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Mutter Vater Kind - Georg-August-Universität Göttingen

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Zeitschrift des Frauenbüros<br />

des Bereichs Humanmedizin<br />

der <strong>Universität</strong> <strong>Göttingen</strong><br />

Schwerpunkt:<br />

<strong>Mutter</strong><br />

<strong>Mutter</strong><br />

<strong>Vater</strong> ter<br />

<strong>Kind</strong><br />

<strong>Kind</strong><br />

Ausg Ausgabe Ausg be 2002 2002 - - Heft Heft 4<br />

4<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 1


INHALT<br />

INHALT<br />

<strong>Mutter</strong>schaft und <strong>Mutter</strong>bilder - 4<br />

Von Idealen und<br />

Leit(d)vorstellungen<br />

Dr. Katja Koch<br />

Über den Zusammenhang 8<br />

von dem Erziehungsgerede<br />

und Politik<br />

Dr. Susanne Gölitzer<br />

Mit <strong>Kind</strong>ern in der Klinik 10<br />

Karriere machen -<br />

Geht das denn?<br />

Dr. Christine Amend-Wegmann<br />

„Allein erziehend und Ärztin? - 12<br />

„..wenn Sie meinen!“<br />

Dr. Marion Hulverscheidt<br />

Literaturüberblick 16<br />

und Gedanken zum Thema<br />

„<strong>Vater</strong>- <strong>Kind</strong> und <strong>Mutter</strong>“<br />

Carmen Franz<br />

Interview mit 21<br />

Herrn Ulrich Haupt<br />

Sophia und Wissenschaft: 24<br />

Ein Blick auf die Vereinbarkeit<br />

von Beruf und <strong>Mutter</strong>schaft<br />

Dr. Nikola Biller-Andorno<br />

Interview mit 28<br />

Herrn Minister<br />

Thomas Oppermann<br />

„Aller Anfang ist schwer“ 29<br />

Bärbel Klein<br />

Projekt „Mentoring“ 32<br />

Nachrichten 33<br />

Fundgrube 37<br />

Einerseits.... und... andrerseits 38<br />

Schmährede aus dem „off“<br />

Carmen Franz<br />

Die eingereichten Beiträge geben<br />

nicht in jeder Hinsicht die<br />

Meinung der Redaktion wieder.<br />

Die Redaktion behält sich vor,<br />

gelieferte Beiträge redaktionell zu<br />

bearbeiten.<br />

2 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

Angela Friedrichs<br />

Sekretariat<br />

Telefon 0551/39-9785<br />

email:<br />

angela.friedrichs@med.uni-goettingen.de<br />

Dr. Christine Amend-Wegmann<br />

Frauenbeauftragte<br />

Telefon 0551/39-9335<br />

email:<br />

amend-wegmann@med.uni-goettingen.de<br />

Robert-Koch-Str. 40, 37075 <strong>Göttingen</strong><br />

Fax: 0551/39-9339<br />

e-mail: frauenbuero@med.uni-goettingen.de<br />

www.mi.med.uni-goettingen.de/frauenbuero<br />

IMPRESSUM<br />

IMPRESSUM<br />

Herausgegeben vom Frauenbüro des Bereichs Humanmedizin<br />

der <strong>Georg</strong>-<strong>August</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Göttingen</strong><br />

Redaktion:<br />

Dr. Christine Amend-Wegmann, Carmen Franz, Angela Friedrichs<br />

Layout: Angela Friedrichs<br />

Auflage: 2500 Exemplare, September 2002


Liebe Liebe Leserin, Leserin, lieber lieber Leser!<br />

Leser!<br />

Vor einem Jahr wurde ein Wechsel im Frauenbüro vollzogen: Carmen Franz<br />

ging in den Ruhestand und ich habe das Amt der Frauenbeauftragten am<br />

Bereich Humanmedizin angetreten. Sie werden beim Lesen merken, dass „die<br />

Frauensache“ meiner Vorgängerin auch als Rentnerin keine Ruhe lässt: Sie hat<br />

sich bereit gefunden, als Mitglied der Redaktion die GEORGIA GEORGIA GEORGIA auch weiterhin<br />

mit ihren Ideen und Beiträgen zu unterstützen. Gut, dass Sie uns auf diese<br />

Weise noch ein bisschen erhalten bleibt.<br />

Für alle, die mich bisher noch nicht kennen gelernt haben, möchte ich die<br />

Gelegenheit nutzen, mich kurz vorzustellen: Ich bin 35 Jahre alt, verheiratet<br />

und habe zwei Töchter. Als promovierte Volkswirtin habe ich mich in den<br />

vergangenen Jahren eher mit ökonomischen als mit medizinischen Fragestellungen<br />

beschäftigt, bringe aber mehrjährige frauenpolitische Erfahrungen aus<br />

der Hochschule und dem kommunalen Bereich mit. Meine Dissertationsschrift<br />

habe ich ebenfalls zu einem gleichstellungspolitischen Thema geschrieben.<br />

Seit einem Jahr bin ich nun Frauenbeauftragte am Bereich Humanmedizin in<br />

<strong>Göttingen</strong> und habe in dieser Zeit sehr viel über die Bedingungen von Frauen<br />

an einem Uni-Klinikum dazu gelernt. Hinsichtlich der mangelnden Chancengleichheit<br />

von Frauen und Männern im beruflichen Leben finden sich Gemeinsamkeiten<br />

mit anderen Berufsfeldern, aber auch viele Besonderheiten,<br />

die zumeist durch die speziellen Strukturbedingungen der Krankenversorgung<br />

geprägt sind. Als Beispiel seien hier nur die Arbeitszeiten genannt, die eine<br />

Vereinbarung mit anderen Verpflichtungen außerhalb des Berufs, vor allem<br />

familiären, mitunter sehr schwierig machen. Mit diesem Vereinbarkeitsproblem<br />

müssen sich hier wie anderswo aber nahezu ausschließlich Frauen abmühen.<br />

Väter haben <strong>Kind</strong>er, Mütter versorgen und erziehen sie, auch wenn sie Arbeiten<br />

gehen. Grund genug, diese Phänomene „<strong>Mutter</strong>schaft, <strong>Vater</strong>schaft,<br />

Elternschaft“ in der vierten Ausgabe der GEOR GEORGIA GEOR GIA einmal näher in<br />

Augenschein zu nehmen.<br />

Dr. Katja Koch, Erziehungswissenschaftlerin und in der Göttinger <strong>Universität</strong><br />

in der LeherInnenausbildung tätig, führt uns mit ihrem Beitrag zu „<strong>Mutter</strong>bildern“<br />

aus historischer und soziologischer Perspektive in die Thematik ein.<br />

„Über den Zusammenhang von dem Erziehungsgerede und Politik“ informiert<br />

uns Dr. Susanne Gölitzer. Die Autorin ist wissenschaftliche Assistentin<br />

am Institut für Deutsche Sprache und Literatur und ihre Didaktik an der Pädagogischen<br />

Hochschule Heidelberg. Sie ist selbst <strong>Mutter</strong> eines vierjährigen Sohns.<br />

Eine kurze Situationsanalyse und den mittelfristigen Handlungsbedarf, um die<br />

Bedingungen für Mütter am Bereich Humanmedizin zu verbessern, findet<br />

sich im Artikel „Mit <strong>Kind</strong>ern in der Klinik Karriere machen - Geht das denn?“.<br />

Einen ersten Einblick in die Lebenswirklichkeit einer allein erziehenden berufstätigen<br />

Mütter gibt Dr. Marion Hulverscheidt mit ihrem Artikel „ Allein<br />

erziehend und Ärztin?“ - „...wenn Sie meinen!“.<br />

Carmen Franz hat einen kleinen „Literaturüberblick und Gedanken zum Thema<br />

„<strong>Vater</strong>-<strong>Kind</strong> und <strong>Mutter</strong>“ zusammengetragen, den Sie im Anschluss daran<br />

lesen können.<br />

Auch ein allein erziehender <strong>Vater</strong> wird zu Wort kommen: Herr Ulrich Haupt,<br />

Pflegedienstleitung am UKG, der seine inzwischen erwachsenen Söhne alleine<br />

aufgezogen hat, stand uns für ein Interview zur Verfügung.<br />

Gedanken dazu, wie sich „Wissenschaft und <strong>Kind</strong>“ vereinbaren lassen, liefert<br />

der Erfahrungsbericht von Frau Dr. Nikola Biller-Andorno, die als Wissen-<br />

schaftlerin Karriere macht und gleichzeitig<br />

<strong>Mutter</strong> einer einjährigen Tochter<br />

ist.<br />

Wir wollten ein Interview mit Herrn<br />

Minister Thomas Oppermann,<br />

selbst <strong>Vater</strong> von zwei Töchtern, führen.<br />

Dazu sollte auch die Gelegenheit<br />

genutzt werden, ihn zu (frauen-)politischen<br />

Themen zu befragen. Leider<br />

musste der Minister das Interview<br />

kurzfristig absagen.<br />

„Aller Anfang ist schwer“, damit hat<br />

Frau Bärbel Klein, Pflegekraft am<br />

UKG, ihren Bericht überschrieben. Sie<br />

ist berufstätige <strong>Mutter</strong> zweier <strong>Kind</strong>er.<br />

Wie immer finden sich im hinteren Teil<br />

der Ausgabe eine ganz Reihe von<br />

Nachrichten, Hinweisen und Informationen,<br />

die es uns wert schienen,<br />

über unsere Bürogrenzen hinaus publik<br />

gemacht zu werden.<br />

„Einerseits ... und ... andererseits“ setzt<br />

wieder den provokanten Schlusspunkt<br />

dieser Ausgabe.<br />

Dr. Christine Amend-Wegmann<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 3


Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

<strong>Mutter</strong> <strong>Mutter</strong>sc <strong>Mutter</strong> sc schaft sc haft und und <strong>Mutter</strong>bilder<br />

<strong>Mutter</strong>bilder<br />

Von on Idealen Idealen und und Leit(d)v Leit(d)vor<br />

Leit(d)v or orstellung<br />

or stellung stellungen<br />

stellung en<br />

Dr. phil. Katja KOCH<br />

Promotion 2001 zum Thema „Der<br />

Übergang in die Sekundarstufe aus<br />

Lehrersicht“, anschließend Wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin im Projekt<br />

„Familiale Bildungsstrategien als<br />

Mehrgenerationenprojekt.<br />

Bildungs- und kulturbezogene<br />

Austauschprozesse zwischen Großeltern,<br />

Eltern und Enkeln in unterschiedlichen<br />

Familienkulturen“<br />

(<strong>Universität</strong> Marburg), seit Oktober<br />

2001 Wissenschaftliche Assistentin<br />

am Pädagogischen Seminar der<br />

<strong>Georg</strong>-<strong>August</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Göttingen</strong>,<br />

Arbeitschwerpunkte: Empirische<br />

Schul- und Bildungsforschung,<br />

Schulentwicklung, Methoden der<br />

empirischen Sozialforschung.<br />

4 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

<strong>Mutter</strong>schaft ist ein zentraler Bestandteil des weiblichen Selbstkonzeptes und<br />

eine wichtige Dimension der weiblichen Geschlechterrolle. Die Sozialisation<br />

zur <strong>Mutter</strong> setzt in der <strong>Kind</strong>heit und Jugend ein und ihre Auswirkungen auf<br />

die weibliche Biographie und Lebensgestaltung reichen weit über die aktive<br />

<strong>Mutter</strong>schaft hinaus. Damit ist <strong>Mutter</strong>schaft ein höchst komplexes Thema. Sie<br />

beruht auf dem biologischen Akt des Gebärens, aber auch auf dem sozialen<br />

Akt des Erziehens und umfasst biologische Aspekte genauso wie gesellschaftliche<br />

Vorstellungen. Die mit <strong>Mutter</strong>schaft verbundenen Vorstellungen, wie<br />

Mütter sich zu verhalten haben, sind historisch dabei keineswegs fest gefügt,<br />

sondern haben sich erst nach und nach zu gesellschaftlich relevanten Leitbildern<br />

verdichtet. Zu bedenken gilt hier, dass Leitbilder von <strong>Mutter</strong>schaft und<br />

Mütterlichkeit immer einen anzustrebenden Zielzustand beschreiben und somit<br />

Aufforderungscharakter bezüglich der gegenwärtigen Realität haben. Sie<br />

zeigen idealtypisch eine vorbildliche Lebensform auf, an der sich die individuelle<br />

Lebensgestaltung jeder <strong>Mutter</strong> orientieren soll. Dabei geben sie einen gesellschaftlich<br />

erwünschten, sozialen Orientierungsrahmen vor und bestimmen<br />

explizit oder implizit das Leben jeder einzelnen <strong>Mutter</strong>. Als problematisch<br />

erweist sich allerdings die Existenz unterschiedlicher, miteinander konkurrierender<br />

Idealbilder. Da für das Leben heutiger Frauen insbesondere die Konkurrenz<br />

zwischen der „guten <strong>Mutter</strong>“ und der „berufstätigen <strong>Mutter</strong>“ bedeutsam<br />

ist, handelt dieser Beitrag von diesen beiden Leit- (oder Leid?)bildern<br />

und von den Möglichkeiten sie zu überwinden.<br />

Für die christlich-abendländische Kultur prägend war zunächst das Bild der<br />

„guten <strong>Mutter</strong>“, die in der ikonographischen Figur der Gottesmutter Maria<br />

perfekt inszeniert ist. Im christlichen Abendland galt (und gilt) ihre aufopfernde,<br />

selbstlose und innige <strong>Mutter</strong>liebe als vorbildlich. Diese <strong>Mutter</strong>liebe zielt<br />

primär auf das <strong>Kind</strong>eswohl und obwohl die Vorstellung darüber, was <strong>Kind</strong>eswohl<br />

ausmacht, in unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich ausgeprägt war,<br />

bleibt es der zentrale Orientierungsrahmen für alle Mütter. Landweer weist hier<br />

daraufhin, dass das normative Verhaltensmuster „<strong>Mutter</strong>liebe“ nichts schon<br />

immer natürlich Vorgegebenes ist, sondern erst allmählich auf der Grundlage<br />

von gesellschaftlichen Normen für Verhalten, Fühlen und Denken „konstruiert“<br />

wurde (Landweer 1989). Dass Mütter eine einzigartige Rolle im Leben<br />

ihrer <strong>Kind</strong>er spielen und für ihr Wohl zu sorgen haben, ist dabei eine relativ<br />

moderne Ansicht. Ariès zufolge gab es vor dem Beginn der bürgerlichen Gesellschaft<br />

- und damit dem Entstehen der bürgerlichen Familie - kein bewusstes<br />

Verhältnis zur <strong>Kind</strong>heit (Ariès 2000).<br />

Solange also der <strong>Kind</strong>heit als besonderen Alterstufe keine Bedeutung zugesprochen<br />

wurde, gab es kein Verständnis von <strong>Kind</strong>eswohl und demnach auch<br />

niemanden, der sich darum kümmern musste. In der vorindustriellen Gesellschaft<br />

etwa galten <strong>Kind</strong>er zunächst als unfertige Menschen und sobald sie das<br />

Kleinkindalter hinter sich gelassen hatten bereits als Erwachsene. Die Dauer<br />

der <strong>Kind</strong>heit blieb damit auf die Periode beschränkt, in der das <strong>Kind</strong> nicht<br />

ohne fremde Hilfe auskommen konnte. Eigene Bedürfnisse der <strong>Kind</strong>er wurden<br />

von den Erwachsenen nicht wahrgenommen, sie wurden nicht umsorgt,<br />

sondern lediglich versorgt. Da die Arbeitskraft der <strong>Mutter</strong> wesentlich dringender<br />

in der Familienwirtschaft benötigt wurde, war sie nur zu einem geringen<br />

Teil für die Versorgung des <strong>Kind</strong>es zuständig. In der Regel wurde die<br />

<strong>Kind</strong>erbetreuung anderen Personen - Ammen, älteren Geschwistern, Großel-


Freistellung der Frau<br />

für Erziehungszwecke<br />

Leitbild:<br />

Gute <strong>Mutter</strong> -<br />

Natürliche Rolle<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

tern, Mägden etc. - überlassen. Die Erziehungsleistung der Frau in der vorindustriellen<br />

Zeit war demnach eine unter vielen Aufgaben und beileibe nicht<br />

die wichtigste. Die Beziehung der Eltern zu ihren <strong>Kind</strong>ern war allgemein geprägt<br />

von der hohen Säugling- und <strong>Kind</strong>ersterblichkeit. Viele <strong>Kind</strong>er starben<br />

bereits im ersten Lebensjahr, die wenigsten erreichten das zehnte Lebensjahr.<br />

Neben allgemein ungünstigen Lebensbedingungen (Ernährungskrisen, Seuchengefahr,<br />

mangelnde Hygiene, schlechte Wohnqualität) spielte sicherlich auch die<br />

fehlende Fürsorge für das <strong>Kind</strong> eine Rolle. Als Reaktion auf die hohe Säuglingssterblichkeit<br />

des 18. Jahrhunderts wurde daher in einer Reihe von philosophischen,<br />

theologischen und medizinischen Schriften eine absichtsvolle <strong>Kind</strong>ererziehung,<br />

statt bloßer minimaler Versorgung propagiert. Die von staatlicher<br />

Seite unternommenen Anstrengungen, z.B. in Form der Kampagnen zum<br />

Selbststillen, zielten dabei nicht nur auf verbesserte Versorgungstechniken von<br />

<strong>Kind</strong>ern, sondern insbesondere auch auf eine neue Gefühls- und Beziehungsqualität<br />

von <strong>Mutter</strong> und <strong>Kind</strong> (Toppe 1999). Mit der gesellschaftlichen Definition<br />

der Frau als „guten <strong>Mutter</strong>“ schufen sie das bürgerliche und später kleinbürgerliche<br />

Idealbild der ans Haus gebundenen und ihre Lieben umsorgenden<br />

<strong>Mutter</strong>.<br />

Möglich wurde diese Freistellung der Frau für Erziehungszwecke vor allem<br />

durch die verändernden Produktionsbedingungen des 19. Jahrhunderts und<br />

die hiermit einhergehende Trennung von Arbeitstätte und Wohnumfeld, die<br />

Polarisierung der Funktionen von Mann und Frau in Form von Erwerb und<br />

Haus, sowie die Trennung in öffentliche und private Sphäre. Den Frauen jener<br />

Zeit bot das Bild der „guten <strong>Mutter</strong>“ einen Orientierungsrahmen mit dem sie<br />

sich arrangieren konnten. Sowohl das häusliche Glück als auch das öffentliche<br />

Wohl lag in ihren Händen und sie selbst wurden als Mütter zum staatstragenden<br />

Moment erhoben. Die Frau erhielt Verantwortung und hatte als Erzieherin<br />

tätigen Anteil am gesellschaftlichen Wohl. Die Beschränkung auf die weibliche<br />

Natur verlieh Frauen Autorität und Macht über die <strong>Kind</strong>er. Eine direkte Folge<br />

hiervon war, dass der <strong>Vater</strong> als Erzieher immer stärker in den Hintergrund<br />

trat, seine Bedeutung für die Sozialisation der <strong>Kind</strong>er zunehmend negiert wurde<br />

und die gesamte Erziehungsverantwortung von nun an die <strong>Mutter</strong> tragen<br />

sollte und musste.<br />

Die mit dem Leitbild der „guten <strong>Mutter</strong>“ erfolgte Festlegung der Frau auf<br />

ihre „natürliche“ Rolle als <strong>Mutter</strong>, trug bis weit in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts<br />

dazu bei, dass <strong>Mutter</strong>schaft als innerste Wesenserfüllung der Frau<br />

verstanden wurde und eine eigene Erwerbstätigkeit für viele Mütter als „widernatürlich“<br />

galt. Diese bis dato dominante Sichtweise wurde erst allmählich<br />

durch feministische Analysen zur Situation der Frau in der Gesellschaft aufgeweicht.<br />

Simone de Beauvoir etwa (1951) bettete <strong>Mutter</strong>schaft in das Machtverhältnis<br />

zwischen Mann und Frau ein und führte „ideale“ Vorstellungen von<br />

<strong>Mutter</strong>schaft, mütterlichem Verhalten und <strong>Mutter</strong>liebe fundamental auf die<br />

Stellung von Mann und Frau in der Gesellschaft zurück. Über die partiarchale<br />

und hierarchische Struktur der Ehe werden Frauen ihrer Ansicht nach ökonomisch<br />

und sozial vom Mann in Abhängigkeit gehalten und die über <strong>Mutter</strong>schaft<br />

herrschenden Ideologien leisten hierzu einen hilfreichen Beitrag. Die aus<br />

dieser feministischen Sicht der Ehe abgeleitete Kritik des herrschenden<br />

Geschlechterverhältnis, veränderte allmählich das vorherrschende Frauenbild<br />

und in folge dessen auch das Bild der <strong>Mutter</strong>. Zum Ideal erklärt wurde nun<br />

die erwerbstätige, finanziell unabhängige und karriereorientierte Frau, die entweder<br />

auf <strong>Kind</strong>er verzichtet oder als „berufstätige <strong>Mutter</strong>“, Familie und Beruf<br />

miteinander vereinbart.<br />

Eindrucksvoll belegen lässt sich dieser fundamentale gesellschaftliche Wandel<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 5


Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Nach der<br />

„Babypause“<br />

Zuständigkeitsbereich<br />

der Frauen<br />

Ideologien und<br />

Stereotypen von<br />

<strong>Mutter</strong>schaft<br />

6 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

dabei anhand des Anstiegs der Frauenerwerbsquote: In der früheren Bundesrepublik<br />

stieg z.B. die Erwerbsquote von Frauen im Alter von 15 bis 65 Jahren<br />

von 46% im Jahr 1970 auf 62% im Jahr 1999. Dieser Anstieg der Erwerbsquote<br />

ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass verheiratete Frauen<br />

und Mütter immer häufiger einer bezahlten Arbeit nachgehen bzw. nach der<br />

„Babypause“ wieder in den Beruf zurückkehren.<br />

1998 waren z.B. 55% der westdeutschen Mütter mit <strong>Kind</strong>ern unter 15 Jahren<br />

erwerbstätig. Die Erwerbsquote der verheirateten Frauen stieg in Westdeutschland<br />

von 46% im Jahr 1980 auf 59% im Jahr 1999 (BpB 2000). Damit wird<br />

dokumentiert, dass immer weniger Frauen bereit sind, wegen der <strong>Kind</strong>er dauerhaft<br />

auf eine Berufstätigkeit zu verzichten bzw. diese langfristig zu unterbrechen.<br />

Freude am Beruf, die Stärkung des Selbstbewusstseins, der Aufbau bzw.<br />

Erhalt sozialer Kontakte und die Verfügung über ein eigenes Einkommen<br />

sind gleichermaßen wesentliche Motive für Mütter mit <strong>Kind</strong>ern, Familie und<br />

Beruf miteinander zu verbinden. Alles in Ordnung also? Beleibe nicht! Denn<br />

während Erwerbsarbeit und das Streben nach beruflichem Erfolg von Männern<br />

gesellschaftlich erwartet und automatisch in eine männliche Lebensplanung<br />

eingeschlossen wird, bedeutet die zunehmende Erwerbstätigkeit der Frauen<br />

ein Aufbrechen ihrer geschlechtspezifischen Rollenzuweisungen.<br />

Fatalerweise bleiben die an Frauen gerichteten Erwartungen hiervon immer<br />

noch nahezu unberührt und Hausarbeit und <strong>Kind</strong>ererziehung werden auch<br />

weiterhin in den Zuständigkeitsbereich der Frauen verwiesen. Höchst ärgerlich<br />

ist in diesem Kontext das insbesondere von den Medien verbreitete Bild<br />

der „Supermutter“, das die realen Problemlagen von Müttern negiert und<br />

diesen vorgaukelt sie könnten „alles“ alleine erreichen. Die Supermutter „kann<br />

mit der einen Hand einen <strong>Kind</strong>erwagen schieben und mit der anderen die<br />

Aktentasche tragen. Sie ist immer gut frisiert, ihre Strumpfhosen haben nie<br />

Laufmaschen, ihr Kostüm ist stets frei von Knitterfalten, und ihr Heim ist<br />

natürlich blitzsauber. Ihre <strong>Kind</strong>er sind makellos: Sie haben gute Manieren, sind<br />

aber nicht passiv, sondern putzmunter und strotzen vor Selbstbewusstsein“<br />

(Hays 1998, S. 174f.). Dass dieses Leitbild mit einer enormen Überforderung<br />

verbunden ist, steht außer Zweifel, denn an dem Anspruch <strong>Mutter</strong>, Karrierefrau<br />

und Idealpartnerin zugleich zu sein, kann man nur scheitern.<br />

Es ist also keine allzu große Einsicht nötig, um zu erkennen, dass die vorherrschenden<br />

Ideologien und Stereotypen von <strong>Mutter</strong>schaft das durch männliche<br />

Dominanz gekennzeichnete Verhältnis zwischen den Geschlechtern noch immer<br />

determinieren. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist deswegen<br />

vor allem ein Problem der Frauen und dies nicht etwa, weil nur sie sich <strong>Kind</strong>er<br />

wünschen, sondern weil Männer sich bezüglich der Versorgung der <strong>Kind</strong>er<br />

immer noch auf die geschlechtsspezifische Rollenteilung berufen (und berufen<br />

können). Die Steigerung der Frauenerwerbsquote z.B. darf deswegen nicht<br />

darüber hinwegtäuschen, dass Frauen eher bereit sind, Konflikte zwischen<br />

Beruf und Familie zugunsten der <strong>Kind</strong>er und des Partners zu lösen und Abstriche<br />

an ihren Karrierewünschen vorzunehmen (hier grüßt die „gute <strong>Mutter</strong>“).<br />

In der Regel mildern Mütter die Kollision von Familien- und Berufspflichten<br />

durch einen vorübergehenden Ausstieg aus dem Beruf oder durch<br />

Teilzeitarbeit. Die Entscheidung für eine dieser Varianten ist gleichbedeutend<br />

mit zumindest vorübergehendem Verzicht auf Aufstieg. In vielen Fällen kommt<br />

es aber auch zu einem gänzlichen beruflichen Ausstieg. Von den 400.000 Frauen,<br />

die jährlich in Erziehungsurlaub „gehen“, kehrt lediglich die Hälfte in den<br />

Beruf zurück. Der Erhalt von persönlicher und materieller Freiheit ist für<br />

Frauen immer noch nur schwer und unter Anstrengungen zu verwirklichen.


