Mutter Vater Kind - Georg-August-Universität Göttingen
Mutter Vater Kind - Georg-August-Universität Göttingen
Mutter Vater Kind - Georg-August-Universität Göttingen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Zeitschrift des Frauenbüros<br />
des Bereichs Humanmedizin<br />
der <strong>Universität</strong> <strong>Göttingen</strong><br />
Schwerpunkt:<br />
<strong>Mutter</strong><br />
<strong>Mutter</strong><br />
<strong>Vater</strong> ter<br />
<strong>Kind</strong><br />
<strong>Kind</strong><br />
Ausg Ausgabe Ausg be 2002 2002 - - Heft Heft 4<br />
4<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 1
INHALT<br />
INHALT<br />
<strong>Mutter</strong>schaft und <strong>Mutter</strong>bilder - 4<br />
Von Idealen und<br />
Leit(d)vorstellungen<br />
Dr. Katja Koch<br />
Über den Zusammenhang 8<br />
von dem Erziehungsgerede<br />
und Politik<br />
Dr. Susanne Gölitzer<br />
Mit <strong>Kind</strong>ern in der Klinik 10<br />
Karriere machen -<br />
Geht das denn?<br />
Dr. Christine Amend-Wegmann<br />
„Allein erziehend und Ärztin? - 12<br />
„..wenn Sie meinen!“<br />
Dr. Marion Hulverscheidt<br />
Literaturüberblick 16<br />
und Gedanken zum Thema<br />
„<strong>Vater</strong>- <strong>Kind</strong> und <strong>Mutter</strong>“<br />
Carmen Franz<br />
Interview mit 21<br />
Herrn Ulrich Haupt<br />
Sophia und Wissenschaft: 24<br />
Ein Blick auf die Vereinbarkeit<br />
von Beruf und <strong>Mutter</strong>schaft<br />
Dr. Nikola Biller-Andorno<br />
Interview mit 28<br />
Herrn Minister<br />
Thomas Oppermann<br />
„Aller Anfang ist schwer“ 29<br />
Bärbel Klein<br />
Projekt „Mentoring“ 32<br />
Nachrichten 33<br />
Fundgrube 37<br />
Einerseits.... und... andrerseits 38<br />
Schmährede aus dem „off“<br />
Carmen Franz<br />
Die eingereichten Beiträge geben<br />
nicht in jeder Hinsicht die<br />
Meinung der Redaktion wieder.<br />
Die Redaktion behält sich vor,<br />
gelieferte Beiträge redaktionell zu<br />
bearbeiten.<br />
2 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
Angela Friedrichs<br />
Sekretariat<br />
Telefon 0551/39-9785<br />
email:<br />
angela.friedrichs@med.uni-goettingen.de<br />
Dr. Christine Amend-Wegmann<br />
Frauenbeauftragte<br />
Telefon 0551/39-9335<br />
email:<br />
amend-wegmann@med.uni-goettingen.de<br />
Robert-Koch-Str. 40, 37075 <strong>Göttingen</strong><br />
Fax: 0551/39-9339<br />
e-mail: frauenbuero@med.uni-goettingen.de<br />
www.mi.med.uni-goettingen.de/frauenbuero<br />
IMPRESSUM<br />
IMPRESSUM<br />
Herausgegeben vom Frauenbüro des Bereichs Humanmedizin<br />
der <strong>Georg</strong>-<strong>August</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Göttingen</strong><br />
Redaktion:<br />
Dr. Christine Amend-Wegmann, Carmen Franz, Angela Friedrichs<br />
Layout: Angela Friedrichs<br />
Auflage: 2500 Exemplare, September 2002
Liebe Liebe Leserin, Leserin, lieber lieber Leser!<br />
Leser!<br />
Vor einem Jahr wurde ein Wechsel im Frauenbüro vollzogen: Carmen Franz<br />
ging in den Ruhestand und ich habe das Amt der Frauenbeauftragten am<br />
Bereich Humanmedizin angetreten. Sie werden beim Lesen merken, dass „die<br />
Frauensache“ meiner Vorgängerin auch als Rentnerin keine Ruhe lässt: Sie hat<br />
sich bereit gefunden, als Mitglied der Redaktion die GEORGIA GEORGIA GEORGIA auch weiterhin<br />
mit ihren Ideen und Beiträgen zu unterstützen. Gut, dass Sie uns auf diese<br />
Weise noch ein bisschen erhalten bleibt.<br />
Für alle, die mich bisher noch nicht kennen gelernt haben, möchte ich die<br />
Gelegenheit nutzen, mich kurz vorzustellen: Ich bin 35 Jahre alt, verheiratet<br />
und habe zwei Töchter. Als promovierte Volkswirtin habe ich mich in den<br />
vergangenen Jahren eher mit ökonomischen als mit medizinischen Fragestellungen<br />
beschäftigt, bringe aber mehrjährige frauenpolitische Erfahrungen aus<br />
der Hochschule und dem kommunalen Bereich mit. Meine Dissertationsschrift<br />
habe ich ebenfalls zu einem gleichstellungspolitischen Thema geschrieben.<br />
Seit einem Jahr bin ich nun Frauenbeauftragte am Bereich Humanmedizin in<br />
<strong>Göttingen</strong> und habe in dieser Zeit sehr viel über die Bedingungen von Frauen<br />
an einem Uni-Klinikum dazu gelernt. Hinsichtlich der mangelnden Chancengleichheit<br />
von Frauen und Männern im beruflichen Leben finden sich Gemeinsamkeiten<br />
mit anderen Berufsfeldern, aber auch viele Besonderheiten,<br />
die zumeist durch die speziellen Strukturbedingungen der Krankenversorgung<br />
geprägt sind. Als Beispiel seien hier nur die Arbeitszeiten genannt, die eine<br />
Vereinbarung mit anderen Verpflichtungen außerhalb des Berufs, vor allem<br />
familiären, mitunter sehr schwierig machen. Mit diesem Vereinbarkeitsproblem<br />
müssen sich hier wie anderswo aber nahezu ausschließlich Frauen abmühen.<br />
Väter haben <strong>Kind</strong>er, Mütter versorgen und erziehen sie, auch wenn sie Arbeiten<br />
gehen. Grund genug, diese Phänomene „<strong>Mutter</strong>schaft, <strong>Vater</strong>schaft,<br />
Elternschaft“ in der vierten Ausgabe der GEOR GEORGIA GEOR GIA einmal näher in<br />
Augenschein zu nehmen.<br />
Dr. Katja Koch, Erziehungswissenschaftlerin und in der Göttinger <strong>Universität</strong><br />
in der LeherInnenausbildung tätig, führt uns mit ihrem Beitrag zu „<strong>Mutter</strong>bildern“<br />
aus historischer und soziologischer Perspektive in die Thematik ein.<br />
„Über den Zusammenhang von dem Erziehungsgerede und Politik“ informiert<br />
uns Dr. Susanne Gölitzer. Die Autorin ist wissenschaftliche Assistentin<br />
am Institut für Deutsche Sprache und Literatur und ihre Didaktik an der Pädagogischen<br />
Hochschule Heidelberg. Sie ist selbst <strong>Mutter</strong> eines vierjährigen Sohns.<br />
Eine kurze Situationsanalyse und den mittelfristigen Handlungsbedarf, um die<br />
Bedingungen für Mütter am Bereich Humanmedizin zu verbessern, findet<br />
sich im Artikel „Mit <strong>Kind</strong>ern in der Klinik Karriere machen - Geht das denn?“.<br />
Einen ersten Einblick in die Lebenswirklichkeit einer allein erziehenden berufstätigen<br />
Mütter gibt Dr. Marion Hulverscheidt mit ihrem Artikel „ Allein<br />
erziehend und Ärztin?“ - „...wenn Sie meinen!“.<br />
Carmen Franz hat einen kleinen „Literaturüberblick und Gedanken zum Thema<br />
„<strong>Vater</strong>-<strong>Kind</strong> und <strong>Mutter</strong>“ zusammengetragen, den Sie im Anschluss daran<br />
lesen können.<br />
Auch ein allein erziehender <strong>Vater</strong> wird zu Wort kommen: Herr Ulrich Haupt,<br />
Pflegedienstleitung am UKG, der seine inzwischen erwachsenen Söhne alleine<br />
aufgezogen hat, stand uns für ein Interview zur Verfügung.<br />
Gedanken dazu, wie sich „Wissenschaft und <strong>Kind</strong>“ vereinbaren lassen, liefert<br />
der Erfahrungsbericht von Frau Dr. Nikola Biller-Andorno, die als Wissen-<br />
schaftlerin Karriere macht und gleichzeitig<br />
<strong>Mutter</strong> einer einjährigen Tochter<br />
ist.<br />
Wir wollten ein Interview mit Herrn<br />
Minister Thomas Oppermann,<br />
selbst <strong>Vater</strong> von zwei Töchtern, führen.<br />
Dazu sollte auch die Gelegenheit<br />
genutzt werden, ihn zu (frauen-)politischen<br />
Themen zu befragen. Leider<br />
musste der Minister das Interview<br />
kurzfristig absagen.<br />
„Aller Anfang ist schwer“, damit hat<br />
Frau Bärbel Klein, Pflegekraft am<br />
UKG, ihren Bericht überschrieben. Sie<br />
ist berufstätige <strong>Mutter</strong> zweier <strong>Kind</strong>er.<br />
Wie immer finden sich im hinteren Teil<br />
der Ausgabe eine ganz Reihe von<br />
Nachrichten, Hinweisen und Informationen,<br />
die es uns wert schienen,<br />
über unsere Bürogrenzen hinaus publik<br />
gemacht zu werden.<br />
„Einerseits ... und ... andererseits“ setzt<br />
wieder den provokanten Schlusspunkt<br />
dieser Ausgabe.<br />
Dr. Christine Amend-Wegmann<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 3
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
<strong>Mutter</strong> <strong>Mutter</strong>sc <strong>Mutter</strong> sc schaft sc haft und und <strong>Mutter</strong>bilder<br />
<strong>Mutter</strong>bilder<br />
Von on Idealen Idealen und und Leit(d)v Leit(d)vor<br />
Leit(d)v or orstellung<br />
or stellung stellungen<br />
stellung en<br />
Dr. phil. Katja KOCH<br />
Promotion 2001 zum Thema „Der<br />
Übergang in die Sekundarstufe aus<br />
Lehrersicht“, anschließend Wissenschaftliche<br />
Mitarbeiterin im Projekt<br />
„Familiale Bildungsstrategien als<br />
Mehrgenerationenprojekt.<br />
Bildungs- und kulturbezogene<br />
Austauschprozesse zwischen Großeltern,<br />
Eltern und Enkeln in unterschiedlichen<br />
Familienkulturen“<br />
(<strong>Universität</strong> Marburg), seit Oktober<br />
2001 Wissenschaftliche Assistentin<br />
am Pädagogischen Seminar der<br />
<strong>Georg</strong>-<strong>August</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Göttingen</strong>,<br />
Arbeitschwerpunkte: Empirische<br />
Schul- und Bildungsforschung,<br />
Schulentwicklung, Methoden der<br />
empirischen Sozialforschung.<br />
4 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
<strong>Mutter</strong>schaft ist ein zentraler Bestandteil des weiblichen Selbstkonzeptes und<br />
eine wichtige Dimension der weiblichen Geschlechterrolle. Die Sozialisation<br />
zur <strong>Mutter</strong> setzt in der <strong>Kind</strong>heit und Jugend ein und ihre Auswirkungen auf<br />
die weibliche Biographie und Lebensgestaltung reichen weit über die aktive<br />
<strong>Mutter</strong>schaft hinaus. Damit ist <strong>Mutter</strong>schaft ein höchst komplexes Thema. Sie<br />
beruht auf dem biologischen Akt des Gebärens, aber auch auf dem sozialen<br />
Akt des Erziehens und umfasst biologische Aspekte genauso wie gesellschaftliche<br />
Vorstellungen. Die mit <strong>Mutter</strong>schaft verbundenen Vorstellungen, wie<br />
Mütter sich zu verhalten haben, sind historisch dabei keineswegs fest gefügt,<br />
sondern haben sich erst nach und nach zu gesellschaftlich relevanten Leitbildern<br />
verdichtet. Zu bedenken gilt hier, dass Leitbilder von <strong>Mutter</strong>schaft und<br />
Mütterlichkeit immer einen anzustrebenden Zielzustand beschreiben und somit<br />
Aufforderungscharakter bezüglich der gegenwärtigen Realität haben. Sie<br />
zeigen idealtypisch eine vorbildliche Lebensform auf, an der sich die individuelle<br />
Lebensgestaltung jeder <strong>Mutter</strong> orientieren soll. Dabei geben sie einen gesellschaftlich<br />
erwünschten, sozialen Orientierungsrahmen vor und bestimmen<br />
explizit oder implizit das Leben jeder einzelnen <strong>Mutter</strong>. Als problematisch<br />
erweist sich allerdings die Existenz unterschiedlicher, miteinander konkurrierender<br />
Idealbilder. Da für das Leben heutiger Frauen insbesondere die Konkurrenz<br />
zwischen der „guten <strong>Mutter</strong>“ und der „berufstätigen <strong>Mutter</strong>“ bedeutsam<br />
ist, handelt dieser Beitrag von diesen beiden Leit- (oder Leid?)bildern<br />
und von den Möglichkeiten sie zu überwinden.<br />
Für die christlich-abendländische Kultur prägend war zunächst das Bild der<br />
„guten <strong>Mutter</strong>“, die in der ikonographischen Figur der Gottesmutter Maria<br />
perfekt inszeniert ist. Im christlichen Abendland galt (und gilt) ihre aufopfernde,<br />
selbstlose und innige <strong>Mutter</strong>liebe als vorbildlich. Diese <strong>Mutter</strong>liebe zielt<br />
primär auf das <strong>Kind</strong>eswohl und obwohl die Vorstellung darüber, was <strong>Kind</strong>eswohl<br />
ausmacht, in unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich ausgeprägt war,<br />
bleibt es der zentrale Orientierungsrahmen für alle Mütter. Landweer weist hier<br />
daraufhin, dass das normative Verhaltensmuster „<strong>Mutter</strong>liebe“ nichts schon<br />
immer natürlich Vorgegebenes ist, sondern erst allmählich auf der Grundlage<br />
von gesellschaftlichen Normen für Verhalten, Fühlen und Denken „konstruiert“<br />
wurde (Landweer 1989). Dass Mütter eine einzigartige Rolle im Leben<br />
ihrer <strong>Kind</strong>er spielen und für ihr Wohl zu sorgen haben, ist dabei eine relativ<br />
moderne Ansicht. Ariès zufolge gab es vor dem Beginn der bürgerlichen Gesellschaft<br />
- und damit dem Entstehen der bürgerlichen Familie - kein bewusstes<br />
Verhältnis zur <strong>Kind</strong>heit (Ariès 2000).<br />
Solange also der <strong>Kind</strong>heit als besonderen Alterstufe keine Bedeutung zugesprochen<br />
wurde, gab es kein Verständnis von <strong>Kind</strong>eswohl und demnach auch<br />
niemanden, der sich darum kümmern musste. In der vorindustriellen Gesellschaft<br />
etwa galten <strong>Kind</strong>er zunächst als unfertige Menschen und sobald sie das<br />
Kleinkindalter hinter sich gelassen hatten bereits als Erwachsene. Die Dauer<br />
der <strong>Kind</strong>heit blieb damit auf die Periode beschränkt, in der das <strong>Kind</strong> nicht<br />
ohne fremde Hilfe auskommen konnte. Eigene Bedürfnisse der <strong>Kind</strong>er wurden<br />
von den Erwachsenen nicht wahrgenommen, sie wurden nicht umsorgt,<br />
sondern lediglich versorgt. Da die Arbeitskraft der <strong>Mutter</strong> wesentlich dringender<br />
in der Familienwirtschaft benötigt wurde, war sie nur zu einem geringen<br />
Teil für die Versorgung des <strong>Kind</strong>es zuständig. In der Regel wurde die<br />
<strong>Kind</strong>erbetreuung anderen Personen - Ammen, älteren Geschwistern, Großel-
Freistellung der Frau<br />
für Erziehungszwecke<br />
Leitbild:<br />
Gute <strong>Mutter</strong> -<br />
Natürliche Rolle<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
tern, Mägden etc. - überlassen. Die Erziehungsleistung der Frau in der vorindustriellen<br />
Zeit war demnach eine unter vielen Aufgaben und beileibe nicht<br />
die wichtigste. Die Beziehung der Eltern zu ihren <strong>Kind</strong>ern war allgemein geprägt<br />
von der hohen Säugling- und <strong>Kind</strong>ersterblichkeit. Viele <strong>Kind</strong>er starben<br />
bereits im ersten Lebensjahr, die wenigsten erreichten das zehnte Lebensjahr.<br />
Neben allgemein ungünstigen Lebensbedingungen (Ernährungskrisen, Seuchengefahr,<br />
mangelnde Hygiene, schlechte Wohnqualität) spielte sicherlich auch die<br />
fehlende Fürsorge für das <strong>Kind</strong> eine Rolle. Als Reaktion auf die hohe Säuglingssterblichkeit<br />
des 18. Jahrhunderts wurde daher in einer Reihe von philosophischen,<br />
theologischen und medizinischen Schriften eine absichtsvolle <strong>Kind</strong>ererziehung,<br />
statt bloßer minimaler Versorgung propagiert. Die von staatlicher<br />
Seite unternommenen Anstrengungen, z.B. in Form der Kampagnen zum<br />
Selbststillen, zielten dabei nicht nur auf verbesserte Versorgungstechniken von<br />
<strong>Kind</strong>ern, sondern insbesondere auch auf eine neue Gefühls- und Beziehungsqualität<br />
von <strong>Mutter</strong> und <strong>Kind</strong> (Toppe 1999). Mit der gesellschaftlichen Definition<br />
der Frau als „guten <strong>Mutter</strong>“ schufen sie das bürgerliche und später kleinbürgerliche<br />
Idealbild der ans Haus gebundenen und ihre Lieben umsorgenden<br />
<strong>Mutter</strong>.<br />
Möglich wurde diese Freistellung der Frau für Erziehungszwecke vor allem<br />
durch die verändernden Produktionsbedingungen des 19. Jahrhunderts und<br />
die hiermit einhergehende Trennung von Arbeitstätte und Wohnumfeld, die<br />
Polarisierung der Funktionen von Mann und Frau in Form von Erwerb und<br />
Haus, sowie die Trennung in öffentliche und private Sphäre. Den Frauen jener<br />
Zeit bot das Bild der „guten <strong>Mutter</strong>“ einen Orientierungsrahmen mit dem sie<br />
sich arrangieren konnten. Sowohl das häusliche Glück als auch das öffentliche<br />
Wohl lag in ihren Händen und sie selbst wurden als Mütter zum staatstragenden<br />
Moment erhoben. Die Frau erhielt Verantwortung und hatte als Erzieherin<br />
tätigen Anteil am gesellschaftlichen Wohl. Die Beschränkung auf die weibliche<br />
Natur verlieh Frauen Autorität und Macht über die <strong>Kind</strong>er. Eine direkte Folge<br />
hiervon war, dass der <strong>Vater</strong> als Erzieher immer stärker in den Hintergrund<br />
trat, seine Bedeutung für die Sozialisation der <strong>Kind</strong>er zunehmend negiert wurde<br />
und die gesamte Erziehungsverantwortung von nun an die <strong>Mutter</strong> tragen<br />
sollte und musste.<br />
Die mit dem Leitbild der „guten <strong>Mutter</strong>“ erfolgte Festlegung der Frau auf<br />
ihre „natürliche“ Rolle als <strong>Mutter</strong>, trug bis weit in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts<br />
dazu bei, dass <strong>Mutter</strong>schaft als innerste Wesenserfüllung der Frau<br />
verstanden wurde und eine eigene Erwerbstätigkeit für viele Mütter als „widernatürlich“<br />
galt. Diese bis dato dominante Sichtweise wurde erst allmählich<br />
durch feministische Analysen zur Situation der Frau in der Gesellschaft aufgeweicht.<br />
Simone de Beauvoir etwa (1951) bettete <strong>Mutter</strong>schaft in das Machtverhältnis<br />
zwischen Mann und Frau ein und führte „ideale“ Vorstellungen von<br />
<strong>Mutter</strong>schaft, mütterlichem Verhalten und <strong>Mutter</strong>liebe fundamental auf die<br />
Stellung von Mann und Frau in der Gesellschaft zurück. Über die partiarchale<br />
und hierarchische Struktur der Ehe werden Frauen ihrer Ansicht nach ökonomisch<br />
und sozial vom Mann in Abhängigkeit gehalten und die über <strong>Mutter</strong>schaft<br />
herrschenden Ideologien leisten hierzu einen hilfreichen Beitrag. Die aus<br />
dieser feministischen Sicht der Ehe abgeleitete Kritik des herrschenden<br />
Geschlechterverhältnis, veränderte allmählich das vorherrschende Frauenbild<br />
und in folge dessen auch das Bild der <strong>Mutter</strong>. Zum Ideal erklärt wurde nun<br />
die erwerbstätige, finanziell unabhängige und karriereorientierte Frau, die entweder<br />
auf <strong>Kind</strong>er verzichtet oder als „berufstätige <strong>Mutter</strong>“, Familie und Beruf<br />
miteinander vereinbart.<br />
Eindrucksvoll belegen lässt sich dieser fundamentale gesellschaftliche Wandel<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 5
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Nach der<br />
„Babypause“<br />
Zuständigkeitsbereich<br />
der Frauen<br />
Ideologien und<br />
Stereotypen von<br />
<strong>Mutter</strong>schaft<br />
6 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
dabei anhand des Anstiegs der Frauenerwerbsquote: In der früheren Bundesrepublik<br />
stieg z.B. die Erwerbsquote von Frauen im Alter von 15 bis 65 Jahren<br />
von 46% im Jahr 1970 auf 62% im Jahr 1999. Dieser Anstieg der Erwerbsquote<br />
ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass verheiratete Frauen<br />
und Mütter immer häufiger einer bezahlten Arbeit nachgehen bzw. nach der<br />
„Babypause“ wieder in den Beruf zurückkehren.<br />
1998 waren z.B. 55% der westdeutschen Mütter mit <strong>Kind</strong>ern unter 15 Jahren<br />
erwerbstätig. Die Erwerbsquote der verheirateten Frauen stieg in Westdeutschland<br />
von 46% im Jahr 1980 auf 59% im Jahr 1999 (BpB 2000). Damit wird<br />
dokumentiert, dass immer weniger Frauen bereit sind, wegen der <strong>Kind</strong>er dauerhaft<br />
auf eine Berufstätigkeit zu verzichten bzw. diese langfristig zu unterbrechen.<br />
Freude am Beruf, die Stärkung des Selbstbewusstseins, der Aufbau bzw.<br />
Erhalt sozialer Kontakte und die Verfügung über ein eigenes Einkommen<br />
sind gleichermaßen wesentliche Motive für Mütter mit <strong>Kind</strong>ern, Familie und<br />
Beruf miteinander zu verbinden. Alles in Ordnung also? Beleibe nicht! Denn<br />
während Erwerbsarbeit und das Streben nach beruflichem Erfolg von Männern<br />
gesellschaftlich erwartet und automatisch in eine männliche Lebensplanung<br />
eingeschlossen wird, bedeutet die zunehmende Erwerbstätigkeit der Frauen<br />
ein Aufbrechen ihrer geschlechtspezifischen Rollenzuweisungen.<br />
Fatalerweise bleiben die an Frauen gerichteten Erwartungen hiervon immer<br />
noch nahezu unberührt und Hausarbeit und <strong>Kind</strong>ererziehung werden auch<br />
weiterhin in den Zuständigkeitsbereich der Frauen verwiesen. Höchst ärgerlich<br />
ist in diesem Kontext das insbesondere von den Medien verbreitete Bild<br />
der „Supermutter“, das die realen Problemlagen von Müttern negiert und<br />
diesen vorgaukelt sie könnten „alles“ alleine erreichen. Die Supermutter „kann<br />
mit der einen Hand einen <strong>Kind</strong>erwagen schieben und mit der anderen die<br />
Aktentasche tragen. Sie ist immer gut frisiert, ihre Strumpfhosen haben nie<br />
Laufmaschen, ihr Kostüm ist stets frei von Knitterfalten, und ihr Heim ist<br />
natürlich blitzsauber. Ihre <strong>Kind</strong>er sind makellos: Sie haben gute Manieren, sind<br />
aber nicht passiv, sondern putzmunter und strotzen vor Selbstbewusstsein“<br />
(Hays 1998, S. 174f.). Dass dieses Leitbild mit einer enormen Überforderung<br />
verbunden ist, steht außer Zweifel, denn an dem Anspruch <strong>Mutter</strong>, Karrierefrau<br />
und Idealpartnerin zugleich zu sein, kann man nur scheitern.<br />
Es ist also keine allzu große Einsicht nötig, um zu erkennen, dass die vorherrschenden<br />
Ideologien und Stereotypen von <strong>Mutter</strong>schaft das durch männliche<br />
Dominanz gekennzeichnete Verhältnis zwischen den Geschlechtern noch immer<br />
determinieren. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist deswegen<br />
vor allem ein Problem der Frauen und dies nicht etwa, weil nur sie sich <strong>Kind</strong>er<br />
wünschen, sondern weil Männer sich bezüglich der Versorgung der <strong>Kind</strong>er<br />
immer noch auf die geschlechtsspezifische Rollenteilung berufen (und berufen<br />
können). Die Steigerung der Frauenerwerbsquote z.B. darf deswegen nicht<br />
darüber hinwegtäuschen, dass Frauen eher bereit sind, Konflikte zwischen<br />
Beruf und Familie zugunsten der <strong>Kind</strong>er und des Partners zu lösen und Abstriche<br />
an ihren Karrierewünschen vorzunehmen (hier grüßt die „gute <strong>Mutter</strong>“).<br />
In der Regel mildern Mütter die Kollision von Familien- und Berufspflichten<br />
durch einen vorübergehenden Ausstieg aus dem Beruf oder durch<br />
Teilzeitarbeit. Die Entscheidung für eine dieser Varianten ist gleichbedeutend<br />
mit zumindest vorübergehendem Verzicht auf Aufstieg. In vielen Fällen kommt<br />
es aber auch zu einem gänzlichen beruflichen Ausstieg. Von den 400.000 Frauen,<br />
die jährlich in Erziehungsurlaub „gehen“, kehrt lediglich die Hälfte in den<br />
Beruf zurück. Der Erhalt von persönlicher und materieller Freiheit ist für<br />
Frauen immer noch nur schwer und unter Anstrengungen zu verwirklichen.
