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Zur Haftung für privatisierte Staatsbetriebe - Wolfgang Wiegand

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<strong>Wolfgang</strong> <strong>Wiegand</strong>/Jürg Wichtermann, <strong>Zur</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>für</strong> <strong>privatisierte</strong> <strong>Staatsbetriebe</strong> recht 1999 Heft 1<br />

liehen erst eine Errungenschaft des 20. Jahrhunderts<br />

40 '".<br />

Zu präzisieren ist der Grundsatz der prinzipiellen<br />

<strong>Haftung</strong> des Gemeinwesens im Weiteren vor<br />

allem in zwei Punkten: Zum einen ist die <strong>Haftung</strong><br />

des Gemeinwesens natürlich nicht unabhängig<br />

vom Kriterium der Rechtswidrigkeit seines (oder<br />

allenfalls des ihm zugerechneten) Tuns. Allerdings<br />

ist den Staatshaftungskonzepten praktisch<br />

durchgehend eigen, dass das Gemeinwesen unter<br />

Umständen auch <strong>für</strong> rechtmässiges Tun haftet<br />

42 . Zum andern ist darauf hinzuweisen, dass<br />

mit dem Begriff der Staatshaftung oft nur oder jedenfalls<br />

in erster Linie die deliktische <strong>Haftung</strong> des<br />

Gemeinwesens erfasst wird. Dies lässt sich aus<br />

der Tradition des staatlichen Handelns ausserhalb<br />

konsensualer Rechtsgeschäftsformen erklären:<br />

Der Staat als Autorität verhandelt grundsätzlich<br />

nicht, sondern ordnet an. Seit langem ist allerdings<br />

unbestritten, dass auch das Gemeinwesen<br />

am Geschäftsverkehr teilnehmen kann, soweit<br />

es etwa Erwerbsgeschäfte <strong>für</strong> die verwaltungsinterne<br />

Bedarfsdeckung tätigt. Insofern kann der<br />

Staat auch Partei von privatrechtlichen Rechtsgeschäften<br />

und namentlich von privatrechtlichen<br />

Verträgen sein 43 . Im Weiteren bestehen heute in<br />

40 So das Bundesgesetz vom 14. März 1958 über die Verantwortlichkeit<br />

des Bundes sowie seiner Behördenmitglieder und Beamten<br />

(Verantwortlichkeitsgesetz, VG, SR 170.32) seit 1959; gewisse<br />

Kantone sind erst deutlich später zu diesem System übergegangen<br />

(vgl. Jost Gross, Schweizerisches Staatshaftungsrecht, Bern 1995,<br />

51 ff.). Praktisch verschwunden ist die früher oft anzutreffende<br />

Amtskaution, welche öffentlich Bedienstete beim Antritt einer<br />

Stelle beim Gemeinwesen zu hinterlegen hatten, damit sich dieses<br />

schadlos halten konnte, wenn Dritte das Gemeinwesen <strong>für</strong> Schäden<br />

belangten, die der Beamte verursacht hatte.<br />

41 Diese Entwicklung des Staatshaftungsrechts weist im Übrigen,<br />

auch wenn sie höchstens teilweise von identischen Motiven<br />

geleitet wurde, gewisse Parallelen zur Entwicklung der (deliktischen<br />

und vertraglichen) Verantwortlichkeit <strong>für</strong> Schäden im Privatrecht<br />

auf. Auch hier geht die Tendenz eindeutig dahin, über die Statuierung<br />

von Gefährdungs- und Kausalhaftungen bzw. über die teilweise<br />

massive Ausdehnung von Schutzpflichten Risiken zunehmend<br />

mehr oder weniger verschuldensunabhängig durch diejenigen<br />

tragen zu lassen, welche Schadenspotentiale schaffen. Auch<br />

diese Risikoverteilung und -Verlagerung ist im Wesentlichen durch<br />

die gesellschaftliche und vor allem technische Entwicklung des<br />

20. Jahrhunderts geprägt worden.<br />

42 In der Regel ist dann meist von Entschädigung und nicht von<br />

Schadenersatz aus Staatshaftung die Rede. Typisches Beispiel ist<br />

die Entschädigung <strong>für</strong> materielle oder formelle Enteignungen von<br />

Grundeigentum. Zu den Abgrenzungen vgl. Tobias Jaag, Öffentliches<br />

Entschädigungsrecht, ZBI 7997145ff.<br />

43 Damit wird das Gemeinwesen allerdings nicht zum Privatrechtssubjekt,<br />

wie die oft verwendete Redensart, der Staat handle<br />

in diesen Bereichen als Subjekt des Privatrechts, vermitteln könnte<br />

(so auch die missverständliche Formulierung in Art, 11 Abs. 1 VG<br />

[Fn.40]). Das Gemeinwesen wird kraft öffentlichen Rechts geschaffen<br />

und bleibt - jedenfalls konstitutiv gesehen - immer ein<br />

Subjekt des öffentlichen Rechts, auch wenn es in den Formen des<br />

Privatrechts handelt. Vgl. dazu auch <strong>Wolfgang</strong> <strong>Wiegand</strong>/Jürg Wichtermann<br />