„Ideale <strong>Mutter</strong>“<br />

Mehr Einsatz<br />

von den Vätern<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Die Konkurrenz der gesellschaftlich offerierten Leitbilder „gute <strong>Mutter</strong>“ und<br />

„berufstätige <strong>Mutter</strong>“ bringt die Frauen zudem in eine wenig komfortable<br />

Lage, schließen sie sich doch gegenseitig aus. Wie soll man beruflich erfolgreich<br />

sein und sich gleichzeitig um <strong>Kind</strong>ererziehung und Haushalt kümmern?<br />

Noch immer ist die „ideale <strong>Mutter</strong>“ eine Frau, die wenn sie schon außerhalb<br />

des Hauses arbeitet, ihre Berufstätigkeit zeitlich eingrenzt. Jede berufstätige<br />

<strong>Mutter</strong> steckt also in einem Dilemma, das oft in Schuldgefühlen endet. Da<br />

staatlicherseits keine Hilfen zu erwarten sind, muss auf individuelle Abhilfe<br />

gesetzt werden. Auffällig ist bei der aktuellen Diskussion um <strong>Mutter</strong>schaft<br />

und Erwerbstätigkeit allerdings, dass immer von den Müttern und deren Problemen<br />

die Rede ist. Sie sind es, die von ihrem hektischen Alltag berichten und<br />

den „ständigen Zeit- und Schlafmangel“ beklagen, mehr Ganztagsplätze in<br />

Schule und <strong>Kind</strong>ergarten fordern und sich über die <strong>Kind</strong>erfeindlichkeit in<br />

Deutschland beklagen (vgl. z.B. Brigitte-Umfrage 2002). Und zu recht. Wir haben<br />

in Deutschland viel zu wenig <strong>Kind</strong>ergarten- und <strong>Kind</strong>ertagestättenplätze,<br />

zu wenig Ganztagsschulen und Teilzeitarbeitsplätze. Hier ist zweifelsohne der<br />

Gesetzgeber gefragt und hier müssen Mütter selbstbewusst ihre Rechte einfordern.<br />

Nicht einzusehen ist allerdings warum Mütter nicht auch von den Vätern mehr<br />

Einsatz fordern sollten. Das Leitbild der „guten <strong>Mutter</strong>“ dient (auch für Frauen<br />

selbst) allzu leicht als bequeme Ausrede dafür, dass Frauen deswegen für<br />

die Erziehung des <strong>Kind</strong>es und für das Funktionieren des Haushaltes zuständig<br />

seien, weil sie „das von Natur aus besser können als Männer“. Hier wird es<br />

Zeit dieses konstruierte Leitbild über Bord zu werfen, die Aufteilung der<br />

familialen Rollen neu zu verhandeln und den Vätern wieder die Verantwortung<br />

für die Erziehung ihrer <strong>Kind</strong>er zuzumuten. Und hierzu gehört es auch<br />

deren Mithilfe im Haushalt und bei der <strong>Kind</strong>erbetreuung konsequent einzufordern.<br />

Hemdenbügeln ist Übungssache und <strong>Kind</strong>er hüten ist nichts Anrüchiges.<br />

Es ist ein historischer Trugschluss, nicht zuletzt auch der Mütter selbst,<br />

dass nur sie für ihre <strong>Kind</strong>er verantwortlich sein können und dass nur sie allein<br />

wüssten, „was das Beste für ihr <strong>Kind</strong>“ sei. <strong>Kind</strong>er brauchen viele Bezugspersonen<br />

und die <strong>Mutter</strong> muss nicht immer die wichtigste sein.<br />

Literatur:<br />

Ariès, Philippe: Geschichte der <strong>Kind</strong>heit. München 2000.<br />

Beauvoir, Simone de: Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Hamburg<br />

1951.<br />

BpB Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Informationen zur politischen<br />

Bildung, Heft 269: Sozialer Wandel in Deutschland. Bonn 2000.<br />

Brigitte-Umfrage 2002: „Was Mütter wollen, was Mütter brauchen. Brigitte Nr.12<br />

2002, S. 160-167.<br />

Hays, S.: Die Identität der Mütter. Zwischen Selbstlosigkeit und Eigennutz. Stuttgart<br />

1998<br />

Landweer, Hilge: Das normative Verhaltensmuster „<strong>Mutter</strong>liebe“. In: IFF (Hrsg.): La<br />

Mamma! Beiträge zur sozialen Institution <strong>Mutter</strong>schaft. Köln 1989, S. 11-25.<br />

Toppe, Sabine: Polizey und Geschlecht. Der Obrigkeitsstaatliche <strong>Mutter</strong>schafts-Diskurs<br />

in der Aufklärung. Weinheim 1999.<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 7


Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Über Über den den Zusammenhang Zusammenhang von von dem<br />

dem<br />

Erziehungsg<br />

Erziehungsger<br />

Erziehungsg er erede er ede und und P PPolitik<br />

P olitik<br />

Vor dreißig Jahren streckte ein Dreijähriger<br />

nicht ungestraft fremden Passanten<br />

die Zunge heraus, und wenn<br />

das <strong>Kind</strong> - älter geworden - in der<br />

Schule Anlass zu Krach gab, bekam<br />

es zu Hause auch noch eine Ohrfeige<br />

dafür, dass es in der Schule Unfug<br />

angestellt hatte. Diese Zeiten scheinen<br />

aber vorbei. Heute beklagt man die<br />

Disziplinlosigkeit des Nachwuchses,<br />

die materielle Orientierung der <strong>Kind</strong>er,<br />

die Respekt- und Formlosigkeit<br />

im generationsübergreifenden Miteinander.<br />

Die Schuld dafür wird nicht<br />

nur bei den <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen<br />

gesucht, sondern auch bei den erziehungsmüden<br />

Eltern, bei den auseinander<br />

brechenden Familien, den<br />

vielen berufstätigen Frauen. Kein<br />

Wunder, das Buchtitel wie „<strong>Kind</strong>er<br />

brauchen Grenzen“ hoch im Kurs stehen.<br />

Erziehungsratgeber aller Couleur<br />

bieten ihre hilfreichen Dienste an. Den<br />

jungen Erwachsenen, eben den Eltern,<br />

scheint der Sinn für die Durchsetzung<br />

wichtiger Werte abhanden gekommen<br />

zu sein. Diesem Missstand Abhilfe zu<br />

leisten verspricht Petra Gersters Buch:<br />

„Wie wir die Zukunft unserer <strong>Kind</strong>er<br />

retten“. Die Heute-Moderatorin<br />

beschäftigt sich aber keineswegs mit<br />

den fundamentalen ökologischen, politischen<br />

und kulturellen Fragen der<br />

Gegenwart und der nahen Zukunft<br />

wie Ozonloch, der kommenden<br />

Trocken- und Regenkatastrophen, der<br />

nicht wieder gutzumachenden Ausrottung<br />

vieler Tierarten, der Züchtung<br />

hochaggressiver Milzbranderreger,<br />

der kriegerischen Auseinandersetzungen<br />

überall auf dieser Erde, der grassierenden<br />

Seuchen von HIV bis Cholera<br />

auf der ganzen Welt, besonders<br />

in der dritten, nein, nicht diese Fragen<br />

bereiten uns nach Gerster schlaflose<br />

8 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

Elisabeth Klaus<br />

Dr. Susanne Gölitzer<br />

ist Autorin und wissenschaftliche<br />

Assistentin am Institut für Deutsche<br />

Sprache und Literatur und ihre<br />

Didaktik an der Pädagogischen<br />

Hochschule Heidelberg und arbeitet<br />

an ihrer Habilitation zur literarischen<br />

Sozialisation.<br />

Sie hat einen vierjährigen Sohn.<br />

Nächte, sondern das Abhandenkommen<br />

von eindeutigen Werten, von klaren<br />

Erziehungsmaßstäben, von Grenzen.<br />

Zögerlich über das Richtige nachzudenken<br />

und dabei Unsicherheiten<br />

zu zeigen, scheint nicht mehr Mittel<br />

der Wahl.<br />

In das gleiche Horn, mit etwas mehr<br />

Eleganz bläst Susanne Gaschke, man<br />

fand es in der letzten Saison viel zitiert,<br />

wie sie sich über Tischmanieren<br />

und schlecht erzogene Eltern beschwert,<br />

die die Erziehung der eigenen<br />

<strong>Kind</strong>er ruinieren. Nach dem 11.<br />

September dann spannte sie ein enges<br />

thematisches Band zwischen<br />

entscheidungsunfreudigen Eltern und<br />

der damals zur Entscheidung gestandenen<br />

Beteiligung der Bundeswehr an<br />

dem Militärschlag gegen Osama Bin<br />

Ladens Terrornetz in Afghanistan. Es<br />

war plötzlich alles aus einem Übel: die<br />

verloren gegangenen Werte, die unerzogenen<br />

<strong>Kind</strong>er (und Eltern) und<br />

die nachdenklichen, differenzierten<br />

Überlegungen zu einem möglichen<br />

Militäreinsatz und seinen Folgen. Ihr<br />

polemisches Argument gegen die, die<br />

nicht jeden Militärschlag der USA<br />

unterstützen mochten, also von „uneingeschränkter<br />

Solidarität“ nichts<br />

wissen wollten, war das Sozialarbeiter-Klischee.<br />

Wer erst mal verstehen<br />

wolle, zögere zu lange und unterstütze<br />

letztlich die Terroristen. Politische<br />

Bedenkenträger werden in diesem<br />

Klischee zu Weicheiern ohne Kontur<br />

und Durchsetzungskraft.<br />

Hinter der Neuauflage der Parole:<br />

„Mehr Erziehung!“ und der Politik<br />

der Entschlossenheit steckt das gleiche<br />

Denken. Es ist der Versuch, den<br />

Geist der reflexiven Moderne wieder<br />

in die Flasche zu zwingen. Lebenspraktisch<br />

könnte man das Problem<br />

der reflexiven Moderne doch immer<br />

noch so ausbuchstabieren: Es ist uns<br />

aufgegeben, über alles Mögliche nachzudenken,<br />

weil es nicht mehr eindeutig<br />

bestimmt ist von vorneherein:<br />

Wollen wir unsere <strong>Kind</strong>er um sieben<br />

oder um zehn ins Bett schicken und<br />

warum? Wollen wir mit Trauschein<br />

zusammenleben oder ohne oder gar<br />

nicht? Wollen wir Schweinebraten essen<br />

oder jeden Tag Spaghetti? Ist jeder<br />

Moslem gleich ein Attentäter?<br />

Nun ist schon klar, wir werden, auch<br />

wenn wir jeden Tag Pizza essen und<br />

uns für ein mediterranes Mobiliar entscheiden,<br />

nicht automatisch Italiener<br />

und „irgendwie“ sind wir noch deut-


sche Deutsche und viele von uns auch<br />

mehr oder weniger christlich, auch<br />

wenn wir keine Kirchensteuer mehr<br />

zahlen. Aber möglicherweise sind wir<br />

trotzdem viel weniger eindeutig das<br />

eine oder andere, als wir gerne vorgeben<br />

zu sein. Niemand ist identisch<br />

mit seinen Werten und schon gar nicht<br />

mit einem großen, komplexen Gebilde<br />

wie die Nation. Sigmund Freud<br />

hat bekanntermaßen den Versuch<br />

gemacht, die strukturellen Uneindeutigkeiten<br />

menschlicher Persönlichkeit<br />

zu erklären. Unser psychischer<br />

Apparat ist keine leere Box, in die die<br />

Eltern und Lehrer reinlegen, was zur<br />

Ausstattung eines glücklichen Menschen<br />

gehört: Tugend, Ordnung,<br />

Höflichkeit, Selbstbewusstsein, Beharrungsvermögen<br />

usw.. Viel eher passend<br />

scheint die freudsche Vorstellung<br />

vom Wunderblock. Das ist zu anderen<br />

Zeiten eine Wachstafel gewesen<br />

mit einem Zelluloidblatt und einem<br />

Wachspapier darüber. Man ritzt etwas<br />

in das Zelluloid hinein und kann es<br />

lesen. Hebt man das Zelluloid mit<br />

dem Wachspapier ab, ist die Schrift<br />

weg. Im Wachs bleibt sie aber eingraviert,<br />

auch wenn man wieder etwas<br />

anderes auf das Zelluloid schreibt.<br />

Bewusstsein und Unbewusstes verhalten<br />

sich in diesem Bild wie Zelluloid<br />

und Wachs zueinander.<br />

Mal übersetzt: Da schreibt sich das<br />

Leben mit dem ersten Tag unserer<br />

Ankunft in dieser Welt in uns ein und<br />

hinterlässt Spuren, die wir aber selbst<br />

nicht mehr ohne weiteres wahrnehmen<br />

können. Unsere Erfahrungen<br />

bleiben nicht immer zugänglich. Identität<br />

in diesem Modell ist etwas Doppelbödiges:<br />

wir sind identisch mit einem<br />

Teil von uns, von dem wir nichts<br />

oder nur wenig wissen (Wachstäfelchen).<br />

Identität in diesem Modell<br />

ist der Begriff für das Einigsein mit<br />

dem Nicht-Identischen, dem Anderen<br />

in uns, über das wir nicht einfach<br />

verfügen und bestimmen.<br />

Jeder Versuch, die Identität als widerspruchsloses<br />

und bewusstes Konzept,<br />

für das sich Menschen entscheiden<br />

können, zu beschreiben, vergisst, dass<br />

Menschen mehr sind als die Behält-<br />

nisse eines funktionierenden Bewusstseins.<br />

Es ist demnach ein absurdes<br />

Vorhaben, zur Identität zu erziehen,<br />

mit Strenge und Disziplin eine mit sich<br />

identische Persönlichkeit erzeugen zu<br />

wollen. Das gilt für <strong>Kind</strong>er und Erwachsene<br />

sowieso. Die sollte man<br />

überhaupt nicht erziehen wollen,<br />

schon gar nicht mit den Mitteln der<br />

Politik. Hannah Arendt nennt solcherart<br />

politische Erziehungsversuche tendenziell<br />

totalitär, und so sehe ich es<br />

auch.<br />

Eine Identität kann man nur haben,<br />

die kann man nicht über die Identifizierung<br />

mit einem politischen Begriff<br />

„Nation“ annehmen. Die Differenz<br />

und Vielfalt in der Einheit eines Selbst<br />

macht uns als Identitäten aus. Dass es<br />

nicht immer einfach ist – gerade für<br />

<strong>Kind</strong>er – mit diesen verschiedenen<br />

inneren Texten des persönlichen<br />

Wunderblocks zu recht zu kommen,<br />

soll nicht geleugnet sein. Wenn wir so<br />

tun, als wäre alles ganz eindeutig und<br />

eine Frage des Willens, dann leugnen<br />

wir aber einen entscheidenden fremden<br />

Teil von uns. Es sind ja gerade<br />

diese uns selbst nicht immer zugänglichen<br />

und unbekannten Anteile eines<br />

Selbst, die unser Handeln widersprüchlich<br />

und zuweilen unberechenbar<br />

macht: Wir verhalten uns manchmal<br />

wider gegen jede eigene Einsicht,<br />

möchten etwas sein, was wir nicht<br />

sind, sind etwas, was wir nicht sein<br />

möchten. Es sind genau diese Erfahrungen,<br />

die <strong>Kind</strong>er vom ersten Tag<br />

ihres Lebens an mit uns Erwachsenen<br />

und sich selbst haben. Wir machen<br />

uns vor unseren <strong>Kind</strong>ern unglaubwürdig,<br />

wenn wir so tun, als<br />

könnten wir ohne Widersprüche,<br />

Wenn und Aber, Für und Wider leben.<br />

Vielmehr als Eindeutigkeiten in der<br />

Erziehung und nationale Orientierung<br />

im Politischen brauchen wir – Erwachsene<br />

– den Mut zur Erklärung<br />

und zur Differenzierung. Die Welt<br />

erklärlich machen heißt, die Normen,<br />

Werte und Regeln einer Gesellschaft<br />

und einer Gemeinschaft verstehen zu<br />

lehren und sie mitunter auch in Frage<br />

zu stellen. Es kann keine absoluten,<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

letzten Werte für säkulare Gesellschaften<br />

geben, sie beruhen vielmehr auf<br />

Vereinbarungen, Gewohnheiten und<br />

Setzungen. Diese achten zu lernen, ist<br />

keine Frage der nationalen Identität<br />

oder der richtigen Erziehung. Es ist<br />

eine Frage der Kultur, einer diskursiven<br />

Kultur. Eine solche zu befördern<br />

mit Mitteln der Politik und der Pädagogik<br />

scheint mir die beste Zukunftssicherung<br />

zu sein. In der neueren<br />

Wissenschaftsgeschichte haben der<br />

Poststrukturalismus und der Feminismus<br />

dieses Nicht-Identisch-Sein zum<br />

Ausgangspunkt ihrer Theorienbildung<br />

gemacht und vorgemacht, wie das<br />

gehen könnte. Es lohnte die Mühe,<br />

dies einmal für den politischen und<br />

privaten Alltag zu übersetzen.<br />

Unsere <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen<br />

brauchen unsere Überzeugungen, die<br />

wir ernsthaft, aber nicht verbissen<br />

verteidigen: Solidarität mit den Opfern,<br />

Entschiedenheit in unseren<br />

Handlungen und die Fähigkeit, diese<br />

selbstkritisch zu befragen. Dass das,<br />

was wir tun oder getan haben immer<br />

auch falsch gewesen sein könnte, sollten<br />

wir in Erziehung und Politik nicht<br />

nur mitbedenken, sondern auch vermitteln.<br />

Unsere Identität gewinnen wir<br />

daraus, uns als beschriebene und immer<br />

wieder neu zu beschreibende<br />

Wunderblöcke zu erkennen.<br />

Literatur:<br />

Freud, Sigmund: Notizen über den<br />

Wunderblock. 1924. In: Gesammelte<br />

Werke, Bd. 14, S.3-8.<br />

Gaschke, Susanne: Die Erziehungskatastrophe.<br />

<strong>Kind</strong>er brauchen<br />

starke Eltern. Stuttgart 2001.<br />

Gerster, Petra: Der Erziehungsnotstand.<br />

Wie wir die Zukunft unserer<br />

<strong>Kind</strong>er retten. Berlin 2001<br />

Rogge, Jan-Uwe: <strong>Kind</strong>er brauchen<br />

Grenzen. Hamburg 2000<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 9


Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Mit Mit <strong>Kind</strong>ern <strong>Kind</strong>ern in in der der Klinik Klinik Karriere Karriere machen machen -<br />

-<br />

Geht Geht das das denn denn ?<br />

?<br />

Vor gut einem Jahr habe ich am Bereich Humanmedizin das Amt der Frauenbeauftragten<br />

übernommen. Ich bin <strong>Mutter</strong> zweier <strong>Kind</strong>er und habe immer<br />

versucht, beruflich am Ball zu bleiben. Die Reaktionen auf mein berufliches<br />

Engagement in <strong>Göttingen</strong> bei gleichzeitigem Lebensmittelpunkt in Marburg<br />

reichen von Interesse über Verwunderung bis zur klar formulierten Ablehnung:<br />

„Aber Ihr Mann hat doch ein gutes Einkommen. Wieso tun Sie das<br />

Ihren <strong>Kind</strong>ern an?“ So, oder so ähnlich meinen manche meine Entscheidung<br />

kommentieren zu müssen. Vergleichbares würde denselben Menschen bei<br />

Berufspendlern, die auch Väter sind, vermutlich nicht einfallen.<br />

Aber nicht nur ich bin mit der Erwartungshaltung an „das <strong>Mutter</strong>sein“ konfrontiert.<br />

<strong>Mutter</strong>schaft steht unter den Erklärungsgründen für das zögerliche<br />

Weiterkommen von Frauen am Bereich Humanmedizin „ganz oben in der<br />

Hitliste“. Ob die Krankenversorgung aufgrund mangelnder Personalausstattung<br />

gefährdet scheint, das Forschungsergebnis der Abteilung schlechter ausgefallen<br />

ist, oder die Lehrbelastung allen über den Kopf wächst - fast immer<br />

werden als Ursachen mehr oder weniger ernsthaft Schwangerschaften und<br />

Erziehungszeiten von Frauen ins Feld geführt. Weiter wird dann argumentiert<br />

- meist im Zusammenhang mit Frauenförderung - dass Frauen sich ja freiwillig<br />

für ihre <strong>Kind</strong>er und gegen ihre Karriere entscheiden würden. Zugespitzt<br />

formuliert heißt es dann oft: „Frauen wollen doch gar keine Karriere machen“.<br />

Wollen sie nicht, oder können Sie nicht? Ist der Rückzug ins Private -<br />

dem „natürlichen <strong>Mutter</strong>band“ geschuldet, oder doch eher den äußeren Bedingungen?<br />

Ich denke, beides trifft zu. Betrachten wir nur einmal das weite<br />

Feld „Arbeitszeiten“.<br />

„Klinikstypische“ Arbeitszeiten lassen sich mit der Versorgung von <strong>Kind</strong>ern<br />

meist nur sehr schwer unter einen Hut bringen. Alle, die wie Pflegepersonal,<br />

MTAs, und ÄrztInnen dem „Kerngeschäft“, der Krankenversorgung nachgehen,<br />

kennen dies zu gut. In der Beratungspraxis steht das Thema Arbeitszeiten<br />

bei diesem Personenkreis entsprechend weit oben. Beklagt wird fast genauso<br />

häufig das mangelnde Verständnis für die besondere Situation durch die Vorgesetzten<br />

und die nachlassende Solidarität von Seiten der KollegInnen.<br />

In der Diskussion um Arbeitszeiten wird die Gruppe der ArbeiterInnen fast<br />

immer „übersehen“. Dabei sind sie ebenso von Arbeitszeiten, die außerhalb<br />

der Öffnungszeiten regulärer <strong>Kind</strong>erbetreuungseinrichtungen liegen, wie die<br />

vorgenannten Gruppen betroffen. Die klinikseigene Kita beispielsweise konnten<br />

ArbeiterInnen bislang im Verhältnis seltener als andere Berufsgruppen nutzen,<br />

da vorrangig Beschäftigte mit einem Anteil von mindestens 30 Wochenstunden<br />

einen Platz für ihre <strong>Kind</strong>er bekommen haben. Viele Arbeiterinnen arbeiten<br />

mit einer Wochenarbeitszeit, die darunter liegt. Das Problem mangelnder<br />

Betreuungsmöglichkeiten wirkt sich aber gerade auf Arbeiterinnen sehr negativ<br />

aus, weil sie es sind, die sich lange ausschließliche Familienphasen in der<br />

Regel nicht leisten können. Spätestens mit Auslaufen des Erziehungsgeldes (12<br />

Monate) sind sie auf ihr Erwerbseinkommen angewiesen, erst recht, wenn<br />

mehrere <strong>Kind</strong>er zu versorgen sind, und noch einmal in besonderer Weise,<br />

wenn sie die <strong>Kind</strong>er allein groß ziehen.<br />

Aber auch für Beschäftigte in „der Verwaltung“ ergibt sich ein Betreuungsbedarf<br />

außerhalb „normaler“ Arbeitszeiten und damit auch außerhalb der<br />

Öffnungszeiten „normaler“ Betreuungseinrichtungen. Dies trifft auf diejenigen<br />

zu, die Gremienarbeit begleiten, aber auch auf all jene, bei denen eine<br />

hohe persönliche Flexibilität auf unterschiedlich anfallenden Arbeitsanfall schlicht<br />