„Ideale <strong>Mutter</strong>“<br />
Mehr Einsatz<br />
von den Vätern<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Die Konkurrenz der gesellschaftlich offerierten Leitbilder „gute <strong>Mutter</strong>“ und<br />
„berufstätige <strong>Mutter</strong>“ bringt die Frauen zudem in eine wenig komfortable<br />
Lage, schließen sie sich doch gegenseitig aus. Wie soll man beruflich erfolgreich<br />
sein und sich gleichzeitig um <strong>Kind</strong>ererziehung und Haushalt kümmern?<br />
Noch immer ist die „ideale <strong>Mutter</strong>“ eine Frau, die wenn sie schon außerhalb<br />
des Hauses arbeitet, ihre Berufstätigkeit zeitlich eingrenzt. Jede berufstätige<br />
<strong>Mutter</strong> steckt also in einem Dilemma, das oft in Schuldgefühlen endet. Da<br />
staatlicherseits keine Hilfen zu erwarten sind, muss auf individuelle Abhilfe<br />
gesetzt werden. Auffällig ist bei der aktuellen Diskussion um <strong>Mutter</strong>schaft<br />
und Erwerbstätigkeit allerdings, dass immer von den Müttern und deren Problemen<br />
die Rede ist. Sie sind es, die von ihrem hektischen Alltag berichten und<br />
den „ständigen Zeit- und Schlafmangel“ beklagen, mehr Ganztagsplätze in<br />
Schule und <strong>Kind</strong>ergarten fordern und sich über die <strong>Kind</strong>erfeindlichkeit in<br />
Deutschland beklagen (vgl. z.B. Brigitte-Umfrage 2002). Und zu recht. Wir haben<br />
in Deutschland viel zu wenig <strong>Kind</strong>ergarten- und <strong>Kind</strong>ertagestättenplätze,<br />
zu wenig Ganztagsschulen und Teilzeitarbeitsplätze. Hier ist zweifelsohne der<br />
Gesetzgeber gefragt und hier müssen Mütter selbstbewusst ihre Rechte einfordern.<br />
Nicht einzusehen ist allerdings warum Mütter nicht auch von den Vätern mehr<br />
Einsatz fordern sollten. Das Leitbild der „guten <strong>Mutter</strong>“ dient (auch für Frauen<br />
selbst) allzu leicht als bequeme Ausrede dafür, dass Frauen deswegen für<br />
die Erziehung des <strong>Kind</strong>es und für das Funktionieren des Haushaltes zuständig<br />
seien, weil sie „das von Natur aus besser können als Männer“. Hier wird es<br />
Zeit dieses konstruierte Leitbild über Bord zu werfen, die Aufteilung der<br />
familialen Rollen neu zu verhandeln und den Vätern wieder die Verantwortung<br />
für die Erziehung ihrer <strong>Kind</strong>er zuzumuten. Und hierzu gehört es auch<br />
deren Mithilfe im Haushalt und bei der <strong>Kind</strong>erbetreuung konsequent einzufordern.<br />
Hemdenbügeln ist Übungssache und <strong>Kind</strong>er hüten ist nichts Anrüchiges.<br />
Es ist ein historischer Trugschluss, nicht zuletzt auch der Mütter selbst,<br />
dass nur sie für ihre <strong>Kind</strong>er verantwortlich sein können und dass nur sie allein<br />
wüssten, „was das Beste für ihr <strong>Kind</strong>“ sei. <strong>Kind</strong>er brauchen viele Bezugspersonen<br />
und die <strong>Mutter</strong> muss nicht immer die wichtigste sein.<br />
Literatur:<br />
Ariès, Philippe: Geschichte der <strong>Kind</strong>heit. München 2000.<br />
Beauvoir, Simone de: Das andere Geschlecht. Sitte und Sexus der Frau. Hamburg<br />
1951.<br />
BpB Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Informationen zur politischen<br />
Bildung, Heft 269: Sozialer Wandel in Deutschland. Bonn 2000.<br />
Brigitte-Umfrage 2002: „Was Mütter wollen, was Mütter brauchen. Brigitte Nr.12<br />
2002, S. 160-167.<br />
Hays, S.: Die Identität der Mütter. Zwischen Selbstlosigkeit und Eigennutz. Stuttgart<br />
1998<br />
Landweer, Hilge: Das normative Verhaltensmuster „<strong>Mutter</strong>liebe“. In: IFF (Hrsg.): La<br />
Mamma! Beiträge zur sozialen Institution <strong>Mutter</strong>schaft. Köln 1989, S. 11-25.<br />
Toppe, Sabine: Polizey und Geschlecht. Der Obrigkeitsstaatliche <strong>Mutter</strong>schafts-Diskurs<br />
in der Aufklärung. Weinheim 1999.<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 7
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Über Über den den Zusammenhang Zusammenhang von von dem<br />
dem<br />
Erziehungsg<br />
Erziehungsger<br />
Erziehungsg er erede er ede und und P PPolitik<br />
P olitik<br />
Vor dreißig Jahren streckte ein Dreijähriger<br />
nicht ungestraft fremden Passanten<br />
die Zunge heraus, und wenn<br />
das <strong>Kind</strong> - älter geworden - in der<br />
Schule Anlass zu Krach gab, bekam<br />
es zu Hause auch noch eine Ohrfeige<br />
dafür, dass es in der Schule Unfug<br />
angestellt hatte. Diese Zeiten scheinen<br />
aber vorbei. Heute beklagt man die<br />
Disziplinlosigkeit des Nachwuchses,<br />
die materielle Orientierung der <strong>Kind</strong>er,<br />
die Respekt- und Formlosigkeit<br />
im generationsübergreifenden Miteinander.<br />
Die Schuld dafür wird nicht<br />
nur bei den <strong>Kind</strong>ern und Jugendlichen<br />
gesucht, sondern auch bei den erziehungsmüden<br />
Eltern, bei den auseinander<br />
brechenden Familien, den<br />
vielen berufstätigen Frauen. Kein<br />
Wunder, das Buchtitel wie „<strong>Kind</strong>er<br />
brauchen Grenzen“ hoch im Kurs stehen.<br />
Erziehungsratgeber aller Couleur<br />
bieten ihre hilfreichen Dienste an. Den<br />
jungen Erwachsenen, eben den Eltern,<br />
scheint der Sinn für die Durchsetzung<br />
wichtiger Werte abhanden gekommen<br />
zu sein. Diesem Missstand Abhilfe zu<br />
leisten verspricht Petra Gersters Buch:<br />
„Wie wir die Zukunft unserer <strong>Kind</strong>er<br />
retten“. Die Heute-Moderatorin<br />
beschäftigt sich aber keineswegs mit<br />
den fundamentalen ökologischen, politischen<br />
und kulturellen Fragen der<br />
Gegenwart und der nahen Zukunft<br />
wie Ozonloch, der kommenden<br />
Trocken- und Regenkatastrophen, der<br />
nicht wieder gutzumachenden Ausrottung<br />
vieler Tierarten, der Züchtung<br />
hochaggressiver Milzbranderreger,<br />
der kriegerischen Auseinandersetzungen<br />
überall auf dieser Erde, der grassierenden<br />
Seuchen von HIV bis Cholera<br />
auf der ganzen Welt, besonders<br />
in der dritten, nein, nicht diese Fragen<br />
bereiten uns nach Gerster schlaflose<br />
8 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
Elisabeth Klaus<br />
Dr. Susanne Gölitzer<br />
ist Autorin und wissenschaftliche<br />
Assistentin am Institut für Deutsche<br />
Sprache und Literatur und ihre<br />
Didaktik an der Pädagogischen<br />
Hochschule Heidelberg und arbeitet<br />
an ihrer Habilitation zur literarischen<br />
Sozialisation.<br />
Sie hat einen vierjährigen Sohn.<br />
Nächte, sondern das Abhandenkommen<br />
von eindeutigen Werten, von klaren<br />
Erziehungsmaßstäben, von Grenzen.<br />
Zögerlich über das Richtige nachzudenken<br />
und dabei Unsicherheiten<br />
zu zeigen, scheint nicht mehr Mittel<br />
der Wahl.<br />
In das gleiche Horn, mit etwas mehr<br />
Eleganz bläst Susanne Gaschke, man<br />
fand es in der letzten Saison viel zitiert,<br />
wie sie sich über Tischmanieren<br />
und schlecht erzogene Eltern beschwert,<br />
die die Erziehung der eigenen<br />
<strong>Kind</strong>er ruinieren. Nach dem 11.<br />
September dann spannte sie ein enges<br />
thematisches Band zwischen<br />
entscheidungsunfreudigen Eltern und<br />
der damals zur Entscheidung gestandenen<br />
Beteiligung der Bundeswehr an<br />
dem Militärschlag gegen Osama Bin<br />
Ladens Terrornetz in Afghanistan. Es<br />
war plötzlich alles aus einem Übel: die<br />
verloren gegangenen Werte, die unerzogenen<br />
<strong>Kind</strong>er (und Eltern) und<br />
die nachdenklichen, differenzierten<br />
Überlegungen zu einem möglichen<br />
Militäreinsatz und seinen Folgen. Ihr<br />
polemisches Argument gegen die, die<br />
nicht jeden Militärschlag der USA<br />
unterstützen mochten, also von „uneingeschränkter<br />
Solidarität“ nichts<br />
wissen wollten, war das Sozialarbeiter-Klischee.<br />
Wer erst mal verstehen<br />
wolle, zögere zu lange und unterstütze<br />
letztlich die Terroristen. Politische<br />
Bedenkenträger werden in diesem<br />
Klischee zu Weicheiern ohne Kontur<br />
und Durchsetzungskraft.<br />
Hinter der Neuauflage der Parole:<br />
„Mehr Erziehung!“ und der Politik<br />
der Entschlossenheit steckt das gleiche<br />
Denken. Es ist der Versuch, den<br />
Geist der reflexiven Moderne wieder<br />
in die Flasche zu zwingen. Lebenspraktisch<br />
könnte man das Problem<br />
der reflexiven Moderne doch immer<br />
noch so ausbuchstabieren: Es ist uns<br />
aufgegeben, über alles Mögliche nachzudenken,<br />
weil es nicht mehr eindeutig<br />
bestimmt ist von vorneherein:<br />
Wollen wir unsere <strong>Kind</strong>er um sieben<br />
oder um zehn ins Bett schicken und<br />
warum? Wollen wir mit Trauschein<br />
zusammenleben oder ohne oder gar<br />
nicht? Wollen wir Schweinebraten essen<br />
oder jeden Tag Spaghetti? Ist jeder<br />
Moslem gleich ein Attentäter?<br />
Nun ist schon klar, wir werden, auch<br />
wenn wir jeden Tag Pizza essen und<br />
uns für ein mediterranes Mobiliar entscheiden,<br />
nicht automatisch Italiener<br />
und „irgendwie“ sind wir noch deut-
sche Deutsche und viele von uns auch<br />
mehr oder weniger christlich, auch<br />
wenn wir keine Kirchensteuer mehr<br />
zahlen. Aber möglicherweise sind wir<br />
trotzdem viel weniger eindeutig das<br />
eine oder andere, als wir gerne vorgeben<br />
zu sein. Niemand ist identisch<br />
mit seinen Werten und schon gar nicht<br />
mit einem großen, komplexen Gebilde<br />
wie die Nation. Sigmund Freud<br />
hat bekanntermaßen den Versuch<br />
gemacht, die strukturellen Uneindeutigkeiten<br />
menschlicher Persönlichkeit<br />
zu erklären. Unser psychischer<br />
Apparat ist keine leere Box, in die die<br />
Eltern und Lehrer reinlegen, was zur<br />
Ausstattung eines glücklichen Menschen<br />
gehört: Tugend, Ordnung,<br />
Höflichkeit, Selbstbewusstsein, Beharrungsvermögen<br />
usw.. Viel eher passend<br />
scheint die freudsche Vorstellung<br />
vom Wunderblock. Das ist zu anderen<br />
Zeiten eine Wachstafel gewesen<br />
mit einem Zelluloidblatt und einem<br />
Wachspapier darüber. Man ritzt etwas<br />
in das Zelluloid hinein und kann es<br />
lesen. Hebt man das Zelluloid mit<br />
dem Wachspapier ab, ist die Schrift<br />
weg. Im Wachs bleibt sie aber eingraviert,<br />
auch wenn man wieder etwas<br />
anderes auf das Zelluloid schreibt.<br />
Bewusstsein und Unbewusstes verhalten<br />
sich in diesem Bild wie Zelluloid<br />
und Wachs zueinander.<br />
Mal übersetzt: Da schreibt sich das<br />
Leben mit dem ersten Tag unserer<br />
Ankunft in dieser Welt in uns ein und<br />
hinterlässt Spuren, die wir aber selbst<br />
nicht mehr ohne weiteres wahrnehmen<br />
können. Unsere Erfahrungen<br />
bleiben nicht immer zugänglich. Identität<br />
in diesem Modell ist etwas Doppelbödiges:<br />
wir sind identisch mit einem<br />
Teil von uns, von dem wir nichts<br />
oder nur wenig wissen (Wachstäfelchen).<br />
Identität in diesem Modell<br />
ist der Begriff für das Einigsein mit<br />
dem Nicht-Identischen, dem Anderen<br />
in uns, über das wir nicht einfach<br />
verfügen und bestimmen.<br />
Jeder Versuch, die Identität als widerspruchsloses<br />
und bewusstes Konzept,<br />
für das sich Menschen entscheiden<br />
können, zu beschreiben, vergisst, dass<br />
Menschen mehr sind als die Behält-<br />
nisse eines funktionierenden Bewusstseins.<br />
Es ist demnach ein absurdes<br />
Vorhaben, zur Identität zu erziehen,<br />
mit Strenge und Disziplin eine mit sich<br />
identische Persönlichkeit erzeugen zu<br />
wollen. Das gilt für <strong>Kind</strong>er und Erwachsene<br />
sowieso. Die sollte man<br />
überhaupt nicht erziehen wollen,<br />
schon gar nicht mit den Mitteln der<br />
Politik. Hannah Arendt nennt solcherart<br />
politische Erziehungsversuche tendenziell<br />
totalitär, und so sehe ich es<br />
auch.<br />
Eine Identität kann man nur haben,<br />
die kann man nicht über die Identifizierung<br />
mit einem politischen Begriff<br />
„Nation“ annehmen. Die Differenz<br />
und Vielfalt in der Einheit eines Selbst<br />
macht uns als Identitäten aus. Dass es<br />
nicht immer einfach ist – gerade für<br />
<strong>Kind</strong>er – mit diesen verschiedenen<br />
inneren Texten des persönlichen<br />
Wunderblocks zu recht zu kommen,<br />
soll nicht geleugnet sein. Wenn wir so<br />
tun, als wäre alles ganz eindeutig und<br />
eine Frage des Willens, dann leugnen<br />
wir aber einen entscheidenden fremden<br />
Teil von uns. Es sind ja gerade<br />
diese uns selbst nicht immer zugänglichen<br />
und unbekannten Anteile eines<br />
Selbst, die unser Handeln widersprüchlich<br />
und zuweilen unberechenbar<br />
macht: Wir verhalten uns manchmal<br />
wider gegen jede eigene Einsicht,<br />
möchten etwas sein, was wir nicht<br />
sind, sind etwas, was wir nicht sein<br />
möchten. Es sind genau diese Erfahrungen,<br />
die <strong>Kind</strong>er vom ersten Tag<br />
ihres Lebens an mit uns Erwachsenen<br />
und sich selbst haben. Wir machen<br />
uns vor unseren <strong>Kind</strong>ern unglaubwürdig,<br />
wenn wir so tun, als<br />
könnten wir ohne Widersprüche,<br />
Wenn und Aber, Für und Wider leben.<br />
Vielmehr als Eindeutigkeiten in der<br />
Erziehung und nationale Orientierung<br />
im Politischen brauchen wir – Erwachsene<br />
– den Mut zur Erklärung<br />
und zur Differenzierung. Die Welt<br />
erklärlich machen heißt, die Normen,<br />
Werte und Regeln einer Gesellschaft<br />
und einer Gemeinschaft verstehen zu<br />
lehren und sie mitunter auch in Frage<br />
zu stellen. Es kann keine absoluten,<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
letzten Werte für säkulare Gesellschaften<br />
geben, sie beruhen vielmehr auf<br />
Vereinbarungen, Gewohnheiten und<br />
Setzungen. Diese achten zu lernen, ist<br />
keine Frage der nationalen Identität<br />
oder der richtigen Erziehung. Es ist<br />
eine Frage der Kultur, einer diskursiven<br />
Kultur. Eine solche zu befördern<br />
mit Mitteln der Politik und der Pädagogik<br />
scheint mir die beste Zukunftssicherung<br />
zu sein. In der neueren<br />
Wissenschaftsgeschichte haben der<br />
Poststrukturalismus und der Feminismus<br />
dieses Nicht-Identisch-Sein zum<br />
Ausgangspunkt ihrer Theorienbildung<br />
gemacht und vorgemacht, wie das<br />
gehen könnte. Es lohnte die Mühe,<br />
dies einmal für den politischen und<br />
privaten Alltag zu übersetzen.<br />
Unsere <strong>Kind</strong>er und Jugendlichen<br />
brauchen unsere Überzeugungen, die<br />
wir ernsthaft, aber nicht verbissen<br />
verteidigen: Solidarität mit den Opfern,<br />
Entschiedenheit in unseren<br />
Handlungen und die Fähigkeit, diese<br />
selbstkritisch zu befragen. Dass das,<br />
was wir tun oder getan haben immer<br />
auch falsch gewesen sein könnte, sollten<br />
wir in Erziehung und Politik nicht<br />
nur mitbedenken, sondern auch vermitteln.<br />
Unsere Identität gewinnen wir<br />
daraus, uns als beschriebene und immer<br />
wieder neu zu beschreibende<br />
Wunderblöcke zu erkennen.<br />
Literatur:<br />
Freud, Sigmund: Notizen über den<br />
Wunderblock. 1924. In: Gesammelte<br />
Werke, Bd. 14, S.3-8.<br />
Gaschke, Susanne: Die Erziehungskatastrophe.<br />
<strong>Kind</strong>er brauchen<br />
starke Eltern. Stuttgart 2001.<br />
Gerster, Petra: Der Erziehungsnotstand.<br />
Wie wir die Zukunft unserer<br />
<strong>Kind</strong>er retten. Berlin 2001<br />
Rogge, Jan-Uwe: <strong>Kind</strong>er brauchen<br />
Grenzen. Hamburg 2000<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 9
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Mit Mit <strong>Kind</strong>ern <strong>Kind</strong>ern in in der der Klinik Klinik Karriere Karriere machen machen -<br />
-<br />
Geht Geht das das denn denn ?<br />
?<br />
Vor gut einem Jahr habe ich am Bereich Humanmedizin das Amt der Frauenbeauftragten<br />
übernommen. Ich bin <strong>Mutter</strong> zweier <strong>Kind</strong>er und habe immer<br />
versucht, beruflich am Ball zu bleiben. Die Reaktionen auf mein berufliches<br />
Engagement in <strong>Göttingen</strong> bei gleichzeitigem Lebensmittelpunkt in Marburg<br />
reichen von Interesse über Verwunderung bis zur klar formulierten Ablehnung:<br />
„Aber Ihr Mann hat doch ein gutes Einkommen. Wieso tun Sie das<br />
Ihren <strong>Kind</strong>ern an?“ So, oder so ähnlich meinen manche meine Entscheidung<br />
kommentieren zu müssen. Vergleichbares würde denselben Menschen bei<br />
Berufspendlern, die auch Väter sind, vermutlich nicht einfallen.<br />
Aber nicht nur ich bin mit der Erwartungshaltung an „das <strong>Mutter</strong>sein“ konfrontiert.<br />
<strong>Mutter</strong>schaft steht unter den Erklärungsgründen für das zögerliche<br />
Weiterkommen von Frauen am Bereich Humanmedizin „ganz oben in der<br />
Hitliste“. Ob die Krankenversorgung aufgrund mangelnder Personalausstattung<br />
gefährdet scheint, das Forschungsergebnis der Abteilung schlechter ausgefallen<br />
ist, oder die Lehrbelastung allen über den Kopf wächst - fast immer<br />
werden als Ursachen mehr oder weniger ernsthaft Schwangerschaften und<br />
Erziehungszeiten von Frauen ins Feld geführt. Weiter wird dann argumentiert<br />
- meist im Zusammenhang mit Frauenförderung - dass Frauen sich ja freiwillig<br />
für ihre <strong>Kind</strong>er und gegen ihre Karriere entscheiden würden. Zugespitzt<br />
formuliert heißt es dann oft: „Frauen wollen doch gar keine Karriere machen“.<br />
Wollen sie nicht, oder können Sie nicht? Ist der Rückzug ins Private -<br />
dem „natürlichen <strong>Mutter</strong>band“ geschuldet, oder doch eher den äußeren Bedingungen?<br />
Ich denke, beides trifft zu. Betrachten wir nur einmal das weite<br />
Feld „Arbeitszeiten“.<br />
„Klinikstypische“ Arbeitszeiten lassen sich mit der Versorgung von <strong>Kind</strong>ern<br />
meist nur sehr schwer unter einen Hut bringen. Alle, die wie Pflegepersonal,<br />
MTAs, und ÄrztInnen dem „Kerngeschäft“, der Krankenversorgung nachgehen,<br />
kennen dies zu gut. In der Beratungspraxis steht das Thema Arbeitszeiten<br />
bei diesem Personenkreis entsprechend weit oben. Beklagt wird fast genauso<br />
häufig das mangelnde Verständnis für die besondere Situation durch die Vorgesetzten<br />
und die nachlassende Solidarität von Seiten der KollegInnen.<br />
In der Diskussion um Arbeitszeiten wird die Gruppe der ArbeiterInnen fast<br />
immer „übersehen“. Dabei sind sie ebenso von Arbeitszeiten, die außerhalb<br />
der Öffnungszeiten regulärer <strong>Kind</strong>erbetreuungseinrichtungen liegen, wie die<br />
vorgenannten Gruppen betroffen. Die klinikseigene Kita beispielsweise konnten<br />
ArbeiterInnen bislang im Verhältnis seltener als andere Berufsgruppen nutzen,<br />
da vorrangig Beschäftigte mit einem Anteil von mindestens 30 Wochenstunden<br />
einen Platz für ihre <strong>Kind</strong>er bekommen haben. Viele Arbeiterinnen arbeiten<br />
mit einer Wochenarbeitszeit, die darunter liegt. Das Problem mangelnder<br />
Betreuungsmöglichkeiten wirkt sich aber gerade auf Arbeiterinnen sehr negativ<br />
aus, weil sie es sind, die sich lange ausschließliche Familienphasen in der<br />
Regel nicht leisten können. Spätestens mit Auslaufen des Erziehungsgeldes (12<br />
Monate) sind sie auf ihr Erwerbseinkommen angewiesen, erst recht, wenn<br />
mehrere <strong>Kind</strong>er zu versorgen sind, und noch einmal in besonderer Weise,<br />
wenn sie die <strong>Kind</strong>er allein groß ziehen.<br />
Aber auch für Beschäftigte in „der Verwaltung“ ergibt sich ein Betreuungsbedarf<br />
außerhalb „normaler“ Arbeitszeiten und damit auch außerhalb der<br />
Öffnungszeiten „normaler“ Betreuungseinrichtungen. Dies trifft auf diejenigen<br />
zu, die Gremienarbeit begleiten, aber auch auf all jene, bei denen eine<br />
hohe persönliche Flexibilität auf unterschiedlich anfallenden Arbeitsanfall schlicht<br />
10 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
Dr. Chr. Amend-Wegmann<br />
aus: Deutsches Ärzteblatt, Jg. 99,<br />
Heft 23, 7.6.2002
vorausgesetzt wird. Wer beruflich<br />
weiter kommen will, kommt morgens<br />
als Erste/r und geht abends als<br />
Letzte/r, so die gängige Auffassung,<br />
die einen Teil der „Unternehmenskultur“<br />
ausmacht. Dass Anwesenheit<br />
alleine nicht mit guter Leistung gleichzusetzen<br />
ist, wird dabei ebenso übersehen<br />
wie in Kauf genommen wird,<br />
dass eben nur Männer so uneingeschränkt<br />
für den Beruf zur Verfügung<br />
stehen. Haben die Mütter eben Pech,<br />
weil <strong>Kind</strong>er gehabt. Wer zeitlich nicht<br />
ausreichend disponibel ist, macht eben<br />
keine Karriere - dieses Motto scheint<br />
über alle Stausgruppen hinweg zu<br />
gelten. Dabei ist der Wunsch, beruflich<br />
erfolgreich zu sein, Karriere zu<br />
machen in der jungen Frauengeneration<br />
sehr ausgeprägt. Dies gilt auch<br />
für Medizinstudentinnen, zumindest<br />
zu Beginn ihres Studiums. Einer Untersuchung<br />
von Sieverding zu Folge sind<br />
junge Frauen am Anfang des Medizinstudiums<br />
in Bezug auf eine berufliche<br />
Karriere sogar motivierter als<br />
ihre männlichen Kommilitonen.<br />
Bereits am Ende des Studiums ist es<br />
allerdings umgekehrt. Viele dieser<br />
Frauen resignieren später ob der realen<br />
Kliniksbedingungen, die wegen der<br />
extrem hohen zeitlichen Belastung in<br />
Uni-Klinika besonders schwierig sind.<br />
Bieten sich in einer solchen Situation<br />
Alternativen, etwa trotz des langen und<br />
aufwendigen Studiums doch nur vom<br />
Einkommen des Mannes zu leben,<br />
oder sich niederzulassen, so nehmen<br />
viele Ärztinnen mit <strong>Kind</strong>ern diese<br />
Möglichkeiten wahr. Ein (zeitlich befristeter)<br />
Komplettausstieg lässt sich<br />
häufig auch leichter als eine Arbeitszeitreduzierung<br />
verwirklichen, weil<br />
viele Abteilungsleiter meist sehr deutlich<br />
wissen lassen, was sie von Teilzeit<br />
in ihren Bereichen halten, nämlich<br />
