15.01.2013 Aufrufe

Zur Haftung für privatisierte Staatsbetriebe - Wolfgang Wiegand

Zur Haftung für privatisierte Staatsbetriebe - Wolfgang Wiegand

Zur Haftung für privatisierte Staatsbetriebe - Wolfgang Wiegand

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

echt 1999 Heft 1 <strong>Wolfgang</strong> <strong>Wiegand</strong>/Jürg Wichtermann, <strong>Zur</strong> <strong>Haftung</strong> <strong>für</strong> <strong>privatisierte</strong> <strong>Staatsbetriebe</strong><br />

Auch im Bereich des staatlichen Tätigseins<br />

kann sich die Frage nach der <strong>Haftung</strong> <strong>für</strong> fremdes<br />

Verhalten stellen. Dezentralisiert das Gemeinwesen<br />

seine Aufgabenerfüllung, indem es da<strong>für</strong><br />

rechtlich selbständige (öffentliche oder private)<br />

Organisationen beizieht, entstehen typischerweise<br />

Dritthaftungsfälle, wenn im Rahmen der<br />

Aufgabenerfüllung Drittpersonen zu Schaden<br />

kommen. Es ist dann nicht das Gemeinwesen<br />

selbst, das handelt, sondern ein eigenständiger<br />

und grundsätzlich auch haftungsfähiger bzw.<br />

haftpflichtiger Rechtsträger. Unter zwei Voraussetzungen<br />

ergeben sich <strong>für</strong> den Geschädigten<br />

aus dem Beizug juristisch selbständiger Personen<br />

keine grundsätzlichen Probleme: Entweder<br />

wird die schädigende Handlung, obwohl durch<br />

ein eigenständiges Subjekt begangen, direkt<br />

dem Gemeinwesen zugerechnet. Oder die handelnde<br />

und dabei schädigende Institution ist solvent.<br />

Interessant wird ein möglicher Rückgriff<br />

aber im Insolvenzfall: Kann die rechtlich selbständige,<br />

<strong>für</strong> das Gemeinwesen eine öffentliche Aufgabe<br />

erfüllende Person ihren Verpflichtungen<br />

nicht (mehr) nachkommen, wird man ohne weiteres<br />

nach Wegen suchen wollen, um das Gemeinwesen<br />

in Pflicht nehmen zu können.<br />

ker, der bei Reparaturarbeiten im Haus des Vertragsnehmers dessen<br />

unbeteiligte Tochter (evtl. nur am Vermögen) schädigt. Solchen<br />

Situationen versucht man dogmatisch mit verschiedenen <strong>Haftung</strong>skonzepten<br />

zu begegnen: bspw. Vertrag mit Schutzwirkung<br />

zugunsten Dritter, Drittschadensliquidation, Berufshaftung und-in<br />

neuerer Zeit in den Vordergrund tretend - Vertrauenshaftung. Vgl.<br />

dazu eingehend Martin /VJoser(Fn.3D, passim; <strong>Wolfgang</strong> <strong>Wiegand</strong><br />

(Fn.32), 85 ff.; weiterauch Samuel Siegrist, Der Vertrag mit Schutzwirkung<br />

zugunsten Dritter nach schweizerischem Recht, Zürich<br />

1997; Hans Peter Walter, Vertrauenshaftung im Umfeld des Vertrages,<br />

ZBJV 1996 273ff., Heribert Hirte, Berufshaftung, München<br />

1996, 386ff.<br />

Ein von der Interessenlage her vergleichbarer Fall aus der neuesten<br />

Praxis des Bundesgerichts: Die Revisionsstelle einer Aktiengesellschaft<br />

haftet nicht nur gegenüber der sie mit der Wirtschaftsprüfung<br />

beauftragenden Gesellschaft, sondern grundsätzlich auch gegenüber<br />

Dritten (z.B. Gesellschaftsgläubigern). Die Funktion der<br />

Revisionsstelle sei auch «drittschutzbezogen» zu verstehen. Die<br />

<strong>Haftung</strong> der Revisionsstelle gegenüber Dritten ergibt sich indessen<br />

(wie auch gegenüber der Gesellschaft selbst) direkt aus Art. 755<br />

OR (BGE vom 19.12.1997, Pra 1998 680ff [nicht in der amtl.<br />

Sammlung]; vgl. dazu die Besprechungen von Roger Groner/Hans-<br />

Ueli Vogt, <strong>Zur</strong> <strong>Haftung</strong> der Revisionsstelle gegenüber Investoren,<br />

recht 1998 257ff.. und Lukas Glanzmann in AJP 1998 1235ff. sowie<br />

Kersten Alexander Honold, <strong>Zur</strong> Dritthaftung der Revisionsstelle,<br />

ST 1998 1069ff).<br />

35 Nur vordergründig sind die <strong>Haftung</strong> <strong>für</strong> Hilfspersonen gemäss<br />

Art. 101 OR und die <strong>Haftung</strong> der juristischen Person <strong>für</strong> ihre Organe<br />

gemäss Art. 55 ZGB Beispiele hier<strong>für</strong>. Tatsächlich hat hier eine (juristische)<br />