10 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

Dr. Chr. Amend-Wegmann<br />

aus: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 99,<br />

Heft 23, 7.6.2002


vorausgesetzt wird. Wer beruflich<br />

weiter kommen will, kommt morgens<br />

als Erste/r und geht abends als<br />

Letzte/r, so die gängige Auffassung,<br />

die einen Teil der „Unternehmenskultur“<br />

ausmacht. Dass Anwesenheit<br />

alleine nicht mit guter Leistung gleichzusetzen<br />

ist, wird dabei ebenso übersehen<br />

wie in Kauf genommen wird,<br />

dass eben nur Männer so uneingeschränkt<br />

für den Beruf zur Verfügung<br />

stehen. Haben die Mütter eben Pech,<br />

weil <strong>Kind</strong>er gehabt. Wer zeitlich nicht<br />

ausreichend disponibel ist, macht eben<br />

keine Karriere - dieses Motto scheint<br />

über alle Stausgruppen hinweg zu<br />

gelten. Dabei ist der Wunsch, beruflich<br />

erfolgreich zu sein, Karriere zu<br />

machen in der jungen Frauengeneration<br />

sehr ausgeprägt. Dies gilt auch<br />

für Medizinstudentinnen, zumindest<br />

zu Beginn ihres Studiums. Einer Untersuchung<br />

von Sieverding zu Folge sind<br />

junge Frauen am Anfang des Medizinstudiums<br />

in Bezug auf eine berufliche<br />

Karriere sogar motivierter als<br />

ihre männlichen Kommilitonen.<br />

Bereits am Ende des Studiums ist es<br />

allerdings umgekehrt. Viele dieser<br />

Frauen resignieren später ob der realen<br />

Kliniksbedingungen, die wegen der<br />

extrem hohen zeitlichen Belastung in<br />

Uni-Klinika besonders schwierig sind.<br />

Bieten sich in einer solchen Situation<br />

Alternativen, etwa trotz des langen und<br />

aufwendigen Studiums doch nur vom<br />

Einkommen des Mannes zu leben,<br />

oder sich niederzulassen, so nehmen<br />

viele Ärztinnen mit <strong>Kind</strong>ern diese<br />

Möglichkeiten wahr. Ein (zeitlich befristeter)<br />

Komplettausstieg lässt sich<br />

häufig auch leichter als eine Arbeitszeitreduzierung<br />

verwirklichen, weil<br />

viele Abteilungsleiter meist sehr deutlich<br />

wissen lassen, was sie von Teilzeit<br />

in ihren Bereichen halten, nämlich<br />

nichts. Betrachtet man die Arbeitsund<br />

Lebensbedingungen, die diese<br />

jungen Ärztinnen und Mütter hinter<br />

sich lassen, lässt sich die Entscheidung<br />

für den Ausstieg sehr leicht nachvollziehen.<br />

Aber auch Frauen, die keine <strong>Kind</strong>er<br />

haben, kommen im bestehenden System<br />

nicht so recht voran. Alarmie-<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

rend, wenn auch nicht neu ist aus meiner Sicht der Befund einer Studie, die vor<br />

kurzem an der Charité von meiner dortigen Amtskollegin durchgeführt wurde:<br />

die überwiegende Mehrheit der Frauen (mit oder ohne <strong>Kind</strong>er) wird von<br />

ihren Vorgesetzten nicht in der Weise gefördert und unterstützt, wie sie es sich<br />

wünschen und wie sie es - und das ist der entscheidende Punkt - bei ihren<br />

männlichen Kollegen wahrnehmen. Dies trifft im Übrigen nach meiner Erfahrung<br />

nicht nur auf den ärztlichen Bereich zu.<br />

Die <strong>Kind</strong>erfrage alleine kann also die Unterrepräsentanz von Frauen in den<br />

oberen Einkommensklassen nicht erklären. Schon die bloße Möglichkeit einer<br />

zukünftigen <strong>Mutter</strong>schaft scheint Führungskräfte zu veranlassen, nicht zu viel<br />

in die Frau zu „investieren“ und stattdessen doch lieber den männlichen Kollegen<br />

zum „Kronprinzen“ zu machen. Zumindest wäre dies eine mögliche<br />

Erklärung für die durchgängig nachweisbare strukturelle und persönliche<br />

Diskriminierung von Frauen.<br />

Was also ist vor dem Hintergrund dieser Fakten zu tun? Ich möchte im Folgenden<br />

sechs Felder benennen, in denen ich vordringlich einen Handlungsbedarf<br />

sehe:<br />

1. Ausbau der <strong>Kind</strong>erbetreuungsmöglichkeiten, vor allem das Hinzufügen flexiblerer<br />

auf den Einzelfall abgestimmter Lösungen (z.B. Tagespflegebörse, stundenweise<br />

Betreuung). Die Kita-AG (vgl. Nachrichtenteil) hat dazu wichtige Vorschläge<br />

erarbeitet, die es auch weiterhin sukzessive umzusetzen gilt.<br />

2. Gezielte Personalentwicklung für Männer und Frauen. Wichtig ist dabei eine mittelfristige<br />

Planung, Verlässlichkeit für beide Seiten und möglichst viel Transparenz.<br />

Eine weitere Möglichkeit besteht in einer Vernetzung der Frauen untereinander.<br />

Wir machen einen solchen Versuch mit der Einführung eines<br />

Mentoring-Projektes zum nächsten Wintersemester.<br />

3. Jobbörse für Mütter und Väter, die sich in der Elternzeit befinden. Lange Berufsausstiege<br />

bergen die Gefahr eines Karriereknicks. Um dem vorzubeugen, müssen<br />

Mütter und Väter die Gelegenheit haben beruflich am Ball zu bleiben. Urlaubs-<br />

und Krankheitsvertretungen sowie Projektarbeit sind hier adäquate Instrumente.<br />

Daneben spielt aber auch Beratung und eine kontinuierliche Weiterbildung<br />

eine zentrale Rolle.<br />

4. Gezielte Einzel- und Karriereberatung für Frauen (Mitarbeiterinnen-Gespräch,<br />

Coaching).<br />

5. Einführung neuer Arbeitszeitmodelle. Wo immer es möglich ist - und das trifft<br />

auf weit aus mehr Felder und Bereiche zu, als derzeit immer unterstellt wird -<br />

müssen die Arbeitszeiten auf intelligente Weise modifiziert werden, um es den<br />

Beschäftigten zu ermöglichen, Familie und Beruf vereinbaren zu können. Einführung<br />

von Telearbeitsplätzen für Männer und Frauen, die <strong>Kind</strong>er oder pflegebedürftige<br />

alte Angehörige zu versorgen haben.<br />

6. Anreizsystem in den Abteilungen, um den Frauenanteil auch in den Bereichen zu<br />

erhöhen, wo die Arbeitsbedingungen (z.B. unbefristete Arbeitsverträge, Freistellungen<br />

zu Forschungszwecken) und die Verdienste besser ausfallen.<br />

Die meisten dieser sechs Punkte werden - zumindest teilweise - bereits bearbeitet.<br />

Manches davon haben wir schon umgesetzt, anderes mag derzeit noch<br />

eher utopisch klingen. Aber steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein. Und:<br />

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!<br />

Literatur:<br />

Sieverding, Monika (1990): Psychologische Barrieren in der beruflichen Entwicklung<br />

von Frauen. Das Beispiel der Medizinerinnen, Stuttgart<br />

Beck-Gernsheim, Elisabeth, Sozialwissenschaftlerin: Die <strong>Kind</strong>erfrage, Frauen zwischen<br />

<strong>Kind</strong>erwunsch und Unabhängigkeit, München 1988<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 11


Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

„Allein „Allein erziehend erziehend und und Ärztin?“ Ärztin?“ -<br />

-<br />

„...wenn „...wenn Sie Sie meinen!“<br />

meinen!“<br />

Dr. Marion Hulverscheidt<br />

12 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

Antonia ist jetzt schon zwei Jahre als und ich habe das Gefühl, wir sind aus<br />

dem Gröbsten raus. Jetzt muss sie nur noch trocken werden, und dann noch<br />

die Pubertät .... wir haben es geschafft, WIR das sind: sie und ich, Tochter und<br />

<strong>Mutter</strong>. Ich bin eine Alleinerziehende, der <strong>Vater</strong> hat Antonia noch nicht gesehen,<br />

er zahlt sporadisch Unterhalt, ist gänzlich abwesend und stört folglich<br />

auch nicht. Ich empfinde diese Situation als positiv, ich kenne es nicht anders,<br />

ich treffe meine Entscheidungen allein.<br />

So habe ich mich auch entschieden als Ärztin zu arbeiten, mein ÄiP (Ärztin im<br />

Praktikum) abzuleisten, auch wenn mein <strong>Kind</strong> noch so klein ist. Finanzielle<br />

Gründe allein waren für diese Entscheidung nicht ausschlaggebend, tragen<br />

nur mit dazu bei. Das Erziehungsgeld zusätzlich zum kärglichen ÄiP-Gehalt<br />

ist eine Basis, auf der wir leben können.<br />

Während der Schwangerschaft habe ich meine Dissertation beendet, der wachsende<br />

Bauch und die Tritte in die Magengrube waren eine gute Motivation.<br />

Nicht ganz beendet - die letzten Korrekturen gingen nur mit viel Kraft und<br />

viel Unterstützung von FreundInnen über die Bühne. In dieser Phase trat das<br />

Gefühl zum ersten Mal auf, was mich seitdem begleitet: ich muss Menschen<br />

um etwas bitten, weil ich es allein nicht schaffe. Und ich stehe in ihrer Schuld,<br />

weil ich ihnen nicht ebenso helfen kann. Ich kann ihnen nur das geben, was ich<br />

habe: ein erschöpftes „Danke“ von mir.<br />

Als Antonia drei Monate alt war,lotete ich<br />

meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt aus;<br />

30 Jahre alt, promoviert, allein erziehend,<br />

motiviert. Auf Anhieb bekam ich eine Zusage<br />

für eine ÄiP-Stelle in der Chirurgie. Ich<br />

konnte sie letztendlich nicht antreten, dabei<br />

hatte alles so gut ausgesehen: Ich hatte eine<br />

Tagesmutter organisiert, die Wege zwischen<br />

Zuhause, Arbeitsplatz und Tagesmutter waren<br />

gut mit dem Fahrrad zurückzulegen, die<br />

abgepumpte Milch trank mein <strong>Kind</strong> auch<br />

aus der Flasche. Der Stolperstein: das <strong>Mutter</strong>schutzgesetz<br />

verbietet es stillenden Müt-<br />

Foto: privat<br />

tern im OP-Bereich zu arbeiten, ebenso dürfen<br />

Stillende keinen Kontakt mit infektiösen<br />

Körperflüssigkeiten haben. Mir war das Stillen wichtiger als die Stelle, also<br />

blieb ich „Nur-<strong>Mutter</strong>“ und Sozialhilfeempfängerin.<br />

Ein halbes Jahr später trat ich eine halbe ÄiP-Stelle in einer Beleg-Klinik an.<br />

Das Gefühl am ersten Arbeitstag war furchtbar, nur einer der Belegärzte und<br />

damit mein Vorgesetzter konnte nachvollziehen, was mich bewegte, meine<br />

KollegInnen nicht. Dieses schlechte Gewissen, mein <strong>Kind</strong> in liebe, aber fremde<br />

Hände abzugeben, nur um selber ein bisschen Abwechslung zu haben vom<br />

alltäglichen Einerlei, von Putzen, Waschen, Wickeln und Einkaufen? Nein! Ich<br />

habe nicht studiert und hart um meine Autonomie gekämpft, um mich nun<br />

mit anderen Müttern im Café oder auf dem Spielplatz über die Vor- und<br />

Nachteile der Schutzimpfungen und über die Art und Weise der Beikostfütterung<br />

zu unterhalten. Ich will das Gelernte anwenden und noch weiter<br />

lernen, meine Ausbildung beenden und meinen erlernten Beruf auch ausüben.<br />

Erst fand ich die Idee mit der halben Stelle gut, nur die Umsetzung gestaltete


sich schwierig: Doch lieber ganze Tage arbeiten und dann ganze Tage frei?<br />

Meine Chefs waren mit meiner Idee grundsätzlich einverstanden, nur ergaben<br />

sich damit zwei Probleme. Meine Einarbeitungszeit verlängerte sich, weil ich<br />

eben nur die Hälfte der Tage da war und sich die Routine bei mir erst nach der<br />

doppelten Zeit einstellte. So konnte ich nicht so schnell wie andere Vollzeit-<br />

ÄiP zu Nachtdiensten heran gezogen werden. Und meine Vorgesetzten konnten<br />

sich nicht einigen, an welchen Wochentagen ich arbeiten sollte. Ich merkte,<br />

dass Organisation in meinem Leben das Wichtigste geworden war und wie<br />

sehr ich mich von meinen KollegInnen ohne <strong>Kind</strong>er unterschied. Ich habe<br />

wenig Zeit, mein Alltag ist verplant, ich kann nachts oder nach dem Nachtdienst<br />

nicht oder nicht genug schlafen, ich kann nicht einfach eine Stunde länger<br />

bleiben oder am nächsten Tag einen Dienst übernehmen. Ich bin nach<br />

zwei Seiten abhängig: von meinem Arbeitgeber und meinen Kolleginnen auf<br />

der einen Seite und von Antonia und der Tagesmutter auf der anderen Seite.<br />

Dadurch bin ich unflexibel und schwerfällig. Es gibt aber auch positive Seiten:<br />

ich habe Erfahrung mit <strong>Kind</strong>ern, ich bin sehr effektiv in der wenigen mir zur<br />

Verfügung stehenden Zeit, und ich kann viel aushalten, weil es ohne ein dickes<br />

Fell als Alleinerziehende in dieser Gesellschaft nicht geht.<br />

Die halbe Stelle in der Belegklinik habe ich nach zwei Monaten wieder aufgegeben,<br />

ich kam nicht in den Tritt, konnte mich nicht richtig einarbeiten, fühlte<br />

mich schlecht betreut und ich war vermindert motiviert. In dieser Zeit hat<br />

Antonia ihre Eckzähne bekommen, und 3-Tage-Fieber hatte sie auch. So ist<br />

das, Mütter erzählen immer scheinbar unwichtiges von ihrer Brut. Für mich<br />

sind solche Geschichten lebensbestimmend geworden, davon hängen meine<br />

Laune, meine Motivation und meine Leistungsfähigkeit ab.<br />

Beim Arbeitsamt bekam ich statt eines Stellenangebotes ein müdes Lächeln,<br />

ich wollte arbeiten, mit einem so kleinen <strong>Kind</strong>, wo ich doch so unflexibel sei.<br />

Nein, sie hätten natürlich keine Stelle für mich.<br />

Ich machte mich selber auf die Suche, bewarb mich in Kurkliniken und in den<br />

Krankenhäusern an meinem Wohnort, wurde immer wahlloser was die Fachrichtung<br />

anging. Wichtiger war mir der geregelte Arbeitstag, die alles entscheidende<br />

Frage: kann ich wirklich immer um Punkt 16.00 Uhr gehen? Und ich<br />

wollte gerne reduziert arbeiten. Manchen Arbeitgebern war es schwierig zu<br />

vermitteln, wie eine 75%-Stelle oder gar eine 80%-Stelle aussehen kann.<br />

Schließlich fand ich eine Stelle in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Wir einigten<br />

uns auf Vollzeit für die Einarbeitungsphase, danach Teilzeit mit 80%, also<br />

mit einem freien Tag pro Woche.<br />

Mein Gehalt in der Vollzeitphase lag DM 4,50 über dem Satz des Sozialamtes<br />

für die Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Sachbearbeiterin beim Sozialamt schaute<br />

gequält, als sie mir das mitteilte. Mir wurde wieder einmal klar, dass ich aus<br />

einer persönlichen Motivation heraus erwerbstätig sein möchte und nicht in<br />

erster Linie aus finanziellen Gründen. Als Alleinerziehende rechne ich ohnehin<br />

nicht damit, viel Geld für mich zur Verfügung zu haben, das meiste wird in die<br />

Betreuung des <strong>Kind</strong>es gesteckt.<br />

Die ersten Monate in der neuen Stelle liefen gut, ich konnte mich in Ruhe<br />

einfinden. Nur hatte ich abends keine Zeit mehr, mich weiter zu bilden, weil<br />

ich mit meinem <strong>Kind</strong> spielen wollte und dann noch die Hausarbeit anstand.<br />

Das Resultat war dann ein schlechtes Gewissen im Beruf.<br />

Mein <strong>Kind</strong> ist bei der Tagesmutter. Dort fühlt sie sich wohl, dort schläft sie<br />

auch, wenn ich Nachtdienst habe. Die Tagesmutter ist Perserin - kein Wunder,<br />

dass Antonia besser persisch als deutsch spricht. Nach dem Nachtdienst hole<br />

ich sie am Vormittag ab. Zwei Stunden Erholung gönne ich mir vorher. Wenn<br />

die Nacht in der Klinik anstrengend und unruhig war, sehne ich die Zeit für<br />

Antonias Mittagsschlaf herbei, um mich dann gleichzeitig ausruhen zu können.<br />

Manchmal hat sie keine Lust auf Mittagsschlaf. Dann stoßen wir an unsere<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 13


Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

14 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

Grenzen. Wie erkläre ich ihr: ich will jetzt, dass du schläfst, weil ich selber<br />

müde bin und schlafen muss. Manchmal lege ich sie dann in ihr Bettchen und<br />

lasse sie schreien, schließe die Türen, lege mich auf mein Bett und murmele<br />

mein Mantra: „Ich bin eine schlechte <strong>Mutter</strong>...“. Die freien Tage nach dem<br />

Nachtdienst sind total schön, ich habe Zeit, kann mit ihr auf den Spielplatz<br />

gehen. Habe einfach Zeit für sie. Wenn ich müde und ausgelutscht bin, kann<br />

Antonia mit mir jedoch nichts anfangen, sie nimmt ihre Jacke und stellt sich an<br />

die Wohnungstür, ruft ihre Tagesmutter, da will sie hin. Das hinterlässt einen<br />

bitteren Nachgeschmack. Positiv gesehen hat sie mit der Tagesmutter eine<br />

zweite Bezugsperson, bei der sie sich wohl und sicher fühlt. Das ist doch<br />

allemal besser als eine gluckende, mit sich selbst unzufriedene <strong>Mutter</strong>, die arbeiten<br />

will, sich dies aber des <strong>Kind</strong>es wegen versagt.<br />

Ich arbeite für mein Wohlgefühl. In ruhigen Diensten komme ich auch zu<br />

Sachen, die ich zu Hause nicht schaffe, wie Stricken, Lesen<br />

oder das Aufschreiben dieses Berichtes.<br />

Aber täglich kann neues Unheil drohen! Bei dem Besuch einer<br />

Freundin mit <strong>Kind</strong> haben wir Windpocken-Kontakt,<br />

pünktlich zwei Wochen später zeigen sich auf Antonias Bauch<br />

und Rücken erstmalig acht Pocken, sie ist noch gut drauf. Ich<br />

habe meinen freien Tag, rufe in der Klinik an, erzähle von<br />

den Pocken, die Kollegin fragt: „Aber du kommst doch morgen?“,<br />

eine andere Kollegin ist nämlich krank. Klar komme<br />

ich, auf mich ist Verlass, denke ich. Nachts um drei wird Antonia<br />

wach, sie ist heiß, fiebrig, juckt sich, schreit. Ich nehme<br />

sie zu mir ins Bett, drücke ihr ein Fieberzäpfchen in den Po,<br />

Foto: privat<br />

bis halb sieben bekomme ich nicht mehr viel Schlaf, sie wirft<br />

sich hin und her. Morgens ist sie immer noch heiß, ich messe<br />

die Temperatur nicht, bringe sie zur Tagesmutter und gehe in die Klink. Ich<br />

habe ein ungutes Gefühl, rufe um zwölf bei der Tagesmutter an; Antonia hat<br />

Fieber und will nur auf den Arm. Mein <strong>Mutter</strong>herz schreit auf, mein berufliches<br />

Pflichtgefühl ist dahin, ich sage meiner Kollegin Bescheid. Sie meint, ich<br />

solle mich noch bei der Oberärztin abmelden und nach Hause gehen. Ich<br />

suche die Oberärztin – die selber keine <strong>Kind</strong>er hat – und sage zu ihr: „Ich<br />

muss nach Hause, mein <strong>Kind</strong> hat Fieber und Windpocken!“. „Wenn es sein<br />

muss!“, ist die Antwort.<br />

Ich gehe, die vier Worte hämmern in meiner Brust, - „wenn es sein muss“,<br />

„wenn es sein muss“ – verdammt, mein <strong>Kind</strong> ist krank, wie stellt sie sich das<br />

denn vor? Wahrscheinlich gar nicht. Jede/r Vorgesetzte sollte wissen und akzeptieren,<br />

dass allen Erziehenden vom Gesetz her zusteht, 21 Tage zu fehlen,<br />

weil das <strong>Kind</strong> krank ist. Der Verdienst wird für diese Zeit von der Krankenkasse<br />

übernommen. Mein noch nicht einmal zwei Jahre altes <strong>Kind</strong> hat Fieber,<br />

jammert und kratzt sich: es muss sein!!!<br />

Nach vier Tagen und vier Nächten mit wenig Schlaf und vielen Tränen gehe<br />

ich wieder in die Klinik, Wochenenddienst. Als erstes muss ich mir anhören,<br />

dass ich ein mangelhaftes Engagement an den Tag lege, dann will mir die<br />

Oberärztin vorschreiben, dass ich an meinem freien Tag doch arbeiten soll.<br />

Die anderen KollegInnen hätten wegen meines Fehlens so viele Überstunden<br />

gemacht. Ich habe auch 120 Überstunden, argumentiere ich gegen, und etwas<br />

leiser: „Ich kann es mir mit der Tagesmutter nicht verscherzen, und sie besteht<br />

auf ihren freien Tag in der Woche“. Ich übernehme einen weiteren Dienst und<br />

habe es mir trotzdem mit der Oberärztin verscherzt. Manchen kann es eine<br />

<strong>Mutter</strong> eben nicht Recht machen.<br />

Noch ein halbes Jahr, dann ist das ÄiP vorbei. Danach werde ich erneut überlegen,<br />

was ich will. Geregelte Arbeitszeiten gibt es im Krankenhaus kaum. Was<br />

mir mittlerweile aber noch wichtiger erscheint ist die Kollegialität. Ich wün-


sche mir KollegInnen, die es wohlwollend akzeptieren, dass ich als Alleinerziehende<br />

mitarbeite, auch wenn meine Leistungsfähigkeit eine andere ist. Ich erlebe<br />

mein <strong>Kind</strong> als Bereicherung und nicht als Kropf. Ich wünsche mir das<br />

auch für das Team bei der Arbeit; es ist eine Bereicherung, wenn Eltern mit<br />

ihren persönlichen Erfahrungen mitarbeiten, auch wenn sie wegen <strong>Kind</strong>erkrankheiten<br />

mal unvermutet und ungeplant ausfallen. Gerade für die Geburtshilfe<br />

finde ich es bereichernd, wenn im Team auch Frauen arbeiten, die selber<br />

geboren haben, also Mütter sind. Das als Forderung zu formulieren klingt<br />

paradox. So beschränkte sich der 105. Deutsche Ärztetag mit dem Schwerpunktthema<br />

„Ärztinnen“ auch darauf, bessere Betreuungsangebote für <strong>Kind</strong>er<br />

zu schaffen und ein Mentorinnenprogramm für die Karriereplanung von<br />

Ärztinnen einzurichten.<br />

Freundinnen und Freunde, die selber <strong>Kind</strong>er haben, fragen mich manchmal,<br />

wie ich das alles schaffe, und dabei meistens noch gute Laune habe. Ich bin es<br />

nicht anders gewöhnt und ich habe ein tolles Geschenk, das mir jeden Tag<br />

aufs Neue das Herz erfreut: Antonia.<br />

Und sie ist, glaube ich, auch froh über mich und meine Art zu leben. Ich bin<br />

zufrieden, weil ich <strong>Mutter</strong> und Ärztin sein kann, auch wenn mich dieser Spagat<br />

in manchen Momenten zu zerreißen droht. In der Zeitschrift „Brigitte“ lief<br />

jüngst eine Umfrage zum Thema Mütter, das Ergebnis war, dass deutsche<br />

Mütter unzufrieden sind, mehr Betreuung für die <strong>Kind</strong>er und mehr Anerkennung<br />

fordern. Ja, denke ich mir, ich bin des Forderns müde. Ich will nicht<br />

tauschen, nur ab und zu ein Mittel gegen ein allzu schlechtes Gewissen, das<br />

wäre gut.<br />

Wenn’s denn sein muss – mache ich Karriere, werde Vorgesetzte und freue<br />

mich über eine <strong>Mutter</strong> als Kollegin!<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Dr. Marion Hulverscheidt<br />

studierte Medizin in Kiel und<br />

<strong>Göttingen</strong>. Sie lebt und arbeitet in<br />

Kassel. Sie promovierte in der<br />

Medizingeschichte mit einem<br />

Stipendium der Heinrich-Böll-<br />

Stiftung.<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 15


Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Ein Ein kleiner kleiner Literaturüberblick Literaturüberblick und<br />

und<br />

Gedank Gedanken Gedank en zum zum T TThema<br />

T hema „V „<strong>Vater</strong> „V ter ter-<strong>Kind</strong> ter -<strong>Kind</strong> und und <strong>Mutter</strong>“<br />

