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Zur Haftung für privatisierte Staatsbetriebe - Wolfgang Wiegand

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<strong>Wolfgang</strong> <strong>Wiegand</strong>/Jürg Wichtermann, <strong>Zur</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>für</strong> <strong>privatisierte</strong> <strong>Staatsbetriebe</strong> recht 1999 Heft 1<br />

Rechtsnatur des Verhältnisses zwischen dem<br />

Gemeinwesen und dem Geschädigten. So wird<br />

beispielsweise die Tätigkeit von Spitälern regelmässig<br />

und in weiten Bereichen als nicht-gewerblich<br />

bzw. «hoheitlich» qualifiziert und dem<br />

öffentlichen Recht unterstellt, unabhängig davon,<br />

ob der Patient ein öffentlichrechtliches oder ein<br />

privatrechtliches Behandlungsverhältnis eingegangen<br />

ist, und unter Umständen auch unabhängig<br />

davon, ob es sich um ein öffentliches oder ein<br />

Privatspital handelt 55 . Als gewerblich gilt dagegen<br />

etwa der Betrieb eines Elektrizitätswerkes,<br />

obwohl die Stromversorgung ebenso zur staatlichen<br />

Daseinsvorsorge gezählt werden kann, der<br />

Betrieb eines Elektrizitätswerkes in aller Regel<br />

ebenso durch öffentlichrechtlichen Akt begründet<br />

wird 56 und das Verhältnis zu den Leistungsbezügern<br />

ebenso als öffentlichrechtliche Beziehung<br />

ausgestaltet werden kann 57 . Die Konsequenz aus<br />

dieser Kategorisierung müsste an sich geradezu<br />

alarmieren, wenn man bedenkt, dass das Gemeinwesen<br />

<strong>für</strong> nicht-gewerbliche Tätigkeiten (zu<br />

denen weitgehend auch das Spitalwesen gehören<br />

soll) nach Art. 61 Abs. 1 OR grundsätzlich gar<br />

keine <strong>Haftung</strong> übernehmen müsste: Würde ein<br />

Kanton darauf verzichten, sich eine (primäre)<br />

Staatshaftung aufzuerlegen, bliebe dem geschädigten<br />

Patienten - neben einem eventuellen Ver-<br />

55 Vgl. bspw. das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons<br />

Bern vom 16.April 1991 i.S. M.F. gegen Stiftung Kinderspital X<br />

(BVR 7997 462ff.): «Handelt ein Spital - auch ein Privatspital - als<br />

Teil der staatlichen Leistungsverwaltung, sind <strong>Haftung</strong>sansprüche<br />

aus dieser Tätigkeit grundsätzlich nach öffentlichem Recht zu beurteilen»<br />

(Erw. 2). Ohne weitere Begründung (aber unter Verweis auf<br />

die Praxis des Bundesgerichts) wird dabei davon ausgegangen,<br />

dass «Krankenbetreuung in amtlicher Eigenschaft [...] nicht den gewerblichen<br />

Tätigkeiten zugerechnet» werde. - In der Praxis wird<br />

überdies bei der Zuordnung eines Sachverhaltes zum Teil gar nicht<br />

geprüft, ob ein deliktisches oder vertragliches Verhältnis vorliegt<br />

bzw. ob das in Frage kommende öffentliche <strong>Haftung</strong>sregime überhaupt<br />

auf vertragliche Schadenersatzansprüche anwendbar ist.<br />

Diese Prüfung wäre auch unabhängig von der Unterscheidung zwischen<br />

gewerblichen und nicht-gewerblichen Verrichtungen erforderlich.<br />

Dies deshalb, weil Staatshaftungskonzeptionen in der Regel<br />

und ausgehend von der systematischen Einordnung von Art. 61<br />

OR in erster Linie die deliktische Verantwortlichkeit des Gemeinwesens<br />

ordnen. - <strong>Zur</strong> Spital- und Arzthaftung vgl. Heinrich Honseil<br />

(Hrsg.), Handbuch des Arztrechts, Zürich 1994, darin insbesondere<br />

die Beiträge von Moritz Kuhn, 31 ff., und <strong>Wolfgang</strong> <strong>Wiegand</strong>,<br />

119ff; Thomas Eichenberger, Die Rechtsstellung des Arztes am<br />

öffentlichen Spital, Bern 1995; Josf Gross, <strong>Haftung</strong> <strong>für</strong> medizinische<br />

