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Zur Haftung für privatisierte Staatsbetriebe - Wolfgang Wiegand

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<strong>Wolfgang</strong> <strong>Wiegand</strong>/Jürg Wichtermann, <strong>Zur</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>für</strong> <strong>privatisierte</strong> <strong>Staatsbetriebe</strong> recht 1999 Heft 1<br />

Die Aufsplitterung des Gemeinwesens in eine<br />

im Prinzip unbeschränkte Anzahl von rechtlich eigenständigen<br />

Subjekten und die Wahrnehmung<br />

von Aufgaben des Gemeinwesens durch diese<br />

selbständigen Rechtsträger legt ein dem privatrechtlichen<br />

Gesellschaftsrecht entlehntes Bild<br />

nahe: Das Gemeinwesen erscheint, zusätzlich<br />

untermalt durch die Begleitmusik der modernen<br />

Verwaltungsmanagement-Terminologie, zunehmend<br />

als Konzern: als eine Gesamtheit von unter<br />

einheitlicher wirtschaftlicher Leitung stehenden,<br />

rechtlich selbständigen Unternehmungen 28 .<br />

Grundsätzlich ist denn auch anerkannt, dass Gemeinwesen<br />

konzernwesentliche Charakteristika<br />

entwickeln bzw. dass sie als herrschende Subjekte<br />

juristisch verselbständigte Organisationen<br />

unter einer einheitlichen Leitung zusammenfassen<br />

und insofern grundsätzlich auch konzernrechtlichen<br />

Regelungen unterstellt werden können<br />

29 .<br />

Es ist allerdings bereits hier darauf hinzuweisen,<br />

dass sich das Verhältnis zwischen einer Muttergesellschaft<br />

und ihren Töchtern vom Verhältnis<br />

eines Muttergemeinwesens zu ihren Töchtern<br />

in einem Punkt grundsätzlich unterscheidet:<br />

Das Gemeinwesen ist in der Regel nur sehr beschränkt<br />

frei, eine öffentliche Aufgabe aus dem<br />

Angebotssortiment zu streichen. Die öffentliche<br />

Hand kann sich zwar relativ beliebig strukturieren<br />

und Aufgaben allenfalls auch durch verselbständigte<br />

Rechtsträger erfüllen (lassen). Der Wegfall<br />

eines solchen in die öffentliche Aufgabenerfüllung<br />

eingespannten eigenständigen Rechtssubjektes<br />

entlastet das Gemeinwesen meistens<br />

aber nicht von der Pflicht, die entsprechende Leistung<br />

zu erbringen 30 . Eine rein wirtschaftliche,<br />

Kantone zugunsten ihrer Bankinstitute abgaben, doch ist in der Regel<br />

davon auszugehen, dass auch aufgrund der jeweiligen kantonalen<br />

<strong>Haftung</strong>sgesetze ein kantonales Einstehen unausweichlich geworden<br />

wäre.<br />

28 So die Definition des Konzerns bei Roland von Büren, Der Konzern,<br />

SPR VIII/6, Basel etc. 1997, 15.<br />

39 Roland von Büren (Fn.28), 249; Beat Brechbühl, <strong>Haftung</strong> aus<br />

erwecktem Konzernvertrauen, Bern 1998, 7, Für Deutschland, wo<br />

ebenfalls herrschende Meinung und Praxis ist, dass Gemeinwesen<br />

konzernrechtlich herrschende Unternehmen sein können, vgl. Thomas<br />

Kuhl/Kersten Wagner, Das Insolvenzrisiko der Gläubiger kommunaler<br />

Eigengesellschaften, ZIP 1995433ff., 440 (m. H). Gemäss<br />

dem Beschluss des BGH vom 17.3.1997 («VW-Beschluss», NJW<br />

7997 1855ff.) genügt es nach deutscher Praxis schon, dass das<br />

Gemeinwesen nur ein einziges privatrechtliches Unternehmen<br />

(u.U. auch nur über eine Minderheitsbeteiligung) beherrscht, damit<br />

ein konzernrechtlich relevanter Sachverhalt bejaht werden kann.<br />

30 Besonders deutlich tritt dies bei jenen Aufgaben zu Tage, die einem<br />

Gemeinwesen von einem übergeordeten Gemeinwesen<br />

zwingend zur Erfüllung übertragen werden. So ist beispielsweise<br />

die Abfallentsorgung in den meisten Kantonen Sache der kommunalen<br />

Ebene. Die Gemeinden können durchaus Private mit dieser<br />

Aufgabe betrauen oder selbst privatrechtliche Organisationen<br />

gründen und diese <strong>für</strong> die Abfallentsorgung einsetzen. Fällt nun<br />