<strong>Mutter</strong>“<br />

von on Carmen Carmen FF<br />

Franz FF<br />

anz<br />

Bei Diskussionen über „die<br />

<strong>Mutter</strong>“ sitzt unweigerlich „der<br />

<strong>Vater</strong>“ stumm mit am Tisch. Die<br />

Begriffe sind für uns so fest verbunden<br />

wie Hammer und<br />

Nagel, Schwarz oder Weiß. In<br />

der realen Beziehung zum <strong>Kind</strong><br />

und seiner Entwicklung scheinen<br />

sie zwar zusammengehörig<br />

aber getrennt zu marschieren.<br />

Wir haben alle sozusagen mit<br />

der <strong>Mutter</strong>milch aufgesäugt,<br />

dass nur die <strong>Mutter</strong> für eine<br />

gesunde Entwicklung des<br />

<strong>Kind</strong>es unentbehrlich ist. Das<br />

Fehlen des <strong>Vater</strong>s wird zwar<br />

bedauert, es wird ihm aber<br />

keinerlei Neurose stiftenden<br />

Anteil bei der Diagnose späterer<br />

Verhaltensauffälligkeiten der<br />

<strong>Kind</strong>er zugestanden. Die ideologischen<br />

Auseinandersetzungen<br />

lassen zufällige, unbeteiligte,<br />

überforderte, klammernde, lieblose<br />

Mütter, sowie sorgende,<br />

liebende, mitleidende Väter<br />

nicht zu. Das relativ neue Gebiet<br />

der <strong>Vater</strong>forschung, versucht der<br />

Rolle des <strong>Vater</strong>s auf die Spur zu<br />

kommen, bei meiner Surftour<br />

fand ich erste Ergebnisse.<br />

16 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

„<strong>Vater</strong>sein ist eine Herausforderung an den Mann“, sagt Wilhelm Faix,<br />

Dozent am theologischen Seminar im Lebenszentrum Adelshofen, der sich<br />

vor allem mit der Rolle des <strong>Vater</strong>s in der christlichen Familie auseinandersetzt.<br />

Da Männer in unserer Gesellschaft keine Beachtung und Anerkennung fänden,<br />

sei es nicht verwunderlich, wenn sie sich von der Verantwortung zurückzögen.<br />

Faix erklärt seine vaterlose Gesellschaft mit dem Fehlen des <strong>Vater</strong>s im<br />

2. Weltkrieg. Da die Kriegs- und Nachkriegsgeneration ohne Väter aufwuchs,<br />

konnten sie ihrerseits kein <strong>Vater</strong>bild vermitteln. Möglicherweise sei aber auch<br />

„die Beziehung zu Gott dem <strong>Vater</strong>, der Urheber der <strong>Vater</strong>schaft ist, nicht in<br />

Ordnung“. Beides zusammen führt dazu, dass „Männer in ihrer <strong>Vater</strong>rolle<br />

keine Erfüllung ihres Mann-Seins (finden), weil sie eher im Beruf, Hobby oder<br />

ehrenamtlichen Aufgaben aufgehen (...). In diesen Beschäftigungen bekommt<br />

er Selbstbestätigung, die ihm das <strong>Kind</strong> nicht geben kann (...). Insofern begriffen<br />

Männer nicht, dass <strong>Vater</strong>schaft Veränderung bedeuten könne. „Seine<br />

Sachorientierung (bekäme) eine Wende zur Hingabe an die <strong>Kind</strong>lichkeit. Dieses<br />

Sich-Hinwenden an den hilflosen Säugling und später zum <strong>Kind</strong> gehört zu<br />

den größten Herausforderungen des Mannes. Was der Frau als <strong>Mutter</strong> von<br />

der Natur gegeben scheint, muss der Mann mühsam erringen ...“.<br />

Schnell sind wir beim Klischee, aber der Mann an sich verschwindet mit in der<br />

Schublade, wenn es heißt: „Mann und Frau sind in ihrem Wesen unterschiedlich.<br />

Diese Unterschiede sind gottgewollt und haben ihren Sinn. Darum verhalten<br />

sich auch Väter ihren <strong>Kind</strong>ern gegenüber anders als Mütter. Der <strong>Vater</strong><br />

verkörpert in der Regel Stärke, Furchtlosigkeit, Mut, Kampf, Sicherheit und<br />

anderes mehr (dies ist keine Satire!!).<br />

Es liegt mir wirklich fern, beide Autoren in einen Topf zu werfen, mir sprang<br />

nur die Ähnlichkeit der Gedanken in die Augen, als ich in einer Sprüchesammlung<br />

von <strong>Georg</strong> Mosse folgendes fand: Josef Goebbels 1929 Die Vogelfrau:<br />

„Die Frau hat die Aufgabe schön zu sein und <strong>Kind</strong>er zur Welt zu bringen.<br />

Das ist gar nicht so roh und unmodern, wie es sich anhört. Die Vogelfrau<br />

putzt sich für den Mann und brütet für ihn die Eier aus. Dafür sorgt der Mann<br />

für die Nahrung. Sonst steht er Wacht und wehrt den Feind ab...“.<br />

Die Entwicklung einer sicheren Bindung an das <strong>Kind</strong> hilft dem Mann in Not<br />

und Faix macht Vorschläge dazu, wie dies gelingen kann. Zunächst rät er zu<br />

Spiel, Spaß und Unternehmungen, aber auch Gespräch und Auseinandersetzungen<br />

sollen nicht fehlen. Dies scheuten Väter, da sie häufig das Gefühl hätten,<br />

unterlegen zu sein. Darüber hilft ihnen sicher die Autorität hinweg, die für<br />

<strong>Kind</strong>er nicht nur wichtig sei, sie sollten sich ihr auch unterordnen können. Dies<br />

gelänge nur, wenn die <strong>Mutter</strong> bei Konflikten nicht ständig vermittle und damit<br />

die Außenseiterrolle des <strong>Vater</strong>s verstärke.<br />

Nachdem die derart Gescholtene den Mund hält wird „das <strong>Vater</strong>bild (...)<br />

somit richtungweisend für das männliche Vorbild des Sohnes und prägend<br />

für das spätere Partnerbild der Tochter. Wenn Männer wieder lernen Väter zu<br />

sein, wird es in ein oder zwei Generation in unserer Welt wieder besser aussehen“.<br />

Nun, Hoffnung ist angezeigt, wir haben ja auch die Wacht am Rhein<br />

überwunden.<br />

Andere, aus feministischer Sicht historisch überkommene Funktionen des<br />

Mannes beschreibt Stephan Barth, Dipl. Pädagoge und Dipl. Sozialarbeiter, in<br />

„<strong>Vater</strong>schaft im Wandel“. So sei der <strong>Vater</strong> in seiner früheren Hauptrolle des<br />

Ernährers durch die Berufstätigkeit von 2/3 der Frauen vom Prinzip her nicht


Hat der Beruf<br />

des <strong>Vater</strong>s Einfluss<br />

auf die Entwicklung<br />

der <strong>Kind</strong>er ?<br />

Legen Väter keinen<br />

Wert auf Erziehung ?<br />

Foto: privat<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

mehr erforderlich. Die große Zahl allein erziehender Mütter wiese auch darauf<br />

hin. Allerdings, so Barth, habe die berufliche Stellung des <strong>Vater</strong>s großen<br />

Einfluss auf die schulische und berufliche Entwicklung der <strong>Kind</strong>er (siehe PISA-<br />

Studie). Was wurde aus dem <strong>Vater</strong> als Erzieher? Er sei im Laufe der Zeit<br />

durch die Institutionen abgelöst und „durch die Väter selbst, die ihre Erziehungsfunktion<br />

schmälern, indem sie sie eher als Nebenrolle definieren und<br />

in den Verantwortungsbereich der <strong>Mutter</strong> stellen“. Inwieweit ist die <strong>Vater</strong>rolle<br />

als Beschützer noch gefragt? Sie ist zumindest dort entbehrlich, wo keine<br />

marodierende Soldateska zu erwarten ist. (Der Schutz vor schlagenden und<br />

missbrauchenden Vätern soll hier nicht diskutiert werden).<br />

Wer verhilft nun den überlebten Vätern zur erneuten Existenz? Die Psychologie.<br />

Lange beherrschten psychoanalytische Vorstellungen mit ihrer Konzentration<br />

auf die prägende Wirkung der <strong>Mutter</strong>brust die Entwicklungspsychologie.<br />

Erst zögerlich wurden zur Erklärung kindlicher Entwicklung<br />

und Verhaltens Theorien aus der allgemeinen Psychologie herangezogen. So<br />

gewannen die klassischen Lerntheorien oder Theorien des sozialen Lernens<br />

zunehmend Einfluss auf die Interpretation der Funktionen von <strong>Mutter</strong> und<br />

<strong>Vater</strong>. Eine weitere Differenzierung bot der Systemische Ansatz. Hier steht<br />

die Interaktion der Familienmitglieder im Vordergrund. Aber auch der Einfluss<br />

kultureller oder sozio-ökonomischer Faktoren auf das Familiensystem wird<br />

mit einbezogen. Barth fasst die Ergebnisse der <strong>Vater</strong>forschung der letzten<br />

Jahre zusammen: „... Beide Eltern entwickeln unter entsprechenden Bedingungen<br />

enge emotionale Beziehungen zum <strong>Kind</strong>, (...) Dabei spielt für das<br />

Entstehen dieser Bindung nicht das rein zeitliche Ausmaß an gemeinsamer<br />

Interaktion die ausschlaggebende Rolle, sondern allein die Qualität der Interaktion<br />

(...). Lerntheoretisch gesehen handelt es sich um eine „intermittierende<br />

Verstärkung“, was besagt, dass ein Ereignis besonders im Gedächtnis haftet,<br />

wenn es in gewissen Zeitabständen immer wieder auftritt. Wissenschaftlich<br />

gesehen können sich die Mütter den Mund fusselig reden, da stellt man die<br />

Ohren auf Durchzug, das seltene „Machtwort“ des <strong>Vater</strong>s entfaltet demgegenüber<br />

seine Wirkung.<br />

So können wir feststellen, dass Väter durchaus nicht bedeutungslos sind, nur<br />

zeigt sich, dass sie „ allzu häufig gar keinen Wert darauf legen, ihre Potentiale<br />

in die Erziehung einzubringen.“<br />

Zuviel des Guten wäre zudem für sie auch gefährlich. In einer Schlagzeilenmeldung<br />

von yahoo.com news las ich, dass „Hausmänner und Geschlechtsgenossen,<br />

deren Arbeit oder soziale Rolle sich außerhalb der Norm befindet, (...)<br />

häufiger an einer Herzerkrankung (leiden) und auch früher sterben (...). Laut<br />

Eaker haben Männer, die als Erwachsene die meiste Zeit die Rolle des Hausmannes<br />

ausüben, gegenüber ihren außer Haus arbeitenden Kollegen eine über<br />

82 Prozent erhöhte Sterblichkeitsrate (...)“!<br />

Wer will für tote Hausmänner verantwortlich sein, deshalb die Frauen doch<br />

lieber in das Haus? Zumindest hat Barth einen Trost, wenn er feststellt, dass ...<br />

die exklusive <strong>Mutter</strong>-<strong>Kind</strong>-Beziehung offensichtlich in weiten Bereichen eher<br />

ein Mythos als biologisch determinierte Realität ist (...).<br />

Soll die Menschheit an der <strong>Vater</strong>schaft genesen, muss zunächst die böse Erwerbstätigkeit<br />

von Müttern, die <strong>Kind</strong>er in den seelischen Ruin treibt, eingeschränkt<br />

werden. Ob sie nicht doch aus der Abteilung Mythen und Märchen<br />

entlief, versucht Martin Dornes, aus dem Institut für Medizinische Psychologie<br />

der <strong>Universität</strong> Frankfurt/M, herauszufinden. Er bezieht sich vor allem auf<br />

Untersuchungen zur Qualität der Bindungsfähigkeit, wenn <strong>Kind</strong>er früh von<br />

der <strong>Mutter</strong> weg in eine Fremdbetreuung gegeben werden. Eine früh erlernte,<br />

auf Vertrauen und Verlässlichkeit gegründete Fähigkeit zur Bindung ist für<br />

spätere Konfliktbewältigung nicht unerheblich.<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 17


Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Mütterliche<br />

Berufstätigkeit als<br />

Risikofaktor ?<br />

„Was Mütter wollen,<br />

was Mütter brauchen“<br />

18 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

Besonders umfangreich wurde dies an 1364 amerikanischen Familien vom<br />

National Institute of Child Health and Human Development untersucht. Martin<br />

Dornes beantwortet seine Frage „Mütterliche Berufstätigkeit als Risikofaktor?“<br />

zusammenfassend: „Nach der derzeitigen Datenlage kann – selbst wenn man<br />

eine Kultur wie die amerikanische untersucht, in der die mütterliche Berufstätigkeit<br />

nicht uneingeschränkt begrüßt wird – diese Berufstätigkeit bei genauerer<br />

Untersuchung nicht einmal als Risikofaktor für einen Risikofaktor betrachtet<br />

werden, d.h. sie erhöht nicht die Wahrscheinlichkeit einer unsicheren Bindung,<br />

wenn diese Wahrscheinlichkeit nicht schon vorher (durch intensive <strong>Mutter</strong>-<strong>Kind</strong>-Interaktion)<br />

erhöht ist. Kurz: eine sichere Bindungsbeziehung wird<br />

durch die Berufstätigkeit und Fremdbetreuung nicht unsicher und eine unsichere<br />

nicht sicher“. Verstanden?<br />

Warum löst die Berufstätigkeit von Müttern dennoch Kontroversen aus? Haben<br />

wir den Feind in den eigenen Reihen? Auf meiner Surftour fand ich einen<br />

Hinweis auf ein Buch mit dem Titel „Freie Wahl für freie Mütter!“ von Ulrike<br />

Horn. Ach du liebe Zeit dachte ich, schon wieder das reine Mütterglück. Ganz<br />

so platt löst die Autorin das Problem nicht. Sie bezieht sich z.B. auf eine<br />

Umfrage des Bundesfamilienministeriums zur „Gleichberechtigung von Frauen<br />

und Männern“, in der u. a. 85% der Frauen im Westen der Ansicht sind, es sei<br />

für eine Frau das Beste, wenn sie nach der Geburt eines <strong>Kind</strong>es entweder<br />

Erziehungszeit nimmt (42%) oder gar eine noch längere Berufspause einlegt<br />

(43%)“. Im Osten wird ähnlich geantwortet. Die Autorin interpretiert diese<br />

Ergebnisse: „Insgesamt zeigen die Umfragen, dass Frauen im Grunde genommen<br />

sehr tolerant sind und grundsätzlich allen Lebensentwürfen gleiche<br />

Bedeutung beimessen. Ihr Wunsch ist es offensichtlich, dass jede Frau ihren<br />

Lebensentwurf frei gestalten kann und als <strong>Mutter</strong> die Freiheit hat, Familie und<br />

Beruf entsprechend ihren Neigungen, Fähigkeiten und familiären Erfordernissen<br />

zu vereinbaren“. Ist das nicht erhebend? Nix mit Konkurrenz unter<br />

Weibern!<br />

Es scheint allerdings so, dass Toleranz dort aufhört, wo Hürden sich unüberwindlich<br />

zeigen. In der Frauenzeitschrift BRIGITTE zeigte eine Umfrage zum<br />

Thema „Was Mütter wollen, was Mütter brauchen“,<br />

- 72.2 % beklagen die kinderfeindlichen Verhältnisse in Deutschland<br />

- 63,8 % ärgern sich darüber, dass <strong>Kind</strong>er als reines „Privatvergnügen“<br />

angesehen werden<br />

- 76,3 % der Mütter von kleinen <strong>Kind</strong>ern klagen über fehlende<br />

Betreuungsmöglichkeiten<br />

- 59,1 % aller Mütter wünschen sich eine qualifizierte Teilzeittätigkeit usw.<br />

Deprimiert, da eine Untersuchung des Frauenbüros vor zwei Jahren ein ähnliches<br />

Ergebnis zeigte, lese ich dies meiner Tochter, die zu Besuch ist, vor.<br />

„Oh, Mami, hör bloß auf mit deinem Gejammere über die schlechten Verhältnisse<br />

für Frauen in Deutschland. Ich kann diese Opferoper nicht mehr<br />

hören. Wenn deine Frauen wirklich eine Veränderung wollten, gerade in deiner<br />

Klinik, wo sie die Mehrheit haben, dann gäbe es sie auch, die sind einfach<br />

zu schlapp, zu bequem, die wollen doch zuhause bleiben und haben offenbar<br />

genau das, was sie verdienen!!!!“ (meine Tochter ist leitende Hebamme einer<br />

großen Kommune in Dänemark, voll berufstätig, <strong>Mutter</strong> von zwei <strong>Kind</strong>ern<br />

(jetzt 11 und 13 Jahre alt) und hat einen karrierebewussten Ehemann). Zunächst<br />

platzte mir der Kragen, „willst du etwa die Opfer zu Tätern machen?“<br />

schimpfte ich zurück. Nachdem ich mich beruhigt hatte, dachte ich nach. Hatten<br />

wir nicht beide etwas Recht?<br />

Bei meiner darauf folgenden Innen-Sicht, ließ ich alle „<strong>Mutter</strong>-Frauen“ mit<br />

starken beruflichen Interessen, die ich kannte, Revue passieren und ich stellte


Wer sich anstrengt,<br />

bekommt auch,<br />

was er will ?<br />

Was ist in<br />

skandinavischen<br />

Ländern anders ?<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

fest, dass die meisten von ihnen ihr Ziel erreicht hatten. Manchmal gegen ihren<br />

Ehemann, Schwiegermütter, immer gegen sonstige widrige Umstände. – Ich<br />

weiß, dass ich mich jetzt auf einen kritischen Punkt hin bewege. Nein, ich bin<br />

nicht der Meinung, dass „wer sich nur anstrengt, auch bekommt, was er will“.<br />

Ich habe auch keine pauschalierende Erklärung für Gelingen oder Scheitern -<br />

In meiner Tätigkeit als Psychotherapeutin war häufig Abhängigkeit bzw. Wünsche<br />

nach Selbstständigkeit, noch mal - oder endlich mal - was - ausprobieren<br />

wollen, Thema meiner Klientinnen. Wenigen wuchs die Kraft zu, sich trotz<br />

anderen Wollens gegen die Normen ihres Umfeldes, die wie eingebrannt schienen,<br />

durchzusetzen. Allenfalls ein Kurs bei der VHS. Ich erinnere an die Besorgnis<br />

einer Klientin, die sich nach langem Ringen von ihrem ständig alkoholisierten<br />

Ehemann trennte „was werden die im Dorf bloß denken, es trinken<br />

doch so viele Ehemänner, aber seinen Mann verlässt man doch deswegen<br />

nicht“. Als das Pflegegeld eingeführt wurde erlebte ich nicht selten das Aus<br />

des Traumes von der Berufstätigkeit, die auch weg von der Umklammerung<br />

der Familie führen sollte. Es gab jetzt keinen offiziellen Grund mehr, sich<br />

draußen umzusehen. Geld gab’s für die bislang unbezahlte Pflege von Oma<br />

und Opa frei Haus „und für die <strong>Kind</strong>er ist es auch besser“.<br />

Was zementiert zum einen die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bei uns<br />

(und damit auch die Unterbelichtung des <strong>Vater</strong>s) und was ist in den skandinavischen<br />

Ländern anders? Hans-Peter Blossfeld (Soziologe) war Leiter einer Studie<br />

„Karrieren von Ehepartnern in der modernen Gesellschaft.“ In einem<br />

Interview der Zeitschrift „Psychologie Heute“ beantwortete er diese Frage: ...<br />

es gibt grundlegende stereotype Rollenerwartungen: zur männlichen Rollendefinition<br />

gehörte nie und gehört heute auch nicht die Beteiligung an Haushalt<br />

und Familienaufgaben. (...) wenn Männer ein hohes Einkommen haben, dann<br />

ist die ökonomische Basis der Familie gesichert: und sie haben ein hohes Interesse<br />

daran, dass sich ihre Frauen möglichst auf die familiären Aufgaben konzentrieren(...).<br />

Damit sei vor allem die Konzentration auf Ausbildungsfragen<br />

gemeint, damit die <strong>Kind</strong>er gewünschte Aufstiegschancen erhielten. „Die schwedischen<br />

Männer verhalten sich zu Hause auch sehr traditionell, aber sie haben<br />

ein Interesse daran, dass ihre Frauen Geld nach Hause bringen und deswegen<br />

fördern sie die Berufstätigkeit ihrer Frauen“. Dem stehen die Dänen in nichts<br />

nach. Im Gegensatz zur Bundesrepublik wurden in Skandinavien Rahmenbedingungen<br />

geschaffen, die Gedanken über <strong>Kind</strong>erbetreuung und Ganztagsschulen<br />

überflüssig machen. Unsere Politiker-Männer entdecken erst jetzt, dass<br />

es uns schon lange nicht mehr so gut geht, um generös zu sagen „Meine Frau<br />

muss nicht arbeiten“.<br />

Professor Blossfeld sieht auch einen Ausweg aus den Dilemma: Integration der<br />

Männer in die Familie! Emanzipatorisches Ziel sei es immer nur gewesen,<br />

Frauen in ein Beschäftigungssystem zu integrieren. „Die gemeinsame Verantwortung<br />

für Hausarbeit und <strong>Kind</strong>ererziehung über sozial-rund steuerpolitische<br />

Maßnahmen zu fördern wäre der Dreh- und Angelpunkt ...“. Aber ändert<br />

das Motto „wer nicht hören will, muss fühlen“ etwas in den Köpfen?<br />

Der kollektive Zwang zum „ Nur-<strong>Mutter</strong>-Sein“ war bislang so wirksam, dass<br />

gut ausgebildete Frauen mit glänzenden Zeugnissen und besten Examina sangund<br />

klanglos auf ein spannendes, interessantes, Selbstwert potenzierendes<br />

Berufsleben verzichten und die kollektive Ausgrenzung der Väter ihrer <strong>Kind</strong>er<br />

implizit mit betreiben. Warum hat aber der ideologische Druck in Ländern<br />

mit eher kirchlich dominierten Wertvorstellungen wie Spanien oder Italien –<br />

aber auch Frankreich – nicht die gleichen Auswirkungen? Dort sind viel mehr<br />

Frauen erfolgreich berufstätig und die Angst vor neurotischen <strong>Kind</strong>ern grassiert<br />

auch nicht ? Sind dort Männer eher Väter? Nix Machismo? Mir fiel eine<br />

Rezension über „Die deutsche <strong>Mutter</strong>. Der lange Schatten eines Mythos“ von<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 19


Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

„Frauen sind dämlich“<br />

Literatur:<br />

Stephan Barth: <strong>Vater</strong>schaft im Wandel.<br />

www.vaeternotruf.de<br />

Barbara Bierach: Das dämliche Geschlecht.<br />

Warum es kaum Frauen im<br />

Management gibt. Wiley VCH Verlag,<br />

Weinheim, 2002<br />

Hans-Peter Blossfeld: Die Männer setzen<br />

einfach ihre Karriere fort. Psychologie<br />

Heute Juni 2002<br />

BRIGITTE 12/2002: Umfrageergebnis<br />

zur Fragebogenaktion „Was Mütter<br />

wollen, was Mütter brauchen“<br />

Martin Dornes: Mütterliche Berufstätigkeit<br />

als Risikofaktor? www.liga-kind.de<br />

Wilhelm Faix: Der Mann als <strong>Vater</strong>.<br />

www.lza.de<br />

Siegfried Klammsteiner: Wie die neuen<br />

Väter handeln.<br />

www.familienperspektiven.at/3/<br />

siegfr.htm<br />

<strong>Georg</strong> Mosse: Familie in der Ideologie<br />

des Nationalsozialismus. http//<br />

viadrina.euv-frankfurt-o.de<br />

Antje Schrupp: Interview mit der Philosophin<br />

Luisa Murano.<br />

www.antjeschrupp.de<br />

Barbara Vinken: Die Deutsche <strong>Mutter</strong>.<br />

Der lange Schatten eines Mythos. Piper<br />

Verlag 2001<br />

Yahoo.com/news: Schlagzeilen 29. 4.<br />

2002<br />

20 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

Barbara Vinken in die Hände. Sie legt offenbar in einem Exkurs von Luther<br />

über Rousseau und Pestalozzi bis zum „ethischen Feminismus“ die Muster<br />

frei, die bestimmen, dass Frauen sich trotz formaler Gleichberechtigung freiwillig<br />

auf die <strong>Mutter</strong>rolle reduzieren. Da das Buch erst im Herbst erscheint,<br />

werde ich erst dann verstehen, was mich heute so verwundert.<br />

Die Wissenschaftsjournalistin Barbara Bierach bot mir eine schlichte Erklärung<br />

„Frauen sind dämlich“. Sie behauptet, es stimme nicht, dass Männer am<br />

Frauenelend Schuld seien. Frauen seien nicht intellektuell schwächer als Männer,<br />

aber sie sind dämlich, weil sie sich nicht einfach die Hälfte des Himmels<br />

nehmen und sich immer noch mit den Krümeln von den Tellern der Macht<br />

abspeisen lassen. Die akademisch gebildete Weiberschaft in diesem Land könnte<br />

längst die Hälfte der Chefsessel unter dem Hintern haben, wenn sie endlich<br />

handelte, statt dem Spielfeld beleidigt den Rücken zu kehren“.<br />

Kann es sein, frage ich mich, dass viele Frauen in diesem Land das Spiel doof<br />

finden? Von wem ist eigentlich konkret die Rede? Die Mehrheit der Frauen ist<br />

schon berufstätig, und vielleicht will es ein Teil des verbleibenden Rests den<br />

Männern gar nicht gleichtun und ihre Erfüllung im täglichen Karrierestress<br />

suchen. Möglicherweise ist das seit Jahrhunderten notwendige ökonomische -<br />

und neuzeitlich - das psychologische Muss zur Arbeit ein wichtiger Grund.<br />

Wer entflieht nicht gerne dem Arbeitsdienst, wer träumt nicht heimlich davon,<br />

den Tag nach dem eigenen Rhythmus zu gestalten oder die Bewältigung notwendiger,<br />

selten gewürdigter Arbeiten wenigstens selbst zu organisieren? Es<br />

gibt doch nicht nur Traumjobs im höheren Management. Interessen zu entfalten<br />

ist nicht an Arbeit gebunden. Ist die große Anzahl von Frauen, die laut<br />

Untersuchungen ihr erzwungenes Leben zu Haus satt haben, möglicherweise<br />

ein Artefakt der Selektion, weil nur die in unserem System Benachteiligten die<br />

Fragebögen beantworten?<br />

Sie sind aber offenbar nicht so unzufrieden, dass sie sich massiv zur Wehr<br />

setzen, verbündet mit denjenigen, die sich irgendwie durch die <strong>Kind</strong>erbetreuungsmisere<br />

durchwurschteln. Warum besetzen sie nicht die Rathäuser<br />

oder Parteizentralen, in denen soviel von „<strong>Kind</strong>er sind unsere Zukunft“ geschwafelt<br />

wird? Ist also der run auf Chefsessel die Turnübung einer unentschlossenen<br />

Minderheit und halten viele nicht ein anderes Sitzmöbel für erstrebenswerter?<br />

Oder entstehen ganz andere Welten?<br />

An diesen Fragen und Beobachtungen setzen möglicherweise die Ideen der<br />

Gruppe um die Philosophie-Professorin Luisa Murano aus Mailand an, die in<br />

einem Interview mit Antje Schrupp erläutert, dass es darum ginge „eine Entwicklung<br />

zu erkennen, die eher symbolischer Natur ist, die im Denken stattfindet<br />

(...), dass es die männliche Überlegenheit heute so nicht gibt (...) sie<br />

verliert ihre Bedeutung, weil immer mehr Frauen nicht mehr daran glauben<br />

(...). Das Patriarchat ist zu Ende, weil Frauen ihm keinen Kredit mehr einräumen“.<br />

Dies würde bedeuten, dass viele Frauen, zumindest in Italien, nicht<br />

mehr darauf warten, dass sich die Zeiten ändern. Falls im Zuge der Globalisierung<br />

dieser Trend auch zu uns vorstößt müssen Väter-Männer sich sputen,<br />

wollen sie dem Nichts entgehen. Wertvolle Anregungen bietet Siegfried<br />

Klammsteiner in „Wie die neuen Väter handeln“.