nichts. Betrachtet man die Arbeitsund<br />
Lebensbedingungen, die diese<br />
jungen Ärztinnen und Mütter hinter<br />
sich lassen, lässt sich die Entscheidung<br />
für den Ausstieg sehr leicht nachvollziehen.<br />
Aber auch Frauen, die keine <strong>Kind</strong>er<br />
haben, kommen im bestehenden System<br />
nicht so recht voran. Alarmie-<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
rend, wenn auch nicht neu ist aus meiner Sicht der Befund einer Studie, die vor<br />
kurzem an der Charité von meiner dortigen Amtskollegin durchgeführt wurde:<br />
die überwiegende Mehrheit der Frauen (mit oder ohne <strong>Kind</strong>er) wird von<br />
ihren Vorgesetzten nicht in der Weise gefördert und unterstützt, wie sie es sich<br />
wünschen und wie sie es - und das ist der entscheidende Punkt - bei ihren<br />
männlichen Kollegen wahrnehmen. Dies trifft im Übrigen nach meiner Erfahrung<br />
nicht nur auf den ärztlichen Bereich zu.<br />
Die <strong>Kind</strong>erfrage alleine kann also die Unterrepräsentanz von Frauen in den<br />
oberen Einkommensklassen nicht erklären. Schon die bloße Möglichkeit einer<br />
zukünftigen <strong>Mutter</strong>schaft scheint Führungskräfte zu veranlassen, nicht zu viel<br />
in die Frau zu „investieren“ und stattdessen doch lieber den männlichen Kollegen<br />
zum „Kronprinzen“ zu machen. Zumindest wäre dies eine mögliche<br />
Erklärung für die durchgängig nachweisbare strukturelle und persönliche<br />
Diskriminierung von Frauen.<br />
Was also ist vor dem Hintergrund dieser Fakten zu tun? Ich möchte im Folgenden<br />
sechs Felder benennen, in denen ich vordringlich einen Handlungsbedarf<br />
sehe:<br />
1. Ausbau der <strong>Kind</strong>erbetreuungsmöglichkeiten, vor allem das Hinzufügen flexiblerer<br />
auf den Einzelfall abgestimmter Lösungen (z.B. Tagespflegebörse, stundenweise<br />
Betreuung). Die Kita-AG (vgl. Nachrichtenteil) hat dazu wichtige Vorschläge<br />
erarbeitet, die es auch weiterhin sukzessive umzusetzen gilt.<br />
2. Gezielte Personalentwicklung für Männer und Frauen. Wichtig ist dabei eine mittelfristige<br />
Planung, Verlässlichkeit für beide Seiten und möglichst viel Transparenz.<br />
Eine weitere Möglichkeit besteht in einer Vernetzung der Frauen untereinander.<br />
Wir machen einen solchen Versuch mit der Einführung eines<br />
Mentoring-Projektes zum nächsten Wintersemester.<br />
3. Jobbörse für Mütter und Väter, die sich in der Elternzeit befinden. Lange Berufsausstiege<br />
bergen die Gefahr eines Karriereknicks. Um dem vorzubeugen, müssen<br />
Mütter und Väter die Gelegenheit haben beruflich am Ball zu bleiben. Urlaubs-<br />
und Krankheitsvertretungen sowie Projektarbeit sind hier adäquate Instrumente.<br />
Daneben spielt aber auch Beratung und eine kontinuierliche Weiterbildung<br />
eine zentrale Rolle.<br />
4. Gezielte Einzel- und Karriereberatung für Frauen (Mitarbeiterinnen-Gespräch,<br />
Coaching).<br />
5. Einführung neuer Arbeitszeitmodelle. Wo immer es möglich ist - und das trifft<br />
auf weit aus mehr Felder und Bereiche zu, als derzeit immer unterstellt wird -<br />
müssen die Arbeitszeiten auf intelligente Weise modifiziert werden, um es den<br />
Beschäftigten zu ermöglichen, Familie und Beruf vereinbaren zu können. Einführung<br />
von Telearbeitsplätzen für Männer und Frauen, die <strong>Kind</strong>er oder pflegebedürftige<br />
alte Angehörige zu versorgen haben.<br />
6. Anreizsystem in den Abteilungen, um den Frauenanteil auch in den Bereichen zu<br />
erhöhen, wo die Arbeitsbedingungen (z.B. unbefristete Arbeitsverträge, Freistellungen<br />
zu Forschungszwecken) und die Verdienste besser ausfallen.<br />
Die meisten dieser sechs Punkte werden - zumindest teilweise - bereits bearbeitet.<br />
Manches davon haben wir schon umgesetzt, anderes mag derzeit noch<br />
eher utopisch klingen. Aber steter Tropfen höhlt bekanntlich den Stein. Und:<br />
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!<br />
Literatur:<br />
Sieverding, Monika (1990): Psychologische Barrieren in der beruflichen Entwicklung<br />
von Frauen. Das Beispiel der Medizinerinnen, Stuttgart<br />
Beck-Gernsheim, Elisabeth, Sozialwissenschaftlerin: Die <strong>Kind</strong>erfrage, Frauen zwischen<br />
<strong>Kind</strong>erwunsch und Unabhängigkeit, München 1988<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 11
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
„Allein „Allein erziehend erziehend und und Ärztin?“ Ärztin?“ -<br />
-<br />
„...wenn „...wenn Sie Sie meinen!“<br />
meinen!“<br />
Dr. Marion Hulverscheidt<br />
12 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
Antonia ist jetzt schon zwei Jahre als und ich habe das Gefühl, wir sind aus<br />
dem Gröbsten raus. Jetzt muss sie nur noch trocken werden, und dann noch<br />
die Pubertät .... wir haben es geschafft, WIR das sind: sie und ich, Tochter und<br />
<strong>Mutter</strong>. Ich bin eine Alleinerziehende, der <strong>Vater</strong> hat Antonia noch nicht gesehen,<br />
er zahlt sporadisch Unterhalt, ist gänzlich abwesend und stört folglich<br />
auch nicht. Ich empfinde diese Situation als positiv, ich kenne es nicht anders,<br />
ich treffe meine Entscheidungen allein.<br />
So habe ich mich auch entschieden als Ärztin zu arbeiten, mein ÄiP (Ärztin im<br />
Praktikum) abzuleisten, auch wenn mein <strong>Kind</strong> noch so klein ist. Finanzielle<br />
Gründe allein waren für diese Entscheidung nicht ausschlaggebend, tragen<br />
nur mit dazu bei. Das Erziehungsgeld zusätzlich zum kärglichen ÄiP-Gehalt<br />
ist eine Basis, auf der wir leben können.<br />
Während der Schwangerschaft habe ich meine Dissertation beendet, der wachsende<br />
Bauch und die Tritte in die Magengrube waren eine gute Motivation.<br />
Nicht ganz beendet - die letzten Korrekturen gingen nur mit viel Kraft und<br />
viel Unterstützung von FreundInnen über die Bühne. In dieser Phase trat das<br />
Gefühl zum ersten Mal auf, was mich seitdem begleitet: ich muss Menschen<br />
um etwas bitten, weil ich es allein nicht schaffe. Und ich stehe in ihrer Schuld,<br />
weil ich ihnen nicht ebenso helfen kann. Ich kann ihnen nur das geben, was ich<br />
habe: ein erschöpftes „Danke“ von mir.<br />
Als Antonia drei Monate alt war,lotete ich<br />
meine Chancen auf dem Arbeitsmarkt aus;<br />
30 Jahre alt, promoviert, allein erziehend,<br />
motiviert. Auf Anhieb bekam ich eine Zusage<br />
für eine ÄiP-Stelle in der Chirurgie. Ich<br />
konnte sie letztendlich nicht antreten, dabei<br />
hatte alles so gut ausgesehen: Ich hatte eine<br />
Tagesmutter organisiert, die Wege zwischen<br />
Zuhause, Arbeitsplatz und Tagesmutter waren<br />
gut mit dem Fahrrad zurückzulegen, die<br />
abgepumpte Milch trank mein <strong>Kind</strong> auch<br />
aus der Flasche. Der Stolperstein: das <strong>Mutter</strong>schutzgesetz<br />
verbietet es stillenden Müt-<br />
Foto: privat<br />
tern im OP-Bereich zu arbeiten, ebenso dürfen<br />
Stillende keinen Kontakt mit infektiösen<br />
Körperflüssigkeiten haben. Mir war das Stillen wichtiger als die Stelle, also<br />
blieb ich „Nur-<strong>Mutter</strong>“ und Sozialhilfeempfängerin.<br />
Ein halbes Jahr später trat ich eine halbe ÄiP-Stelle in einer Beleg-Klinik an.<br />
Das Gefühl am ersten Arbeitstag war furchtbar, nur einer der Belegärzte und<br />
damit mein Vorgesetzter konnte nachvollziehen, was mich bewegte, meine<br />
KollegInnen nicht. Dieses schlechte Gewissen, mein <strong>Kind</strong> in liebe, aber fremde<br />
Hände abzugeben, nur um selber ein bisschen Abwechslung zu haben vom<br />
alltäglichen Einerlei, von Putzen, Waschen, Wickeln und Einkaufen? Nein! Ich<br />
habe nicht studiert und hart um meine Autonomie gekämpft, um mich nun<br />
mit anderen Müttern im Café oder auf dem Spielplatz über die Vor- und<br />
Nachteile der Schutzimpfungen und über die Art und Weise der Beikostfütterung<br />
zu unterhalten. Ich will das Gelernte anwenden und noch weiter<br />
lernen, meine Ausbildung beenden und meinen erlernten Beruf auch ausüben.<br />
Erst fand ich die Idee mit der halben Stelle gut, nur die Umsetzung gestaltete
sich schwierig: Doch lieber ganze Tage arbeiten und dann ganze Tage frei?<br />
Meine Chefs waren mit meiner Idee grundsätzlich einverstanden, nur ergaben<br />
sich damit zwei Probleme. Meine Einarbeitungszeit verlängerte sich, weil ich<br />
eben nur die Hälfte der Tage da war und sich die Routine bei mir erst nach der<br />
doppelten Zeit einstellte. So konnte ich nicht so schnell wie andere Vollzeit-<br />
ÄiP zu Nachtdiensten heran gezogen werden. Und meine Vorgesetzten konnten<br />
sich nicht einigen, an welchen Wochentagen ich arbeiten sollte. Ich merkte,<br />
dass Organisation in meinem Leben das Wichtigste geworden war und wie<br />
sehr ich mich von meinen KollegInnen ohne <strong>Kind</strong>er unterschied. Ich habe<br />
wenig Zeit, mein Alltag ist verplant, ich kann nachts oder nach dem Nachtdienst<br />
nicht oder nicht genug schlafen, ich kann nicht einfach eine Stunde länger<br />
bleiben oder am nächsten Tag einen Dienst übernehmen. Ich bin nach<br />
zwei Seiten abhängig: von meinem Arbeitgeber und meinen Kolleginnen auf<br />
der einen Seite und von Antonia und der Tagesmutter auf der anderen Seite.<br />
Dadurch bin ich unflexibel und schwerfällig. Es gibt aber auch positive Seiten:<br />
ich habe Erfahrung mit <strong>Kind</strong>ern, ich bin sehr effektiv in der wenigen mir zur<br />
Verfügung stehenden Zeit, und ich kann viel aushalten, weil es ohne ein dickes<br />
Fell als Alleinerziehende in dieser Gesellschaft nicht geht.<br />
Die halbe Stelle in der Belegklinik habe ich nach zwei Monaten wieder aufgegeben,<br />
ich kam nicht in den Tritt, konnte mich nicht richtig einarbeiten, fühlte<br />
mich schlecht betreut und ich war vermindert motiviert. In dieser Zeit hat<br />
Antonia ihre Eckzähne bekommen, und 3-Tage-Fieber hatte sie auch. So ist<br />
das, Mütter erzählen immer scheinbar unwichtiges von ihrer Brut. Für mich<br />
sind solche Geschichten lebensbestimmend geworden, davon hängen meine<br />
Laune, meine Motivation und meine Leistungsfähigkeit ab.<br />
Beim Arbeitsamt bekam ich statt eines Stellenangebotes ein müdes Lächeln,<br />
ich wollte arbeiten, mit einem so kleinen <strong>Kind</strong>, wo ich doch so unflexibel sei.<br />
Nein, sie hätten natürlich keine Stelle für mich.<br />
Ich machte mich selber auf die Suche, bewarb mich in Kurkliniken und in den<br />
Krankenhäusern an meinem Wohnort, wurde immer wahlloser was die Fachrichtung<br />
anging. Wichtiger war mir der geregelte Arbeitstag, die alles entscheidende<br />
Frage: kann ich wirklich immer um Punkt 16.00 Uhr gehen? Und ich<br />
wollte gerne reduziert arbeiten. Manchen Arbeitgebern war es schwierig zu<br />
vermitteln, wie eine 75%-Stelle oder gar eine 80%-Stelle aussehen kann.<br />
Schließlich fand ich eine Stelle in der Gynäkologie und Geburtshilfe. Wir einigten<br />
uns auf Vollzeit für die Einarbeitungsphase, danach Teilzeit mit 80%, also<br />
mit einem freien Tag pro Woche.<br />
Mein Gehalt in der Vollzeitphase lag DM 4,50 über dem Satz des Sozialamtes<br />
für die Hilfe zum Lebensunterhalt. Die Sachbearbeiterin beim Sozialamt schaute<br />
gequält, als sie mir das mitteilte. Mir wurde wieder einmal klar, dass ich aus<br />
einer persönlichen Motivation heraus erwerbstätig sein möchte und nicht in<br />
erster Linie aus finanziellen Gründen. Als Alleinerziehende rechne ich ohnehin<br />
nicht damit, viel Geld für mich zur Verfügung zu haben, das meiste wird in die<br />
Betreuung des <strong>Kind</strong>es gesteckt.<br />
Die ersten Monate in der neuen Stelle liefen gut, ich konnte mich in Ruhe<br />
einfinden. Nur hatte ich abends keine Zeit mehr, mich weiter zu bilden, weil<br />
ich mit meinem <strong>Kind</strong> spielen wollte und dann noch die Hausarbeit anstand.<br />
Das Resultat war dann ein schlechtes Gewissen im Beruf.<br />
Mein <strong>Kind</strong> ist bei der Tagesmutter. Dort fühlt sie sich wohl, dort schläft sie<br />
auch, wenn ich Nachtdienst habe. Die Tagesmutter ist Perserin - kein Wunder,<br />
dass Antonia besser persisch als deutsch spricht. Nach dem Nachtdienst hole<br />
ich sie am Vormittag ab. Zwei Stunden Erholung gönne ich mir vorher. Wenn<br />
die Nacht in der Klinik anstrengend und unruhig war, sehne ich die Zeit für<br />
Antonias Mittagsschlaf herbei, um mich dann gleichzeitig ausruhen zu können.<br />
Manchmal hat sie keine Lust auf Mittagsschlaf. Dann stoßen wir an unsere<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 13
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
14 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
Grenzen. Wie erkläre ich ihr: ich will jetzt, dass du schläfst, weil ich selber<br />
müde bin und schlafen muss. Manchmal lege ich sie dann in ihr Bettchen und<br />
lasse sie schreien, schließe die Türen, lege mich auf mein Bett und murmele<br />
mein Mantra: „Ich bin eine schlechte <strong>Mutter</strong>...“. Die freien Tage nach dem<br />
Nachtdienst sind total schön, ich habe Zeit, kann mit ihr auf den Spielplatz<br />
gehen. Habe einfach Zeit für sie. Wenn ich müde und ausgelutscht bin, kann<br />
Antonia mit mir jedoch nichts anfangen, sie nimmt ihre Jacke und stellt sich an<br />
die Wohnungstür, ruft ihre Tagesmutter, da will sie hin. Das hinterlässt einen<br />
bitteren Nachgeschmack. Positiv gesehen hat sie mit der Tagesmutter eine<br />
zweite Bezugsperson, bei der sie sich wohl und sicher fühlt. Das ist doch<br />
allemal besser als eine gluckende, mit sich selbst unzufriedene <strong>Mutter</strong>, die arbeiten<br />
will, sich dies aber des <strong>Kind</strong>es wegen versagt.<br />
Ich arbeite für mein Wohlgefühl. In ruhigen Diensten komme ich auch zu<br />
Sachen, die ich zu Hause nicht schaffe, wie Stricken, Lesen<br />
oder das Aufschreiben dieses Berichtes.<br />
Aber täglich kann neues Unheil drohen! Bei dem Besuch einer<br />
Freundin mit <strong>Kind</strong> haben wir Windpocken-Kontakt,<br />
pünktlich zwei Wochen später zeigen sich auf Antonias Bauch<br />
und Rücken erstmalig acht Pocken, sie ist noch gut drauf. Ich<br />
habe meinen freien Tag, rufe in der Klinik an, erzähle von<br />
den Pocken, die Kollegin fragt: „Aber du kommst doch morgen?“,<br />
eine andere Kollegin ist nämlich krank. Klar komme<br />
ich, auf mich ist Verlass, denke ich. Nachts um drei wird Antonia<br />
wach, sie ist heiß, fiebrig, juckt sich, schreit. Ich nehme<br />
sie zu mir ins Bett, drücke ihr ein Fieberzäpfchen in den Po,<br />
Foto: privat<br />
bis halb sieben bekomme ich nicht mehr viel Schlaf, sie wirft<br />
sich hin und her. Morgens ist sie immer noch heiß, ich messe<br />
die Temperatur nicht, bringe sie zur Tagesmutter und gehe in die Klink. Ich<br />
habe ein ungutes Gefühl, rufe um zwölf bei der Tagesmutter an; Antonia hat<br />
Fieber und will nur auf den Arm. Mein <strong>Mutter</strong>herz schreit auf, mein berufliches<br />
Pflichtgefühl ist dahin, ich sage meiner Kollegin Bescheid. Sie meint, ich<br />
solle mich noch bei der Oberärztin abmelden und nach Hause gehen. Ich<br />
suche die Oberärztin – die selber keine <strong>Kind</strong>er hat – und sage zu ihr: „Ich<br />
muss nach Hause, mein <strong>Kind</strong> hat Fieber und Windpocken!“. „Wenn es sein<br />
muss!“, ist die Antwort.<br />
Ich gehe, die vier Worte hämmern in meiner Brust, - „wenn es sein muss“,<br />
„wenn es sein muss“ – verdammt, mein <strong>Kind</strong> ist krank, wie stellt sie sich das<br />
denn vor? Wahrscheinlich gar nicht. Jede/r Vorgesetzte sollte wissen und akzeptieren,<br />
dass allen Erziehenden vom Gesetz her zusteht, 21 Tage zu fehlen,<br />
weil das <strong>Kind</strong> krank ist. Der Verdienst wird für diese Zeit von der Krankenkasse<br />
übernommen. Mein noch nicht einmal zwei Jahre altes <strong>Kind</strong> hat Fieber,<br />
jammert und kratzt sich: es muss sein!!!<br />
Nach vier Tagen und vier Nächten mit wenig Schlaf und vielen Tränen gehe<br />
ich wieder in die Klinik, Wochenenddienst. Als erstes muss ich mir anhören,<br />
dass ich ein mangelhaftes Engagement an den Tag lege, dann will mir die<br />
Oberärztin vorschreiben, dass ich an meinem freien Tag doch arbeiten soll.<br />
Die anderen KollegInnen hätten wegen meines Fehlens so viele Überstunden<br />
gemacht. Ich habe auch 120 Überstunden, argumentiere ich gegen, und etwas<br />
leiser: „Ich kann es mir mit der Tagesmutter nicht verscherzen, und sie besteht<br />
auf ihren freien Tag in der Woche“. Ich übernehme einen weiteren Dienst und<br />
habe es mir trotzdem mit der Oberärztin verscherzt. Manchen kann es eine<br />
<strong>Mutter</strong> eben nicht Recht machen.<br />
Noch ein halbes Jahr, dann ist das ÄiP vorbei. Danach werde ich erneut überlegen,<br />
was ich will. Geregelte Arbeitszeiten gibt es im Krankenhaus kaum. Was<br />
mir mittlerweile aber noch wichtiger erscheint ist die Kollegialität. Ich wün-
sche mir KollegInnen, die es wohlwollend akzeptieren, dass ich als Alleinerziehende<br />
mitarbeite, auch wenn meine Leistungsfähigkeit eine andere ist. Ich erlebe<br />
mein <strong>Kind</strong> als Bereicherung und nicht als Kropf. Ich wünsche mir das<br />
auch für das Team bei der Arbeit; es ist eine Bereicherung, wenn Eltern mit<br />
ihren persönlichen Erfahrungen mitarbeiten, auch wenn sie wegen <strong>Kind</strong>erkrankheiten<br />
mal unvermutet und ungeplant ausfallen. Gerade für die Geburtshilfe<br />
finde ich es bereichernd, wenn im Team auch Frauen arbeiten, die selber<br />
geboren haben, also Mütter sind. Das als Forderung zu formulieren klingt<br />
paradox. So beschränkte sich der 105. Deutsche Ärztetag mit dem Schwerpunktthema<br />
„Ärztinnen“ auch darauf, bessere Betreuungsangebote für <strong>Kind</strong>er<br />
zu schaffen und ein Mentorinnenprogramm für die Karriereplanung von<br />
Ärztinnen einzurichten.<br />
Freundinnen und Freunde, die selber <strong>Kind</strong>er haben, fragen mich manchmal,<br />
wie ich das alles schaffe, und dabei meistens noch gute Laune habe. Ich bin es<br />
nicht anders gewöhnt und ich habe ein tolles Geschenk, das mir jeden Tag<br />
aufs Neue das Herz erfreut: Antonia.<br />
Und sie ist, glaube ich, auch froh über mich und meine Art zu leben. Ich bin<br />
zufrieden, weil ich <strong>Mutter</strong> und Ärztin sein kann, auch wenn mich dieser Spagat<br />
in manchen Momenten zu zerreißen droht. In der Zeitschrift „Brigitte“ lief<br />
jüngst eine Umfrage zum Thema Mütter, das Ergebnis war, dass deutsche<br />
Mütter unzufrieden sind, mehr Betreuung für die <strong>Kind</strong>er und mehr Anerkennung<br />
fordern. Ja, denke ich mir, ich bin des Forderns müde. Ich will nicht<br />
tauschen, nur ab und zu ein Mittel gegen ein allzu schlechtes Gewissen, das<br />
wäre gut.<br />
Wenn’s denn sein muss – mache ich Karriere, werde Vorgesetzte und freue<br />
mich über eine <strong>Mutter</strong> als Kollegin!<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Dr. Marion Hulverscheidt<br />
studierte Medizin in Kiel und<br />
<strong>Göttingen</strong>. Sie lebt und arbeitet in<br />
Kassel. Sie promovierte in der<br />
Medizingeschichte mit einem<br />
Stipendium der Heinrich-Böll-<br />
Stiftung.<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 15
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Ein Ein kleiner kleiner Literaturüberblick Literaturüberblick und<br />
und<br />
Gedank Gedanken Gedank en zum zum T TThema<br />
T hema „V „<strong>Vater</strong> „V ter ter-<strong>Kind</strong> ter -<strong>Kind</strong> und und <strong>Mutter</strong>“<br />
<strong>Mutter</strong>“<br />
von on Carmen Carmen FF<br />
Franz FF<br />
anz<br />
Bei Diskussionen über „die<br />
<strong>Mutter</strong>“ sitzt unweigerlich „der<br />
<strong>Vater</strong>“ stumm mit am Tisch. Die<br />
Begriffe sind für uns so fest verbunden<br />
wie Hammer und<br />
Nagel, Schwarz oder Weiß. In<br />
der realen Beziehung zum <strong>Kind</strong><br />
und seiner Entwicklung scheinen<br />
sie zwar zusammengehörig<br />
aber getrennt zu marschieren.<br />
Wir haben alle sozusagen mit<br />
der <strong>Mutter</strong>milch aufgesäugt,<br />
dass nur die <strong>Mutter</strong> für eine<br />
gesunde Entwicklung des<br />
<strong>Kind</strong>es unentbehrlich ist. Das<br />
Fehlen des <strong>Vater</strong>s wird zwar<br />
bedauert, es wird ihm aber<br />
keinerlei Neurose stiftenden<br />
Anteil bei der Diagnose späterer<br />
Verhaltensauffälligkeiten der<br />
<strong>Kind</strong>er zugestanden. Die ideologischen<br />
Auseinandersetzungen<br />
lassen zufällige, unbeteiligte,<br />
überforderte, klammernde, lieblose<br />
Mütter, sowie sorgende,<br />
liebende, mitleidende Väter<br />
nicht zu. Das relativ neue Gebiet<br />
der <strong>Vater</strong>forschung, versucht der<br />
Rolle des <strong>Vater</strong>s auf die Spur zu<br />
kommen, bei meiner Surftour<br />
fand ich erste Ergebnisse.<br />
16 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
„<strong>Vater</strong>sein ist eine Herausforderung an den Mann“, sagt Wilhelm Faix,<br />
Dozent am theologischen Seminar im Lebenszentrum Adelshofen, der sich<br />
vor allem mit der Rolle des <strong>Vater</strong>s in der christlichen Familie auseinandersetzt.<br />
Da Männer in unserer Gesellschaft keine Beachtung und Anerkennung fänden,<br />
sei es nicht verwunderlich, wenn sie sich von der Verantwortung zurückzögen.<br />
Faix erklärt seine vaterlose Gesellschaft mit dem Fehlen des <strong>Vater</strong>s im<br />
2. Weltkrieg. Da die Kriegs- und Nachkriegsgeneration ohne Väter aufwuchs,<br />
konnten sie ihrerseits kein <strong>Vater</strong>bild vermitteln. Möglicherweise sei aber auch<br />
„die Beziehung zu Gott dem <strong>Vater</strong>, der Urheber der <strong>Vater</strong>schaft ist, nicht in<br />
Ordnung“. Beides zusammen führt dazu, dass „Männer in ihrer <strong>Vater</strong>rolle<br />