Person <strong>für</strong> fremdes Fehlverhalten einzustehen; allerdings<br />

besteht dabei ein direktes Verhältnis zwischen der Erst-Person und<br />

dem Geschädigten bzw. das Verhalten der Organe verpflichtet die<br />

juristische Person direkt. Hingegen könnte im Rahmen der Geschäftsherrenhaftung<br />

nach Art. 55 OR eine solche Konstellation gegeben<br />

sein. Hier wird das Verhalten des Gehilfen dem Geschäftsherrn<br />

zugerechnet, obwohl zwischen dem geschädigten Dritten<br />

und dem Geschäftsherrn unter Umständen keine Beziehung besteht.<br />

2. Das auf «Staatshaftungsfälle»<br />

anwendbare Recht<br />

a) Von der Unfehlbarkeit des Staates zur<br />

staatlichen Kausalhaftung<br />

Das Gemeinwesen agiert, wenn es mit anderen<br />

Rechtssubjekten in Kontakt tritt, oft und in verschiedener<br />

Hinsicht anders als «normale» Akteure.<br />

Namentlich steht ihm in vielen Bereichen<br />

zu, gegenüber anderen Personen autoritativ aufzutreten.<br />

Als Korrelat zu dieser Machtfülle im intersubjektiven<br />

Verkehr und der entsprechenden,<br />

gewollten Ungleichgewichtslage wird das Gemeinwesen<br />

allerdings in der Regel auch bezüglich<br />

seiner Verantwortlichkeit <strong>für</strong> seine Veranlassungen<br />

(oder allenfalls Unterlassungen) anders<br />

behandelt als die anderen Rechtssubjekte. Das<br />

schweizerische Staatshaftungsrecht ist heute -<br />

zwar nicht durchgehend, aber weitestgehend -<br />

geprägt vom Gedanken, dass die öffentliche<br />

Hand grundsätzlich einzustehen hat, wenn sie im<br />

Rahmen ihrer Tätigkeit andere Personen schädigt<br />

- und zwar tendenziell verschuldensunabhängig<br />

36 , d.h. regelmässig im Sinne einer (allenfalls<br />

milden) Kausalhaftung.<br />

Dieser Grundsatz ist sogleich nach mehreren<br />

Seiten einzuschränken bzw. zu präzisieren. Zunächst<br />

ist in Erinnerung zu rufen, dass die heute<br />

vorherrschende Meinung, wonach das Gemeinwesen<br />

relativ umfassend <strong>für</strong> schädigende Auswirkungen<br />

seines Tuns einzustehen hat, keineswegs<br />

selbstverständlich ist. Der seinerzeitige absolutistische<br />

und demnach unfehlbare Staat kam<br />

als <strong>Haftung</strong>ssubjekt nicht in Frage 37 . Und auch<br />

die ersten <strong>Haftung</strong>sgesetze der modernen Staaten<br />

bezeichneten - im Nachhall des staatlichen<br />

Unfehlbarkeitsdogmas - in der Regel zuerst die<br />

Beamten als <strong>Haftung</strong>ssubjekt, während das Gemeinwesen<br />

gar nicht, nur subsidär oder allenfalls<br />

neben der Beamtenschaft belangt werden<br />

konnte 38 . Dass das Rechtssubjekt Staat selbst<br />

die primäre oder originäre 39 Verantwortung <strong>für</strong><br />

von ihm bzw. seinen Organen und Hilfskräften<br />

verursachte Schäden übernimmt, ist im Wesent-<br />

36 Vgl. Balz Gross, Die Haftpflicht des Staates, Zürich 1996. 18ff.<br />

37 Pirmm Bischof, Amtshaftung an der Grenze zwischen öffentlichem<br />

Recht und Obligationenrecht, ZSR 7985 I 70; Offo K Kaufmann,<br />

Die Verantwortlichkeit der Beamten und die Schadenersatzpflicht<br />

des Staates in Bund und Kantonen, ZSR 7953201a ff, 206a f<br />

38 So liess auch das frühere Verantwortlichkeitsgesetz des Bundes<br />

vom 9 Dezember 1850 die Beamten <strong>für</strong> in amtlicher Funktion<br />

(allerdings: schuldhaft) verursachten Schaden einstehen (vgl Balz<br />

Gross, [Fn 36], 32, m H).<br />

39 <strong>Zur</strong> (vor allem dogmatisch interessanten) Unterscheidung von<br />

primärer und originärer <strong>Haftung</strong> vgl. Peter Salzgeber, Die Amtshaftung<br />

im schweizerischen Recht mit besonderer Berücksichtigung<br />

des bündnenschen Verantwortlichkeitsgesetzes vom 29 Oktober<br />

1944, Zürich 1979, 100ff.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!