Herr Haupt, Sie sind vielen Beschäftigten<br />

hier bekannt, würden Sie sich<br />

vielleicht trotzdem kurz vorstellen und<br />

etwas zu Ihrer Biografie sagen?<br />

Ich bin Krankenpfleger, seit 1969 im<br />

Klinikum beschäftigt. Seit 1978 bin ich<br />

Pflegedienstleitung in verschiedenen<br />

Bereichen. Seit 1985 versorge ich als<br />

allein erziehender <strong>Vater</strong> meine beiden<br />

Söhne, die damals 3 und 6 Jahre alt<br />

waren.<br />

Das <strong>Kind</strong>erbetreuungsproblem war<br />

doch damals dann relativ dominant,<br />

oder? Sie standen alleine, waren voll<br />

berufstätig?<br />

Ich war voll berufstätig, hatte keine<br />

Verwandten und auch sonst niemanden.<br />

Ich wusste manchmal abends um<br />

22.00 Uhr nicht, wo ich am nächsten<br />

Tag die <strong>Kind</strong>er lassen sollte. Die ersten<br />

zwei Jahre waren unheimlich<br />

stressig, das wünsche ich niemanden<br />

und ich würde das auch nicht noch<br />

einmal in der Form erleben wollen.<br />

Es ist einfach hart, von heute auf<br />

morgen dazustehen und alles organisieren<br />

zu müssen. Die größte Sorge<br />

war immer, wo bleiben am nächsten<br />

Tag die <strong>Kind</strong>er, denn um sie allein zu<br />

lassen, waren sie damals zu klein.<br />

Welchen Beruf haben Sie zu diesem<br />

Zeitpunkt ausgeübt? Waren Sie zu<br />

dem Zeitpunkt als Krankenpfleger<br />

beschäftigt?<br />

Nein, da war ich schon Pflegedienstleitung.<br />

Ich habe noch den Vorteil<br />

gehabt, dass ich durch meine Tätigkeit<br />

nicht mehr im Schicht- und<br />

Nachtdienst eingesetzt war. Ich kann<br />

gut verstehen, dass die Leute, die im<br />

Schicht- und Nachtdienst arbeiten<br />

große Schwierigkeiten haben.<br />

Gab es damals schon die Kliniks-<br />

<strong>Kind</strong>ertagesstätte mit ihren erweiterten<br />

Öffnungszeiten?<br />

Die gab es schon. Ich hatte aber verschiedene<br />

andere Möglichkeiten: den<br />

<strong>Kind</strong>ergarten, den Hort, zeitweise<br />

auch hier in der Einrichtung. Aber der<br />

Ältere wollte dort nicht mehr hingehen.<br />

Wir haben deshalb viel gestritten<br />

und diskutiert. Ich habe dann gesagt,<br />

„o. k. wir probieren es aus, du gehst<br />

nach der Schule nach Hause und<br />

bleibst dort und wir werden sehen,<br />

ob du das Alleinsein aushälst“. Er hat<br />

es ausgehalten. Es war ihm immer<br />

noch lieber als in die <strong>Kind</strong>ertagesstätte<br />

zu gehen, weil er dort auch von<br />

seinen Mitschülern verspottet wurde,<br />

„der geht noch in den <strong>Kind</strong>ergarten“.<br />

War es denn ein großer Einschnitt für<br />

Sie und die <strong>Kind</strong>er, dass sich die ganze<br />

äußere Betreuungssituation verändert<br />

hat?<br />

Ja, das war für alle ein gewaltiger Einschnitt.<br />

Beide <strong>Kind</strong>er hatten zwar<br />

<strong>Kind</strong>ergartenerfahrung. Trotzdem ist<br />

es eine Veränderung, plötzlich nur mit<br />

einem Elternteil zusammen zu leben<br />

und eine Ganztagsbetreuung in Anspruch<br />

nehmen zu müssen. Die <strong>Kind</strong>er<br />

mussten dann eben viel länger in<br />

der Betreuungseinrichtung bleiben als<br />

vorher. Der <strong>Kind</strong>ergarten schloss um<br />

17.00 Uhr. Als Pflegedienstleitung hat<br />

man nicht immer pünktlich Feier-<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

GEORGIA GEORGIA führte führte ein ein Interview<br />

Interview<br />

mit mit Ulrich Ulrich Haupt Haupt zum zum Thema<br />

Thema<br />

„Väter „Väter – – Mütter Mütter – – <strong>Kind</strong>er“<br />

<strong>Kind</strong>er“<br />

abend, mal so mal so. Oftmals bin<br />

ich um 17.00 Uhr in Hetze dort gekommen,<br />

der Kleine saß dann schon<br />

weinend im Flur, weil die Betreuerinnen<br />

schon das Licht ausgemacht und<br />

Feierabend gemacht hatten, es war<br />

lediglich noch der Reinigungsdienst da.<br />

Es war für alle Beteiligten eine ausgesprochene<br />

Stresssituation.<br />

Haben Sie damals denn erwogen, Ihre<br />

Arbeitszeit zu reduzieren? Wäre das<br />

möglich gewesen?<br />

Ich habe das schon erwogen, aber<br />

dann hätte ich meinen Beruf als<br />

Pflegedienstleitung nicht mehr ausüben<br />

können. Ich hätte einen echten<br />

Karriereschnitt gehabt mit unabsehbaren<br />

Folgen. Ich habe abwägen<br />

müssen, was ist besser: zurück auf eine<br />

Station in Teilzeit mit dem Nachteil<br />

des Schicht- und Nachtdienstes oder<br />

Verbleib als Pflegedienstleitung mit<br />

Vollzeit und unregelmäßigen Arbeitszeiten,<br />

die ich oftmals nicht steuern<br />

konnte. Ich habe mich dann für dieses<br />

Modell entschieden, wohl wissend,<br />

dass meine <strong>Kind</strong>er dann eben sehr<br />

oft allein waren. Das ist kein schöner<br />

Gedanke. Vor allem wenn sie krank<br />

waren, war es immer eine schwierige<br />

Entscheidung: gehe ich zur Arbeit,<br />

gehe ich nicht zur Arbeit. Manchmal<br />

hat man die <strong>Kind</strong>er allein zu Hause<br />

gelassen, obwohl sie krank waren und<br />

ist mit einem ganz schlechten Gewissen<br />

zur Arbeit gegangen. Ich denke,<br />

dass kann jede allein erziehende <strong>Mutter</strong><br />

hier nachempfinden.<br />

Gab es damals keine Freistellungsmöglichkeit<br />

zur <strong>Kind</strong>erbetreuung bei<br />

Krankheit?<br />

Es gab, glaube ich, maximal fünf<br />

Pflegetage. Heute sind es zehn Tage<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 21


Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

pro <strong>Kind</strong> für Alleinerziehende. Es ist<br />

immer wieder eine Gradwanderung<br />

zwischen Verantwortung für die <strong>Kind</strong>er<br />

und der beruflichen Verantwortung.<br />

Auch diese Sorge am Arbeitsplatz in<br />

Verruf zu kommen?<br />

Auch diese Sorge, ja. Wenn man beruflich<br />

derart gebunden ist, ist man<br />

nicht mehr so frei in seiner Zeitgestaltung<br />

und kann nicht so spontan<br />

sein wie man möchte oder es nötig<br />

wäre. Die Erfahrung habe ich gemacht<br />

und die machen sicherlich viele<br />

Alleinerziehende heute noch, das<br />

Verständnis für Alleinerziehende<br />

scheint mir nicht sehr ausgeprägt zu<br />

sein. Ich glaube nicht, dass sich da so<br />

viel geändert hat.<br />

Würden Sie sagen, es macht einen<br />

Unterschied, ob es sich um eine allein<br />

erziehende <strong>Mutter</strong> oder um einen allein<br />

erziehenden <strong>Vater</strong> handelt?<br />

Meines Erachtens gibt es da keinen<br />

Unterschied. Die Sorgen sind für beide<br />

gleich.<br />

Ich meine eher das Maß an Verständnis<br />

oder Solidarität auf das Alleinerziehende<br />

treffen oder nicht treffen. Ist<br />

es dabei unterschiedlich, ob es ein<br />

Mann oder eine Frau ist?<br />

Ich habe damals Dinge erfahren, die<br />

nicht hilfreich waren. Am häufigsten<br />

habe ich die Verwunderung wahrgenommen,<br />

„warum hast du denn die<br />

<strong>Kind</strong>er? Warum sind die nicht bei der<br />

<strong>Mutter</strong>?“. Es war ja Mitte der 80er<br />

Jahre noch ungewöhnlich, dass die<br />

<strong>Kind</strong>er bei den Vätern lebten. So richtig<br />

verstehen konnte das keiner, der<br />

nicht selbst in einer solchen oder ähnlichen<br />

Situation war. Wenn es um berufliche<br />

Dinge geht, glaube ich, wird<br />

jeder Alleinerziehende sagen, dass<br />

man sicherlich vorübergehend mal<br />

Verständnis erwarten kann, nicht jedoch<br />

über einen längeren Zeitraum.<br />

Man muss es auch verstehen, denn<br />

Sonderregelungen für Einzelne sind<br />

immer eine Belastung für die verbleibenden<br />

Kolleginnen und Kollegen.<br />

Und auch der Gedanke, dass jeder<br />

mal in eine derartige Situation kommen<br />

kann, hilft da nicht weiter.<br />

Und Sie meinen, ein Team kann so<br />

22 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

einen Dauerzustand auch gar nicht aushalten?<br />

Je besser ein Team ist, umso länger<br />

trägt es so was mit. Sind jetzt aber<br />

mehrere vergleichbare Situationen zu<br />

bewältigen in der Mannschaft, wird<br />

es schon schwierig, dann kann auch<br />

das Restteam das nicht mehr auffangen.<br />

Also Sie meinen, man ist da schon auf<br />

sich selbst angewiesen und muss es<br />

eigentlich weitgehend selbst regeln?<br />

Ich habe immer gesagt, der einzige,<br />

auf den ich mich verlassen kann, bin<br />

ich selber. Das war ein reiner Erfahrungswert.<br />

Man konnte vielleicht hier<br />

oder da mal Hilfe in Anspruch nehmen,<br />

aber richtig verlässlich war das<br />

selten. Das muss man selbst regeln.<br />

Wenn Sie zurückdenken, gab es, als<br />

die <strong>Kind</strong>er kleiner waren, eine besonders<br />

schwierige Situation oder Phase,<br />

die Sie noch so im Kopf haben, war<br />

es eher die Kleinkindzeit oder vielleicht<br />

eher die Pubertät?<br />

Die schlimmste Zeit waren die ersten<br />

zwei Jahre, weil die <strong>Kind</strong>er noch sehr<br />

klein waren und die Situation neu war.<br />

Die <strong>Kind</strong>er standen plötzlich vor dieser<br />

neuen Situation, man selber war<br />

ja auch sicherlich in einer Ausnahmesituation,<br />

zurückblickend war immer<br />

die Sorge, „bist du immer ausreichend<br />

auf die Nöte der <strong>Kind</strong>er eingegangen“,<br />

„hast du sie entsprechend begleitet“.<br />

Wahrscheinlich ist das eine<br />

Frage, die man nie mit Zufriedenheit<br />

beantworten kann. Es wird immer zu<br />

wenig sein. Ich muss sagen, nach zwei<br />

Jahren hatte sich die Situation so weit<br />

konsolidiert (die <strong>Kind</strong>er waren dann<br />

5 und 8 Jahre alt), dass es leichter<br />

wurde.<br />

Würden Sie heute sagen, Sie haben ein<br />

intensiveres Verhältnis oder eine intensivere<br />

Beziehung zu Ihren <strong>Kind</strong>ern,<br />

weil sie allein mit ihnen waren? Im<br />

Vergleich zu Vätern, die sich so ganz<br />

„normal nicht kümmern“ oder sich<br />

kaum kümmern?<br />

Das weiß ich nicht. Man hat ja keine<br />

Vergleichsmöglichkeit und als Alleinerziehender<br />

immer das Gefühl, man<br />

hätte noch mehr tun können. Die <strong>Kind</strong>er<br />

hätten noch mehr gebraucht.<br />

Ich würde Ihnen gern noch einen<br />

Petr etr etra etr a Steinbiß<br />

Steinbiß<br />

positiven Aspekt entlocken. Es klingt<br />

sehr nach „den Mangel verwalten“.<br />

Ja, das ist ja genau das, was die Alleinerziehenden<br />

bewegt, dass sie immer<br />

das Gefühl haben, einen gewissen<br />

Mangel ausgleichen zu müssen<br />

oder mit einem gewissen Mangel leben<br />

zu müssen. Das begleitet einen ja<br />

durch die ganzen Jahre. Natürlich gab<br />

es auch positive Seiten, das kann man<br />

sagen. Man ist wahrscheinlich<br />

unbewusst intensiver mit den <strong>Kind</strong>ern<br />

umgegangen. Natürlich habe ich mehr<br />

mit den <strong>Kind</strong>ern allein unternommen,<br />

z. B. bin ich mit ihnen in den Urlaub<br />

gefahren und ich habe Kochen gelernt.<br />

Ich bin kein begnadeter Koch geworden,<br />

aber ich habe mir ein wenig<br />

„deutsche Normalküche“ beigebracht.<br />

Sie betonen, dass es für allein erziehende<br />

Mütter und Väter eine sehr<br />

ähnliche Situation ist. Gibt es denn so<br />

aus Ihrer Sicht Unterschiede bezüglich<br />

der Außenwahrnehmung oder<br />

was das <strong>Kind</strong>swohl angeht?<br />

Das ist nicht abhängig vom Geschlecht<br />

des Erziehenden. Eine <strong>Mutter</strong><br />

kann das genau so gut wie ein <strong>Vater</strong><br />

und umgekehrt auch. Es gab aber<br />

Unterschiede in den Möglichkeiten: z.<br />

B. hätte ich damals sicherlich gern eine<br />

<strong>Vater</strong>-<strong>Kind</strong>-Kur in Anspruch genommen,<br />

das gab es damals nicht. Heute<br />

sind <strong>Vater</strong>-<strong>Kind</strong>-Kuren genauso<br />

Gang und Gäbe wie <strong>Mutter</strong>-<strong>Kind</strong>-<br />

Kuren, auch wenn der Anteil der allein<br />

erziehenden Väter immer noch<br />

unter 3% liegt. Mir als allein erziehendem<br />

<strong>Vater</strong> mit zwei Söhnen fehlte bei<br />

vielen Entscheidungen die weibliche<br />

Meinung. Eine reine Männerwirtschaft<br />

habe ich nie als sonderlich vorteilhaft<br />

gesehen. Ich glaube aber es ist leichter<br />

als <strong>Vater</strong> mit zwei Söhnen allein


zu leben als als <strong>Mutter</strong> mit zwei Töchtern,<br />

die sicherlich manchmal „zickiger“<br />

sind.<br />

Also ich denke, es ist wirklich ein<br />

Mangel, den <strong>Kind</strong>er erleiden, dass ihre<br />

Väter eigentlich abwesend sind. Väter<br />

sind in aller Regel, nicht oder nur<br />

in Maßen von <strong>Kind</strong>ern und für ihre<br />

<strong>Kind</strong>er ansprechbar oder greifbar.<br />

Das war bei Ihren Söhnen ja ganz<br />

anders, oder?<br />

Dem kann ich nur teilweise zustimmen.<br />

Während in einer kompletten<br />

Familie sich ein Elternteil um den<br />

Haushalt und der andere um die <strong>Kind</strong>erbetreuung<br />

kümmern kann, hat<br />

man als Alleinerziehender beide Aufgaben<br />

gleichzeitig zu erfüllen. Wobei<br />

leider zu befürchten ist, dass hierbei<br />

die Aufmerksamkeit für die <strong>Kind</strong>er<br />

zu kurz kommt.<br />

Also im Grunde haben Sie unter permanenter<br />

Zeitnot gelitten?<br />

Es ist Zeitnot. Es fehlt sowohl an Zeit<br />

für die <strong>Kind</strong>er als auch an Zeit für<br />

sich selbst. Allerdings ist es auch notwendig<br />

einfach mal abzuschalten und<br />

etwas nur für sich zu tun. Ich habe<br />

mir einfach, je älter die <strong>Kind</strong>er wurden,<br />

mehr Zeit für mich genommen.<br />

Was natürlich auch wieder hieß, die<br />

<strong>Kind</strong>er waren in der Zeit, die ich für<br />

mich hatte, eben wieder auf sich allein<br />

gestellt. Ich habe mit kurzen Zeitintervallen<br />

angefangen und sie dann<br />

später ausgedehnt.<br />

Gab es Dinge, die vorher ganz selbstverständlich<br />

in der Familie geregelt<br />

waren?<br />

Ja, wenn die Frau zu Hause und auch<br />

nicht berufstätig ist, organisiert sie z.B.<br />

die <strong>Kind</strong>ergeburtstage. Ich musste<br />

mich selbst darum kümmern. Wir<br />

haben immer relativ viele <strong>Kind</strong>er eingeladen.<br />

Ich habe das so lange gemacht,<br />

wie die <strong>Kind</strong>er das Bedürfnis<br />

hatten eben noch <strong>Kind</strong>er einzuladen.<br />

Ich habe auch angefangen, als ich allein<br />

erziehend war, den <strong>Kind</strong>ern immer<br />

zum Geburtstag einen Kuchen<br />

zu backen oder zwei. Das habe ich<br />

bis heute beibehalten.<br />

Wie eine <strong>Mutter</strong>, Herr Haupt.<br />

Ja, das habe ich vorher auch nicht<br />

gemacht. In einem Jahr konnte ich für<br />

den jüngeren Sohn keinen Kuchen<br />

backen, weil ich im Krankenhaus lag.<br />

Das hat er auch moniert. Er war noch<br />

sehr klein, er konnte das einfach nicht<br />

begreifen.<br />

Hatten Sie hier vor Ort eine Familie,<br />

die Sie unterstützen konnte?<br />

Nein, weder Familie noch sonst jemanden,<br />

der das irgendwie unterstützen<br />

konnte. Ein Erlebnis war sehr einschneidend:<br />

als der ältere Sohn in der<br />

<strong>Kind</strong>ertagesstätte im Hort untergebracht<br />

war, machten sie einen Ausflug.<br />

Ich bin als einziger Mann und<br />

Neu-Alleinerziehender mitgefahren,<br />

sonst nur Mütter und Erzieherinnen.<br />

Es war vorher ausgemacht, dass jeder<br />

irgendetwas zum Essen mitbringt,<br />

selbst gekocht selbstverständlich. Zu<br />

diesem Zeitpunkt hatte ich aber noch<br />

nicht kochen gelernt, also habe ich<br />

etwas Fertiges gekauft. Die Blicke der<br />

holden Weiblichkeit waren einfach<br />

vernichtend.<br />

Sie lächeln jetzt zwar dabei, damals<br />

war es aber wahrscheinlich für Sie<br />

nicht ganz so lustig?<br />

Es war überhaupt nicht lustig für<br />

mich, ich hatte auf ein bisschen Verständnis<br />

gehofft, aber da kam nichts.<br />

Die Verachtung war spürbar, „Der<br />

kann noch nicht mal kochen, wagt<br />

sich hier mit auf den Ausflug mit seinem<br />

Fertigzeug“.<br />

Dann kommen wir jetzt doch noch<br />

einmal zurück zu dem beruflichen<br />

Umfeld. Was würden Sie denn sagen,<br />

ist am Klinikum gut geregelt und was<br />

hat sich, vielleicht auch seitdem Sie in<br />

der akuten Situation waren, verbessert?<br />

Und wo würden Sie denken,<br />

sind Bereiche, wo noch mehr passieren<br />

müsste?<br />

Es gibt m. E. inzwischen mehr<br />

<strong>Kind</strong>ertagesstättenplätze, leider aber<br />

immer noch nicht genug.<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Also die <strong>Kind</strong>erbetreuung wurde verbessert.<br />

Wie ist es mit den Arbeitszeitregelungen?<br />

Für Alleinerziehende, meine ich, ist es<br />

nicht besser geworden. Früher hatte<br />

man die 40-Stunden-Woche, jetzt hat<br />

man die 38,5-Stunden-Woche, das<br />

sind 1,5 Stunden weniger. Natürlich<br />

zählt jede Viertelstunde, die man mehr<br />

für die <strong>Kind</strong>er hat und die man eher<br />

zu Hause ist. Aber so gravierend ist<br />

es eigentlich nicht, denn letzten Endes<br />

ist es egal, ob ich für 7 oder für<br />

7,5 Stunden eine Betreuung habe.<br />

Nach wie vor ist es sicherlich für jede<br />

allein erziehende Person, ob Mann<br />

oder Frau, ein Problem, wenn sie<br />

Nachtdienst oder Schichtdienst hat. Es<br />

ist schwer für diese Zeiten eine <strong>Kind</strong>erbetreuung<br />

zu bekommen. Wer<br />

möchte schon seine <strong>Kind</strong>er gern<br />

nachts allein lassen. Außerdem kann<br />

kein Haus so viele Plätze anbieten, die<br />

Sonderregelungen für betroffene Personengruppen<br />

zulassen. Wir haben<br />

viele beschäftigte Alleinerziehende,<br />

gerade auch in Teilzeit, die würden<br />

gern von 8.00 bis 12.00 Uhr arbeiten,<br />

das ist die „Lieblingsarbeitszeit“, aber<br />

das kann kein Haus leisten.<br />

Es sind also einfach zu viele, die solche<br />

Arbeitszeiten bräuchten.<br />

Ja, gerade in einem Betrieb wie einem<br />

Krankenhaus, in dem es viel Schichtdienst<br />

gibt, ist es besonders schwierig.<br />

In einem Büro mit fester Arbeitszeit,<br />

ist es sicherlich leichter zu planen.<br />

Gut, wenn Sie - utopisch gedacht -<br />

hier im Haus etwas zum Wohle (derer,<br />

die allein <strong>Kind</strong>er versorgen) verändern<br />

und entscheiden könnten, einfach<br />

so, was würden Sie machen?<br />

Ich denke, es gibt sehr viele Patientinnen<br />

und Patienten, die eine Tagesklinik<br />

brauchen. Hier gibt es zu viel Patientinnen<br />

und Patienten, die über Nacht<br />

hier bleiben. Wenn man diese Menschen<br />

in einer Tagesklinik versorgen<br />

würde, könnte man auch mehr Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern die<br />