keine Erfüllung ihres Mann-Seins (finden), weil sie eher im Beruf, Hobby oder<br />
ehrenamtlichen Aufgaben aufgehen (...). In diesen Beschäftigungen bekommt<br />
er Selbstbestätigung, die ihm das <strong>Kind</strong> nicht geben kann (...). Insofern begriffen<br />
Männer nicht, dass <strong>Vater</strong>schaft Veränderung bedeuten könne. „Seine<br />
Sachorientierung (bekäme) eine Wende zur Hingabe an die <strong>Kind</strong>lichkeit. Dieses<br />
Sich-Hinwenden an den hilflosen Säugling und später zum <strong>Kind</strong> gehört zu<br />
den größten Herausforderungen des Mannes. Was der Frau als <strong>Mutter</strong> von<br />
der Natur gegeben scheint, muss der Mann mühsam erringen ...“.<br />
Schnell sind wir beim Klischee, aber der Mann an sich verschwindet mit in der<br />
Schublade, wenn es heißt: „Mann und Frau sind in ihrem Wesen unterschiedlich.<br />
Diese Unterschiede sind gottgewollt und haben ihren Sinn. Darum verhalten<br />
sich auch Väter ihren <strong>Kind</strong>ern gegenüber anders als Mütter. Der <strong>Vater</strong><br />
verkörpert in der Regel Stärke, Furchtlosigkeit, Mut, Kampf, Sicherheit und<br />
anderes mehr (dies ist keine Satire!!).<br />
Es liegt mir wirklich fern, beide Autoren in einen Topf zu werfen, mir sprang<br />
nur die Ähnlichkeit der Gedanken in die Augen, als ich in einer Sprüchesammlung<br />
von <strong>Georg</strong> Mosse folgendes fand: Josef Goebbels 1929 Die Vogelfrau:<br />
„Die Frau hat die Aufgabe schön zu sein und <strong>Kind</strong>er zur Welt zu bringen.<br />
Das ist gar nicht so roh und unmodern, wie es sich anhört. Die Vogelfrau<br />
putzt sich für den Mann und brütet für ihn die Eier aus. Dafür sorgt der Mann<br />
für die Nahrung. Sonst steht er Wacht und wehrt den Feind ab...“.<br />
Die Entwicklung einer sicheren Bindung an das <strong>Kind</strong> hilft dem Mann in Not<br />
und Faix macht Vorschläge dazu, wie dies gelingen kann. Zunächst rät er zu<br />
Spiel, Spaß und Unternehmungen, aber auch Gespräch und Auseinandersetzungen<br />
sollen nicht fehlen. Dies scheuten Väter, da sie häufig das Gefühl hätten,<br />
unterlegen zu sein. Darüber hilft ihnen sicher die Autorität hinweg, die für<br />
<strong>Kind</strong>er nicht nur wichtig sei, sie sollten sich ihr auch unterordnen können. Dies<br />
gelänge nur, wenn die <strong>Mutter</strong> bei Konflikten nicht ständig vermittle und damit<br />
die Außenseiterrolle des <strong>Vater</strong>s verstärke.<br />
Nachdem die derart Gescholtene den Mund hält wird „das <strong>Vater</strong>bild (...)<br />
somit richtungweisend für das männliche Vorbild des Sohnes und prägend<br />
für das spätere Partnerbild der Tochter. Wenn Männer wieder lernen Väter zu<br />
sein, wird es in ein oder zwei Generation in unserer Welt wieder besser aussehen“.<br />
Nun, Hoffnung ist angezeigt, wir haben ja auch die Wacht am Rhein<br />
überwunden.<br />
Andere, aus feministischer Sicht historisch überkommene Funktionen des<br />
Mannes beschreibt Stephan Barth, Dipl. Pädagoge und Dipl. Sozialarbeiter, in<br />
„<strong>Vater</strong>schaft im Wandel“. So sei der <strong>Vater</strong> in seiner früheren Hauptrolle des<br />
Ernährers durch die Berufstätigkeit von 2/3 der Frauen vom Prinzip her nicht
Hat der Beruf<br />
des <strong>Vater</strong>s Einfluss<br />
auf die Entwicklung<br />
der <strong>Kind</strong>er ?<br />
Legen Väter keinen<br />
Wert auf Erziehung ?<br />
Foto: privat<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
mehr erforderlich. Die große Zahl allein erziehender Mütter wiese auch darauf<br />
hin. Allerdings, so Barth, habe die berufliche Stellung des <strong>Vater</strong>s großen<br />
Einfluss auf die schulische und berufliche Entwicklung der <strong>Kind</strong>er (siehe PISA-<br />
Studie). Was wurde aus dem <strong>Vater</strong> als Erzieher? Er sei im Laufe der Zeit<br />
durch die Institutionen abgelöst und „durch die Väter selbst, die ihre Erziehungsfunktion<br />
schmälern, indem sie sie eher als Nebenrolle definieren und<br />
in den Verantwortungsbereich der <strong>Mutter</strong> stellen“. Inwieweit ist die <strong>Vater</strong>rolle<br />
als Beschützer noch gefragt? Sie ist zumindest dort entbehrlich, wo keine<br />
marodierende Soldateska zu erwarten ist. (Der Schutz vor schlagenden und<br />
missbrauchenden Vätern soll hier nicht diskutiert werden).<br />
Wer verhilft nun den überlebten Vätern zur erneuten Existenz? Die Psychologie.<br />
Lange beherrschten psychoanalytische Vorstellungen mit ihrer Konzentration<br />
auf die prägende Wirkung der <strong>Mutter</strong>brust die Entwicklungspsychologie.<br />
Erst zögerlich wurden zur Erklärung kindlicher Entwicklung<br />
und Verhaltens Theorien aus der allgemeinen Psychologie herangezogen. So<br />
gewannen die klassischen Lerntheorien oder Theorien des sozialen Lernens<br />
zunehmend Einfluss auf die Interpretation der Funktionen von <strong>Mutter</strong> und<br />
<strong>Vater</strong>. Eine weitere Differenzierung bot der Systemische Ansatz. Hier steht<br />
die Interaktion der Familienmitglieder im Vordergrund. Aber auch der Einfluss<br />
kultureller oder sozio-ökonomischer Faktoren auf das Familiensystem wird<br />
mit einbezogen. Barth fasst die Ergebnisse der <strong>Vater</strong>forschung der letzten<br />
Jahre zusammen: „... Beide Eltern entwickeln unter entsprechenden Bedingungen<br />
enge emotionale Beziehungen zum <strong>Kind</strong>, (...) Dabei spielt für das<br />
Entstehen dieser Bindung nicht das rein zeitliche Ausmaß an gemeinsamer<br />
Interaktion die ausschlaggebende Rolle, sondern allein die Qualität der Interaktion<br />
(...). Lerntheoretisch gesehen handelt es sich um eine „intermittierende<br />
Verstärkung“, was besagt, dass ein Ereignis besonders im Gedächtnis haftet,<br />
wenn es in gewissen Zeitabständen immer wieder auftritt. Wissenschaftlich<br />
gesehen können sich die Mütter den Mund fusselig reden, da stellt man die<br />
Ohren auf Durchzug, das seltene „Machtwort“ des <strong>Vater</strong>s entfaltet demgegenüber<br />
seine Wirkung.<br />
So können wir feststellen, dass Väter durchaus nicht bedeutungslos sind, nur<br />
zeigt sich, dass sie „ allzu häufig gar keinen Wert darauf legen, ihre Potentiale<br />
in die Erziehung einzubringen.“<br />
Zuviel des Guten wäre zudem für sie auch gefährlich. In einer Schlagzeilenmeldung<br />
von yahoo.com news las ich, dass „Hausmänner und Geschlechtsgenossen,<br />
deren Arbeit oder soziale Rolle sich außerhalb der Norm befindet, (...)<br />
häufiger an einer Herzerkrankung (leiden) und auch früher sterben (...). Laut<br />
Eaker haben Männer, die als Erwachsene die meiste Zeit die Rolle des Hausmannes<br />
ausüben, gegenüber ihren außer Haus arbeitenden Kollegen eine über<br />
82 Prozent erhöhte Sterblichkeitsrate (...)“!<br />
Wer will für tote Hausmänner verantwortlich sein, deshalb die Frauen doch<br />
lieber in das Haus? Zumindest hat Barth einen Trost, wenn er feststellt, dass ...<br />
die exklusive <strong>Mutter</strong>-<strong>Kind</strong>-Beziehung offensichtlich in weiten Bereichen eher<br />
ein Mythos als biologisch determinierte Realität ist (...).<br />
Soll die Menschheit an der <strong>Vater</strong>schaft genesen, muss zunächst die böse Erwerbstätigkeit<br />
von Müttern, die <strong>Kind</strong>er in den seelischen Ruin treibt, eingeschränkt<br />
werden. Ob sie nicht doch aus der Abteilung Mythen und Märchen<br />
entlief, versucht Martin Dornes, aus dem Institut für Medizinische Psychologie<br />
der <strong>Universität</strong> Frankfurt/M, herauszufinden. Er bezieht sich vor allem auf<br />
Untersuchungen zur Qualität der Bindungsfähigkeit, wenn <strong>Kind</strong>er früh von<br />
der <strong>Mutter</strong> weg in eine Fremdbetreuung gegeben werden. Eine früh erlernte,<br />
auf Vertrauen und Verlässlichkeit gegründete Fähigkeit zur Bindung ist für<br />
spätere Konfliktbewältigung nicht unerheblich.<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 17
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Mütterliche<br />
Berufstätigkeit als<br />
Risikofaktor ?<br />
„Was Mütter wollen,<br />
was Mütter brauchen“<br />
18 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
Besonders umfangreich wurde dies an 1364 amerikanischen Familien vom<br />
National Institute of Child Health and Human Development untersucht. Martin<br />
Dornes beantwortet seine Frage „Mütterliche Berufstätigkeit als Risikofaktor?“<br />
zusammenfassend: „Nach der derzeitigen Datenlage kann – selbst wenn man<br />
eine Kultur wie die amerikanische untersucht, in der die mütterliche Berufstätigkeit<br />
nicht uneingeschränkt begrüßt wird – diese Berufstätigkeit bei genauerer<br />
Untersuchung nicht einmal als Risikofaktor für einen Risikofaktor betrachtet<br />
werden, d.h. sie erhöht nicht die Wahrscheinlichkeit einer unsicheren Bindung,<br />
wenn diese Wahrscheinlichkeit nicht schon vorher (durch intensive <strong>Mutter</strong>-<strong>Kind</strong>-Interaktion)<br />
erhöht ist. Kurz: eine sichere Bindungsbeziehung wird<br />
durch die Berufstätigkeit und Fremdbetreuung nicht unsicher und eine unsichere<br />
nicht sicher“. Verstanden?<br />
Warum löst die Berufstätigkeit von Müttern dennoch Kontroversen aus? Haben<br />
wir den Feind in den eigenen Reihen? Auf meiner Surftour fand ich einen<br />
Hinweis auf ein Buch mit dem Titel „Freie Wahl für freie Mütter!“ von Ulrike<br />
Horn. Ach du liebe Zeit dachte ich, schon wieder das reine Mütterglück. Ganz<br />
so platt löst die Autorin das Problem nicht. Sie bezieht sich z.B. auf eine<br />
Umfrage des Bundesfamilienministeriums zur „Gleichberechtigung von Frauen<br />
und Männern“, in der u. a. 85% der Frauen im Westen der Ansicht sind, es sei<br />
für eine Frau das Beste, wenn sie nach der Geburt eines <strong>Kind</strong>es entweder<br />
Erziehungszeit nimmt (42%) oder gar eine noch längere Berufspause einlegt<br />
(43%)“. Im Osten wird ähnlich geantwortet. Die Autorin interpretiert diese<br />
Ergebnisse: „Insgesamt zeigen die Umfragen, dass Frauen im Grunde genommen<br />
sehr tolerant sind und grundsätzlich allen Lebensentwürfen gleiche<br />
Bedeutung beimessen. Ihr Wunsch ist es offensichtlich, dass jede Frau ihren<br />
Lebensentwurf frei gestalten kann und als <strong>Mutter</strong> die Freiheit hat, Familie und<br />
Beruf entsprechend ihren Neigungen, Fähigkeiten und familiären Erfordernissen<br />
zu vereinbaren“. Ist das nicht erhebend? Nix mit Konkurrenz unter<br />
Weibern!<br />
Es scheint allerdings so, dass Toleranz dort aufhört, wo Hürden sich unüberwindlich<br />
zeigen. In der Frauenzeitschrift BRIGITTE zeigte eine Umfrage zum<br />
Thema „Was Mütter wollen, was Mütter brauchen“,<br />
- 72.2 % beklagen die kinderfeindlichen Verhältnisse in Deutschland<br />
- 63,8 % ärgern sich darüber, dass <strong>Kind</strong>er als reines „Privatvergnügen“<br />
angesehen werden<br />
- 76,3 % der Mütter von kleinen <strong>Kind</strong>ern klagen über fehlende<br />
Betreuungsmöglichkeiten<br />
- 59,1 % aller Mütter wünschen sich eine qualifizierte Teilzeittätigkeit usw.<br />
Deprimiert, da eine Untersuchung des Frauenbüros vor zwei Jahren ein ähnliches<br />
Ergebnis zeigte, lese ich dies meiner Tochter, die zu Besuch ist, vor.<br />
„Oh, Mami, hör bloß auf mit deinem Gejammere über die schlechten Verhältnisse<br />
für Frauen in Deutschland. Ich kann diese Opferoper nicht mehr<br />
hören. Wenn deine Frauen wirklich eine Veränderung wollten, gerade in deiner<br />
Klinik, wo sie die Mehrheit haben, dann gäbe es sie auch, die sind einfach<br />
zu schlapp, zu bequem, die wollen doch zuhause bleiben und haben offenbar<br />
genau das, was sie verdienen!!!!“ (meine Tochter ist leitende Hebamme einer<br />
großen Kommune in Dänemark, voll berufstätig, <strong>Mutter</strong> von zwei <strong>Kind</strong>ern<br />
(jetzt 11 und 13 Jahre alt) und hat einen karrierebewussten Ehemann). Zunächst<br />
platzte mir der Kragen, „willst du etwa die Opfer zu Tätern machen?“<br />
schimpfte ich zurück. Nachdem ich mich beruhigt hatte, dachte ich nach. Hatten<br />
wir nicht beide etwas Recht?<br />
Bei meiner darauf folgenden Innen-Sicht, ließ ich alle „<strong>Mutter</strong>-Frauen“ mit<br />
starken beruflichen Interessen, die ich kannte, Revue passieren und ich stellte
Wer sich anstrengt,<br />
bekommt auch,<br />
was er will ?<br />
Was ist in<br />
skandinavischen<br />
Ländern anders ?<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
fest, dass die meisten von ihnen ihr Ziel erreicht hatten. Manchmal gegen ihren<br />
Ehemann, Schwiegermütter, immer gegen sonstige widrige Umstände. – Ich<br />
weiß, dass ich mich jetzt auf einen kritischen Punkt hin bewege. Nein, ich bin<br />
nicht der Meinung, dass „wer sich nur anstrengt, auch bekommt, was er will“.<br />
Ich habe auch keine pauschalierende Erklärung für Gelingen oder Scheitern -<br />
In meiner Tätigkeit als Psychotherapeutin war häufig Abhängigkeit bzw. Wünsche<br />
nach Selbstständigkeit, noch mal - oder endlich mal - was - ausprobieren<br />
wollen, Thema meiner Klientinnen. Wenigen wuchs die Kraft zu, sich trotz<br />
anderen Wollens gegen die Normen ihres Umfeldes, die wie eingebrannt schienen,<br />
durchzusetzen. Allenfalls ein Kurs bei der VHS. Ich erinnere an die Besorgnis<br />
einer Klientin, die sich nach langem Ringen von ihrem ständig alkoholisierten<br />
Ehemann trennte „was werden die im Dorf bloß denken, es trinken<br />
doch so viele Ehemänner, aber seinen Mann verlässt man doch deswegen<br />
nicht“. Als das Pflegegeld eingeführt wurde erlebte ich nicht selten das Aus<br />
des Traumes von der Berufstätigkeit, die auch weg von der Umklammerung<br />
der Familie führen sollte. Es gab jetzt keinen offiziellen Grund mehr, sich<br />
draußen umzusehen. Geld gab’s für die bislang unbezahlte Pflege von Oma<br />
und Opa frei Haus „und für die <strong>Kind</strong>er ist es auch besser“.<br />
Was zementiert zum einen die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bei uns<br />
(und damit auch die Unterbelichtung des <strong>Vater</strong>s) und was ist in den skandinavischen<br />
Ländern anders? Hans-Peter Blossfeld (Soziologe) war Leiter einer Studie<br />
„Karrieren von Ehepartnern in der modernen Gesellschaft.“ In einem<br />
Interview der Zeitschrift „Psychologie Heute“ beantwortete er diese Frage: ...<br />
es gibt grundlegende stereotype Rollenerwartungen: zur männlichen Rollendefinition<br />
gehörte nie und gehört heute auch nicht die Beteiligung an Haushalt<br />
und Familienaufgaben. (...) wenn Männer ein hohes Einkommen haben, dann<br />
ist die ökonomische Basis der Familie gesichert: und sie haben ein hohes Interesse<br />
daran, dass sich ihre Frauen möglichst auf die familiären Aufgaben konzentrieren(...).<br />
Damit sei vor allem die Konzentration auf Ausbildungsfragen<br />
gemeint, damit die <strong>Kind</strong>er gewünschte Aufstiegschancen erhielten. „Die schwedischen<br />
Männer verhalten sich zu Hause auch sehr traditionell, aber sie haben<br />
ein Interesse daran, dass ihre Frauen Geld nach Hause bringen und deswegen<br />
fördern sie die Berufstätigkeit ihrer Frauen“. Dem stehen die Dänen in nichts<br />
nach. Im Gegensatz zur Bundesrepublik wurden in Skandinavien Rahmenbedingungen<br />
geschaffen, die Gedanken über <strong>Kind</strong>erbetreuung und Ganztagsschulen<br />
überflüssig machen. Unsere Politiker-Männer entdecken erst jetzt, dass<br />
es uns schon lange nicht mehr so gut geht, um generös zu sagen „Meine Frau<br />
muss nicht arbeiten“.<br />
Professor Blossfeld sieht auch einen Ausweg aus den Dilemma: Integration der<br />
Männer in die Familie! Emanzipatorisches Ziel sei es immer nur gewesen,<br />
Frauen in ein Beschäftigungssystem zu integrieren. „Die gemeinsame Verantwortung<br />
für Hausarbeit und <strong>Kind</strong>ererziehung über sozial-rund steuerpolitische<br />
Maßnahmen zu fördern wäre der Dreh- und Angelpunkt ...“. Aber ändert<br />
das Motto „wer nicht hören will, muss fühlen“ etwas in den Köpfen?<br />
Der kollektive Zwang zum „ Nur-<strong>Mutter</strong>-Sein“ war bislang so wirksam, dass<br />
gut ausgebildete Frauen mit glänzenden Zeugnissen und besten Examina sangund<br />
klanglos auf ein spannendes, interessantes, Selbstwert potenzierendes<br />
Berufsleben verzichten und die kollektive Ausgrenzung der Väter ihrer <strong>Kind</strong>er<br />
implizit mit betreiben. Warum hat aber der ideologische Druck in Ländern<br />
mit eher kirchlich dominierten Wertvorstellungen wie Spanien oder Italien –<br />
aber auch Frankreich – nicht die gleichen Auswirkungen? Dort sind viel mehr<br />
Frauen erfolgreich berufstätig und die Angst vor neurotischen <strong>Kind</strong>ern grassiert<br />
auch nicht ? Sind dort Männer eher Väter? Nix Machismo? Mir fiel eine<br />
Rezension über „Die deutsche <strong>Mutter</strong>. Der lange Schatten eines Mythos“ von<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 19
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
„Frauen sind dämlich“<br />
Literatur:<br />
Stephan Barth: <strong>Vater</strong>schaft im Wandel.<br />
www.vaeternotruf.de<br />
Barbara Bierach: Das dämliche Geschlecht.<br />
Warum es kaum Frauen im<br />
Management gibt. Wiley VCH Verlag,<br />
Weinheim, 2002<br />
Hans-Peter Blossfeld: Die Männer setzen<br />
einfach ihre Karriere fort. Psychologie<br />
Heute Juni 2002<br />
BRIGITTE 12/2002: Umfrageergebnis<br />
zur Fragebogenaktion „Was Mütter<br />
wollen, was Mütter brauchen“<br />
Martin Dornes: Mütterliche Berufstätigkeit<br />
als Risikofaktor? www.liga-kind.de<br />
Wilhelm Faix: Der Mann als <strong>Vater</strong>.<br />
www.lza.de<br />
Siegfried Klammsteiner: Wie die neuen<br />
Väter handeln.<br />
www.familienperspektiven.at/3/<br />
siegfr.htm<br />
<strong>Georg</strong> Mosse: Familie in der Ideologie<br />
des Nationalsozialismus. http//<br />
viadrina.euv-frankfurt-o.de<br />
Antje Schrupp: Interview mit der Philosophin<br />
Luisa Murano.<br />
www.antjeschrupp.de<br />
Barbara Vinken: Die Deutsche <strong>Mutter</strong>.<br />
Der lange Schatten eines Mythos. Piper<br />
Verlag 2001<br />
Yahoo.com/news: Schlagzeilen 29. 4.<br />
2002<br />
20 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
Barbara Vinken in die Hände. Sie legt offenbar in einem Exkurs von Luther<br />
über Rousseau und Pestalozzi bis zum „ethischen Feminismus“ die Muster<br />
frei, die bestimmen, dass Frauen sich trotz formaler Gleichberechtigung freiwillig<br />
auf die <strong>Mutter</strong>rolle reduzieren. Da das Buch erst im Herbst erscheint,<br />
werde ich erst dann verstehen, was mich heute so verwundert.<br />
Die Wissenschaftsjournalistin Barbara Bierach bot mir eine schlichte Erklärung<br />
„Frauen sind dämlich“. Sie behauptet, es stimme nicht, dass Männer am<br />
Frauenelend Schuld seien. Frauen seien nicht intellektuell schwächer als Männer,<br />
aber sie sind dämlich, weil sie sich nicht einfach die Hälfte des Himmels<br />
nehmen und sich immer noch mit den Krümeln von den Tellern der Macht<br />
abspeisen lassen. Die akademisch gebildete Weiberschaft in diesem Land könnte<br />
längst die Hälfte der Chefsessel unter dem Hintern haben, wenn sie endlich<br />
handelte, statt dem Spielfeld beleidigt den Rücken zu kehren“.<br />
Kann es sein, frage ich mich, dass viele Frauen in diesem Land das Spiel doof<br />
finden? Von wem ist eigentlich konkret die Rede? Die Mehrheit der Frauen ist<br />
schon berufstätig, und vielleicht will es ein Teil des verbleibenden Rests den<br />
Männern gar nicht gleichtun und ihre Erfüllung im täglichen Karrierestress<br />
suchen. Möglicherweise ist das seit Jahrhunderten notwendige ökonomische -<br />
und neuzeitlich - das psychologische Muss zur Arbeit ein wichtiger Grund.<br />
Wer entflieht nicht gerne dem Arbeitsdienst, wer träumt nicht heimlich davon,<br />
den Tag nach dem eigenen Rhythmus zu gestalten oder die Bewältigung notwendiger,<br />
selten gewürdigter Arbeiten wenigstens selbst zu organisieren? Es<br />
gibt doch nicht nur Traumjobs im höheren Management. Interessen zu entfalten<br />
ist nicht an Arbeit gebunden. Ist die große Anzahl von Frauen, die laut<br />
Untersuchungen ihr erzwungenes Leben zu Haus satt haben, möglicherweise<br />
ein Artefakt der Selektion, weil nur die in unserem System Benachteiligten die<br />
Fragebögen beantworten?<br />
Sie sind aber offenbar nicht so unzufrieden, dass sie sich massiv zur Wehr<br />
setzen, verbündet mit denjenigen, die sich irgendwie durch die <strong>Kind</strong>erbetreuungsmisere<br />
durchwurschteln. Warum besetzen sie nicht die Rathäuser<br />
oder Parteizentralen, in denen soviel von „<strong>Kind</strong>er sind unsere Zukunft“ geschwafelt<br />
wird? Ist also der run auf Chefsessel die Turnübung einer unentschlossenen<br />
Minderheit und halten viele nicht ein anderes Sitzmöbel für erstrebenswerter?<br />
Oder entstehen ganz andere Welten?<br />
An diesen Fragen und Beobachtungen setzen möglicherweise die Ideen der<br />
Gruppe um die Philosophie-Professorin Luisa Murano aus Mailand an, die in<br />
einem Interview mit Antje Schrupp erläutert, dass es darum ginge „eine Entwicklung<br />
zu erkennen, die eher symbolischer Natur ist, die im Denken stattfindet<br />
(...), dass es die männliche Überlegenheit heute so nicht gibt (...) sie<br />
verliert ihre Bedeutung, weil immer mehr Frauen nicht mehr daran glauben<br />
(...). Das Patriarchat ist zu Ende, weil Frauen ihm keinen Kredit mehr einräumen“.<br />
Dies würde bedeuten, dass viele Frauen, zumindest in Italien, nicht<br />
mehr darauf warten, dass sich die Zeiten ändern. Falls im Zuge der Globalisierung<br />
dieser Trend auch zu uns vorstößt müssen Väter-Männer sich sputen,<br />
wollen sie dem Nichts entgehen. Wertvolle Anregungen bietet Siegfried<br />
Klammsteiner in „Wie die neuen Väter handeln“.