Behandlung, Bern 1987.<br />

66 Auch wenn ein Elektrizitätswerk als juristische Person des Privatrechts<br />

ausgestaltet ist, bedarf es eines öffentlichrechtlichen Aktes<br />

des Gemeinwesens, wenn es als (Mit-)Gründerin oder (Mit-)Eignerin<br />

des Werkes auftritt.<br />

57 So hat etwa der Kanton Bern das Rechtsverhältnis zwischen<br />

den Stromanbietern und Strombezügern unabhängig von der<br />

Rechtsnatur des Energielieferanten ex lege als öffentlichrechtliches<br />

Verhältnis definiert (Art. 32 Abs. 3 des bernischen Energiegesetzes<br />

[EnG] vom 14. Mai 1981).-<strong>Zur</strong> Frage des Rechtsverhältnisses<br />

zwischen einem Elektrizitätswerk einer Gemeinde und Strombezügern<br />

vgl. BGE vom 27.September 1996 in ZBI 7997 410ff.,<br />

welcher Entscheid allerdings gewisse Fragen offenlässt (vgl. dazu<br />

die dortige Bemerkung der Redaktion).<br />

tragsanspruch gegen das Spital - gerade noch ein<br />

Anspruch aus Art. 41 OR gegen den (dann hoffentlich<br />

noch solventen) Spitalarzt.<br />

Die insgesamt unbefriedigend gelöste Problematik<br />

der Abgrenzung zwischen gewerblichen<br />

und nicht-gewerblichen Tätigkeiten ist zumindest<br />

<strong>für</strong> die Rechtsanwendung von grosser Bedeutung,<br />

resultiert doch daraus, wie auch die Rechtsprechung<br />

zeigt, regelmässig Unsicherheit über<br />

das im konkreten Fall anwendbare <strong>Haftung</strong>sregime.<br />

Nicht zur Verbesserung der Situation trägt<br />

zudem bei, dass die Praxis in der Frage des anwendbaren<br />

<strong>Haftung</strong>srechts teilweise eher nach<br />

optimalen Anspruchsgrundlagen <strong>für</strong> die Geschädigten<br />

sucht 58 . Dabei wird die Diskussion der-an<br />

sich grundlegenden - Frage, wieweit und warum<br />

eine gegenüber Privaten verschärfte <strong>Haftung</strong> des<br />

Gemeinwesens begründet sei, oft nicht geführt<br />

oder sie tritt zumindest in den Hintergrund 69 .<br />

d) Strengere <strong>Haftung</strong> des Staates?<br />

Gerade diese letzte Frage wäre jedoch vordringlich<br />

zu stellen: Das Staatshaftungsrecht hat im<br />

Laufe seiner Entwicklung das allgemeine (Bundeszivil-)<strong>Haftung</strong>srecht<br />

gewissermassen überholt<br />

und bietet dem Geschädigten nun in der Regel<br />

einen teilweise deutlich besseren Schutz.<br />

Was seinerzeit mit der zwangsweisen Unterstellung<br />

der gewerblichen Tätigkeit des Gemeinwesens<br />

unter das zivile Haftpflichtrecht des Bundes<br />

als Schutzdispositiv konzipiert wurde - der Staat<br />

sollte wenigstens <strong>für</strong> seine gewerblichen Tätigkeiten<br />

gleich einstehen müssen wie ein Privater<br />

-, hat seine Rechtfertigung in vielen Teilen<br />

verloren. Vielmehr fragt sich heute angesichts<br />

der sehr weit gezogenen Charakterisierung staatlicher<br />

Leistungen als nicht-gewerblich bzw. hoheitlich,<br />

wieweit es tatsächlich angezeigt sei, das<br />

Gemeinwesen auch bei der Erfüllung solcher öffentlicher<br />

Aufgaben mit teilweise ausgesprochenem<br />

Dienstleistungscharakter anders, d.h. in der<br />

Regel strenger zu behandeln als einen Privaten,<br />

der die gleiche Leistung anbietet. Diese Entwicklung<br />

hat denn auch schon verschiedentlich Kritik<br />

hervorgerufen. Insbesondere wurde angeregt,<br />

die im Allgemeinen strenge(re)n Staatshaftungsregeln<br />

in ihrer Anwendung auf den Bereich des<br />

tatsächlich hoheitlichen Handelns zurückzuführen<br />

und im Übrigen grundsätzlich privatrechtliche<br />

<strong>Haftung</strong>snormen anzuwenden 60 . Allerdings sind<br />

^BK-Brehm, Art. 61 N 32.<br />

59 Vgl. dazu Emil W. Stark, Einige Gedanken zur Haftpflicht <strong>für</strong><br />

staatliche Verrichtungen, SJZ 7990 1 ff., 6 ff.<br />

60 Insbesondere hat Emil W.Stark (Fn.59), 7f„ dies postuliert.

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