Möglichkeit eröffnen in so einem Bereich<br />

mit so genannten normalen Arbeitszeiten<br />

ihr Berufsleben zu gestalten.<br />

Vielen Dank für das Gespräch!<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 23


Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Sophia Sophia und und Wissensc Wissenschaft:<br />

Wissensc haft:<br />

Dr. med. Dr. phil.<br />

Nikola Biller-Andorno<br />

studierte Humanmedizin an der<br />

Friedrich-Alexander-<strong>Universität</strong><br />

Erlangen-Nürnberg sowie der Philosophie<br />

und Sozialwissenschaften an<br />

der Fernuniversität Hagen. Es folgten<br />

Forschungsaufenthalte an den <strong>Universität</strong>en<br />

Yale und Harvard, die u. a.<br />

von den Studienstiftung des deutschen<br />

Volkes und dem Deutschen<br />

Akademischen Auslandsdienst gefördert<br />

wurden. 1998 trat sie eine<br />

Wissenschaftliche Assistentur an der<br />

Abteilung Ethik und Geschichte der<br />

Medizin der <strong>Universität</strong> <strong>Göttingen</strong><br />

an. Seit dem Abschluss ihres<br />

Habilitationsverfahrens im Juni 2002<br />

setzt sie ihre Tätigkeit in Forschung<br />

und Lehre als Privatdozentin im Fach<br />

Medizinethik und Medizintheorie<br />

fort.<br />

24 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

Ein Ein Blic Blick Blic k auf auf die die V VVer<br />

V er ereinbar er einbar einbarkeit<br />

einbar eit<br />

von on Ber Beruf Ber uf und und <strong>Mutter</strong> <strong>Mutter</strong>sc <strong>Mutter</strong> sc schaft sc haft<br />

Ich wollte immer einen Beruf, den ich mit Überzeugung und Hingabe ausüben<br />

kann. Trotz aller Unkenrufe von Freunden und Verwandten - „so was<br />

gibt es nicht!“ - habe ich ihn gefunden: Seit 1998 arbeite ich als Wissenschaftliche<br />

Assistentin an der Abteilung Ethik und Geschichte der Medizin. Vorher<br />

war ich als Postdoc an der Harvard Medical School, nach einem Studium der<br />

Humanmedizin an der <strong>Universität</strong> Erlangen-Nürnberg sowie einem Studium<br />

der Philosophie, Psychologie und Soziologie an der Fern<strong>Universität</strong> Hagen.<br />

Seit meinen Studienzeiten fasziniert mich die Medizinethik: eine Disziplin, in<br />

der natur-, sozial- und geisteswissenschaftliche Fakten und Denkweisen zusammenkommen;<br />

Themen mit aktuellem gesellschaftlichen Bezug; die Notwendigkeit,<br />

sowohl theoretisch versiert zu sein als auch den Alltag in Klinik<br />

und Labor zu kennen - all dies sind für mich Herausforderungen, die mich<br />

immer wieder aufs neue für mein Fach begeistern.<br />

Dank der vorzüglichen Arbeitsbedingungen in unserer Abteilung konnte ich<br />

von Beginn meiner Assistentur an dieser Begeisterung freien Lauf lassen und<br />

mich einem großen Spektrum wissenschaftlicher Aufgaben widmen: publizieren,<br />

unterrichten, Doktoranden betreuen, Drittmittel einwerben, Ergebnisse<br />

auf Konferenzen präsentieren usw.. Nach gut zwei Jahren hat sich dann<br />

Sophia angekündigt. Damit lief für mich eine Art „Count Down“: zeitintensive<br />

Arbeiten fertig stellen, noch eine schöne Gelegenheit zu einem wissenschaftlichen<br />

Auslandsaufenthalt nutzen, die Habilschrift abgeben. Diese Dinge,<br />

glaubte ich, würden mir nachher wesentlich schwerer fallen bzw. so schnell<br />

nicht möglich sein - eine Einschätzung, die sich für mich im nach hinein als<br />

realistisch herausgestellt hat.<br />

Die Schwangerschaft verlief ganz normal: Drei Monate Übelkeit, Müdigkeit<br />

und die Unsicherheit, ob auch alles gut gehen wird; dann eine relativ ruhige<br />

Phase, und dann ein unbequem dicker Bauch. Für jemanden, der nur den<br />

anwachsenden Leibesumfang wahrnimmt, ist es schwer zu erkennen, wie viel<br />

mehr sich ändert. Wie sehr man gedanklich dauernd mit dem beschäftigt ist,<br />

was in einem passiert; wie andere Dinge weniger wichtig werden; und wie<br />

sehr man nach einer Art Nest sucht, in dem keiner etwas von einem will und<br />

man in Ruhe sein <strong>Kind</strong> zur Welt bringen kann. An dem Tag, an dem der<br />

<strong>Mutter</strong>schutz begann, habe ich mich daher auch relativ kompromisslos von<br />

meinem Arbeitsplatz zurückgezogen und war nur noch per e-mail oder Telefon<br />

zu erreichen. Zu Hause habe ich dann doch noch bis zum Tag der Entbindung<br />

weitergearbeitet, u. a. Telefoninterviews für ein Projekt geführt und ein<br />

Manuskript korrigiert. In einem Ratgeber hatte ich gelesen, Frauen überkäme<br />

vor der Entbindung irgendein Putztrieb - vielleicht war mein Verhalten (die<br />

Arbeit nicht liegenlassen zu können und möglichst alles vorher zu erledigen)<br />

die entsprechende Wissenschaftlerinnen-Variante.<br />

Sophia kam am 23. Juni 2001 nach einer komplikationslosen Geburt zur Welt.<br />

In den ersten Stunden, die wir zusammen verbrachten, wurde ich von einer<br />

Welle der Zuneigung zu meiner kleinen Tochter überschwappt, und seither ist<br />

alles anders. Vorher hatte ich mir überlegt, wie sich das <strong>Kind</strong> in meinen Alltag<br />

integrieren ließe. Nun musste ich feststellen, dass es eher darum ging, wie ich<br />

meinen Alltag um ihre Bedürfnisse organisieren konnte. Am schlimmsten war<br />

der Schlafentzug. Ich hatte vorher nicht gedacht, dass man so wenig Schlaf<br />

ertragen kann - man kann, aber Konzentration, Gedächtnis und emotionale


Stabilität leiden ungeheuer. Die ersten Monate mit ihr bin ich wie durch einen<br />

Nebel getappt: den ganzen Tag unendlich müde, eigentlich nicht viel getan<br />

und doch sehr lange dazu gebraucht.<br />

Jetzt, wo die Kleine ein Jahr alt ist, wird es allmählich leichter. Der Alltag wird<br />

ein bisschen berechenbarer. Ich habe viel gestrichen an Aktivitäten, die nicht<br />

unbedingt sein müssen. Manchmal fällt es mir schwer, so viel absagen zu<br />

müssen. Trotzdem kann ich nicht klagen. Beruflich läuft bislang alles sehr gut.<br />

Und die Kleine hat mein Leben nicht nur ungekrempelt, sondern auch in<br />

einem für mich vorher ganz unvorstellbarem Maße bereichert.<br />

Es ging alles, aber es hat enorm viel Kraft gekostet. Was war für mich besonders<br />

schwer während der Zeit?<br />

Für sich einen Ausnahmestatus reklamieren: Die Schwangerschaft<br />

bzw. die Sorge für ein kleines <strong>Kind</strong> geht mit geringerer Flexibilität und einer<br />

Tendenz einher, möglichst viele Extra-Aufgaben abzuwehren, die verzichtbar<br />

scheinen. Das hat schon rein physische Gründe: Beispielsweise muss man für<br />

einen Weg, für den man sich normalerweise aufs Fahrrad schwingt und in<br />

fünf Minuten ohne Problem da ist, nun mindestens fünfzehn Minuten einkalkulieren.<br />

Es ist nicht leicht, sich - ganz im Gegenteil zu früher - immer mit der<br />

Tatsache der Schwangerschaft oder des <strong>Mutter</strong>seins für etwas zu entschuldigen,<br />

was man später als geplant abliefert oder absagen muss.<br />

Alles ist ein Organisationsaufwand: Insbesondere wenn das <strong>Kind</strong><br />

da ist, muss alles im voraus organisiert werden, wobei man dann immer noch<br />

gedanklich zwischen beiden „Welten“ hin und her jongliert. Eine zweitägige<br />

Tagung in Berlin kann z.B. normalerweise so aussehen: morgens rasch einen<br />

kleinen Koffer packen, ins Büro gehen, noch einige Dinge erledigen; zum<br />

Bahnhof gehen, dort ein Sandwich einpacken, im Zug einige Dokumente für<br />

die Tagung lesen, nach Ankunft des Zuges direkt zur Tagung, abends ein Essen<br />

mit den Kollegen, danach eine erholsame Nachtruhe, Frühstück mit dem<br />

Kollegen, den man unbedingt noch etwas fragen wollte etc.. Mit einem Baby<br />

sieht das eher so aus: morgens Koffer und Babytasche packen (Windeln, Spielzeug,<br />

zwei Gläschen, Löffel in Plastiktüte, Trinkflasche, Kleidung zum Wechseln<br />

etc.), vorher Baby stillen und wickeln, Baby in Tragerucksack packen, zum<br />

Zug, Ticket und Reservierung abholen, im Zug <strong>Kind</strong> unterhalten, nach zwei<br />

Stunden endlich ankommen, beim Hotel vorbei und hoffen, dass wie besprochen,<br />

Babysitter da ist, zur Tagung hetzen, nach Tagungsende zurückhetzen,<br />

Baby stillen bzw. füttern, versuchen, das <strong>Kind</strong> zum Schlafen zu bringen, sich<br />

die Nacht mit zahlreichen Unterbrechungen um die Ohren schlagen, mit Baby<br />

im Hotel frühstücken, wobei natürlich das Jackett verkleckert wird etc.. Nachdem<br />

man meist zudem für Babybetreuungskosten selbst aufkommt, sind<br />

Konferenzbesuchen während dieser Zeit doch deutliche Grenzen gesetzt.<br />

Keine Erholungsphasen: Während man als Schwangere noch früh<br />

ins Bett gehen kann, wenn man müde ist, so war es für mich mit dem Baby<br />

nahezu unmöglich, mich zwischendurch zu erholen. Nachts wollte Sophia alle<br />

paar Stunden gestillt werden und tagsüber wollte sie Aufmerksamkeit. Dabei<br />

verweigerte sie vehement Schnuller, Fläschchen, <strong>Kind</strong>erwagen und <strong>Kind</strong>erbett.<br />

Wenn sie dann in der Tat am Tag mal schlief, hatte ich die Auswahl:<br />

Einkaufen? Endlich mal wieder Zeitung lesen? Was fertig schreiben? Schlafen<br />

kam da meist an letzter Stelle. Andererseits: Sophia ist zwar ein kleiner Dickkopf<br />

und sehr lebhaft, aber immerhin völlig gesund und normal. Ich stelle<br />

mir vor, dass die Situation für manche Eltern noch um ein vielfaches schwieriger<br />

ist. Ich hatte insgesamt sehr gute Voraussetzungen: eine Arbeit an einem<br />

theoretischen Institut mit verständnisvoller Chefin und flexiblen Arbeitszeiten.<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 25


Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

26 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

Wir haben eine Tagesmutter, die sich zuverlässig und liebevoll um<br />

Sophia kümmert. Viele Menschen, mit denen ich während der letzten eineinhalb<br />

Jahre zu tun hatte, waren sehr zuvorkommend und verständnisvoll. Dennoch<br />

muss man auch klar sehen: Ein <strong>Kind</strong> zu bekommen bedeutet für eine<br />

Wissenschaftlerin mindestens zwei Jahre eingeschränkter Produktivität. Auch<br />

in der Zukunft werde ich sicher sehr gezielt und effizient arbeiten müssen; der<br />

Luxus zeitraubender Tätigkeiten mit sekundärer Priorität ist vorbei. Leider<br />

werden unter den zu streichenden Posten auch die Aktivitäten sein, die man<br />

sonst oft als Höhepunkte im Gedächtnis behalten hat: eine gute Konferenz,<br />

ein Zusammenkommen mit Kollegen aus dem Ausland etc.. Ich überlege mir<br />

auch, wie es sein wird, wenn ich, wie es mein Ziel ist, eine Professur bekomme<br />

- besonders in Augenblicken, wo Sophia mich mit großen Augen anschaut,<br />

wenn ich morgens aus dem Haus will, und „Ma?“ sagt.<br />

Ich verstehe nun, warum so wenig Frauen mit <strong>Kind</strong>ern wissenschaftliche<br />

Karriere machen. Viele meiner Studienkolleginnen und Freundinnen<br />

stehen jetzt vor der Wahl: Eine Kollegin beispielsweise, eine sehr kluge,<br />

zielstrebige Frau, hat vor kurzem ein <strong>Kind</strong> bekommen und fragt sich jetzt, ob<br />

es überhaupt noch Sinn macht, eine Habilitation einzustreben. Eine andere<br />

Freundin ist Chirurgin an einer anderen <strong>Universität</strong>. Ihr Chef hat zu ihr gesagt,<br />

sie habe das Zeug zur Ordinaria, wenn sie sich jetzt tüchtig ranhalte. Sie ist jetzt<br />

32 und möchte gerne <strong>Kind</strong>er, weiß aber nicht, wie das gehen soll, ohne ihre<br />

beruflichen Ziele aufzugeben.<br />

Ich kann mir ein Leben ohne Sophia nicht mehr vorstellen,<br />

aber ich möchte mir auch ein Leben ohne ernsthafte wissenschaftliche Tätigkeit<br />

nicht vorstellen. Beides haben zu wollen scheint immer noch als Extravaganz,<br />

Unbescheidenheit oder gar Unverantwortlichkeit angesehen zu werden;<br />

ein mit Skepsis betrachtetes Experiment, an dessen Scheitern gegebenenfalls<br />

die Frau die Schuld trägt. Ich bin viele Male mit der zunehmend ungläubigeren<br />

Frage konfrontiert worden: „Arbeitest Du noch?“ (während der Schwangerschaft),<br />

„Willst Du wieder arbeiten?“ (während des <strong>Mutter</strong>schutzes) und „Arbeitest<br />

Du schon wieder? Vollzeit??“ (nach dem <strong>Mutter</strong>schutz).<br />

Ich möchte mich nicht zwischen Sophia und der Wissenschaft<br />

entscheiden müssen. Es scheint mir unfair, dass sich für Frauen „<strong>Kind</strong>“ und<br />

„Karriere“ nach wie vor häufig als Alternativen darstellen, deren Kombination<br />

nur in außerordentlichen Fällen gelingt. Früher habe ich die Diskussion um<br />

Frauenquoten, Frauenbonus, Frauenbeauftragte nicht verstanden. Es schien<br />

mir möglich und der bessere Weg, durch Leistung zu überzeugen. Aber jetzt<br />

sehe ich, dass in der Regel ungleiche Voraussetzungen existieren, die die einzelne<br />

Wissenschaftlerin nur schwer kompensieren kann:<br />

Es ist etwas anderes, ob man nach<br />

Hause kommt und weiß, dass sich<br />

dort eine primäre Bezugsperson den<br />

ganzen Tag liebevoll um das <strong>Kind</strong><br />

gekümmert hat, die zudem das gesamte<br />

häusliche Umfeld in Regie hat und sich<br />

auch noch dafür verantwortlich fühlt,<br />

dass es mir gut geht. Das hat nichts mit<br />

dem Alltag einer Frau zu tun, die versucht,<br />

beides irgendwie unter einen<br />

Hut zu bekommen. Eine Kollegin aus<br />

den USA hat mir in einer e-mail neulich<br />

Foto: privat


zu diesem Thema folgenden Kommentar geschrieben: „We all know: we could<br />

do so much more if we had a wife!“ Der humorvoller Unterton hat mir<br />

geholfen, mich nicht entmutigen zu lassen, aber auch nichts schön zu reden.<br />

Meines Erachtens sollte der Lebenskontext bei Evaluationen und Bewerbungen<br />

berücksichtigt werden. Umsichtige Kommissionen haben dieser Erwägung<br />

zweifellos bereits Rechnung getragen. Eine Möglichkeit wäre, statt Impact-<br />

Faktoren, die Länge von Publikationslisten und die Höhe der eingeworbenen<br />

Drittmittel unabhängig von der individuellen Biographie zu beurteilen, die<br />

Frage in den Vordergrund zu stellen, in welcher Lebenssituation eine Kandidatin<br />

welche Leistung erbracht hat. Aus einer solchen Analyse ließen sich vermutlich<br />

treffsichere Schlüsse ziehen bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit, ihrer<br />

Motivation und der Weise, in der sie die Fakultät bereichern kann.<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 27


Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

An dieser Stelle war es geplant ein Interview Interview mit mit Herrn Herrn Herrn Minister<br />

Minister<br />

Thomas Thomas Oppermann<br />

Oppermann Oppermann zu führen. Obwohl der Minister leider kurzfristig<br />

die Zusage zum Interview zurückgezogen hat, möchten wir die an ihn<br />

gerichteten Fragen veröffentlichen:<br />

28 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

? Sie sind selbst <strong>Vater</strong> von zwei Töchtern und haben einen verantwortungsvollen<br />

Beruf. Welche Rolle hat auf Ihrem bisherigen Karriereweg die Familienplanung<br />

gespielt? Haben sich die <strong>Kind</strong>er förderlich, hemmend oder neutral<br />

zur Entwicklung Ihrer Karriere ausgewirkt?<br />

? Sie haben einen sehr zeitaufwendigen Beruf. Wie haben Sie die <strong>Kind</strong>erbetreuung<br />

geregelt?<br />

? Haben Sie darüber nachgedacht selbst Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit in<br />

Anspruch zu nehmen?<br />

? Würde für Ihre Position auch Teilzeit in Frage kommen?<br />

? Welche Assoziation löst bei Ihnen der Begriff „<strong>Mutter</strong>rolle“ aus?<br />

? Wie wurde Ihre Betreuung geregelt, als sie selbst <strong>Kind</strong> waren?<br />

? Sie haben in Ihrer Amtszeit einen Schwerpunkt auf die Gleichstellung von<br />

Männern und Frauen gelegt. War Frauenpolitik für Sie schon immer ein wichtiges<br />

Politikfeld? Gab es eine politische Phase oder ein Schlüsselerlebnis in<br />

Ihrem Leben, wo die Frage der Geschlechtergerechtigkeit besonders dominant<br />

wurde?<br />

? Welche der von Ihnen implementierten Instrumente aus diesem Bereich halten<br />

Sie für die Wichtigsten?<br />

? Welche Bedeutung hat aus Ihrer Sicht im Kontext der Hochschulpolitik die<br />

Funktion der Frauenbeauftragten?<br />

? Welche Maßnahmen und Instrumente wurden im Wissenschaftsministerium<br />

während Ihrer Amtszeit etabliert, um z. B. Familie und Beruf besser vereinbaren<br />

zu können?<br />

? Gibt es etwa in Sachen <strong>Kind</strong>erbetreuung Kooperationen des Ministeriums<br />

mit der Stadt oder Unternehmen?<br />

? Zur Zeit des Pflegenotstandes wurden in den Medizinischen Hochschulen in<br />

Niedersachsen <strong>Kind</strong>erbetreuungseinrichtungen eingerichtet. Aufgrund der<br />

Zugangskriterien werden heute in diesen Einrichtungen deutlich mehr <strong>Kind</strong>er<br />

von Pflegekräften als von Wissenschaftlerinnen und Verwaltungskräften betreut.<br />

Dies ist angesichts des drohenden Wissenschaftlerinnennotstandes ein<br />

erhebliches Problem. Welche Lösungen könnten Sie sich vorstellen, ohne, dass<br />

Nachteile für das Pflegepersonal entstehen? Sind Sie in dieser Frage schon<br />

aktiv geworden?<br />

? In der Medizin ist es aufgrund der großen zeitlichen Belastung nicht nur für<br />

Wissenschaftlerinnen schwierig, Beruf und <strong>Kind</strong>er zu vereinbaren, auch die<br />

Ausbildung zur Fachärztin muss aufgegeben werden oder verzögert sich drastisch<br />

(Chirurginnen bekommen z. B. den OP-Katalog nicht voll). Abteilungsleiter/-innen<br />

lehnen verschiedene Arbeitszeitmodelle, wie sie z.B. in der Pflege<br />

existieren, für Medizinerinnen ohne nähere Begründung ab.<br />

Was hielten Sie von einem Anreizsystem für Abteilungsleiter/-innen, das es<br />

Ihnen ermöglicht mehr Teilzeitstellen oder Jobsharing-Angebote zur Verfügung<br />

zu stellen?<br />

Würden Sie die Idee finanziell unterstützen, modellhaft an einem Bereich ausgestattet<br />

mit wissenschaftlicher Begleitung, innovative neue Arbeitszeitmodelle<br />

ergänzt um verschiedene Instrumente der Gleichstellungspolitik einzuführen?