Herr Haupt, Sie sind vielen Beschäftigten<br />
hier bekannt, würden Sie sich<br />
vielleicht trotzdem kurz vorstellen und<br />
etwas zu Ihrer Biografie sagen?<br />
Ich bin Krankenpfleger, seit 1969 im<br />
Klinikum beschäftigt. Seit 1978 bin ich<br />
Pflegedienstleitung in verschiedenen<br />
Bereichen. Seit 1985 versorge ich als<br />
allein erziehender <strong>Vater</strong> meine beiden<br />
Söhne, die damals 3 und 6 Jahre alt<br />
waren.<br />
Das <strong>Kind</strong>erbetreuungsproblem war<br />
doch damals dann relativ dominant,<br />
oder? Sie standen alleine, waren voll<br />
berufstätig?<br />
Ich war voll berufstätig, hatte keine<br />
Verwandten und auch sonst niemanden.<br />
Ich wusste manchmal abends um<br />
22.00 Uhr nicht, wo ich am nächsten<br />
Tag die <strong>Kind</strong>er lassen sollte. Die ersten<br />
zwei Jahre waren unheimlich<br />
stressig, das wünsche ich niemanden<br />
und ich würde das auch nicht noch<br />
einmal in der Form erleben wollen.<br />
Es ist einfach hart, von heute auf<br />
morgen dazustehen und alles organisieren<br />
zu müssen. Die größte Sorge<br />
war immer, wo bleiben am nächsten<br />
Tag die <strong>Kind</strong>er, denn um sie allein zu<br />
lassen, waren sie damals zu klein.<br />
Welchen Beruf haben Sie zu diesem<br />
Zeitpunkt ausgeübt? Waren Sie zu<br />
dem Zeitpunkt als Krankenpfleger<br />
beschäftigt?<br />
Nein, da war ich schon Pflegedienstleitung.<br />
Ich habe noch den Vorteil<br />
gehabt, dass ich durch meine Tätigkeit<br />
nicht mehr im Schicht- und<br />
Nachtdienst eingesetzt war. Ich kann<br />
gut verstehen, dass die Leute, die im<br />
Schicht- und Nachtdienst arbeiten<br />
große Schwierigkeiten haben.<br />
Gab es damals schon die Kliniks-<br />
<strong>Kind</strong>ertagesstätte mit ihren erweiterten<br />
Öffnungszeiten?<br />
Die gab es schon. Ich hatte aber verschiedene<br />
andere Möglichkeiten: den<br />
<strong>Kind</strong>ergarten, den Hort, zeitweise<br />
auch hier in der Einrichtung. Aber der<br />
Ältere wollte dort nicht mehr hingehen.<br />
Wir haben deshalb viel gestritten<br />
und diskutiert. Ich habe dann gesagt,<br />
„o. k. wir probieren es aus, du gehst<br />
nach der Schule nach Hause und<br />
bleibst dort und wir werden sehen,<br />
ob du das Alleinsein aushälst“. Er hat<br />
es ausgehalten. Es war ihm immer<br />
noch lieber als in die <strong>Kind</strong>ertagesstätte<br />
zu gehen, weil er dort auch von<br />
seinen Mitschülern verspottet wurde,<br />
„der geht noch in den <strong>Kind</strong>ergarten“.<br />
War es denn ein großer Einschnitt für<br />
Sie und die <strong>Kind</strong>er, dass sich die ganze<br />
äußere Betreuungssituation verändert<br />
hat?<br />
Ja, das war für alle ein gewaltiger Einschnitt.<br />
Beide <strong>Kind</strong>er hatten zwar<br />
<strong>Kind</strong>ergartenerfahrung. Trotzdem ist<br />
es eine Veränderung, plötzlich nur mit<br />
einem Elternteil zusammen zu leben<br />
und eine Ganztagsbetreuung in Anspruch<br />
nehmen zu müssen. Die <strong>Kind</strong>er<br />
mussten dann eben viel länger in<br />
der Betreuungseinrichtung bleiben als<br />
vorher. Der <strong>Kind</strong>ergarten schloss um<br />
17.00 Uhr. Als Pflegedienstleitung hat<br />
man nicht immer pünktlich Feier-<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
GEORGIA GEORGIA führte führte ein ein Interview<br />
Interview<br />
mit mit Ulrich Ulrich Haupt Haupt zum zum Thema<br />
Thema<br />
„Väter „Väter – – Mütter Mütter – – <strong>Kind</strong>er“<br />
<strong>Kind</strong>er“<br />
abend, mal so mal so. Oftmals bin<br />
ich um 17.00 Uhr in Hetze dort gekommen,<br />
der Kleine saß dann schon<br />
weinend im Flur, weil die Betreuerinnen<br />
schon das Licht ausgemacht und<br />
Feierabend gemacht hatten, es war<br />
lediglich noch der Reinigungsdienst da.<br />
Es war für alle Beteiligten eine ausgesprochene<br />
Stresssituation.<br />
Haben Sie damals denn erwogen, Ihre<br />
Arbeitszeit zu reduzieren? Wäre das<br />
möglich gewesen?<br />
Ich habe das schon erwogen, aber<br />
dann hätte ich meinen Beruf als<br />
Pflegedienstleitung nicht mehr ausüben<br />
können. Ich hätte einen echten<br />
Karriereschnitt gehabt mit unabsehbaren<br />
Folgen. Ich habe abwägen<br />
müssen, was ist besser: zurück auf eine<br />
Station in Teilzeit mit dem Nachteil<br />
des Schicht- und Nachtdienstes oder<br />
Verbleib als Pflegedienstleitung mit<br />
Vollzeit und unregelmäßigen Arbeitszeiten,<br />
die ich oftmals nicht steuern<br />
konnte. Ich habe mich dann für dieses<br />
Modell entschieden, wohl wissend,<br />
dass meine <strong>Kind</strong>er dann eben sehr<br />
oft allein waren. Das ist kein schöner<br />
Gedanke. Vor allem wenn sie krank<br />
waren, war es immer eine schwierige<br />
Entscheidung: gehe ich zur Arbeit,<br />
gehe ich nicht zur Arbeit. Manchmal<br />
hat man die <strong>Kind</strong>er allein zu Hause<br />
gelassen, obwohl sie krank waren und<br />
ist mit einem ganz schlechten Gewissen<br />
zur Arbeit gegangen. Ich denke,<br />
dass kann jede allein erziehende <strong>Mutter</strong><br />
hier nachempfinden.<br />
Gab es damals keine Freistellungsmöglichkeit<br />
zur <strong>Kind</strong>erbetreuung bei<br />
Krankheit?<br />
Es gab, glaube ich, maximal fünf<br />
Pflegetage. Heute sind es zehn Tage<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 21
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
pro <strong>Kind</strong> für Alleinerziehende. Es ist<br />
immer wieder eine Gradwanderung<br />
zwischen Verantwortung für die <strong>Kind</strong>er<br />
und der beruflichen Verantwortung.<br />
Auch diese Sorge am Arbeitsplatz in<br />
Verruf zu kommen?<br />
Auch diese Sorge, ja. Wenn man beruflich<br />
derart gebunden ist, ist man<br />
nicht mehr so frei in seiner Zeitgestaltung<br />
und kann nicht so spontan<br />
sein wie man möchte oder es nötig<br />
wäre. Die Erfahrung habe ich gemacht<br />
und die machen sicherlich viele<br />
Alleinerziehende heute noch, das<br />
Verständnis für Alleinerziehende<br />
scheint mir nicht sehr ausgeprägt zu<br />
sein. Ich glaube nicht, dass sich da so<br />
viel geändert hat.<br />
Würden Sie sagen, es macht einen<br />
Unterschied, ob es sich um eine allein<br />
erziehende <strong>Mutter</strong> oder um einen allein<br />
erziehenden <strong>Vater</strong> handelt?<br />
Meines Erachtens gibt es da keinen<br />
Unterschied. Die Sorgen sind für beide<br />
gleich.<br />
Ich meine eher das Maß an Verständnis<br />
oder Solidarität auf das Alleinerziehende<br />
treffen oder nicht treffen. Ist<br />
es dabei unterschiedlich, ob es ein<br />
Mann oder eine Frau ist?<br />
Ich habe damals Dinge erfahren, die<br />
nicht hilfreich waren. Am häufigsten<br />
habe ich die Verwunderung wahrgenommen,<br />
„warum hast du denn die<br />
<strong>Kind</strong>er? Warum sind die nicht bei der<br />
<strong>Mutter</strong>?“. Es war ja Mitte der 80er<br />
Jahre noch ungewöhnlich, dass die<br />
<strong>Kind</strong>er bei den Vätern lebten. So richtig<br />
verstehen konnte das keiner, der<br />
nicht selbst in einer solchen oder ähnlichen<br />
Situation war. Wenn es um berufliche<br />
Dinge geht, glaube ich, wird<br />
jeder Alleinerziehende sagen, dass<br />
man sicherlich vorübergehend mal<br />
Verständnis erwarten kann, nicht jedoch<br />
über einen längeren Zeitraum.<br />
Man muss es auch verstehen, denn<br />
Sonderregelungen für Einzelne sind<br />
immer eine Belastung für die verbleibenden<br />
Kolleginnen und Kollegen.<br />
Und auch der Gedanke, dass jeder<br />
mal in eine derartige Situation kommen<br />
kann, hilft da nicht weiter.<br />
Und Sie meinen, ein Team kann so<br />
22 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
einen Dauerzustand auch gar nicht aushalten?<br />
Je besser ein Team ist, umso länger<br />
trägt es so was mit. Sind jetzt aber<br />
mehrere vergleichbare Situationen zu<br />
bewältigen in der Mannschaft, wird<br />
es schon schwierig, dann kann auch<br />
das Restteam das nicht mehr auffangen.<br />
Also Sie meinen, man ist da schon auf<br />
sich selbst angewiesen und muss es<br />
eigentlich weitgehend selbst regeln?<br />
Ich habe immer gesagt, der einzige,<br />
auf den ich mich verlassen kann, bin<br />
ich selber. Das war ein reiner Erfahrungswert.<br />
Man konnte vielleicht hier<br />
oder da mal Hilfe in Anspruch nehmen,<br />
aber richtig verlässlich war das<br />
selten. Das muss man selbst regeln.<br />
Wenn Sie zurückdenken, gab es, als<br />
die <strong>Kind</strong>er kleiner waren, eine besonders<br />
schwierige Situation oder Phase,<br />
die Sie noch so im Kopf haben, war<br />
es eher die Kleinkindzeit oder vielleicht<br />
eher die Pubertät?<br />
Die schlimmste Zeit waren die ersten<br />
zwei Jahre, weil die <strong>Kind</strong>er noch sehr<br />
klein waren und die Situation neu war.<br />
Die <strong>Kind</strong>er standen plötzlich vor dieser<br />
neuen Situation, man selber war<br />
ja auch sicherlich in einer Ausnahmesituation,<br />
zurückblickend war immer<br />
die Sorge, „bist du immer ausreichend<br />
auf die Nöte der <strong>Kind</strong>er eingegangen“,<br />
„hast du sie entsprechend begleitet“.<br />
Wahrscheinlich ist das eine<br />
Frage, die man nie mit Zufriedenheit<br />
beantworten kann. Es wird immer zu<br />
wenig sein. Ich muss sagen, nach zwei<br />
Jahren hatte sich die Situation so weit<br />
konsolidiert (die <strong>Kind</strong>er waren dann<br />
5 und 8 Jahre alt), dass es leichter<br />
wurde.<br />
Würden Sie heute sagen, Sie haben ein<br />
intensiveres Verhältnis oder eine intensivere<br />
Beziehung zu Ihren <strong>Kind</strong>ern,<br />
weil sie allein mit ihnen waren? Im<br />
Vergleich zu Vätern, die sich so ganz<br />
„normal nicht kümmern“ oder sich<br />
kaum kümmern?<br />
Das weiß ich nicht. Man hat ja keine<br />
Vergleichsmöglichkeit und als Alleinerziehender<br />
immer das Gefühl, man<br />
hätte noch mehr tun können. Die <strong>Kind</strong>er<br />
hätten noch mehr gebraucht.<br />
Ich würde Ihnen gern noch einen<br />
Petr etr etra etr a Steinbiß<br />
Steinbiß<br />
positiven Aspekt entlocken. Es klingt<br />
sehr nach „den Mangel verwalten“.<br />
Ja, das ist ja genau das, was die Alleinerziehenden<br />
bewegt, dass sie immer<br />
das Gefühl haben, einen gewissen<br />
Mangel ausgleichen zu müssen<br />
oder mit einem gewissen Mangel leben<br />
zu müssen. Das begleitet einen ja<br />
durch die ganzen Jahre. Natürlich gab<br />
es auch positive Seiten, das kann man<br />
sagen. Man ist wahrscheinlich<br />
unbewusst intensiver mit den <strong>Kind</strong>ern<br />
umgegangen. Natürlich habe ich mehr<br />
mit den <strong>Kind</strong>ern allein unternommen,<br />
z. B. bin ich mit ihnen in den Urlaub<br />
gefahren und ich habe Kochen gelernt.<br />
Ich bin kein begnadeter Koch geworden,<br />
aber ich habe mir ein wenig<br />
„deutsche Normalküche“ beigebracht.<br />
Sie betonen, dass es für allein erziehende<br />
Mütter und Väter eine sehr<br />
ähnliche Situation ist. Gibt es denn so<br />
aus Ihrer Sicht Unterschiede bezüglich<br />
der Außenwahrnehmung oder<br />
was das <strong>Kind</strong>swohl angeht?<br />
Das ist nicht abhängig vom Geschlecht<br />
des Erziehenden. Eine <strong>Mutter</strong><br />
kann das genau so gut wie ein <strong>Vater</strong><br />
und umgekehrt auch. Es gab aber<br />
Unterschiede in den Möglichkeiten: z.<br />
B. hätte ich damals sicherlich gern eine<br />
<strong>Vater</strong>-<strong>Kind</strong>-Kur in Anspruch genommen,<br />
das gab es damals nicht. Heute<br />
sind <strong>Vater</strong>-<strong>Kind</strong>-Kuren genauso<br />
Gang und Gäbe wie <strong>Mutter</strong>-<strong>Kind</strong>-<br />
Kuren, auch wenn der Anteil der allein<br />
erziehenden Väter immer noch<br />
unter 3% liegt. Mir als allein erziehendem<br />
<strong>Vater</strong> mit zwei Söhnen fehlte bei<br />
vielen Entscheidungen die weibliche<br />
Meinung. Eine reine Männerwirtschaft<br />
habe ich nie als sonderlich vorteilhaft<br />
gesehen. Ich glaube aber es ist leichter<br />
als <strong>Vater</strong> mit zwei Söhnen allein
zu leben als als <strong>Mutter</strong> mit zwei Töchtern,<br />
die sicherlich manchmal „zickiger“<br />
sind.<br />
Also ich denke, es ist wirklich ein<br />
Mangel, den <strong>Kind</strong>er erleiden, dass ihre<br />
Väter eigentlich abwesend sind. Väter<br />
sind in aller Regel, nicht oder nur<br />
in Maßen von <strong>Kind</strong>ern und für ihre<br />
<strong>Kind</strong>er ansprechbar oder greifbar.<br />
Das war bei Ihren Söhnen ja ganz<br />
anders, oder?<br />
Dem kann ich nur teilweise zustimmen.<br />
Während in einer kompletten<br />
Familie sich ein Elternteil um den<br />
Haushalt und der andere um die <strong>Kind</strong>erbetreuung<br />
kümmern kann, hat<br />
man als Alleinerziehender beide Aufgaben<br />
gleichzeitig zu erfüllen. Wobei<br />
leider zu befürchten ist, dass hierbei<br />
die Aufmerksamkeit für die <strong>Kind</strong>er<br />
zu kurz kommt.<br />
Also im Grunde haben Sie unter permanenter<br />
Zeitnot gelitten?<br />
Es ist Zeitnot. Es fehlt sowohl an Zeit<br />
für die <strong>Kind</strong>er als auch an Zeit für<br />
sich selbst. Allerdings ist es auch notwendig<br />
einfach mal abzuschalten und<br />
etwas nur für sich zu tun. Ich habe<br />
mir einfach, je älter die <strong>Kind</strong>er wurden,<br />
mehr Zeit für mich genommen.<br />
Was natürlich auch wieder hieß, die<br />
<strong>Kind</strong>er waren in der Zeit, die ich für<br />
mich hatte, eben wieder auf sich allein<br />
gestellt. Ich habe mit kurzen Zeitintervallen<br />
angefangen und sie dann<br />
später ausgedehnt.<br />
Gab es Dinge, die vorher ganz selbstverständlich<br />
in der Familie geregelt<br />
waren?<br />
Ja, wenn die Frau zu Hause und auch<br />
nicht berufstätig ist, organisiert sie z.B.<br />
die <strong>Kind</strong>ergeburtstage. Ich musste<br />
mich selbst darum kümmern. Wir<br />
haben immer relativ viele <strong>Kind</strong>er eingeladen.<br />
Ich habe das so lange gemacht,<br />
wie die <strong>Kind</strong>er das Bedürfnis<br />
hatten eben noch <strong>Kind</strong>er einzuladen.<br />
Ich habe auch angefangen, als ich allein<br />
erziehend war, den <strong>Kind</strong>ern immer<br />
zum Geburtstag einen Kuchen<br />
zu backen oder zwei. Das habe ich<br />
bis heute beibehalten.<br />
Wie eine <strong>Mutter</strong>, Herr Haupt.<br />
Ja, das habe ich vorher auch nicht<br />
gemacht. In einem Jahr konnte ich für<br />
den jüngeren Sohn keinen Kuchen<br />
backen, weil ich im Krankenhaus lag.<br />
Das hat er auch moniert. Er war noch<br />
sehr klein, er konnte das einfach nicht<br />
begreifen.<br />
Hatten Sie hier vor Ort eine Familie,<br />
die Sie unterstützen konnte?<br />
Nein, weder Familie noch sonst jemanden,<br />
der das irgendwie unterstützen<br />
konnte. Ein Erlebnis war sehr einschneidend:<br />
als der ältere Sohn in der<br />
<strong>Kind</strong>ertagesstätte im Hort untergebracht<br />
war, machten sie einen Ausflug.<br />
Ich bin als einziger Mann und<br />
Neu-Alleinerziehender mitgefahren,<br />
sonst nur Mütter und Erzieherinnen.<br />
Es war vorher ausgemacht, dass jeder<br />
irgendetwas zum Essen mitbringt,<br />
selbst gekocht selbstverständlich. Zu<br />
diesem Zeitpunkt hatte ich aber noch<br />
nicht kochen gelernt, also habe ich<br />
etwas Fertiges gekauft. Die Blicke der<br />
holden Weiblichkeit waren einfach<br />
vernichtend.<br />
Sie lächeln jetzt zwar dabei, damals<br />
war es aber wahrscheinlich für Sie<br />
nicht ganz so lustig?<br />
Es war überhaupt nicht lustig für<br />
mich, ich hatte auf ein bisschen Verständnis<br />
gehofft, aber da kam nichts.<br />
Die Verachtung war spürbar, „Der<br />
kann noch nicht mal kochen, wagt<br />
sich hier mit auf den Ausflug mit seinem<br />
Fertigzeug“.<br />
Dann kommen wir jetzt doch noch<br />
einmal zurück zu dem beruflichen<br />
Umfeld. Was würden Sie denn sagen,<br />
ist am Klinikum gut geregelt und was<br />
hat sich, vielleicht auch seitdem Sie in<br />
der akuten Situation waren, verbessert?<br />
Und wo würden Sie denken,<br />
sind Bereiche, wo noch mehr passieren<br />
müsste?<br />
Es gibt m. E. inzwischen mehr<br />
<strong>Kind</strong>ertagesstättenplätze, leider aber<br />
immer noch nicht genug.<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Also die <strong>Kind</strong>erbetreuung wurde verbessert.<br />
Wie ist es mit den Arbeitszeitregelungen?<br />
Für Alleinerziehende, meine ich, ist es<br />
nicht besser geworden. Früher hatte<br />
man die 40-Stunden-Woche, jetzt hat<br />
man die 38,5-Stunden-Woche, das<br />
sind 1,5 Stunden weniger. Natürlich<br />
zählt jede Viertelstunde, die man mehr<br />
für die <strong>Kind</strong>er hat und die man eher<br />
zu Hause ist. Aber so gravierend ist<br />
es eigentlich nicht, denn letzten Endes<br />
ist es egal, ob ich für 7 oder für<br />
7,5 Stunden eine Betreuung habe.<br />
Nach wie vor ist es sicherlich für jede<br />
allein erziehende Person, ob Mann<br />
oder Frau, ein Problem, wenn sie<br />
Nachtdienst oder Schichtdienst hat. Es<br />
ist schwer für diese Zeiten eine <strong>Kind</strong>erbetreuung<br />
zu bekommen. Wer<br />
möchte schon seine <strong>Kind</strong>er gern<br />
nachts allein lassen. Außerdem kann<br />
kein Haus so viele Plätze anbieten, die<br />
Sonderregelungen für betroffene Personengruppen<br />
zulassen. Wir haben<br />
viele beschäftigte Alleinerziehende,<br />
gerade auch in Teilzeit, die würden<br />
gern von 8.00 bis 12.00 Uhr arbeiten,<br />
das ist die „Lieblingsarbeitszeit“, aber<br />
das kann kein Haus leisten.<br />
Es sind also einfach zu viele, die solche<br />
Arbeitszeiten bräuchten.<br />
Ja, gerade in einem Betrieb wie einem<br />
Krankenhaus, in dem es viel Schichtdienst<br />
gibt, ist es besonders schwierig.<br />
In einem Büro mit fester Arbeitszeit,<br />
ist es sicherlich leichter zu planen.<br />
Gut, wenn Sie - utopisch gedacht -<br />
hier im Haus etwas zum Wohle (derer,<br />
die allein <strong>Kind</strong>er versorgen) verändern<br />
und entscheiden könnten, einfach<br />
so, was würden Sie machen?<br />
Ich denke, es gibt sehr viele Patientinnen<br />