aber der mit dieser Aufgabe betraute Träger (aus welchen Gründen<br />

auch immer) weg, so hat ohne weiteres das Gemeinwesen die aus-<br />

private Muttergesellschaft eines Konzerns ist mit<br />

solchen Komplikationen in aller Regel weit weniger<br />

oder gar nicht konfrontiert.<br />

IM. Staatshaftung und<br />

Dritthaftungskonzepte<br />

1. Strukturen von Dritthaftungen 3 '<br />

Wer einen Schaden erleidet, der hat ihn grundsätzlich<br />

selbst zu tragen. Selbstverständlich ist<br />

dieser Grundsatz - auch unabhängig davon, dass<br />

die Regel nur den zufällig eintretenden Schaden<br />

betrifft - in verschiedenster Weise zu relativieren.<br />

In vertraglichen Beziehungen ohnehin 32 ,<br />

aber auch in deliktischen <strong>Haftung</strong>sverhältnissen<br />

haben Gesetzgebung 33 und Praxis längst Risikotragungszuweisungen<br />

vorgenommen, welche<br />

die Pflicht zum Schadensausgleich zwischen<br />

zwei sich gegenüberstehenden Parteien von<br />

ganz anderen Kriterien abhängig machen.<br />

Zusätzliche Fragen werfen <strong>Haftung</strong>skonstellationen<br />

auf, an denen nicht nur zwei, sondern drei<br />

Parteien beteiligt sind, die allerdings jeweils nur<br />

mit einer der beiden anderen Parteien direkt in<br />

«Berührung» kommen, während zur dritten Partei<br />

(höchstens) mittelbar ein Verhältnis besteht.<br />

Vereinfacht lautet die vorab interessierende<br />

Frage in solchen Dreiecksverhältnissen: Haftet<br />

(und wenn ja: unter welchen Voraussetzungen)<br />

eine (Erst-)Person <strong>für</strong> den Schaden, den ein Dritter<br />

erlitten hat, obwohl dieser nur mit einer<br />

(Zweit-)Person in Kontakt getreten ist und mit<br />

der ersten Person an sich keine «Berührung»<br />

hatte? 34 ' 36 .<br />

fallende Leistung sicherzustellen. Im Prinzip gilt diese subsidiäre<br />

Erfüllungsverantwortlichkeit <strong>für</strong> alle öffentlichen Aufgaben, die ein<br />

Gemeinwesen übernimmt, d.h. auch <strong>für</strong> die selbstgewählten. Im<br />

Unterschied zu den übertragenen Aufgaben kann aber das Gemeinwesen<br />

auf die Erfüllung einer selbstgewählten Aufgabe verzichten;<br />

dies allerdings nur durch den Entscheid des zuständigen<br />

Organs (in der Regel ein Legislativorgan) und unabhängig vom<br />

Schicksal des mit der in Frage stehenden öffentlichen Aufgabe betrauten<br />

Dritten.<br />

•" Martin Moser (Die <strong>Haftung</strong> gegenüber vertragsfremden Dritten,<br />

Bern 1998, 3f.) hat auf die teilweise uneinheitliche Terminologie<br />

bei <strong>Haftung</strong>sfällen in Drei-Personen-Verhältnissen hingewiesen.<br />

Wie dort <strong>für</strong> vertragliche <strong>Haftung</strong>slagen wird auch hier generell<br />

von Dritthaftungen gesprochen, wo eine Person <strong>für</strong> einen Schaden<br />

haften soll, der von einer zweiten Person (im Rahmen ihrer Tätigkeit<br />

<strong>für</strong> die erste Person) einer Drittperson zugefügt wird.<br />

32<br />

<strong>Zur</strong> Entwicklung des vertraglichen Schuldverhältnisses vgl.<br />

<strong>Wolfgang</strong> <strong>Wiegand</strong>, Von der Obligation zum Schuldverhältnis, recht<br />

/99785ff.<br />

33<br />

Etwa durch die Einführung von Kausal- und Gefährdungshaftungen.<br />

34<br />

Von Interesse ist dies vor allem im Zusammenhang mit reinen<br />

Vermögensschäden, die in der Regel ausservertraglich nicht erfasst<br />

werden. Das klassische Beispiel hierzu bildet der Handwer-

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