„Aller „Aller Anf Anfang Anf ang ist ist sc schw sc hw hwer“... hw er“...<br />

Bärbel Klein<br />

<strong>Mutter</strong> von Jascha, 11 Jahre,<br />

und Mira, 8 Jahre.<br />

Fachkrankenschwester für innere<br />

Medizin und Intensivpflege, seit<br />

1995 in der Psychiatrie auf der<br />

„Suchtstation“ 4099. Seit Nov.<br />

1995 Mitglied im Elternbeirat<br />

der <strong>Kind</strong>ertagesstätte; z.Zt.<br />

berufsbegleitende Weiterbildung<br />

in Mediation.<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

könnte ich meinen Bericht über meine „Wiedereinstiege“ nach den Erziehungsurlauben<br />

und mein Erleben von Vereinbarkeit und Unvereinbarkeit von <strong>Kind</strong>ern<br />

und Pflegeberuf überschreiben.<br />

Mein erster Wiedereinstieg war im <strong>August</strong> 93 nach eineinhalb Jahren Erziehungsurlaub.<br />

Mich erwartete meine „alte vertraute“ Station, die „Akutdialyse“. Auch<br />

während des Erziehungsurlaubes war der Kontakt zu meinen KollegInnen<br />

erhalten geblieben, so dass ich mich auf die Arbeit freute! So gerne ich auch<br />

<strong>Mutter</strong> war und die Zeit zu Hause mit meinem Sohn Jascha genossen hatte,<br />

wollte ich doch endlich wieder unter erwachsenen Menschen sein, eine verantwortungsvolle,<br />

„richtige“ Arbeit tun und vor allem mein eigenes Geld verdienen<br />

(als Alleinerziehende hatte ich bis dahin von Sozialhilfe gelebt!).<br />

Der einzig wirklich große Haken war, dass die <strong>Kind</strong>ertagesstätte des Klinikums<br />

für eine Aufnahme meines Sohnes damals aufgrund der zahlreichen<br />

Anträge Vollzeittätigkeit von mir verlangte. So wartete auf mich die 6-Tage<br />

Woche, Schichtdienst im täglichen Wechsel zwischen Früh- (Beginn 6:20 Uhr),<br />

Spät- (Ende 20:15) und Nachtdienst, verbunden mit Alleinerziehendenalltag<br />

mit Kleinkind. Eine Vorstellung davon, wie das gehen sollte, hatte ich nicht.<br />

Aber irgendwie…<br />

Eine große Erleichterung war für mich, dass die Stationsschwester und die<br />

Pflegedienstleitung auf mich zukamen, um eine Lösung zu finden, mit der wir<br />

dem Stationsablauf, den Kita-Öffnungszeiten und einer Lebenssituation mit<br />

einem Kleinkind gerecht werden konnten.<br />

Die Lösung bestand darin, dass ich wöchentlich schichtete, was für Jascha<br />

einen wesentlich regelmäßigeren Alltag bedeutete, dass ich im Spätdienst bereits<br />

um 19:45 Uhr gehen und die fehlende Arbeitszeit nacharbeiten konnte<br />

und dass ich kaum Nachtdienste zu leisten brauchte.<br />

Im Nachhinein bin ich meiner Stationsleitung noch immer sehr dankbar für<br />

diese Offenheit (sie hatte selbst ein <strong>Kind</strong> in der Kliniks-Kita…), denn ich habe<br />

feststellen müssen, dass andere Mütter nicht soviel Unterstützung erfahren haben.<br />

Für mich bedeutete diese Form der Lösungsfindung, als vollwertiges Mitglied<br />

des Teams ernst genommen und wertgeschätzt zu werden, was mich für meine<br />

Arbeit stark motivierte. Ich hatte das Gefühl, wirklich im Team willkommen<br />

zu sein. Und das war so wichtig!<br />

Gut, dann ging’s los - der erste Arbeitstag. Den werde ich niemals vergessen!<br />

Jascha brachte ich um 6:00 Uhr in die Krippe, ließ ihn dort weinend zurück -<br />

es brach mir fast das Herz, aber das mussten wir ja nun beide lernen - und<br />

begann meinen Dienst. Ich genoss das Arbeiten, den Kontakt, fürchtete mich<br />

vor der neuen Dialysemaschine und war schließlich so konzentriert dabei,<br />

dass ich an meinen Sohn schon gar nicht mehr gedacht hatte.<br />

14:00 Uhr: Szenenwechsel. Frohen Schrittes taperte ich in die Krippe, um<br />

Jascha abzuholen. Die Erzieherin berichtete, Jascha habe 2 Stunden wie am<br />

Spieß geschrieen und sei schließlich eingeschlafen, bis eben. An diesen Augenblick<br />

erinnere ich mich, als sei es gestern gewesen: Schuldgefühle, Hilflosigkeit,<br />

das Bedürfnis, mein <strong>Kind</strong> zu schützen und nie wieder hierher zu bringen (dabei<br />

war die Eingewöhnungszeit so gut gelaufen…) - und immer wieder Schuldgefühle!<br />

Also vereinbarte ich mit der Erzieherin, dass ich, sollte es noch einmal so sein,<br />

bitte im Dienst angerufen werden möchte. Wie ich aber eine solche Situation<br />

lösen sollte, wenn ich auf Station auch gerade „voll in Aktion wäre“, war mir<br />

schleierhaft - aber irgendwie…<br />

Die ersten Tage in der Krippe waren also schwer für Jascha, aber schließlich<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 29


Schwerpunkt<br />

30 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

ging er richtig gern hin, und ich entsprechend unbeschwerter in den Dienst.<br />

An einem anderen Tag, auf der Station war gerade „der Teufel los“, bekam<br />

ich den Anruf, Jascha sei krank! Er habe erbrochen und habe Fieber, und ich<br />

müsse ihn sofort abholen! Was sollte ich tun - am liebsten hätte ich mich<br />

zweigeteilt! Ich konnte unmöglich so einfach aus dem Dienst verschwinden,<br />

aber mein <strong>Kind</strong> musste nach Hause. Zu der Zeit lebte in meiner Wohnung<br />

eine Studentin, die gerade ihre Großfamilie zu Besuch hatte. Dennoch erklärte<br />

sie sich bereit, Jascha abzuholen und sich - soweit möglich - um ihn zu kümmern.<br />

„Klasse“, Problem erst mal gebannt.<br />

Also wenn ich eines durch das Leben mit meinen <strong>Kind</strong>ern wirklich gut gelernt<br />

habe, ist das, auch unmöglich erscheinende Ideen auszuprobieren, mutig zu<br />

fragen und noch so kompliziert erscheinende Umstände zu organisieren!<br />

Nach besagtem Dienst kam ich nach Hause und sah meinen Sohn quietschvergnügt<br />

auf dem Schoß des <strong>Vater</strong>s meiner Mitbewohnerin sitzen, umringt<br />

von einer Schar mir völlig fremder Menschen, aber alle hatten sich offensichtlich<br />

hervorragend miteinander amüsiert!<br />

Das sind die Erfahrungen, die mich ermutigten, die mich freuten, und die mir<br />

das Gefühl gaben, auch ohne Oma am Ort oder Partner an meiner Seite in ein<br />

gutes soziales Netz eingebunden zu sein.<br />

Mein persönliches Problem bestand in zunehmend körperlicher Erschöpfung.<br />

Ich war oft müde, und es gab Situationen (z.B. Kaffeetrinken bei Freunden),<br />

in denen ich plötzlich einfach so eingeschlafen bin. Holte ich Jascha mittags aus<br />

der Krippe ab, hatte er meistens seinen Mittagsschlaf schon hinter sich, während<br />

ich ihn aber dringend gebraucht hätte. Und Mittagsschlaf und quirliges<br />

<strong>Kind</strong> in dem Alter vertragen sich nicht!<br />

So war ich heilfroh, als ich - ich glaube nach etwa 4 Monaten<br />

- auf einer dreiviertel Stelle arbeiten konnte. Das war immer<br />

noch anstrengend, aber ich konnte mit meinen Kräften besser<br />

haushalten! Jede Frau, die ein <strong>Kind</strong> geboren hat, wird<br />

vielleicht nachvollziehen können, wenn ich davon erzähle,<br />

dass die Geburt eines <strong>Kind</strong>es verletzlicher macht.<br />

Durch die Geburt meines Sohnes sind Mauern von mir abgebröckelt,<br />

die einen Schutzwall vor ungewollten Gefühlen<br />

und Eindrücken gebildet hatten. Damals wütete gerade der<br />

Golfkrieg, und in den Nachrichten diese Bilder zu sehen ließ<br />

mich weinen.<br />

Bis dahin hatte ich ja ausschließlich und immer gern und sehr<br />

engagiert in der Intensivpflege gearbeitet. Aber ich spürte<br />

zunehmend einen immer schwieriger werdenden Zwiespalt in mir. So manchem<br />

Patienten wünschte ich nicht mehr das Beatmungsgerät, sondern eine<br />

Hand, die ihn in ein menschenwürdiges Sterben begleitet. Ich ertappte mich<br />

dabei, mit meinen Händen Dinge zu tun, die ich so niemals mit meinem Herzen<br />

entschieden hätte. Ich begann, Intensivkrankenpflege für mich in Frage zu<br />

stellen, konnte mir aber andererseits kein besseres Stationsteam vorstellen!<br />

Ich wurde erneut schwanger.<br />

Eine schwierige Schwangerschaft und die erneute Partnertrennung kurz vor<br />

der Geburt meiner Tochter Mira machten mir das Leben nicht gerade leicht.<br />

Nach dem Erziehungsurlaub war klar, dass ich nicht in die Intensivpflege<br />

zurückkehren konnte. Der Zufall wollte es, dass ich über die Pflegedienstleitung<br />

an die Suchtstation in der Psychiatrie geriet. Ich kam in ein Team mit<br />

einer Stationsleitung, die meine Situation in jeder Hinsicht anerkannte, so dass<br />

ich mich sehr schnell integriert und respektiert fühlte. Außerdem konnte ich<br />

eine Arbeit tun, die mir nicht nur Spaß machte, sondern die ich auch gefühlsmäßig<br />

mittragen konnte.<br />

Anstrengend wurde es, als der Winter kam. Von meinem dreiviertel Stellen-


gehalt konnte ich mir noch kein Auto leisten. Wann immer das Wetter es irgendwie<br />

zuließ, fuhr ich mit beiden <strong>Kind</strong>ern auf meinem Fahrrad, eines vorn<br />

und eines hinten, jedes <strong>Kind</strong> mit Wärmflasche auf dem Schoß und in eine<br />

Decke gehüllt, morgens um 6:10 Uhr zum Dienst. An diesen Tagen konnten<br />

wir immerhin bis 5:15 Uhr schlafen. Mussten wir mit dem Bus fahren, standen<br />

wir noch eine halbe Stunde früher auf.<br />

Eine neue Situation ergab sich, als Jascha in die Schule kam. Jetzt erwies sich<br />

der Schichtdienst als echtes Problem. Schon bald stellte sich bei Jascha eine<br />

Lese- und Rechtschreibschwäche heraus, so dass wir zu Hause häufig üben<br />

mussten. Aber wann sollten wir das tun, wenn ich Spätdienst hatte? Vor 20:30<br />

Uhr waren wir nicht zu Hause, und für ein Schulkind ist das die höchste Zeit<br />

ins Bett zu gehen! Für jemanden, der diese Situationen nicht kennt, ist es vielleicht<br />

nicht so leicht nachvollziehbar, wie es mir als <strong>Mutter</strong> jetzt ging:<br />

Einerseits die Sorge um das eigene <strong>Kind</strong>, weil klar ist, das die Situation so für<br />

es nicht gut ist, andererseits die Verantwortung für einen geregelten Stationsablauf…,<br />

und allem irgendwie gerecht werden zu wollen. Schon wieder brauchte<br />

ich eine Sonderregelung!<br />

Aber auf meiner Station gab es eine Lösung, und das finde ich einfach „klasse“!!<br />

Das tut mir gut, mich mit meiner Situation gesehen und anerkannt fühlen<br />

zu können, und ich weiß, dass das ein entscheidender Motivator für meine<br />

engagierte Arbeit ist!<br />

Ich glaube daran, dass das auf jeder Station möglich ist! Das es für jede Station<br />

Lösungen gibt, die dem Stationsablauf und betroffenen Mitarbeiterinnen<br />

gerecht werden. Aber dazu braucht es bewegliche Menschen. Menschen, die<br />

sich einfühlen können; denen es wichtig ist, dass ihre Mitarbeiterinnen sich mit<br />

ihrer Situation angenommen und wertgeschätzt fühlen, dass ihre Mitarbeiterinnen<br />

Voraussetzungen vorfinden können, die sie für eine gute Arbeit motivieren!<br />

Nur in einem „Miteinander“ ist guter Arbeitserfolg möglich, für alle<br />

Beteiligten - auch die, um die es eigentlich geht, die Patientinnen und Patienten!<br />

Jascha hat der Kliniks-Kita inzwischen den Rücken gekehrt, nachdem er in<br />

zehn Jahren alle Stationen dort durchlaufen hat. Er war gerne dort, und er ist<br />

zu einem fröhlichen, selbstständigen <strong>Kind</strong> herangewachsen, was ich mit einem<br />

gewissen Stolz und mit großer Dankbarkeit beobachte. Mira darf noch zwei<br />

Jahre in ihre geliebte Hortgruppe gehen.<br />

Mit dem Älterwerden der <strong>Kind</strong>er wird Vieles leichter, so dass immer mehr<br />

Raum für Neues entsteht. Eine wunderbare Erfahrung!<br />

Ich habe in diesem Jahr eine berufsbegleitende Weiterbildung zur Mediatorin<br />

begonnen, die mir viel Spaß macht und so richtig „mein Ding ist“. Gerne<br />

möchte ich, wenn’s schwierig wird, wenn Kolleginnen Lösungen brauchen,<br />

unterstützend und vermittelnd dazu beitragen! Aber erst mal wünsche ich<br />

allen KollegInnen, dass sie in dieser Klinik auf bewegliche Menschen treffen!<br />

Schwerpunkt<br />

Schwerpunkt<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 31


Projekt<br />

Projekt<br />

Mentoring<br />

Mentoring<br />

Ab dem Sommersemester 2003 soll ein Mentoring-Projekt am Bereich Humanmedizin installiert werden.<br />

Dieses Projekt ist aus dem Themenkomplex „Karriereförderung von Wissenschaftlerinnen“ im Rahmen von<br />

„Total- E-Quality“ entstanden.<br />

Der Vorstand hat dazu der Frauenbeauftragten die Einstellung einer wissenschaftlichen Hilfskraft für zunächst<br />

ein Jahr bewilligt. Im <strong>August</strong> 2002 ist nun Frau Ulla Heilmeier als neue Mitarbeiterin zur Einführung des Mentoring-<br />

Programmes dazugekommen. Sie wird zunächst die Aufgaben haben, das Projekt zu organisieren und bekannt<br />

zu machen, sowie Teilnehmerinnen für das Projekt zu gewinnen.<br />

Mentoring ist als ein Instrument der Personalentwicklung zur Gleichstellung von Frauen und Männern auf<br />

Führungsebene zu verstehen. Den Kern von Mentoring bildet eine Kombination aus wechselseitiger Unterstützung<br />

der Teilnehmenden und einem begleitenden Qualifizierungsprogramm.<br />

Mentees (Studentinnen der Medizin) vor oder während ihrer Promotionsarbeit sollen die Chance erhalten,<br />

durch eine Mentorin (etablierte Wissenschaftlerin/Ärztin) individuell in ihrer persönlichen beruflichen Entwicklung<br />

begleitet, beraten und unterstützt zu werden. Zentrale Elemente der Mentoring-Beziehung sind relevante<br />

Informationsweitergabe, konkrete Tipps zum karriererelevanten Vorgehen, Vermittlung von Führungskompetenz<br />

und die Weitergabe eigener Lebens- und Berufserfahrungen der Mentorin. Um eine Mentoring-Partnerschaft<br />

erfolgreich nutzen zu können, sollte zwischen Mentee und Mentorin möglichst kein Abhängigkeitsverhältnis<br />

bestehen.<br />

Als Mentorinnen sind zunächst einmal ausschließlich Frauen vorgesehen, da die Motivation und damit auch das<br />

tatsächliche Engagement bei weiblichen Führungskräften höher sein dürften als bei ihren männlichen Kollegen.<br />

Daneben sind die Vermittlung weiblicher Lebensentwürfe und die Weitergabe der Erfahrungen mit der Verbindung<br />

von Familie und Karriere für den weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs von unschätzbarem Wert.<br />

Aufgrund der beruflich ohnehin schon zeitlich starken Beanspruchung der Ärztinnen und Wissenschaftlerinnen<br />

soll ihnen für das zusätzliche Engagement im Rahmen des Mentoring zur Entlastung eine studentische Kraft in<br />

begrenztem Zeitumfang zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sollen die Mentorinnen ein eigenes Forum<br />

zum gegenseitigen Austausch und interne Qualifizierungsangebote zu spezifischen Themen erhalten.<br />

Neben der individuell gestalteten Mentoring-Partnerschaft wird es ein begleitendes Rahmenprogramm in Form<br />

von Workshops und Seminaren zu Themen wie Kommunikation, Self-Marketing, Führung, Berufungsverfahren,<br />

Präsentation u. ä. geben zur persönlichen Kompetenzerweiterung und zur Vorbereitung auf den beruflichen<br />

Einstieg.<br />

Bereits ab Oktober sollen eine Informations- und eine Orientierungsveranstaltung zum Thema Mentoring im<br />

Klinikum stattfinden. Achten Sie bitte auf Aushänge!<br />

Zur Realisierung dieses bisher einmaligen Projekts an einer Medizinischen Fakultät werden voraussichtlich zusätzliche<br />

finanzielle Mittel aus dem Bundesprogramm „Aktionsprogramm Chancengleichheit“ bereitgestellt.<br />

Wenn Sie Interesse haben, an diesem Projekt als Mentorin oder Mentee teilzunehmen bzw. gezieltere Informationen<br />

wünschen, wenden Sie sich bitte an die Koordinatorin des Projekts, Frau Heilmeier, im Frauenbüro.<br />

32 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

Ulla Heilmeier<br />

Ethnologin und Mediatorin, geb. 1964, ist seit Jahren tätig in der<br />

Sozialberatung für Frauen, als Mediatorin mit dem Schwerpunkt<br />

Familienmediation und als Konflikttrainerin.<br />

Seit Anfang <strong>August</strong> 2002 ist sie als wissenschaftliche Hilfskraft im<br />

Frauenbüro angestellt mit der Aufgabe, ein Mentoring-Projekt am<br />

Bereich Humanmedizin zu koordinieren.


C3-Professur auf Zeit<br />

„Gender-Forschung“<br />

Der Fakultätsrat hat am 21.06.2001<br />

beschlossen eine C3-Professur für<br />

Gender-Forschung einzurichten.<br />

Anfang diesen Jahres wurde<br />

fakultätsintern die Ansiedlung dieser<br />

Professur ausgeschrieben. Die Abteilungen<br />

Kardiologie, Pharmakologie,<br />

Neurologie und Hämatologie/<br />

Onkologie haben sich um diese<br />

Geschlechterforschungsprofessur<br />

beworben. Das auf diese Weise<br />

dokumentierte Interesse lässt darauf<br />

hoffen, dass Geschlechterforschung<br />

und geschlechtsspezifische Forschung<br />

an unserer Fakultät zukünftig<br />

mehr als bisher als innovatives<br />

Forschungsfeld auch und gerade für<br />

die Medizin begriffen wird. Welche<br />

Abteilung sich durchsetzen wird,<br />

wird vom Fakultätsrat entschieden<br />

und stand bei Redaktionsschluss<br />

noch nicht fest.<br />

TEQ – Wir haben gewonnen!<br />

Der Bereich Humanmedizin zählt<br />

zu den 13 wissenschaftlichen Einrichtungen<br />

in Deutschland, die das<br />

Prädikat „Total-E-Quality Science<br />

Award“ im Wissenschaftsbereich<br />

verliehen bekommen haben. Zum<br />

ersten Mal hat der Verein „Total-E-<br />

Quality Deutschland e. V.“ Hochschulen<br />

und Forschungseinrichtungen<br />

mit einem solchen<br />

Prädikat ausgezeichnet. Das Prädikat<br />

zeichnet Organisationen aus, die<br />

sich nachweislich und langfristig für<br />

Chancengleichheit von Frauen und<br />

Männern einsetzen. Das Bundesministerium<br />

für Bildung und Forschung<br />

fördert diese Initiative.<br />

Für den Bereich Humanmedizin<br />

bewertete die Jury besonders positiv,<br />

dass die Umsetzung der<br />

Gleichstellungsmaßnahmen in der<br />

Organisation von „oben nach<br />

unten“ angestrebt wird. Mit den<br />

Frauenförderrichtlinien (1997), der<br />

Verpflichtung zu Chancengleichheit<br />

und Frauenförderung im Strukturund<br />

Entwicklungsplan (1999) sowie<br />

in den Zielvereinbarungen mit dem<br />

Ministerium für Wissenschaft und<br />

Kultur (2001) hat sich der Bereich<br />

Humanmedizin strukturell zur<br />

Gleichstellungspolitik bekannt. So<br />

habenz.B.Frauenunterdenwissenschaftlichen<br />

Angestellten einen<br />

Anteil von 38%. Für die Frauenförderung<br />

macht der Bereich Humanmedizin<br />

u. a. diese Angebote:<br />

- die Forschungsförderung von Habilitandinnen<br />

(seit 1999 zwei Stellen)<br />

- die Forschungsförderung von Habilitandinnen<br />

durch Beteiligung am<br />

Dorothea-Erxleben-Programm des<br />

Landes Niedersachsen<br />

- die paritätische Quotierung von<br />

Promotionsstipendien<br />

- die personelle Unterstützung eines<br />

Mentoring-Projektes, in dem berufserfahrene<br />

Frauen berufsunerfahrenen<br />

Studentinnen in den<br />

Bereichen Karriereplanung, Rhetorik,<br />

Bewerbung und Forschungsförderung<br />

beratend zur Seite stehen<br />

- gezielte Qualifizierungsmaßnahmen<br />

für Sekretariatsassistenzen<br />

im Zuge der Personalentwicklung<br />

- Gendertraining im Rahmen der<br />

Führungskräfteschulung<br />

- die <strong>Kind</strong>ertagesstätte mit ihren<br />

langen Öffnungszeiten<br />

- die Kooperation mit der Tagespflegebörse<br />

<strong>Göttingen</strong><br />

- ein Stufenplan für die Erhöhung<br />

des Frauenanteils sowie ein finanzielles<br />

Anreizsystem für die BeschäftigungvonFrauenindeneinzelnen<br />

Abteilungen.<br />

Der Verein „Total-E-Quality<br />

Deutschland e. V.“ geht davon aus,<br />

dass Chancengleichheit von Frauen<br />

und Männern den jeweiligen Organisationen<br />

Vorteile im Wettbewerb<br />

verschafft und für eine zukunftsweisende<br />

Personalpolitik unerlässlich ist.<br />

Das Prädikat besteht aus einer Urkunde<br />

und dem Total-E-Quality<br />

Logo, das die Prädikatsträger drei<br />

Nachrichten<br />

Jahre lang für ihre Öffentlichkeitsarbeit<br />

einsetzen können.<br />

Abschlussbericht der<br />

Kita-AG liegt vor<br />

In der Zeit vom Sommer 2001 bis<br />

zum Frühjahr 2002 hat sich eine<br />

Arbeitsgruppe, an der u.a.<br />

VertreterInnen der Kita bzw. Elternvertreterinnen,<br />

Leitung des GB 6,<br />

des Personalrates, der Stabstelle Personalentwicklung,<br />

des Frauenbüros<br />

mitgewirkt haben, eingehend mit<br />

Fragen rund um die Betreuung der<br />

<strong>Kind</strong>er von Beschäftigten befasst. In<br />

erster Linie ging es dabei um die<br />

bestehende <strong>Kind</strong>ertagesstätte des<br />

Bereichs Humanmedizin, aber auch<br />

um Möglichkeiten zusätzliche<br />

Betreuungsplätze außerhalb der Kita<br />

zu schaffen. Auf Initiative von Carmen<br />

Franz, der damaligen Frauenbeauftragten<br />

des Bereichs Humanmedizin,<br />

war die Projektgruppe im<br />

Frühjahr letzten Jahres eingerichtet<br />

worden, um den bestehenden Mangel<br />

an <strong>Kind</strong>erbetreuungsplätzen, der<br />

sich auf das wissenschaftliche Personal,<br />

aber auch auf die<br />

MitarbeiterInnen aus dem<br />

ArbeiterInnenbereich, besonders<br />

negativ auswirkt, zu mindern. Mittlerweile<br />

hat die Kita-AG ihre Arbeit<br />

abgeschlossen und dem Vorstand<br />

einen Abschlussbericht vorgelegt.<br />

Was die <strong>Kind</strong>ertagesstätte betrifft,<br />

wird hierin über einige bereits realisierte<br />

Neuerungen – etwa ein zusätzliches<br />

Angebot für Schulkinder<br />

für den Zeitraum zwischen 6.00<br />

und 8.00 Uhr – berichtet. Vor dem<br />

Hintergrund derzeitiger Entwicklungen<br />

z.B. Einführung der Schule mit<br />

festen Öffnungszeiten, werden auch<br />

Handlungsempfehlungen für die<br />

Zukunft abgegeben.<br />

Darüber hinaus macht die Projektgruppe<br />

konkrete Vorschläge zur<br />

Schaffung neuer, flexibler<br />

Betreuungsmöglichkeiten für die<br />

<strong>Kind</strong>er der Beschäftigten. Neben<br />

der Kooperation mit der Göttinger<br />

Tagespflegebörse wird insbesondere<br />

vorgeschlagen, beim kurzfristig<br />

anstehenden Umbau der Eingangs-<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 33