und Patienten, die eine Tagesklinik<br />
brauchen. Hier gibt es zu viel Patientinnen<br />
und Patienten, die über Nacht<br />
hier bleiben. Wenn man diese Menschen<br />
in einer Tagesklinik versorgen<br />
würde, könnte man auch mehr Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern die<br />
Möglichkeit eröffnen in so einem Bereich<br />
mit so genannten normalen Arbeitszeiten<br />
ihr Berufsleben zu gestalten.<br />
Vielen Dank für das Gespräch!<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 23
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Sophia Sophia und und Wissensc Wissenschaft:<br />
Wissensc haft:<br />
Dr. med. Dr. phil.<br />
Nikola Biller-Andorno<br />
studierte Humanmedizin an der<br />
Friedrich-Alexander-<strong>Universität</strong><br />
Erlangen-Nürnberg sowie der Philosophie<br />
und Sozialwissenschaften an<br />
der Fernuniversität Hagen. Es folgten<br />
Forschungsaufenthalte an den <strong>Universität</strong>en<br />
Yale und Harvard, die u. a.<br />
von den Studienstiftung des deutschen<br />
Volkes und dem Deutschen<br />
Akademischen Auslandsdienst gefördert<br />
wurden. 1998 trat sie eine<br />
Wissenschaftliche Assistentur an der<br />
Abteilung Ethik und Geschichte der<br />
Medizin der <strong>Universität</strong> <strong>Göttingen</strong><br />
an. Seit dem Abschluss ihres<br />
Habilitationsverfahrens im Juni 2002<br />
setzt sie ihre Tätigkeit in Forschung<br />
und Lehre als Privatdozentin im Fach<br />
Medizinethik und Medizintheorie<br />
fort.<br />
24 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
Ein Ein Blic Blick Blic k auf auf die die V VVer<br />
V er ereinbar er einbar einbarkeit<br />
einbar eit<br />
von on Ber Beruf Ber uf und und <strong>Mutter</strong> <strong>Mutter</strong>sc <strong>Mutter</strong> sc schaft sc haft<br />
Ich wollte immer einen Beruf, den ich mit Überzeugung und Hingabe ausüben<br />
kann. Trotz aller Unkenrufe von Freunden und Verwandten - „so was<br />
gibt es nicht!“ - habe ich ihn gefunden: Seit 1998 arbeite ich als Wissenschaftliche<br />
Assistentin an der Abteilung Ethik und Geschichte der Medizin. Vorher<br />
war ich als Postdoc an der Harvard Medical School, nach einem Studium der<br />
Humanmedizin an der <strong>Universität</strong> Erlangen-Nürnberg sowie einem Studium<br />
der Philosophie, Psychologie und Soziologie an der Fern<strong>Universität</strong> Hagen.<br />
Seit meinen Studienzeiten fasziniert mich die Medizinethik: eine Disziplin, in<br />
der natur-, sozial- und geisteswissenschaftliche Fakten und Denkweisen zusammenkommen;<br />
Themen mit aktuellem gesellschaftlichen Bezug; die Notwendigkeit,<br />
sowohl theoretisch versiert zu sein als auch den Alltag in Klinik<br />
und Labor zu kennen - all dies sind für mich Herausforderungen, die mich<br />
immer wieder aufs neue für mein Fach begeistern.<br />
Dank der vorzüglichen Arbeitsbedingungen in unserer Abteilung konnte ich<br />
von Beginn meiner Assistentur an dieser Begeisterung freien Lauf lassen und<br />
mich einem großen Spektrum wissenschaftlicher Aufgaben widmen: publizieren,<br />
unterrichten, Doktoranden betreuen, Drittmittel einwerben, Ergebnisse<br />
auf Konferenzen präsentieren usw.. Nach gut zwei Jahren hat sich dann<br />
Sophia angekündigt. Damit lief für mich eine Art „Count Down“: zeitintensive<br />
Arbeiten fertig stellen, noch eine schöne Gelegenheit zu einem wissenschaftlichen<br />
Auslandsaufenthalt nutzen, die Habilschrift abgeben. Diese Dinge,<br />
glaubte ich, würden mir nachher wesentlich schwerer fallen bzw. so schnell<br />
nicht möglich sein - eine Einschätzung, die sich für mich im nach hinein als<br />
realistisch herausgestellt hat.<br />
Die Schwangerschaft verlief ganz normal: Drei Monate Übelkeit, Müdigkeit<br />
und die Unsicherheit, ob auch alles gut gehen wird; dann eine relativ ruhige<br />
Phase, und dann ein unbequem dicker Bauch. Für jemanden, der nur den<br />
anwachsenden Leibesumfang wahrnimmt, ist es schwer zu erkennen, wie viel<br />
mehr sich ändert. Wie sehr man gedanklich dauernd mit dem beschäftigt ist,<br />
was in einem passiert; wie andere Dinge weniger wichtig werden; und wie<br />
sehr man nach einer Art Nest sucht, in dem keiner etwas von einem will und<br />
man in Ruhe sein <strong>Kind</strong> zur Welt bringen kann. An dem Tag, an dem der<br />
<strong>Mutter</strong>schutz begann, habe ich mich daher auch relativ kompromisslos von<br />
meinem Arbeitsplatz zurückgezogen und war nur noch per e-mail oder Telefon<br />
zu erreichen. Zu Hause habe ich dann doch noch bis zum Tag der Entbindung<br />
weitergearbeitet, u. a. Telefoninterviews für ein Projekt geführt und ein<br />
Manuskript korrigiert. In einem Ratgeber hatte ich gelesen, Frauen überkäme<br />
vor der Entbindung irgendein Putztrieb - vielleicht war mein Verhalten (die<br />
Arbeit nicht liegenlassen zu können und möglichst alles vorher zu erledigen)<br />
die entsprechende Wissenschaftlerinnen-Variante.<br />
Sophia kam am 23. Juni 2001 nach einer komplikationslosen Geburt zur Welt.<br />
In den ersten Stunden, die wir zusammen verbrachten, wurde ich von einer<br />
Welle der Zuneigung zu meiner kleinen Tochter überschwappt, und seither ist<br />
alles anders. Vorher hatte ich mir überlegt, wie sich das <strong>Kind</strong> in meinen Alltag<br />
integrieren ließe. Nun musste ich feststellen, dass es eher darum ging, wie ich<br />
meinen Alltag um ihre Bedürfnisse organisieren konnte. Am schlimmsten war<br />
der Schlafentzug. Ich hatte vorher nicht gedacht, dass man so wenig Schlaf<br />
ertragen kann - man kann, aber Konzentration, Gedächtnis und emotionale
Stabilität leiden ungeheuer. Die ersten Monate mit ihr bin ich wie durch einen<br />
Nebel getappt: den ganzen Tag unendlich müde, eigentlich nicht viel getan<br />
und doch sehr lange dazu gebraucht.<br />
Jetzt, wo die Kleine ein Jahr alt ist, wird es allmählich leichter. Der Alltag wird<br />
ein bisschen berechenbarer. Ich habe viel gestrichen an Aktivitäten, die nicht<br />
unbedingt sein müssen. Manchmal fällt es mir schwer, so viel absagen zu<br />
müssen. Trotzdem kann ich nicht klagen. Beruflich läuft bislang alles sehr gut.<br />
Und die Kleine hat mein Leben nicht nur ungekrempelt, sondern auch in<br />
einem für mich vorher ganz unvorstellbarem Maße bereichert.<br />
Es ging alles, aber es hat enorm viel Kraft gekostet. Was war für mich besonders<br />
schwer während der Zeit?<br />
Für sich einen Ausnahmestatus reklamieren: Die Schwangerschaft<br />
bzw. die Sorge für ein kleines <strong>Kind</strong> geht mit geringerer Flexibilität und einer<br />
Tendenz einher, möglichst viele Extra-Aufgaben abzuwehren, die verzichtbar<br />
scheinen. Das hat schon rein physische Gründe: Beispielsweise muss man für<br />
einen Weg, für den man sich normalerweise aufs Fahrrad schwingt und in<br />
fünf Minuten ohne Problem da ist, nun mindestens fünfzehn Minuten einkalkulieren.<br />
Es ist nicht leicht, sich - ganz im Gegenteil zu früher - immer mit der<br />
Tatsache der Schwangerschaft oder des <strong>Mutter</strong>seins für etwas zu entschuldigen,<br />
was man später als geplant abliefert oder absagen muss.<br />
Alles ist ein Organisationsaufwand: Insbesondere wenn das <strong>Kind</strong><br />
da ist, muss alles im voraus organisiert werden, wobei man dann immer noch<br />
gedanklich zwischen beiden „Welten“ hin und her jongliert. Eine zweitägige<br />
Tagung in Berlin kann z.B. normalerweise so aussehen: morgens rasch einen<br />
kleinen Koffer packen, ins Büro gehen, noch einige Dinge erledigen; zum<br />
Bahnhof gehen, dort ein Sandwich einpacken, im Zug einige Dokumente für<br />
die Tagung lesen, nach Ankunft des Zuges direkt zur Tagung, abends ein Essen<br />
mit den Kollegen, danach eine erholsame Nachtruhe, Frühstück mit dem<br />
Kollegen, den man unbedingt noch etwas fragen wollte etc.. Mit einem Baby<br />
sieht das eher so aus: morgens Koffer und Babytasche packen (Windeln, Spielzeug,<br />
zwei Gläschen, Löffel in Plastiktüte, Trinkflasche, Kleidung zum Wechseln<br />
etc.), vorher Baby stillen und wickeln, Baby in Tragerucksack packen, zum<br />
Zug, Ticket und Reservierung abholen, im Zug <strong>Kind</strong> unterhalten, nach zwei<br />
Stunden endlich ankommen, beim Hotel vorbei und hoffen, dass wie besprochen,<br />
Babysitter da ist, zur Tagung hetzen, nach Tagungsende zurückhetzen,<br />
Baby stillen bzw. füttern, versuchen, das <strong>Kind</strong> zum Schlafen zu bringen, sich<br />
die Nacht mit zahlreichen Unterbrechungen um die Ohren schlagen, mit Baby<br />
im Hotel frühstücken, wobei natürlich das Jackett verkleckert wird etc.. Nachdem<br />
man meist zudem für Babybetreuungskosten selbst aufkommt, sind<br />
Konferenzbesuchen während dieser Zeit doch deutliche Grenzen gesetzt.<br />
Keine Erholungsphasen: Während man als Schwangere noch früh<br />
ins Bett gehen kann, wenn man müde ist, so war es für mich mit dem Baby<br />
nahezu unmöglich, mich zwischendurch zu erholen. Nachts wollte Sophia alle<br />
paar Stunden gestillt werden und tagsüber wollte sie Aufmerksamkeit. Dabei<br />
verweigerte sie vehement Schnuller, Fläschchen, <strong>Kind</strong>erwagen und <strong>Kind</strong>erbett.<br />
Wenn sie dann in der Tat am Tag mal schlief, hatte ich die Auswahl:<br />
Einkaufen? Endlich mal wieder Zeitung lesen? Was fertig schreiben? Schlafen<br />
kam da meist an letzter Stelle. Andererseits: Sophia ist zwar ein kleiner Dickkopf<br />
und sehr lebhaft, aber immerhin völlig gesund und normal. Ich stelle<br />
mir vor, dass die Situation für manche Eltern noch um ein vielfaches schwieriger<br />
ist. Ich hatte insgesamt sehr gute Voraussetzungen: eine Arbeit an einem<br />
theoretischen Institut mit verständnisvoller Chefin und flexiblen Arbeitszeiten.<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 25
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
26 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
Wir haben eine Tagesmutter, die sich zuverlässig und liebevoll um<br />
Sophia kümmert. Viele Menschen, mit denen ich während der letzten eineinhalb<br />
Jahre zu tun hatte, waren sehr zuvorkommend und verständnisvoll. Dennoch<br />
muss man auch klar sehen: Ein <strong>Kind</strong> zu bekommen bedeutet für eine<br />
Wissenschaftlerin mindestens zwei Jahre eingeschränkter Produktivität. Auch<br />
in der Zukunft werde ich sicher sehr gezielt und effizient arbeiten müssen; der<br />
Luxus zeitraubender Tätigkeiten mit sekundärer Priorität ist vorbei. Leider<br />
werden unter den zu streichenden Posten auch die Aktivitäten sein, die man<br />
sonst oft als Höhepunkte im Gedächtnis behalten hat: eine gute Konferenz,<br />
ein Zusammenkommen mit Kollegen aus dem Ausland etc.. Ich überlege mir<br />
auch, wie es sein wird, wenn ich, wie es mein Ziel ist, eine Professur bekomme<br />
- besonders in Augenblicken, wo Sophia mich mit großen Augen anschaut,<br />
wenn ich morgens aus dem Haus will, und „Ma?“ sagt.<br />
Ich verstehe nun, warum so wenig Frauen mit <strong>Kind</strong>ern wissenschaftliche<br />
Karriere machen. Viele meiner Studienkolleginnen und Freundinnen<br />
stehen jetzt vor der Wahl: Eine Kollegin beispielsweise, eine sehr kluge,<br />
zielstrebige Frau, hat vor kurzem ein <strong>Kind</strong> bekommen und fragt sich jetzt, ob<br />
es überhaupt noch Sinn macht, eine Habilitation einzustreben. Eine andere<br />
Freundin ist Chirurgin an einer anderen <strong>Universität</strong>. Ihr Chef hat zu ihr gesagt,<br />
sie habe das Zeug zur Ordinaria, wenn sie sich jetzt tüchtig ranhalte. Sie ist jetzt<br />
32 und möchte gerne <strong>Kind</strong>er, weiß aber nicht, wie das gehen soll, ohne ihre<br />
beruflichen Ziele aufzugeben.<br />
Ich kann mir ein Leben ohne Sophia nicht mehr vorstellen,<br />
aber ich möchte mir auch ein Leben ohne ernsthafte wissenschaftliche Tätigkeit<br />
nicht vorstellen. Beides haben zu wollen scheint immer noch als Extravaganz,<br />
Unbescheidenheit oder gar Unverantwortlichkeit angesehen zu werden;<br />
ein mit Skepsis betrachtetes Experiment, an dessen Scheitern gegebenenfalls<br />
die Frau die Schuld trägt. Ich bin viele Male mit der zunehmend ungläubigeren<br />
Frage konfrontiert worden: „Arbeitest Du noch?“ (während der Schwangerschaft),<br />
„Willst Du wieder arbeiten?“ (während des <strong>Mutter</strong>schutzes) und „Arbeitest<br />
Du schon wieder? Vollzeit??“ (nach dem <strong>Mutter</strong>schutz).<br />
Ich möchte mich nicht zwischen Sophia und der Wissenschaft<br />
entscheiden müssen. Es scheint mir unfair, dass sich für Frauen „<strong>Kind</strong>“ und<br />
„Karriere“ nach wie vor häufig als Alternativen darstellen, deren Kombination<br />
nur in außerordentlichen Fällen gelingt. Früher habe ich die Diskussion um<br />
Frauenquoten, Frauenbonus, Frauenbeauftragte nicht verstanden. Es schien<br />
mir möglich und der bessere Weg, durch Leistung zu überzeugen. Aber jetzt<br />
sehe ich, dass in der Regel ungleiche Voraussetzungen existieren, die die einzelne<br />
Wissenschaftlerin nur schwer kompensieren kann:<br />
Es ist etwas anderes, ob man nach<br />
Hause kommt und weiß, dass sich<br />
dort eine primäre Bezugsperson den<br />
ganzen Tag liebevoll um das <strong>Kind</strong><br />
gekümmert hat, die zudem das gesamte<br />
häusliche Umfeld in Regie hat und sich<br />
auch noch dafür verantwortlich fühlt,<br />
dass es mir gut geht. Das hat nichts mit<br />
dem Alltag einer Frau zu tun, die versucht,<br />
beides irgendwie unter einen<br />
Hut zu bekommen. Eine Kollegin aus<br />
den USA hat mir in einer e-mail neulich<br />
Foto: privat
zu diesem Thema folgenden Kommentar geschrieben: „We all know: we could<br />
do so much more if we had a wife!“ Der humorvoller Unterton hat mir<br />
geholfen, mich nicht entmutigen zu lassen, aber auch nichts schön zu reden.<br />
Meines Erachtens sollte der Lebenskontext bei Evaluationen und Bewerbungen<br />
berücksichtigt werden. Umsichtige Kommissionen haben dieser Erwägung<br />
zweifellos bereits Rechnung getragen. Eine Möglichkeit wäre, statt Impact-<br />
Faktoren, die Länge von Publikationslisten und die Höhe der eingeworbenen<br />
Drittmittel unabhängig von der individuellen Biographie zu beurteilen, die<br />
Frage in den Vordergrund zu stellen, in welcher Lebenssituation eine Kandidatin<br />
welche Leistung erbracht hat. Aus einer solchen Analyse ließen sich vermutlich<br />
treffsichere Schlüsse ziehen bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit, ihrer<br />
Motivation und der Weise, in der sie die Fakultät bereichern kann.<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 27
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
An dieser Stelle war es geplant ein Interview Interview mit mit Herrn Herrn Herrn Minister<br />
Minister<br />
Thomas Thomas Oppermann<br />
Oppermann Oppermann zu führen. Obwohl der Minister leider kurzfristig<br />
die Zusage zum Interview zurückgezogen hat, möchten wir die an ihn<br />
gerichteten Fragen veröffentlichen:<br />
28 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
? Sie sind selbst <strong>Vater</strong> von zwei Töchtern und haben einen verantwortungsvollen<br />
Beruf. Welche Rolle hat auf Ihrem bisherigen Karriereweg die Familienplanung<br />
gespielt? Haben sich die <strong>Kind</strong>er förderlich, hemmend oder neutral<br />
zur Entwicklung Ihrer Karriere ausgewirkt?<br />
? Sie haben einen sehr zeitaufwendigen Beruf. Wie haben Sie die <strong>Kind</strong>erbetreuung<br />
geregelt?<br />
? Haben Sie darüber nachgedacht selbst Erziehungsurlaub bzw. Elternzeit in<br />
Anspruch zu nehmen?<br />
? Würde für Ihre Position auch Teilzeit in Frage kommen?<br />
? Welche Assoziation löst bei Ihnen der Begriff „<strong>Mutter</strong>rolle“ aus?<br />
? Wie wurde Ihre Betreuung geregelt, als sie selbst <strong>Kind</strong> waren?<br />
? Sie haben in Ihrer Amtszeit einen Schwerpunkt auf die Gleichstellung von<br />
Männern und Frauen gelegt. War Frauenpolitik für Sie schon immer ein wichtiges<br />
Politikfeld? Gab es eine politische Phase oder ein Schlüsselerlebnis in<br />
Ihrem Leben, wo die Frage der Geschlechtergerechtigkeit besonders dominant<br />
wurde?<br />
? Welche der von Ihnen implementierten Instrumente aus diesem Bereich halten<br />
Sie für die Wichtigsten?<br />
? Welche Bedeutung hat aus Ihrer Sicht im Kontext der Hochschulpolitik die<br />
Funktion der Frauenbeauftragten?<br />
? Welche Maßnahmen und Instrumente wurden im Wissenschaftsministerium<br />
während Ihrer Amtszeit etabliert, um z. B. Familie und Beruf besser vereinbaren<br />
zu können?<br />
? Gibt es etwa in Sachen <strong>Kind</strong>erbetreuung Kooperationen des Ministeriums<br />
mit der Stadt oder Unternehmen?<br />
? Zur Zeit des Pflegenotstandes wurden in den Medizinischen Hochschulen in<br />
Niedersachsen <strong>Kind</strong>erbetreuungseinrichtungen eingerichtet. Aufgrund der<br />
Zugangskriterien werden heute in diesen Einrichtungen deutlich mehr <strong>Kind</strong>er<br />
von Pflegekräften als von Wissenschaftlerinnen und Verwaltungskräften betreut.<br />
Dies ist angesichts des drohenden Wissenschaftlerinnennotstandes ein<br />
erhebliches Problem. Welche Lösungen könnten Sie sich vorstellen, ohne, dass<br />
Nachteile für das Pflegepersonal entstehen? Sind Sie in dieser Frage schon<br />
aktiv geworden?<br />
? In der Medizin ist es aufgrund der großen zeitlichen Belastung nicht nur für<br />
Wissenschaftlerinnen schwierig, Beruf und <strong>Kind</strong>er zu vereinbaren, auch die<br />
Ausbildung zur Fachärztin muss aufgegeben werden oder verzögert sich drastisch<br />
(Chirurginnen bekommen z. B. den OP-Katalog nicht voll). Abteilungsleiter/-innen<br />
lehnen verschiedene Arbeitszeitmodelle, wie sie z.B. in der Pflege<br />
existieren, für Medizinerinnen ohne nähere Begründung ab.<br />
Was hielten Sie von einem Anreizsystem für Abteilungsleiter/-innen, das es<br />
Ihnen ermöglicht mehr Teilzeitstellen oder Jobsharing-Angebote zur Verfügung<br />
zu stellen?<br />
Würden Sie die Idee finanziell unterstützen, modellhaft an einem Bereich ausgestattet<br />
mit wissenschaftlicher Begleitung, innovative neue Arbeitszeitmodelle<br />
ergänzt um verschiedene Instrumente der Gleichstellungspolitik einzuführen?
