki Valley reichlich<br />
belohnt. Dem Umstand, dass dieser Track nicht zu den<br />
Great Walks zählt, ist es auch zu verdanken, dass dieser<br />
Wanderweg nicht überlaufen ist. Wer diese Wanderung<br />
über vier bis fünf Tage in Angriff nehmen möchte,<br />
sollte allerdings über einige Erfahrung verfügen, in einigen<br />
Abschnitten sind eine gute Kondition und Ausdauer<br />
unerlässlich. °<br />
Das Dart River-Valley<br />
© <strong>360°</strong> <strong>Neuseeland</strong> 06 | 2008 41