Nachrichten<br />

Nachrichten<br />

hallen Räume für die stundenweise<br />

Betreuung von <strong>Kind</strong>ern vorzusehen.<br />

Dieses Angebot sollte sich sowohl<br />

an PatientInnen als auch an Beschäftigte<br />

des Bereichs Humanmedizin<br />

richten. Damit verbunden wären ein<br />

Imagegewinn einerseits und eine<br />

Flexibilisierung der Betreuung andererseits.<br />

Vorgeschlagen wird zudem<br />

die stundenweise Betreuung von<br />

<strong>Kind</strong>ern durch private Betreuungspersonen<br />

zu bezuschussen, etwa,<br />

wenn sich MitarbeiterInnen in den<br />

Gremien der Fakultät bzw. des Klinikums<br />

oder aber auch in Projektgruppen<br />

außerhalb der Kernarbeitszeiten<br />

engagieren.<br />

Der Vorstand wird sich in einer<br />

seiner nächsten Sitzungen mit dem<br />

Abschlussbericht befassen. Welche<br />

Konsequenzen er daraus zieht, werden<br />

wir in unserer nächsten Ausgabe<br />

der GEORGIA berichten.<br />

Tagespflegebörse<br />

Seit Januar besteht eine Kooperation<br />

zwischen der „Tagespflegebörse<br />

(TPB) <strong>Göttingen</strong>“ und dem Bereich<br />

Humanmedizin. Wöchentlich an<br />

jedem Dienstag von 11.30 bis 13.30<br />

Uhr befindet sich im Bereich der<br />

Mensa vor der Personalabteilung ein<br />

Informationsstand der TPB. Interessierte<br />

Eltern können sich dort<br />

über die „Tagespflegebörse“ informieren.<br />

Es werden nicht nur<br />

Betreuungspersonen vermittelt, sondern<br />

die Börse ist auch Anlaufpunkt<br />

für Personen, die sich als Tagesmütter<br />

oder –väter zur Verfügung stellen<br />

möchten. Beratungen finden<br />

auch am kliniknahen Standort der<br />

Tagespflegebörse in der Volkshochschule,<br />

Theodor-Heuss-Straße 21,<br />

statt oder unter Tel. 0551 –<br />

5083660.<br />

Kommission „Klinika“<br />

Die 11. Jahrestagung der Kommission<br />

„Klinika“ der Bundeskonferenz<br />

der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten<br />

an Hochschulen fand<br />

im Juni 2002 in Berlin statt.<br />

Verhandelt und beraten wurden u.<br />

a. folgende Themen: Auswirkungen<br />

34 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

der Dienstrechtsreform, Was ist<br />

Gender Mainstreaming?, Wertschätzung<br />

unter Frauen. Wer sich für die<br />

Arbeit der „Klinika“ interessiert,<br />

kann sich an das Frauenbüro der<br />

Sprecherin der Kommission<br />

„Klinika“ Frau Prof. Gabriele<br />

Kaczmarczyk, <strong>August</strong>enburger Platz<br />

1, 13353 Berlin, e-mail:<br />

gabriele.kaczmarczyk@charite.de<br />

wenden. Dort erhältlich ist auch eine<br />

interessante Umfrage der Frauenbeauftragten<br />

der Charite zur „Wissenschaftlichen<br />

Arbeit und Qualifizierung<br />

am <strong>Universität</strong>sklinikum“.<br />

Forschungsförderung<br />

Derzeit läuft die dritte Runde des<br />

fakultätsinternen<br />

Forschungsförderungsprogrammes.<br />

Dieses besteht aus<br />

drei Teilen: a) Anschubfinanzierung,<br />

b) Freistellung von der Krankenversorgung,<br />

c) Schwerpunktförderung.<br />

Leider sind auch in diesem Jahr von<br />

Frauen keine Anträge auf Freistellung<br />

gestellt worden. Dies steht im<br />

Widerspruch zu den Ergebnissen<br />

einer von Frau Franz (ehemalige<br />

Frauenbeauftragte des Bereichs Humanmedizin)<br />

durchgeführten Untersuchung<br />

im Oktober 2000 (zu beziehen<br />

im Frauenbüro oder auf<br />

unserer Homepage<br />

www.mi.med.uni-goettingen.de/<br />

frauenbuero), die sich mit der Situation<br />

von Ärztinnen am Bereich Humanmedizin<br />

<strong>Göttingen</strong> beschäftigt.<br />

Eine der wichtigsten Maßnahmen -<br />

so die Einschätzung der Mehrheit<br />

der befragten Frauen – sehen die<br />

Betroffenen in der Freistellung für<br />

Forschungszwecke.<br />

Wir möchten auf diesem Weg alle<br />

forschungsaktiven Frauen ermutigen,<br />

die Instrumente des Programmes<br />

zu nutzen und in der nächsten<br />

Runde Anträge einzureichen. In Kooperation<br />

mit dem Referenten für<br />

Forschung, Herr Dr. Rainer Mansch<br />

(Tel. 39-9907), wird das Frauenbüro<br />

im Wintersemester Informationsveranstaltungen<br />

zum Forschungsförderungsprogramm<br />

anbieten.<br />

Natürlich stehen darüber hinaus<br />

sowohl Herr Dr. Mansch als auch<br />

die Frauenbeauftragte für individuelle<br />

Beratungsgespräche zur Verfügung.<br />

Literatur im Frauenbüro<br />

Wussten Sie, dass Sie im Büro der<br />

Frauenbeauftragten Bücher zu verschiedenen<br />

Themen ausleihen können?<br />

Wenn Sie Interesse haben, rufen<br />

Sie uns an oder schauen einfach<br />

mal vorbei und informieren sich<br />

über den aktuellen Bestand!<br />

Neu angeschafft wurde u. a. „An<br />

den Führungskräften führt kein Weg<br />

vorbei! Erhöhung der<br />

Gleichstellungsmotivation und<br />

Kompetenz von Führungskräften<br />

des öffentlichen Dienstes“ von Tondorf/Krell,<br />

„Freie Wahl für freie<br />

Mütter“ von U. Horn, „Forschungshandbuch.<br />

Wissenschaftsfördernde<br />

Institutionen und Programme“,<br />

„Abenteuer Fairness – Ein Arbeitsbuch<br />

zum Gendertraining“ von C.<br />

Burbach und H. Schlottau,<br />

„Mentoring – Persönliche Karriereförderung<br />

als Erfolgsrezept“ von<br />

N. Hassen.<br />

Buch zur Ringvorlesung<br />

Im Sommersemester 2000 wurde,<br />

initiiert von der damaligen Frauenbeauftragten<br />

des Bereichs Humanmedizin<br />

der <strong>Universität</strong> <strong>Göttingen</strong>,<br />

Carmen Franz, in Kooperation mit<br />

dem KulturKontor, eine Ringvorlesung<br />

zum Thema „Geschlecht<br />

weiblich: Körpererfahrungen –<br />

Körperkonzepte“ durchgeführt.<br />

Unter gleichem Titel ist das Buch<br />

zur Ringvorlesung erschienen: Herausgegeben<br />

von Carmen Franz und<br />

Gudrun Schwibbe, 270 Seiten, Verlag<br />

Ebersbach Berlin, ISBN 3-<br />

934703-35-8 (Ein Ansichtsexemplar<br />

ist im Frauenbüro vorhanden)<br />

Girls‘ Day<br />

Am 25. April 2002 fand der diesjährige<br />

„Girls`Day statt. In Kooperation<br />

mit dem Medizinischen Rechenzentrum<br />

hat das Frauenbüro<br />

diesen Tag organisiert. Viele Abteilungen<br />

des Bereichs Humanmedizin


machten ein Angebot und zeigten<br />

den Schülerinnen ihre Arbeitsbereiche.<br />

An diesem Tag nahmen ca. 130<br />

Schülerinnen an dem organisierten<br />

Programm teil und viele weitere<br />

Mädchen begleiteten ihre Eltern.<br />

Die große Nachfrage und der Zuspruch<br />

hat uns darin bestärkt, auch<br />

im nächsten Jahr mit einem weiterentwickelten<br />

Programm den<br />

„Girls`Day zu begehen.<br />

Glückwunsch<br />

Die Fotografin Birke Kleinschmidt<br />

aus der BE Foto-Repro-Graphik<br />

bestand ihre Prüfung zur Meisterin<br />

mit Auszeichnung. Sie gehört damit<br />

zu den besten 20 Fotografen-Meisterinnen<br />

des Jahres. Das Frauenbüro<br />

gratuliert dazu ganz herzlich!<br />

Foto: privat<br />

Gesundheitsbericht der<br />

Bundesregierung<br />

Ein „Bericht zur gesundheitlichen<br />

Situation von Frauen in Deutschland“<br />

wurde vom Bundesministerium<br />

für Familie, Senioren Frauen<br />

und Jugend (BMFSFJ) veröffentlicht.<br />

Dieser Bericht ist eine Bestandsaufnahme<br />

unter Berücksichtigung<br />

der unterschiedlichen Entwicklung<br />

in West- und Ostdeutschland<br />

und gibt Auskunft über<br />

gesundheitsbezogene Lebensweisen,<br />

Gewalt im Geschlechterverhältnis,<br />

reproduktive Biographien und<br />

reproduktive Gesundheit, Arbeit<br />

und Gesundheit, Gesundheit im<br />

mittleren Lebensalter, frauenzentrierte<br />

Ansätze in der<br />

Gesundheitsförderung und in der<br />

gesundheitlichen Versorgung.<br />

Zu beziehen ist der Bericht beim<br />

BMFSFJ, 11018 Berlin, ISBN 3-17-<br />

071755-0. Ein Ansichtsexemplar ist<br />

im Frauenbüro vorhanden.<br />

Bericht zur Berufs- und Einkommenssituation<br />

Im Juli 2001 wurde ein „Bericht zur<br />

Berufs- und Einkommenssituation<br />

von Frauen und Männern“ im Auftrag<br />

des Bundesministeriums für<br />

Familie, Senioren, Frauen und Jugend<br />

veröffentlicht. Es wird eine<br />

Bestansaufnahme zur beruflichen<br />

Situation von Frauen und Männern,<br />

zum Einkommen von Frauen und<br />

Männern aus der Arbeitsmarktperspektive<br />

und Erwerbskonstellationen<br />

und –einkommen<br />

aus der Haushaltsperspektive dargestellt.<br />

Außerdem gibt der Bericht<br />

Auskunft über die Ursachenanalyse<br />

der geschlechterhierarchischen Arbeitsteilung<br />

in Familie und Gesellschaft,<br />

über geschlechterspezifische<br />

Spaltungsprozesse am Arbeitsmarkt,<br />

über die potentielle Diskriminierung<br />

beim Arbeitsentgelt und über (Fehl-)<br />

Anreize und strukturelle Benachteiligungen<br />

für Frauen im Steuer- und<br />

Sozialsystem.<br />

„Gewalt gegen Frauen“<br />

Zum 1. Januar diesen Jahres ist das<br />

so genannte „Gewaltschutzgesetz“<br />

in Kraft getreten. Damit hat sich die<br />

Situation für Frauen, die Opfer<br />

häuslicher Gewalt geworden sind,<br />

deutlich verbessert. Nach dem Motto<br />

„Wer schlägt geht“ ist u. a. der<br />

Platzverweis des Täters aus der gemeinsamen<br />

Wohnung jetzt viel einfacher<br />

durchsetzbar. Auch die ärztliche<br />

Dokumentation hat in diesem<br />

Kontext an Bedeutung gewonnen.<br />

Dies ist für uns Anlass, über<br />

Verbesserungsmöglichkeiten im<br />

Umgang von Frauen, die Opfer<br />

von Gewalt in ihrem sozialen Nahraum<br />

geworden sind und die als<br />

Patientinnen im UKG vorstellig<br />

werden, nachzudenken. Zu diesem<br />

Zweck soll es eine Arbeitsgruppe<br />

geben, an der Personen aus den<br />

Berufsgruppen beteiligt sein sollten,<br />

die mit diesen Fällen konfrontiert<br />

sind. Für weitere Informationen<br />

können Sie sich an das Frauenbüro<br />

wenden.<br />

Nachrichten<br />

Nachrichten<br />

8. März 2002<br />

Zum Internationalen Frauentag präsentierte<br />

sich das Frauenbüro mit<br />

einem Informationsstand in der<br />

Westhalle.<br />

Foto: PÖ/Weller<br />

Neben den Informationen zur Arbeit<br />

des Frauenbüros, wurde ein<br />

Schwerpunkt auf das Thema<br />

„Frauen in Afghanistan“ gelegt.<br />

Rahima Valena (Frauenbeauftragte<br />

der <strong>Universität</strong>sbibliothek und engagierte<br />

Politikerin afghanischen Ursprungs)<br />

stand für Fragen und Informationen<br />

zur Verfügung. Das<br />

Angebot ins Gespräch zu kommen,<br />

haben viele Frauen genutzt. Wir<br />

würden uns freuen, wenn es im<br />

nächsten Jahr noch mehr werden.<br />

Foto: PÖ/Weller<br />

Schulung zum Umgang mit<br />

sexueller Belästigung<br />

Am 27. Juni 2002 fand eine Schulung<br />

zum Thema „Umgang mit<br />

sexueller Belästigung“ statt. Die<br />

Weiterbildung wurde von der<br />

Stabsstelle Personalentwicklung und<br />

dem Frauenbüro organisiert. Es<br />

nahmen Vertreterinnen des<br />

Personarates, der Personalabteilung,<br />

der Personalentwicklung und des<br />

Frauenbüros teil. Weitere Veranstaltungen,<br />

auch für weitere Zielgruppen,<br />

sind in Planung.<br />

Ausbildung/Umschulung<br />

in Teilzeit<br />

Erstmals seit diesem Jahr wurde am<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 35


Nachrichten<br />

Nachrichten<br />

Bereich Humanmedizin damit begonnen<br />

„Kaufleute im Gesundheitswesen“<br />

auszubilden. Und ebenfalls<br />

zum ersten Mal werden – in Kooperation<br />

mit der Volkshochschule<br />

und dem Arbeitsamt – zwei der<br />

fünf Auszubildenden diese Ausbildung<br />

in Teilzeit absolvieren. Ein<br />

Schritt in die richtige Richtung – so<br />

meinen wir. An dieser Stelle noch<br />

einmal herzlichen Dank für die Bereitschaft<br />

der Verantwortlichen<br />

„Neuland“ zu betreten!<br />

Ruferteilungen<br />

Der Bereich Humanmedizin hat<br />

folgende Rufe auf Professuren an<br />

Frauen erteilt:<br />

C3-Medizinische Psychologie:<br />

Frau Prof. v. Steinbüchel<br />

C3-Molekulare Zellbiologie<br />

Frau Prof. Kutay<br />

C4-Neuropädiatrie<br />

Frau Prof. Gärtner<br />

Jacob-Henle-Medaille<br />

Die Jacob-Henle-Medaille wird in<br />

diesem Jahr erstmals an eine Frau<br />

vergeben. Frau Prof. Dr. Rehder,<br />

Direktorin des Institutes für Klinische<br />

Genetik an der <strong>Universität</strong><br />

Marburg, erhält in diesem Jahr die<br />

Auszeichnung. Im Sommersemester<br />

2002 wurde sie bereits mit dem<br />

Frauenförderpreis der <strong>Universität</strong><br />

Marburg ausgezeichnet.<br />

Ärztetag 2002<br />

Der diesjährige 105. Deutsche Ärztetag<br />

beschäftigte sich u. a. mit dem<br />

Thema „Ärztinnen: Zukunftsperspektive<br />

für die Medizin“. Dieser<br />

Tagesordnungspunkt des Ärztetages<br />

beschäftigte sich sowohl mit der<br />

allgemeinen Situation von Ärztinnen,<br />

die Einrichtung von flexiblen und<br />

familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen<br />

in Krankenhäusern als<br />

auch mit Karrierechancen für Ärztinnen<br />

an <strong>Universität</strong>en und mit<br />

möglichen Forderungen an Staat<br />

und Selbstverwaltung. Es wurde<br />

weiterhin über Möglichkeiten die<br />

Karrierechancen für Ärztinnen zu<br />

verbessern beraten sowie über die<br />

36 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

Einrichtung von Mentorinnen-/<br />

Metorenprogrammen. Die vollständige<br />

Dokumentation ist im Ärzteblatt,<br />

Nr. 23, Ausgabe B vom 7.Juni<br />

2002 veröffentlicht und unter<br />

www.aerzteblatt.de.zu lesen<br />

Terre des Femmes<br />

Die Initiative „Terres des Femmes“<br />

führt am 13. und 14.09.2002 in Kooperation<br />

mit der Frauenbeauftragten<br />

eine Veranstaltung zum<br />

Thema „Weibliche Genitalverstümmelung<br />

– Eine fundamentale<br />

Menschenrechtsverletzung“ im<br />

Klinikum durch. Aktuelle Informationen<br />

zu dieser und weiteren Veranstaltungen<br />

finden Sie auf der<br />

Homepage von TdF:<br />

www.frauenrechte.de<br />

Internationale Tagung<br />

„Gender and Health“<br />

Vom 16. bis 18.9.2002 findet die<br />

erste internationale Konferenz<br />

„Gender & Health“ in Wien statt.<br />

Themen der Männer- und Frauengesundheit<br />

werden ganzheitlich und<br />

interdisziplinär von Wissenschaftlerinnen<br />

und Wissenschaftlern aus aller<br />

Welt analysiert und diskutiert. Das<br />

Programm sowie weitere Informationen<br />

erhalten Sie online unter<br />

www.genderandhealth.at<br />

Habilitationsstipendien<br />

für Frauen<br />

In der Fakultätsratssitzung vom<br />

08.07.2002 hat der Vorstand bekannt<br />

gegeben, dass in diesem Jahr<br />

anstatt der in den Frauenförderrichtlinien<br />

der Medizinischen Fakultät<br />

<strong>Göttingen</strong> in der Fassung vom<br />

April 1997 vorgesehenen zwei Stellen,<br />

in diesem Jahr drei volle Stellen<br />

für das Habilitandinnen-Programm<br />

bereit gestellt werden. Der Vorstand<br />

reagierte damit auf die in diesem<br />

Jahr gestiegene Anzahl von Anträgen.<br />

<strong>Mutter</strong>schutzgesetz<br />

Änderungen zum <strong>Mutter</strong>schutzgesetz<br />

hat der Bundestag verabschiedet.<br />

Künftig steht Müttern die<br />

Schutzfrist von insgesamt 14 Wochen<br />

auch dann zu, wenn das <strong>Kind</strong><br />

vor dem errechneten Termin zur<br />

Welt kommt. Bisher begann die<br />

Schutzfrist 6 Wochen vor dem errechneten<br />

Termin und endete acht<br />

Wochen nach der Geburt des <strong>Kind</strong>es.<br />

Darüber hinaus stellt die Gesetzesänderung<br />

klar, dass Beschäftigungsverbote<br />

und <strong>Mutter</strong>schutzfristen<br />

für Mütter und schwangere<br />

Frauen bei der Berechnung des<br />

Jahresurlaubes als Beschäftigungszeiten<br />

anzusehen sind.


Die <strong>Mutter</strong> ist das größte<br />

Wunder und Geheimnis.<br />

Der Mensch hat ganze<br />

Seeligkeit, der Mensch hat<br />

ganzes Leid, er zittert, und<br />

bebt bei dem einen Wort:<br />

<strong>Mutter</strong><br />

(Joseph Mindszenty, ungarischer Kardinal)<br />

Frei rei wie wie die die Väter<br />

Väter<br />

waren waren die die Müt Mütter Müt ter nie nie<br />

nie<br />

Der Himmel<br />

ist zu den Füßen<br />

der <strong>Mutter</strong><br />

(Sinnspruch aus Persien)<br />

Die Wohltaten des <strong>Vater</strong>s<br />

übersteigen die Berge,<br />

die Wohltaten der <strong>Mutter</strong><br />

sind größer als das Meer<br />

(Japanische Weisheit)<br />

(Dr. rer. pol. Kocher, geb. 1939, Schweizer<br />

Politologe und Gesundheitsökonom)<br />

Fundg Fundgrube<br />

Fundg ube<br />

Früher trug die Großmutter eine<br />

Kittelschürze, roch nach gedünstetem<br />

Kohl und hatte unendlich viel Zeit.<br />

Heute trägt die Großmutter irgendein<br />

Fähnchen von Lagerfeld und ist<br />

tierisch busy<br />

(Matthias Altenburg, deutscher Schriftsteller)<br />

Ein liebender <strong>Vater</strong><br />

ist immer auch ein<br />

bisschen <strong>Mutter</strong><br />

(Peter E. Schumacher, geb. 1941,<br />

Aphorismensammler und Publizist)<br />

Eine rechte <strong>Mutter</strong> sein,<br />

das ist ein schwerer Dienst,<br />

das ist wohl die höchste<br />

Aufgabe im Menschenleben<br />

(Jeremias Gotthelf, eigentlich: Albert Bitzius,<br />

1797 bis 1854, Schweizer Pfarrer, Erzähler,<br />

Epiker, Volksschriftsteller)<br />

Macht denn nur das Blut<br />

den <strong>Vater</strong>?<br />

(G. F. Lessing, 1729 bis 1781, deutscher<br />

Schriftsteller)<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 37


Einerseits ... und ... andrerseits<br />

Sc Schmähr Sc hmähr hmährede hmähr ede aus aus dem dem „of „off“ „of f“<br />

Ich bin Rentnerin - lange aufbleiben, ausschlafen, wenig Verantwortung, verreisen,<br />

den Tag verbummeln.<br />

Ich bin Oma - Enkel betreuen, Schularbeiten begleiten, von Lehrerklagen<br />

über unbotmäßigen Enkel hören, <strong>Kind</strong> trösten, mit Eltern Verhaltensstrategien<br />

erörtern.<br />

Ich bin mittendrin in PISA, meine Vorurteile wurden schreckliche Realität.<br />

In der Schule scheint nur einer alles besser zu wissen - der Oberlehrer!<br />

Einerseits erschien mir als Antwort auf PISA ein Mehrangebot an Ganztagsschulen<br />

eine sinnvolle Teillösung zu sein, um hilflose Eltern zu unterstützen.<br />

Andrerseits: wer um alles in der Welt will nun das Schicksal seiner <strong>Kind</strong>er<br />

zeitlich gestreckt in die Hände derer legen, die anstelle überprüfbarer Beurteilungskriterien<br />

einer Leistung ihre jeweiligen Normen – und Wertvorstellungen<br />

oder ihren Überdruss zur Entscheidungsfindung heranziehen?<br />

Ich frage mich auch, wie gerade Menschen benachteiligten <strong>Kind</strong>ern auf die<br />

Sprünge helfen sollen, die von der Schule in die <strong>Universität</strong> und zurück in die<br />

Schule gegangen sind, nichts als Noten und Benotungen kennen und sich im<br />

abgesicherten Leben als Beamte eingerichtet haben. Die nicht ganz Resignierten<br />

träumen dort vom Lektorenposten in einem großen Verlag (wenn sie<br />

nicht selber heimlich schreiben), vom Dramaturgenjob an der Burg oder von<br />

einer wissenschaftlichen Karriere.<br />

38 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

Einerseits ist die Zeit mit meinen Enkeln ein Geschenk - andrerseits hatte ich<br />

mir nach den Schulabschlüssen meiner <strong>Kind</strong>er gewünscht, mit Lehrern nie<br />

wieder in näheren Kontakt treten zu müssen. Jener Spezies, die mit ihrer<br />

staatlich sanktionierten Aufgeblasenheit ihre Persönlichkeitsdefizite kaschieren<br />

dürfen, die auf Kosten kleiner Menschen ihr Machtstreben ausagieren<br />

und dann die Demütigung als pädagogisch notwendige Erziehungsmaßnahme<br />

erklären können.<br />

Vor denen Familien zittern, weil sie - kaum angreifbar - über Lebensschicksale<br />

entscheiden; denen du als Eltern hilflos ausgeliefert bist, weil deine Gegenwehr<br />

nicht dich, sondern unerbittlich dein <strong>Kind</strong> trifft.<br />

Einerseits könnte angesichts von PISA klammheimliche Freude aufkommen,<br />

- in <strong>Göttingen</strong> nichts Unbekanntes - wer hat nicht immer schon geahnt,<br />

dass <strong>Kind</strong>er Glück haben müssen, wenn sie bei der<br />

Experimentierfreude der ministerialen Überlehrer in der Schule lesen und<br />

schreiben lernen.<br />

Andrerseits bin ich zutiefst erschüttert darüber, dass die akademische Gemeinde<br />

über die Rechtschreibreform Zeter und Mordio schreit, aber erst<br />

gemordet werden muss, bevor eine Erörterung über die Berufseignung der<br />

Personengruppe stattfindet, denen wir naiven Gemüts unsere Zukunft -<br />

sofern wir <strong>Kind</strong>er als solche betrachten - anvertraut haben.<br />

P.S. PISA hat nichts mit dem schiefen Turm zu tun, obgleich die gleichnamige Studie<br />

aufzeigt, was alles schief gelaufen ist.


Weil’s in der Schule hapert, soll’s nun der <strong>Kind</strong>ergarten richten. Kleinkinder<br />

an die Leistungsfront. Was ist eine Leistung? Den Lehrer nicht strapazieren,<br />

seinen Lösungsweg wiederkäuen, Alternativern lieber verwerfen? Was ist an<br />

den sattsam belachten „trotz Schulversager doch noch Nobelpreisträger-<br />

Geschichten“ eigentlich lustig?<br />

Warum sind gute Pädagogen in der Regel auch gute Didaktiker, bei denen<br />

<strong>Kind</strong>er gerne und meistens spielend was leisten? Bei allen Unkenrufen, es<br />

gibt sie, die guten und erfolgreichen Pädagogen. <strong>Kind</strong>er sind für sie keine<br />

Verhandlungsmasse im Wahlkampfbildungsstreit.<br />

Warum sind die allseits beliebten Lehrer bei den Kollegen so unbeliebt? Was<br />

haben sie, das die nicht haben?<br />

Unser Wissenschaftsminister hat - PISA im Nacken - die Lehrerausbildung<br />

überprüfen lassen. Millionenfache Elternerfahrung wurde wissenschaftlich<br />

bestätigt. Die haben keine Ahnung von Pädagogik! Na so was! Wahrscheinlich<br />

gibt es hierin noch keine Selbsterfahrungsseminare in der Toskana.<br />

Leider wurde nicht gefragt, ob sie <strong>Kind</strong>er überhaupt leiden können.<br />

Warum ist nichts faul im Staate Dänemark?<br />

Angesichts des guten Abschneidens der skandinavischen Länder in PISA ist<br />

natürlich auch zu fragen, ob der Erfolg nicht auf die dort selbstverständliche<br />

Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Koalition mit gut ausgebildeten<br />

Lehrern zurückzuführen ist. Andrerseits schaffen ehrgeizige Mütter im Verein<br />

mit schlecht ausgebildeten Lehrern nicht selten Arbeitsplätze für Psychotherapeuten.<br />

Möglicherweise wäre das noch eine interessante Altersbeschäftigung, falls<br />

Schule aus meinem Blickwinkel gerät oder ich aus Langeweile sado-masochistische<br />

Tendenzen entwickeln sollte.<br />

Einerseits können wir unter diesen Umständen froh sein, dass so viele Frauen<br />

ihren Beruf aufgeben, um als Mütter freiwillig und unbezahlt ihren <strong>Kind</strong>ern<br />

Nachhilfeunterricht zu geben. Andrerseits war deren Arbeitsdienst<br />

nicht nur von Erfolg gekrönt.<br />

Einerseits spreche ich also aus dem „off“ -<br />

andrerseits bin ich mitten im Leben - wie es scheint.<br />

Für heute seien Sie gegrüßt<br />

Ihre Carmen Franz<br />

GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 39


<strong>Georg</strong>-<strong>August</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Göttingen</strong><br />

Frauenbüro<br />

40 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />

Frauenbeauftragte Bereich Humanmedizin

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