„Aller „Aller Anf Anfang Anf ang ist ist sc schw sc hw hwer“... hw er“...<br />
Bärbel Klein<br />
<strong>Mutter</strong> von Jascha, 11 Jahre,<br />
und Mira, 8 Jahre.<br />
Fachkrankenschwester für innere<br />
Medizin und Intensivpflege, seit<br />
1995 in der Psychiatrie auf der<br />
„Suchtstation“ 4099. Seit Nov.<br />
1995 Mitglied im Elternbeirat<br />
der <strong>Kind</strong>ertagesstätte; z.Zt.<br />
berufsbegleitende Weiterbildung<br />
in Mediation.<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
könnte ich meinen Bericht über meine „Wiedereinstiege“ nach den Erziehungsurlauben<br />
und mein Erleben von Vereinbarkeit und Unvereinbarkeit von <strong>Kind</strong>ern<br />
und Pflegeberuf überschreiben.<br />
Mein erster Wiedereinstieg war im <strong>August</strong> 93 nach eineinhalb Jahren Erziehungsurlaub.<br />
Mich erwartete meine „alte vertraute“ Station, die „Akutdialyse“. Auch<br />
während des Erziehungsurlaubes war der Kontakt zu meinen KollegInnen<br />
erhalten geblieben, so dass ich mich auf die Arbeit freute! So gerne ich auch<br />
<strong>Mutter</strong> war und die Zeit zu Hause mit meinem Sohn Jascha genossen hatte,<br />
wollte ich doch endlich wieder unter erwachsenen Menschen sein, eine verantwortungsvolle,<br />
„richtige“ Arbeit tun und vor allem mein eigenes Geld verdienen<br />
(als Alleinerziehende hatte ich bis dahin von Sozialhilfe gelebt!).<br />
Der einzig wirklich große Haken war, dass die <strong>Kind</strong>ertagesstätte des Klinikums<br />
für eine Aufnahme meines Sohnes damals aufgrund der zahlreichen<br />
Anträge Vollzeittätigkeit von mir verlangte. So wartete auf mich die 6-Tage<br />
Woche, Schichtdienst im täglichen Wechsel zwischen Früh- (Beginn 6:20 Uhr),<br />
Spät- (Ende 20:15) und Nachtdienst, verbunden mit Alleinerziehendenalltag<br />
mit Kleinkind. Eine Vorstellung davon, wie das gehen sollte, hatte ich nicht.<br />
Aber irgendwie…<br />
Eine große Erleichterung war für mich, dass die Stationsschwester und die<br />
Pflegedienstleitung auf mich zukamen, um eine Lösung zu finden, mit der wir<br />
dem Stationsablauf, den Kita-Öffnungszeiten und einer Lebenssituation mit<br />
einem Kleinkind gerecht werden konnten.<br />
Die Lösung bestand darin, dass ich wöchentlich schichtete, was für Jascha<br />
einen wesentlich regelmäßigeren Alltag bedeutete, dass ich im Spätdienst bereits<br />
um 19:45 Uhr gehen und die fehlende Arbeitszeit nacharbeiten konnte<br />
und dass ich kaum Nachtdienste zu leisten brauchte.<br />
Im Nachhinein bin ich meiner Stationsleitung noch immer sehr dankbar für<br />
diese Offenheit (sie hatte selbst ein <strong>Kind</strong> in der Kliniks-Kita…), denn ich habe<br />
feststellen müssen, dass andere Mütter nicht soviel Unterstützung erfahren haben.<br />
Für mich bedeutete diese Form der Lösungsfindung, als vollwertiges Mitglied<br />
des Teams ernst genommen und wertgeschätzt zu werden, was mich für meine<br />
Arbeit stark motivierte. Ich hatte das Gefühl, wirklich im Team willkommen<br />
zu sein. Und das war so wichtig!<br />
Gut, dann ging’s los - der erste Arbeitstag. Den werde ich niemals vergessen!<br />
Jascha brachte ich um 6:00 Uhr in die Krippe, ließ ihn dort weinend zurück -<br />
es brach mir fast das Herz, aber das mussten wir ja nun beide lernen - und<br />
begann meinen Dienst. Ich genoss das Arbeiten, den Kontakt, fürchtete mich<br />
vor der neuen Dialysemaschine und war schließlich so konzentriert dabei,<br />
dass ich an meinen Sohn schon gar nicht mehr gedacht hatte.<br />
14:00 Uhr: Szenenwechsel. Frohen Schrittes taperte ich in die Krippe, um<br />
Jascha abzuholen. Die Erzieherin berichtete, Jascha habe 2 Stunden wie am<br />
Spieß geschrieen und sei schließlich eingeschlafen, bis eben. An diesen Augenblick<br />
erinnere ich mich, als sei es gestern gewesen: Schuldgefühle, Hilflosigkeit,<br />
das Bedürfnis, mein <strong>Kind</strong> zu schützen und nie wieder hierher zu bringen (dabei<br />
war die Eingewöhnungszeit so gut gelaufen…) - und immer wieder Schuldgefühle!<br />
Also vereinbarte ich mit der Erzieherin, dass ich, sollte es noch einmal so sein,<br />
bitte im Dienst angerufen werden möchte. Wie ich aber eine solche Situation<br />
lösen sollte, wenn ich auf Station auch gerade „voll in Aktion wäre“, war mir<br />
schleierhaft - aber irgendwie…<br />
Die ersten Tage in der Krippe waren also schwer für Jascha, aber schließlich<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 29
Schwerpunkt<br />
30 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
ging er richtig gern hin, und ich entsprechend unbeschwerter in den Dienst.<br />
An einem anderen Tag, auf der Station war gerade „der Teufel los“, bekam<br />
ich den Anruf, Jascha sei krank! Er habe erbrochen und habe Fieber, und ich<br />
müsse ihn sofort abholen! Was sollte ich tun - am liebsten hätte ich mich<br />
zweigeteilt! Ich konnte unmöglich so einfach aus dem Dienst verschwinden,<br />
aber mein <strong>Kind</strong> musste nach Hause. Zu der Zeit lebte in meiner Wohnung<br />
eine Studentin, die gerade ihre Großfamilie zu Besuch hatte. Dennoch erklärte<br />
sie sich bereit, Jascha abzuholen und sich - soweit möglich - um ihn zu kümmern.<br />
„Klasse“, Problem erst mal gebannt.<br />
Also wenn ich eines durch das Leben mit meinen <strong>Kind</strong>ern wirklich gut gelernt<br />
habe, ist das, auch unmöglich erscheinende Ideen auszuprobieren, mutig zu<br />
fragen und noch so kompliziert erscheinende Umstände zu organisieren!<br />
Nach besagtem Dienst kam ich nach Hause und sah meinen Sohn quietschvergnügt<br />
auf dem Schoß des <strong>Vater</strong>s meiner Mitbewohnerin sitzen, umringt<br />
von einer Schar mir völlig fremder Menschen, aber alle hatten sich offensichtlich<br />
hervorragend miteinander amüsiert!<br />
Das sind die Erfahrungen, die mich ermutigten, die mich freuten, und die mir<br />
das Gefühl gaben, auch ohne Oma am Ort oder Partner an meiner Seite in ein<br />
gutes soziales Netz eingebunden zu sein.<br />
Mein persönliches Problem bestand in zunehmend körperlicher Erschöpfung.<br />
Ich war oft müde, und es gab Situationen (z.B. Kaffeetrinken bei Freunden),<br />
in denen ich plötzlich einfach so eingeschlafen bin. Holte ich Jascha mittags aus<br />
der Krippe ab, hatte er meistens seinen Mittagsschlaf schon hinter sich, während<br />
ich ihn aber dringend gebraucht hätte. Und Mittagsschlaf und quirliges<br />
<strong>Kind</strong> in dem Alter vertragen sich nicht!<br />
So war ich heilfroh, als ich - ich glaube nach etwa 4 Monaten<br />
- auf einer dreiviertel Stelle arbeiten konnte. Das war immer<br />
noch anstrengend, aber ich konnte mit meinen Kräften besser<br />
haushalten! Jede Frau, die ein <strong>Kind</strong> geboren hat, wird<br />
vielleicht nachvollziehen können, wenn ich davon erzähle,<br />
dass die Geburt eines <strong>Kind</strong>es verletzlicher macht.<br />
Durch die Geburt meines Sohnes sind Mauern von mir abgebröckelt,<br />
die einen Schutzwall vor ungewollten Gefühlen<br />
und Eindrücken gebildet hatten. Damals wütete gerade der<br />
Golfkrieg, und in den Nachrichten diese Bilder zu sehen ließ<br />
mich weinen.<br />
Bis dahin hatte ich ja ausschließlich und immer gern und sehr<br />
engagiert in der Intensivpflege gearbeitet. Aber ich spürte<br />
zunehmend einen immer schwieriger werdenden Zwiespalt in mir. So manchem<br />
Patienten wünschte ich nicht mehr das Beatmungsgerät, sondern eine<br />
Hand, die ihn in ein menschenwürdiges Sterben begleitet. Ich ertappte mich<br />
dabei, mit meinen Händen Dinge zu tun, die ich so niemals mit meinem Herzen<br />
entschieden hätte. Ich begann, Intensivkrankenpflege für mich in Frage zu<br />
stellen, konnte mir aber andererseits kein besseres Stationsteam vorstellen!<br />
Ich wurde erneut schwanger.<br />
Eine schwierige Schwangerschaft und die erneute Partnertrennung kurz vor<br />
der Geburt meiner Tochter Mira machten mir das Leben nicht gerade leicht.<br />
Nach dem Erziehungsurlaub war klar, dass ich nicht in die Intensivpflege<br />
zurückkehren konnte. Der Zufall wollte es, dass ich über die Pflegedienstleitung<br />
an die Suchtstation in der Psychiatrie geriet. Ich kam in ein Team mit<br />
einer Stationsleitung, die meine Situation in jeder Hinsicht anerkannte, so dass<br />
ich mich sehr schnell integriert und respektiert fühlte. Außerdem konnte ich<br />
eine Arbeit tun, die mir nicht nur Spaß machte, sondern die ich auch gefühlsmäßig<br />
mittragen konnte.<br />
Anstrengend wurde es, als der Winter kam. Von meinem dreiviertel Stellen-
gehalt konnte ich mir noch kein Auto leisten. Wann immer das Wetter es irgendwie<br />
zuließ, fuhr ich mit beiden <strong>Kind</strong>ern auf meinem Fahrrad, eines vorn<br />
und eines hinten, jedes <strong>Kind</strong> mit Wärmflasche auf dem Schoß und in eine<br />
Decke gehüllt, morgens um 6:10 Uhr zum Dienst. An diesen Tagen konnten<br />
wir immerhin bis 5:15 Uhr schlafen. Mussten wir mit dem Bus fahren, standen<br />
wir noch eine halbe Stunde früher auf.<br />
Eine neue Situation ergab sich, als Jascha in die Schule kam. Jetzt erwies sich<br />
der Schichtdienst als echtes Problem. Schon bald stellte sich bei Jascha eine<br />
Lese- und Rechtschreibschwäche heraus, so dass wir zu Hause häufig üben<br />
mussten. Aber wann sollten wir das tun, wenn ich Spätdienst hatte? Vor 20:30<br />
Uhr waren wir nicht zu Hause, und für ein Schulkind ist das die höchste Zeit<br />
ins Bett zu gehen! Für jemanden, der diese Situationen nicht kennt, ist es vielleicht<br />
nicht so leicht nachvollziehbar, wie es mir als <strong>Mutter</strong> jetzt ging:<br />
Einerseits die Sorge um das eigene <strong>Kind</strong>, weil klar ist, das die Situation so für<br />
es nicht gut ist, andererseits die Verantwortung für einen geregelten Stationsablauf…,<br />
und allem irgendwie gerecht werden zu wollen. Schon wieder brauchte<br />
ich eine Sonderregelung!<br />
Aber auf meiner Station gab es eine Lösung, und das finde ich einfach „klasse“!!<br />
Das tut mir gut, mich mit meiner Situation gesehen und anerkannt fühlen<br />
zu können, und ich weiß, dass das ein entscheidender Motivator für meine<br />
engagierte Arbeit ist!<br />
Ich glaube daran, dass das auf jeder Station möglich ist! Das es für jede Station<br />
Lösungen gibt, die dem Stationsablauf und betroffenen Mitarbeiterinnen<br />
gerecht werden. Aber dazu braucht es bewegliche Menschen. Menschen, die<br />
sich einfühlen können; denen es wichtig ist, dass ihre Mitarbeiterinnen sich mit<br />
ihrer Situation angenommen und wertgeschätzt fühlen, dass ihre Mitarbeiterinnen<br />
Voraussetzungen vorfinden können, die sie für eine gute Arbeit motivieren!<br />
Nur in einem „Miteinander“ ist guter Arbeitserfolg möglich, für alle<br />
Beteiligten - auch die, um die es eigentlich geht, die Patientinnen und Patienten!<br />
Jascha hat der Kliniks-Kita inzwischen den Rücken gekehrt, nachdem er in<br />
zehn Jahren alle Stationen dort durchlaufen hat. Er war gerne dort, und er ist<br />
zu einem fröhlichen, selbstständigen <strong>Kind</strong> herangewachsen, was ich mit einem<br />
gewissen Stolz und mit großer Dankbarkeit beobachte. Mira darf noch zwei<br />
Jahre in ihre geliebte Hortgruppe gehen.<br />
Mit dem Älterwerden der <strong>Kind</strong>er wird Vieles leichter, so dass immer mehr<br />
Raum für Neues entsteht. Eine wunderbare Erfahrung!<br />
Ich habe in diesem Jahr eine berufsbegleitende Weiterbildung zur Mediatorin<br />
begonnen, die mir viel Spaß macht und so richtig „mein Ding ist“. Gerne<br />
möchte ich, wenn’s schwierig wird, wenn Kolleginnen Lösungen brauchen,<br />
unterstützend und vermittelnd dazu beitragen! Aber erst mal wünsche ich<br />
allen KollegInnen, dass sie in dieser Klinik auf bewegliche Menschen treffen!<br />
Schwerpunkt<br />
Schwerpunkt<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 31
Projekt<br />
Projekt<br />
Mentoring<br />
Mentoring<br />
Ab dem Sommersemester 2003 soll ein Mentoring-Projekt am Bereich Humanmedizin installiert werden.<br />
Dieses Projekt ist aus dem Themenkomplex „Karriereförderung von Wissenschaftlerinnen“ im Rahmen von<br />
„Total- E-Quality“ entstanden.<br />
Der Vorstand hat dazu der Frauenbeauftragten die Einstellung einer wissenschaftlichen Hilfskraft für zunächst<br />
ein Jahr bewilligt. Im <strong>August</strong> 2002 ist nun Frau Ulla Heilmeier als neue Mitarbeiterin zur Einführung des Mentoring-<br />
Programmes dazugekommen. Sie wird zunächst die Aufgaben haben, das Projekt zu organisieren und bekannt<br />
zu machen, sowie Teilnehmerinnen für das Projekt zu gewinnen.<br />
Mentoring ist als ein Instrument der Personalentwicklung zur Gleichstellung von Frauen und Männern auf<br />
Führungsebene zu verstehen. Den Kern von Mentoring bildet eine Kombination aus wechselseitiger Unterstützung<br />
der Teilnehmenden und einem begleitenden Qualifizierungsprogramm.<br />
Mentees (Studentinnen der Medizin) vor oder während ihrer Promotionsarbeit sollen die Chance erhalten,<br />
durch eine Mentorin (etablierte Wissenschaftlerin/Ärztin) individuell in ihrer persönlichen beruflichen Entwicklung<br />
begleitet, beraten und unterstützt zu werden. Zentrale Elemente der Mentoring-Beziehung sind relevante<br />
Informationsweitergabe, konkrete Tipps zum karriererelevanten Vorgehen, Vermittlung von Führungskompetenz<br />
und die Weitergabe eigener Lebens- und Berufserfahrungen der Mentorin. Um eine Mentoring-Partnerschaft<br />
erfolgreich nutzen zu können, sollte zwischen Mentee und Mentorin möglichst kein Abhängigkeitsverhältnis<br />
bestehen.<br />
Als Mentorinnen sind zunächst einmal ausschließlich Frauen vorgesehen, da die Motivation und damit auch das<br />
tatsächliche Engagement bei weiblichen Führungskräften höher sein dürften als bei ihren männlichen Kollegen.<br />
Daneben sind die Vermittlung weiblicher Lebensentwürfe und die Weitergabe der Erfahrungen mit der Verbindung<br />
von Familie und Karriere für den weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchs von unschätzbarem Wert.<br />
Aufgrund der beruflich ohnehin schon zeitlich starken Beanspruchung der Ärztinnen und Wissenschaftlerinnen<br />
soll ihnen für das zusätzliche Engagement im Rahmen des Mentoring zur Entlastung eine studentische Kraft in<br />
begrenztem Zeitumfang zur Verfügung gestellt werden. Außerdem sollen die Mentorinnen ein eigenes Forum<br />
zum gegenseitigen Austausch und interne Qualifizierungsangebote zu spezifischen Themen erhalten.<br />
Neben der individuell gestalteten Mentoring-Partnerschaft wird es ein begleitendes Rahmenprogramm in Form<br />
von Workshops und Seminaren zu Themen wie Kommunikation, Self-Marketing, Führung, Berufungsverfahren,<br />
Präsentation u. ä. geben zur persönlichen Kompetenzerweiterung und zur Vorbereitung auf den beruflichen<br />
Einstieg.<br />
Bereits ab Oktober sollen eine Informations- und eine Orientierungsveranstaltung zum Thema Mentoring im<br />
Klinikum stattfinden. Achten Sie bitte auf Aushänge!<br />
Zur Realisierung dieses bisher einmaligen Projekts an einer Medizinischen Fakultät werden voraussichtlich zusätzliche<br />
finanzielle Mittel aus dem Bundesprogramm „Aktionsprogramm Chancengleichheit“ bereitgestellt.<br />
Wenn Sie Interesse haben, an diesem Projekt als Mentorin oder Mentee teilzunehmen bzw. gezieltere Informationen<br />
wünschen, wenden Sie sich bitte an die Koordinatorin des Projekts, Frau Heilmeier, im Frauenbüro.<br />
32 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
Ulla Heilmeier<br />
Ethnologin und Mediatorin, geb. 1964, ist seit Jahren tätig in der<br />
Sozialberatung für Frauen, als Mediatorin mit dem Schwerpunkt<br />
Familienmediation und als Konflikttrainerin.<br />
Seit Anfang <strong>August</strong> 2002 ist sie als wissenschaftliche Hilfskraft im<br />
Frauenbüro angestellt mit der Aufgabe, ein Mentoring-Projekt am<br />
Bereich Humanmedizin zu koordinieren.
C3-Professur auf Zeit<br />
„Gender-Forschung“<br />
Der Fakultätsrat hat am 21.06.2001<br />
beschlossen eine C3-Professur für<br />
Gender-Forschung einzurichten.<br />
Anfang diesen Jahres wurde<br />
fakultätsintern die Ansiedlung dieser<br />
Professur ausgeschrieben. Die Abteilungen<br />
Kardiologie, Pharmakologie,<br />
Neurologie und Hämatologie/<br />
Onkologie haben sich um diese<br />
Geschlechterforschungsprofessur<br />
beworben. Das auf diese Weise<br />
dokumentierte Interesse lässt darauf<br />
hoffen, dass Geschlechterforschung<br />
und geschlechtsspezifische Forschung<br />
an unserer Fakultät zukünftig<br />
mehr als bisher als innovatives<br />
Forschungsfeld auch und gerade für<br />
die Medizin begriffen wird. Welche<br />
Abteilung sich durchsetzen wird,<br />
wird vom Fakultätsrat entschieden<br />
und stand bei Redaktionsschluss<br />
noch nicht fest.<br />
TEQ – Wir haben gewonnen!<br />
Der Bereich Humanmedizin zählt<br />
zu den 13 wissenschaftlichen Einrichtungen<br />
in Deutschland, die das<br />
Prädikat „Total-E-Quality Science<br />
Award“ im Wissenschaftsbereich<br />
verliehen bekommen haben. Zum<br />
ersten Mal hat der Verein „Total-E-<br />
Quality Deutschland e. V.“ Hochschulen<br />
und Forschungseinrichtungen<br />
mit einem solchen<br />
Prädikat ausgezeichnet. Das Prädikat<br />
zeichnet Organisationen aus, die<br />
sich nachweislich und langfristig für<br />
Chancengleichheit von Frauen und<br />
Männern einsetzen. Das Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung<br />
fördert diese Initiative.<br />
Für den Bereich Humanmedizin<br />
bewertete die Jury besonders positiv,<br />
dass die Umsetzung der<br />
Gleichstellungsmaßnahmen in der<br />
Organisation von „oben nach<br />
unten“ angestrebt wird. Mit den<br />
Frauenförderrichtlinien (1997), der<br />
Verpflichtung zu Chancengleichheit<br />
und Frauenförderung im Strukturund<br />
Entwicklungsplan (1999) sowie<br />
in den Zielvereinbarungen mit dem<br />
Ministerium für Wissenschaft und<br />
Kultur (2001) hat sich der Bereich<br />
Humanmedizin strukturell zur<br />
Gleichstellungspolitik bekannt. So<br />
habenz.B.Frauenunterdenwissenschaftlichen<br />
Angestellten einen<br />
Anteil von 38%. Für die Frauenförderung<br />
macht der Bereich Humanmedizin<br />
u. a. diese Angebote:<br />
- die Forschungsförderung von Habilitandinnen<br />
(seit 1999 zwei Stellen)<br />
- die Forschungsförderung von Habilitandinnen<br />
durch Beteiligung am<br />
Dorothea-Erxleben-Programm des<br />
Landes Niedersachsen<br />
- die paritätische Quotierung von<br />
Promotionsstipendien<br />
- die personelle Unterstützung eines<br />
Mentoring-Projektes, in dem berufserfahrene<br />
Frauen berufsunerfahrenen<br />
Studentinnen in den<br />
Bereichen Karriereplanung, Rhetorik,<br />
Bewerbung und Forschungsförderung<br />
beratend zur Seite stehen<br />
- gezielte Qualifizierungsmaßnahmen<br />
für Sekretariatsassistenzen<br />
im Zuge der Personalentwicklung<br />
- Gendertraining im Rahmen der<br />
Führungskräfteschulung<br />
- die <strong>Kind</strong>ertagesstätte mit ihren<br />
langen Öffnungszeiten<br />
- die Kooperation mit der Tagespflegebörse<br />
<strong>Göttingen</strong><br />
- ein Stufenplan für die Erhöhung<br />
des Frauenanteils sowie ein finanzielles<br />
Anreizsystem für die BeschäftigungvonFrauenindeneinzelnen<br />
Abteilungen.<br />
Der Verein „Total-E-Quality<br />
Deutschland e. V.“ geht davon aus,<br />
dass Chancengleichheit von Frauen<br />
und Männern den jeweiligen Organisationen<br />
Vorteile im Wettbewerb<br />
verschafft und für eine zukunftsweisende<br />
Personalpolitik unerlässlich ist.<br />
Das Prädikat besteht aus einer Urkunde<br />
und dem Total-E-Quality<br />
Logo, das die Prädikatsträger drei<br />
Nachrichten<br />
Jahre lang für ihre Öffentlichkeitsarbeit<br />
einsetzen können.<br />
Abschlussbericht der<br />
Kita-AG liegt vor<br />
In der Zeit vom Sommer 2001 bis<br />
zum Frühjahr 2002 hat sich eine<br />
Arbeitsgruppe, an der u.a.<br />
VertreterInnen der Kita bzw. Elternvertreterinnen,<br />
Leitung des GB 6,<br />
des Personalrates, der Stabstelle Personalentwicklung,<br />
des Frauenbüros<br />
mitgewirkt haben, eingehend mit<br />
Fragen rund um die Betreuung der<br />
<strong>Kind</strong>er von Beschäftigten befasst. In<br />
erster Linie ging es dabei um die<br />
bestehende <strong>Kind</strong>ertagesstätte des<br />
Bereichs Humanmedizin, aber auch<br />
um Möglichkeiten zusätzliche<br />
Betreuungsplätze außerhalb der Kita<br />
zu schaffen. Auf Initiative von Carmen<br />
Franz, der damaligen Frauenbeauftragten<br />
des Bereichs Humanmedizin,<br />
war die Projektgruppe im<br />
Frühjahr letzten Jahres eingerichtet<br />
worden, um den bestehenden Mangel<br />
an <strong>Kind</strong>erbetreuungsplätzen, der<br />
sich auf das wissenschaftliche Personal,<br />
aber auch auf die<br />
MitarbeiterInnen aus dem<br />
ArbeiterInnenbereich, besonders<br />
negativ auswirkt, zu mindern. Mittlerweile<br />
hat die Kita-AG ihre Arbeit<br />
abgeschlossen und dem Vorstand<br />
einen Abschlussbericht vorgelegt.<br />
Was die <strong>Kind</strong>ertagesstätte betrifft,<br />
wird hierin über einige bereits realisierte<br />
Neuerungen – etwa ein zusätzliches<br />
Angebot für Schulkinder<br />
für den Zeitraum zwischen 6.00<br />
und 8.00 Uhr – berichtet. Vor dem<br />
Hintergrund derzeitiger Entwicklungen<br />
z.B. Einführung der Schule mit<br />
festen Öffnungszeiten, werden auch<br />
Handlungsempfehlungen für die<br />
Zukunft abgegeben.<br />
Darüber hinaus macht die Projektgruppe<br />
konkrete Vorschläge zur<br />
Schaffung neuer, flexibler<br />
Betreuungsmöglichkeiten für die<br />
<strong>Kind</strong>er der Beschäftigten. Neben<br />
der Kooperation mit der Göttinger<br />
Tagespflegebörse wird insbesondere<br />
vorgeschlagen, beim kurzfristig<br />
anstehenden Umbau der Eingangs-<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 33
Nachrichten<br />
Nachrichten<br />
hallen Räume für die stundenweise<br />
Betreuung von <strong>Kind</strong>ern vorzusehen.<br />
Dieses Angebot sollte sich sowohl<br />
an PatientInnen als auch an Beschäftigte<br />
des Bereichs Humanmedizin<br />
richten. Damit verbunden wären ein<br />
Imagegewinn einerseits und eine<br />
Flexibilisierung der Betreuung andererseits.<br />
Vorgeschlagen wird zudem<br />
die stundenweise Betreuung von<br />
<strong>Kind</strong>ern durch private Betreuungspersonen<br />
zu bezuschussen, etwa,<br />
wenn sich MitarbeiterInnen in den<br />
Gremien der Fakultät bzw. des Klinikums<br />