(Fn. 14), 59ff. Davon zu unterscheiden ist die Aussage,<br />

wonach das Gemeinwesen als Subjekt des Privatrechts bzw. in privatrechtlichem<br />

Kleid handle, wenn es selbständige privatrechtliche<br />

Rechtssubjekte <strong>für</strong> die Erfüllung öffentlicher Aufgaben einsetze<br />

(vgl. etwa Paul R. Müller, Das öffentliche Gemeinwesen als Subjekt<br />

des Privatrechts, Zürich 1970, 148ff.).<br />

vielen Bereichen insbesondere der öffentlichen<br />

Dienstleistungen privatrechtliche (vertragliche)<br />

Rechtsbeziehungen zwischen den Leistungserbringern<br />

und den Angebotsbezügern. Schliesslich<br />

beansprucht das kooperative Verwaltungshandeln<br />

einen zunehmend breiteren Raum; vertragliches<br />

Handeln des Gemeinwesens wird<br />

demnach auch im Bereich der öffentlichen Aufgabenerfüllung<br />

vermehrt zu einer Form der Gestaltung<br />

von Rechtsverhältnissen zwischen Staat<br />

und Privaten 44 .<br />

Diese Vielfalt hat ihrerseits direkte Auswirkungen<br />

auf die in eine umfassende Betrachtung<br />

staatlicher <strong>Haftung</strong>en einzubeziehenden Felder:<br />

Die Frage nach der <strong>Haftung</strong> bei der Erfüllung öffentlicher<br />

Aufgaben kann, gerade auch wenn sie<br />

den Beizug selbständiger und oft privatrechtlich<br />

konstituierter Organisationen berücksichtigt, keineswegs<br />

auf ausservertragliche Grundlagen beschränkt<br />

bleiben. Dies illustrieren besonders<br />

deutlich auch die eingangs erwähnten Probleme<br />

der Gemeinde Leukerbad: Die meisten Rechtsbeziehungen,<br />

die hier Grundlage einer allfälligen<br />

<strong>Haftung</strong> bilden würden, basieren soweit ersichtlich<br />

auf privatrechtlichen Verträgen, die privatrechtliche<br />

Subjekte in Erfüllung einer öffentlichen<br />

Aufgabe abgeschlossen haben.<br />

b) Deliktische Staatshaftung<br />

Die Linien des schweizerischen Staatshaftungsrechts<br />

sind recht gewunden; sie sollen in aller<br />

Kürze nachgezeichnet werden, soweit sie <strong>für</strong> die<br />

hier interessierende Fragestellung von Belang<br />

sind 45 . Einer der Ausgangspunkte <strong>für</strong> die deliktische<br />

Staatshaftung bildet Art.61 Abs. 1 OR:<br />

Demnach haften die Beamten und Angestellten<br />

der öffentlichen Hand (und nicht etwa das Gemeinwesen<br />

selbst! 46 ) <strong>für</strong> Schäden, die bei der Erfüllung<br />

öffentlicher Aufgaben entstehen, grundsätzlich<br />

nach Zivilrecht, soweit Bund oder Kantone<br />

keine abweichenden <strong>Haftung</strong>sregeln aufstellen<br />

(dies können sie, sie müssen aber nicht).<br />

Freilich haben sowohl die Eidgenossenschaft als<br />

44 Eine gewisse Verbreitung haben Verwaltungsverträge z. B. im<br />

Bereich des Bau- und Planungsrechts sowie im Umweltrecht gefunden.<br />

Auch im Zusammenhang mit der Einführung neuer Verwaltungsformen<br />

(wirkungsorientierte Steuerungsmodelle, New Public<br />

Management) gewinnt die Leistungsvereinbarung als konsensuales<br />

Gestaltungselement an Bedeutung. Zu Verwaltungsverträgen<br />

eingehend etwa Thomas P Müller, Verwaltungsverträge im Spannungsfeld<br />

von Recht, Politik und Wirtschaft, Basel etc. 1997.<br />

45 Umfassende Darstellungen finden sich insbesondere bei Jost<br />

Gross (Fn.40); Balz Gross (Fn.37); <strong>für</strong> Deutschland Fritz Ossenbühl,<br />

Staatshaftungsrecht, 5. Aufl., München 1998.<br />

46 Die Gemeinwesen selbst haften (<strong>für</strong> den nicht-gewerblichen<br />

Bereich) als Ausfluss des Legalitätsprinzips nur, soweit sie entsprechende<br />

Rechtsgrundlagen schaffen.

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