oder aber auch in Projektgruppen<br />
außerhalb der Kernarbeitszeiten<br />
engagieren.<br />
Der Vorstand wird sich in einer<br />
seiner nächsten Sitzungen mit dem<br />
Abschlussbericht befassen. Welche<br />
Konsequenzen er daraus zieht, werden<br />
wir in unserer nächsten Ausgabe<br />
der GEORGIA berichten.<br />
Tagespflegebörse<br />
Seit Januar besteht eine Kooperation<br />
zwischen der „Tagespflegebörse<br />
(TPB) <strong>Göttingen</strong>“ und dem Bereich<br />
Humanmedizin. Wöchentlich an<br />
jedem Dienstag von 11.30 bis 13.30<br />
Uhr befindet sich im Bereich der<br />
Mensa vor der Personalabteilung ein<br />
Informationsstand der TPB. Interessierte<br />
Eltern können sich dort<br />
über die „Tagespflegebörse“ informieren.<br />
Es werden nicht nur<br />
Betreuungspersonen vermittelt, sondern<br />
die Börse ist auch Anlaufpunkt<br />
für Personen, die sich als Tagesmütter<br />
oder –väter zur Verfügung stellen<br />
möchten. Beratungen finden<br />
auch am kliniknahen Standort der<br />
Tagespflegebörse in der Volkshochschule,<br />
Theodor-Heuss-Straße 21,<br />
statt oder unter Tel. 0551 –<br />
5083660.<br />
Kommission „Klinika“<br />
Die 11. Jahrestagung der Kommission<br />
„Klinika“ der Bundeskonferenz<br />
der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten<br />
an Hochschulen fand<br />
im Juni 2002 in Berlin statt.<br />
Verhandelt und beraten wurden u.<br />
a. folgende Themen: Auswirkungen<br />
34 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
der Dienstrechtsreform, Was ist<br />
Gender Mainstreaming?, Wertschätzung<br />
unter Frauen. Wer sich für die<br />
Arbeit der „Klinika“ interessiert,<br />
kann sich an das Frauenbüro der<br />
Sprecherin der Kommission<br />
„Klinika“ Frau Prof. Gabriele<br />
Kaczmarczyk, <strong>August</strong>enburger Platz<br />
1, 13353 Berlin, e-mail:<br />
gabriele.kaczmarczyk@charite.de<br />
wenden. Dort erhältlich ist auch eine<br />
interessante Umfrage der Frauenbeauftragten<br />
der Charite zur „Wissenschaftlichen<br />
Arbeit und Qualifizierung<br />
am <strong>Universität</strong>sklinikum“.<br />
Forschungsförderung<br />
Derzeit läuft die dritte Runde des<br />
fakultätsinternen<br />
Forschungsförderungsprogrammes.<br />
Dieses besteht aus<br />
drei Teilen: a) Anschubfinanzierung,<br />
b) Freistellung von der Krankenversorgung,<br />
c) Schwerpunktförderung.<br />
Leider sind auch in diesem Jahr von<br />
Frauen keine Anträge auf Freistellung<br />
gestellt worden. Dies steht im<br />
Widerspruch zu den Ergebnissen<br />
einer von Frau Franz (ehemalige<br />
Frauenbeauftragte des Bereichs Humanmedizin)<br />
durchgeführten Untersuchung<br />
im Oktober 2000 (zu beziehen<br />
im Frauenbüro oder auf<br />
unserer Homepage<br />
www.mi.med.uni-goettingen.de/<br />
frauenbuero), die sich mit der Situation<br />
von Ärztinnen am Bereich Humanmedizin<br />
<strong>Göttingen</strong> beschäftigt.<br />
Eine der wichtigsten Maßnahmen -<br />
so die Einschätzung der Mehrheit<br />
der befragten Frauen – sehen die<br />
Betroffenen in der Freistellung für<br />
Forschungszwecke.<br />
Wir möchten auf diesem Weg alle<br />
forschungsaktiven Frauen ermutigen,<br />
die Instrumente des Programmes<br />
zu nutzen und in der nächsten<br />
Runde Anträge einzureichen. In Kooperation<br />
mit dem Referenten für<br />
Forschung, Herr Dr. Rainer Mansch<br />
(Tel. 39-9907), wird das Frauenbüro<br />
im Wintersemester Informationsveranstaltungen<br />
zum Forschungsförderungsprogramm<br />
anbieten.<br />
Natürlich stehen darüber hinaus<br />
sowohl Herr Dr. Mansch als auch<br />
die Frauenbeauftragte für individuelle<br />
Beratungsgespräche zur Verfügung.<br />
Literatur im Frauenbüro<br />
Wussten Sie, dass Sie im Büro der<br />
Frauenbeauftragten Bücher zu verschiedenen<br />
Themen ausleihen können?<br />
Wenn Sie Interesse haben, rufen<br />
Sie uns an oder schauen einfach<br />
mal vorbei und informieren sich<br />
über den aktuellen Bestand!<br />
Neu angeschafft wurde u. a. „An<br />
den Führungskräften führt kein Weg<br />
vorbei! Erhöhung der<br />
Gleichstellungsmotivation und<br />
Kompetenz von Führungskräften<br />
des öffentlichen Dienstes“ von Tondorf/Krell,<br />
„Freie Wahl für freie<br />
Mütter“ von U. Horn, „Forschungshandbuch.<br />
Wissenschaftsfördernde<br />
Institutionen und Programme“,<br />
„Abenteuer Fairness – Ein Arbeitsbuch<br />
zum Gendertraining“ von C.<br />
Burbach und H. Schlottau,<br />
„Mentoring – Persönliche Karriereförderung<br />
als Erfolgsrezept“ von<br />
N. Hassen.<br />
Buch zur Ringvorlesung<br />
Im Sommersemester 2000 wurde,<br />
initiiert von der damaligen Frauenbeauftragten<br />
des Bereichs Humanmedizin<br />
der <strong>Universität</strong> <strong>Göttingen</strong>,<br />
Carmen Franz, in Kooperation mit<br />
dem KulturKontor, eine Ringvorlesung<br />
zum Thema „Geschlecht<br />
weiblich: Körpererfahrungen –<br />
Körperkonzepte“ durchgeführt.<br />
Unter gleichem Titel ist das Buch<br />
zur Ringvorlesung erschienen: Herausgegeben<br />
von Carmen Franz und<br />
Gudrun Schwibbe, 270 Seiten, Verlag<br />
Ebersbach Berlin, ISBN 3-<br />
934703-35-8 (Ein Ansichtsexemplar<br />
ist im Frauenbüro vorhanden)<br />
Girls‘ Day<br />
Am 25. April 2002 fand der diesjährige<br />
„Girls`Day statt. In Kooperation<br />
mit dem Medizinischen Rechenzentrum<br />
hat das Frauenbüro<br />
diesen Tag organisiert. Viele Abteilungen<br />
des Bereichs Humanmedizin
machten ein Angebot und zeigten<br />
den Schülerinnen ihre Arbeitsbereiche.<br />
An diesem Tag nahmen ca. 130<br />
Schülerinnen an dem organisierten<br />
Programm teil und viele weitere<br />
Mädchen begleiteten ihre Eltern.<br />
Die große Nachfrage und der Zuspruch<br />
hat uns darin bestärkt, auch<br />
im nächsten Jahr mit einem weiterentwickelten<br />
Programm den<br />
„Girls`Day zu begehen.<br />
Glückwunsch<br />
Die Fotografin Birke Kleinschmidt<br />
aus der BE Foto-Repro-Graphik<br />
bestand ihre Prüfung zur Meisterin<br />
mit Auszeichnung. Sie gehört damit<br />
zu den besten 20 Fotografen-Meisterinnen<br />
des Jahres. Das Frauenbüro<br />
gratuliert dazu ganz herzlich!<br />
Foto: privat<br />
Gesundheitsbericht der<br />
Bundesregierung<br />
Ein „Bericht zur gesundheitlichen<br />
Situation von Frauen in Deutschland“<br />
wurde vom Bundesministerium<br />
für Familie, Senioren Frauen<br />
und Jugend (BMFSFJ) veröffentlicht.<br />
Dieser Bericht ist eine Bestandsaufnahme<br />
unter Berücksichtigung<br />
der unterschiedlichen Entwicklung<br />
in West- und Ostdeutschland<br />
und gibt Auskunft über<br />
gesundheitsbezogene Lebensweisen,<br />
Gewalt im Geschlechterverhältnis,<br />
reproduktive Biographien und<br />
reproduktive Gesundheit, Arbeit<br />
und Gesundheit, Gesundheit im<br />
mittleren Lebensalter, frauenzentrierte<br />
Ansätze in der<br />
Gesundheitsförderung und in der<br />
gesundheitlichen Versorgung.<br />
Zu beziehen ist der Bericht beim<br />
BMFSFJ, 11018 Berlin, ISBN 3-17-<br />
071755-0. Ein Ansichtsexemplar ist<br />
im Frauenbüro vorhanden.<br />
Bericht zur Berufs- und Einkommenssituation<br />
Im Juli 2001 wurde ein „Bericht zur<br />
Berufs- und Einkommenssituation<br />
von Frauen und Männern“ im Auftrag<br />
des Bundesministeriums für<br />
Familie, Senioren, Frauen und Jugend<br />
veröffentlicht. Es wird eine<br />
Bestansaufnahme zur beruflichen<br />
Situation von Frauen und Männern,<br />
zum Einkommen von Frauen und<br />
Männern aus der Arbeitsmarktperspektive<br />
und Erwerbskonstellationen<br />
und –einkommen<br />
aus der Haushaltsperspektive dargestellt.<br />
Außerdem gibt der Bericht<br />
Auskunft über die Ursachenanalyse<br />
der geschlechterhierarchischen Arbeitsteilung<br />
in Familie und Gesellschaft,<br />
über geschlechterspezifische<br />
Spaltungsprozesse am Arbeitsmarkt,<br />
über die potentielle Diskriminierung<br />
beim Arbeitsentgelt und über (Fehl-)<br />
Anreize und strukturelle Benachteiligungen<br />
für Frauen im Steuer- und<br />
Sozialsystem.<br />
„Gewalt gegen Frauen“<br />
Zum 1. Januar diesen Jahres ist das<br />
so genannte „Gewaltschutzgesetz“<br />
in Kraft getreten. Damit hat sich die<br />
Situation für Frauen, die Opfer<br />
häuslicher Gewalt geworden sind,<br />
deutlich verbessert. Nach dem Motto<br />
„Wer schlägt geht“ ist u. a. der<br />
Platzverweis des Täters aus der gemeinsamen<br />
Wohnung jetzt viel einfacher<br />
durchsetzbar. Auch die ärztliche<br />
Dokumentation hat in diesem<br />
Kontext an Bedeutung gewonnen.<br />
Dies ist für uns Anlass, über<br />
Verbesserungsmöglichkeiten im<br />
Umgang von Frauen, die Opfer<br />
von Gewalt in ihrem sozialen Nahraum<br />
geworden sind und die als<br />
Patientinnen im UKG vorstellig<br />
werden, nachzudenken. Zu diesem<br />
Zweck soll es eine Arbeitsgruppe<br />
geben, an der Personen aus den<br />
Berufsgruppen beteiligt sein sollten,<br />
die mit diesen Fällen konfrontiert<br />
sind. Für weitere Informationen<br />
können Sie sich an das Frauenbüro<br />
wenden.<br />
Nachrichten<br />
Nachrichten<br />
8. März 2002<br />
Zum Internationalen Frauentag präsentierte<br />
sich das Frauenbüro mit<br />
einem Informationsstand in der<br />
Westhalle.<br />
Foto: PÖ/Weller<br />
Neben den Informationen zur Arbeit<br />
des Frauenbüros, wurde ein<br />
Schwerpunkt auf das Thema<br />
„Frauen in Afghanistan“ gelegt.<br />
Rahima Valena (Frauenbeauftragte<br />
der <strong>Universität</strong>sbibliothek und engagierte<br />
Politikerin afghanischen Ursprungs)<br />
stand für Fragen und Informationen<br />
zur Verfügung. Das<br />
Angebot ins Gespräch zu kommen,<br />
haben viele Frauen genutzt. Wir<br />
würden uns freuen, wenn es im<br />
nächsten Jahr noch mehr werden.<br />
Foto: PÖ/Weller<br />
Schulung zum Umgang mit<br />
sexueller Belästigung<br />
Am 27. Juni 2002 fand eine Schulung<br />
zum Thema „Umgang mit<br />
sexueller Belästigung“ statt. Die<br />
Weiterbildung wurde von der<br />
Stabsstelle Personalentwicklung und<br />
dem Frauenbüro organisiert. Es<br />
nahmen Vertreterinnen des<br />
Personarates, der Personalabteilung,<br />
der Personalentwicklung und des<br />
Frauenbüros teil. Weitere Veranstaltungen,<br />
auch für weitere Zielgruppen,<br />
sind in Planung.<br />
Ausbildung/Umschulung<br />
in Teilzeit<br />
Erstmals seit diesem Jahr wurde am<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 35
Nachrichten<br />
Nachrichten<br />
Bereich Humanmedizin damit begonnen<br />
„Kaufleute im Gesundheitswesen“<br />
auszubilden. Und ebenfalls<br />
zum ersten Mal werden – in Kooperation<br />
mit der Volkshochschule<br />
und dem Arbeitsamt – zwei der<br />
fünf Auszubildenden diese Ausbildung<br />
in Teilzeit absolvieren. Ein<br />
Schritt in die richtige Richtung – so<br />
meinen wir. An dieser Stelle noch<br />
einmal herzlichen Dank für die Bereitschaft<br />
der Verantwortlichen<br />
„Neuland“ zu betreten!<br />
Ruferteilungen<br />
Der Bereich Humanmedizin hat<br />
folgende Rufe auf Professuren an<br />
Frauen erteilt:<br />
C3-Medizinische Psychologie:<br />
Frau Prof. v. Steinbüchel<br />
C3-Molekulare Zellbiologie<br />
Frau Prof. Kutay<br />
C4-Neuropädiatrie<br />
Frau Prof. Gärtner<br />
Jacob-Henle-Medaille<br />
Die Jacob-Henle-Medaille wird in<br />
diesem Jahr erstmals an eine Frau<br />
vergeben. Frau Prof. Dr. Rehder,<br />
Direktorin des Institutes für Klinische<br />
Genetik an der <strong>Universität</strong><br />
Marburg, erhält in diesem Jahr die<br />
Auszeichnung. Im Sommersemester<br />
2002 wurde sie bereits mit dem<br />
Frauenförderpreis der <strong>Universität</strong><br />
Marburg ausgezeichnet.<br />
Ärztetag 2002<br />
Der diesjährige 105. Deutsche Ärztetag<br />
beschäftigte sich u. a. mit dem<br />
Thema „Ärztinnen: Zukunftsperspektive<br />
für die Medizin“. Dieser<br />
Tagesordnungspunkt des Ärztetages<br />
beschäftigte sich sowohl mit der<br />
allgemeinen Situation von Ärztinnen,<br />
die Einrichtung von flexiblen und<br />
familienfreundlichen Arbeitszeitmodellen<br />
in Krankenhäusern als<br />
auch mit Karrierechancen für Ärztinnen<br />
an <strong>Universität</strong>en und mit<br />
möglichen Forderungen an Staat<br />
und Selbstverwaltung. Es wurde<br />
weiterhin über Möglichkeiten die<br />
Karrierechancen für Ärztinnen zu<br />
verbessern beraten sowie über die<br />
36 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
Einrichtung von Mentorinnen-/<br />
Metorenprogrammen. Die vollständige<br />
Dokumentation ist im Ärzteblatt,<br />
Nr. 23, Ausgabe B vom 7.Juni<br />
2002 veröffentlicht und unter<br />
www.aerzteblatt.de.zu lesen<br />
Terre des Femmes<br />
Die Initiative „Terres des Femmes“<br />
führt am 13. und 14.09.2002 in Kooperation<br />
mit der Frauenbeauftragten<br />
eine Veranstaltung zum<br />
Thema „Weibliche Genitalverstümmelung<br />
– Eine fundamentale<br />
Menschenrechtsverletzung“ im<br />
Klinikum durch. Aktuelle Informationen<br />
zu dieser und weiteren Veranstaltungen<br />
finden Sie auf der<br />
Homepage von TdF:<br />
www.frauenrechte.de<br />
Internationale Tagung<br />
„Gender and Health“<br />
Vom 16. bis 18.9.2002 findet die<br />
erste internationale Konferenz<br />
„Gender & Health“ in Wien statt.<br />
Themen der Männer- und Frauengesundheit<br />
werden ganzheitlich und<br />
interdisziplinär von Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftlern aus aller<br />
Welt analysiert und diskutiert. Das<br />
Programm sowie weitere Informationen<br />
erhalten Sie online unter<br />
www.genderandhealth.at<br />
Habilitationsstipendien<br />
für Frauen<br />
In der Fakultätsratssitzung vom<br />
08.07.2002 hat der Vorstand bekannt<br />
gegeben, dass in diesem Jahr<br />
anstatt der in den Frauenförderrichtlinien<br />
der Medizinischen Fakultät<br />
<strong>Göttingen</strong> in der Fassung vom<br />
April 1997 vorgesehenen zwei Stellen,<br />
in diesem Jahr drei volle Stellen<br />
für das Habilitandinnen-Programm<br />
bereit gestellt werden. Der Vorstand<br />
reagierte damit auf die in diesem<br />
Jahr gestiegene Anzahl von Anträgen.<br />
<strong>Mutter</strong>schutzgesetz<br />
Änderungen zum <strong>Mutter</strong>schutzgesetz<br />
hat der Bundestag verabschiedet.<br />
Künftig steht Müttern die<br />
Schutzfrist von insgesamt 14 Wochen<br />
auch dann zu, wenn das <strong>Kind</strong><br />
vor dem errechneten Termin zur<br />
Welt kommt. Bisher begann die<br />
Schutzfrist 6 Wochen vor dem errechneten<br />
Termin und endete acht<br />
Wochen nach der Geburt des <strong>Kind</strong>es.<br />
Darüber hinaus stellt die Gesetzesänderung<br />
klar, dass Beschäftigungsverbote<br />
und <strong>Mutter</strong>schutzfristen<br />
für Mütter und schwangere<br />
Frauen bei der Berechnung des<br />
Jahresurlaubes als Beschäftigungszeiten<br />
anzusehen sind.
Die <strong>Mutter</strong> ist das größte<br />
Wunder und Geheimnis.<br />
Der Mensch hat ganze<br />
Seeligkeit, der Mensch hat<br />
ganzes Leid, er zittert, und<br />
bebt bei dem einen Wort:<br />
<strong>Mutter</strong><br />
(Joseph Mindszenty, ungarischer Kardinal)<br />
Frei rei wie wie die die Väter<br />
Väter<br />
waren waren die die Müt Mütter Müt ter nie nie<br />
nie<br />
Der Himmel<br />
ist zu den Füßen<br />
der <strong>Mutter</strong><br />
(Sinnspruch aus Persien)<br />
Die Wohltaten des <strong>Vater</strong>s<br />
übersteigen die Berge,<br />
die Wohltaten der <strong>Mutter</strong><br />
sind größer als das Meer<br />
(Japanische Weisheit)<br />
(Dr. rer. pol. Kocher, geb. 1939, Schweizer<br />
Politologe und Gesundheitsökonom)<br />
Fundg Fundgrube<br />
Fundg ube<br />
Früher trug die Großmutter eine<br />
Kittelschürze, roch nach gedünstetem<br />
Kohl und hatte unendlich viel Zeit.<br />
Heute trägt die Großmutter irgendein<br />
Fähnchen von Lagerfeld und ist<br />
tierisch busy<br />
(Matthias Altenburg, deutscher Schriftsteller)<br />
Ein liebender <strong>Vater</strong><br />
ist immer auch ein<br />
bisschen <strong>Mutter</strong><br />
(Peter E. Schumacher, geb. 1941,<br />
Aphorismensammler und Publizist)<br />
Eine rechte <strong>Mutter</strong> sein,<br />
das ist ein schwerer Dienst,<br />
das ist wohl die höchste<br />
Aufgabe im Menschenleben<br />
(Jeremias Gotthelf, eigentlich: Albert Bitzius,<br />
1797 bis 1854, Schweizer Pfarrer, Erzähler,<br />
Epiker, Volksschriftsteller)<br />
Macht denn nur das Blut<br />
den <strong>Vater</strong>?<br />
(G. F. Lessing, 1729 bis 1781, deutscher<br />
Schriftsteller)<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 37
Einerseits ... und ... andrerseits<br />
Sc Schmähr Sc hmähr hmährede hmähr ede aus aus dem dem „of „off“ „of f“<br />
Ich bin Rentnerin - lange aufbleiben, ausschlafen, wenig Verantwortung, verreisen,<br />
den Tag verbummeln.<br />
Ich bin Oma - Enkel betreuen, Schularbeiten begleiten, von Lehrerklagen<br />
über unbotmäßigen Enkel hören, <strong>Kind</strong> trösten, mit Eltern Verhaltensstrategien<br />
erörtern.<br />
Ich bin mittendrin in PISA, meine Vorurteile wurden schreckliche Realität.<br />
In der Schule scheint nur einer alles besser zu wissen - der Oberlehrer!<br />
Einerseits erschien mir als Antwort auf PISA ein Mehrangebot an Ganztagsschulen<br />
eine sinnvolle Teillösung zu sein, um hilflose Eltern zu unterstützen.<br />
Andrerseits: wer um alles in der Welt will nun das Schicksal seiner <strong>Kind</strong>er<br />
zeitlich gestreckt in die Hände derer legen, die anstelle überprüfbarer Beurteilungskriterien<br />
einer Leistung ihre jeweiligen Normen – und Wertvorstellungen<br />
oder ihren Überdruss zur Entscheidungsfindung heranziehen?<br />
Ich frage mich auch, wie gerade Menschen benachteiligten <strong>Kind</strong>ern auf die<br />
Sprünge helfen sollen, die von der Schule in die <strong>Universität</strong> und zurück in die<br />
Schule gegangen sind, nichts als Noten und Benotungen kennen und sich im<br />
abgesicherten Leben als Beamte eingerichtet haben. Die nicht ganz Resignierten<br />
träumen dort vom Lektorenposten in einem großen Verlag (wenn sie<br />
nicht selber heimlich schreiben), vom Dramaturgenjob an der Burg oder von<br />
einer wissenschaftlichen Karriere.<br />
38 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
Einerseits ist die Zeit mit meinen Enkeln ein Geschenk - andrerseits hatte ich<br />
mir nach den Schulabschlüssen meiner <strong>Kind</strong>er gewünscht, mit Lehrern nie<br />
wieder in näheren Kontakt treten zu müssen. Jener Spezies, die mit ihrer<br />
staatlich sanktionierten Aufgeblasenheit ihre Persönlichkeitsdefizite kaschieren<br />
dürfen, die auf Kosten kleiner Menschen ihr Machtstreben ausagieren<br />
und dann die Demütigung als pädagogisch notwendige Erziehungsmaßnahme<br />
erklären können.<br />
Vor denen Familien zittern, weil sie - kaum angreifbar - über Lebensschicksale<br />
entscheiden; denen du als Eltern hilflos ausgeliefert bist, weil deine Gegenwehr<br />
nicht dich, sondern unerbittlich dein <strong>Kind</strong> trifft.<br />
Einerseits könnte angesichts von PISA klammheimliche Freude aufkommen,<br />
- in <strong>Göttingen</strong> nichts Unbekanntes - wer hat nicht immer schon geahnt,<br />
dass <strong>Kind</strong>er Glück haben müssen, wenn sie bei der<br />
Experimentierfreude der ministerialen Überlehrer in der Schule lesen und<br />
schreiben lernen.<br />
Andrerseits bin ich zutiefst erschüttert darüber, dass die akademische Gemeinde<br />
über die Rechtschreibreform Zeter und Mordio schreit, aber erst<br />
gemordet werden muss, bevor eine Erörterung über die Berufseignung der<br />
Personengruppe stattfindet, denen wir naiven Gemüts unsere Zukunft -<br />
sofern wir <strong>Kind</strong>er als solche betrachten - anvertraut haben.<br />
P.S. PISA hat nichts mit dem schiefen Turm zu tun, obgleich die gleichnamige Studie<br />
aufzeigt, was alles schief gelaufen ist.
Weil’s in der Schule hapert, soll’s nun der <strong>Kind</strong>ergarten richten. Kleinkinder<br />
an die Leistungsfront. Was ist eine Leistung? Den Lehrer nicht strapazieren,<br />
seinen Lösungsweg wiederkäuen, Alternativern lieber verwerfen? Was ist an<br />
den sattsam belachten „trotz Schulversager doch noch Nobelpreisträger-<br />
Geschichten“ eigentlich lustig?<br />
Warum sind gute Pädagogen in der Regel auch gute Didaktiker, bei denen<br />
<strong>Kind</strong>er gerne und meistens spielend was leisten? Bei allen Unkenrufen, es<br />
gibt sie, die guten und erfolgreichen Pädagogen. <strong>Kind</strong>er sind für sie keine<br />
Verhandlungsmasse im Wahlkampfbildungsstreit.<br />
Warum sind die allseits beliebten Lehrer bei den Kollegen so unbeliebt? Was<br />
haben sie, das die nicht haben?<br />
Unser Wissenschaftsminister hat - PISA im Nacken - die Lehrerausbildung<br />
überprüfen lassen. Millionenfache Elternerfahrung wurde wissenschaftlich<br />
bestätigt. Die haben keine Ahnung von Pädagogik! Na so was! Wahrscheinlich<br />
gibt es hierin noch keine Selbsterfahrungsseminare in der Toskana.<br />
Leider wurde nicht gefragt, ob sie <strong>Kind</strong>er überhaupt leiden können.<br />
Warum ist nichts faul im Staate Dänemark?<br />
Angesichts des guten Abschneidens der skandinavischen Länder in PISA ist<br />
natürlich auch zu fragen, ob der Erfolg nicht auf die dort selbstverständliche<br />
Vereinbarkeit von Beruf und Familie in Koalition mit gut ausgebildeten<br />
Lehrern zurückzuführen ist. Andrerseits schaffen ehrgeizige Mütter im Verein<br />
mit schlecht ausgebildeten Lehrern nicht selten Arbeitsplätze für Psychotherapeuten.<br />
Möglicherweise wäre das noch eine interessante Altersbeschäftigung, falls<br />
Schule aus meinem Blickwinkel gerät oder ich aus Langeweile sado-masochistische<br />
Tendenzen entwickeln sollte.<br />
Einerseits können wir unter diesen Umständen froh sein, dass so viele Frauen<br />
ihren Beruf aufgeben, um als Mütter freiwillig und unbezahlt ihren <strong>Kind</strong>ern<br />
Nachhilfeunterricht zu geben. Andrerseits war deren Arbeitsdienst<br />
nicht nur von Erfolg gekrönt.<br />
Einerseits spreche ich also aus dem „off“ -<br />
andrerseits bin ich mitten im Leben - wie es scheint.<br />
Für heute seien Sie gegrüßt<br />
Ihre Carmen Franz<br />
GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002 39
<strong>Georg</strong>-<strong>August</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Göttingen</strong><br />
Frauenbüro<br />
40 GEORGIA Nr. 4 - Ausgabe 2002<br />
Frauenbeauftragte Bereich Humanmedizin