Zahnärztliche Nachrichten Schwaben 5/2010 - Zahnärztlicher ...
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Als ich mich hinsetzte, um dieses Editorial<br />
zu schreiben, erhielt ich eine Einladung<br />
zu einer Pressekonferenz mit gleichzeitiger<br />
Implantation während eines Fluges.<br />
Diese seltsame Einladung finden Sie auf<br />
Seite 13 abgedruckt. Mir verschlug es<br />
kurzzeitig die Sprache. Wer auf diese<br />
Weise die Werbetrommel rührt, ist von<br />
einem Gewerbebetrieb nicht mehr zu<br />
unterscheiden. Implantologie im Flugzeug<br />
oder endodontologische Behandlung<br />
auf dem Sonnendeck eines Luxusschiffes<br />
sind eines akademischen Berufsstandes<br />
unwürdig, sie sind unethisch<br />
und mit der zahnärztlichen Berufsordnung<br />
nicht vereinbar. Das darin enthaltene,<br />
leider seit Jahren stark eingeschränkte<br />
Werbeverbot für Zahnärzte,<br />
„soll einer gesundheitspolitisch unerwünschten<br />
Kommerzialisierung und damit<br />
einer Verfälschung des Zahnarztberufes vorbeugen. Es<br />
dient dem Schutz der Bevölkerung und soll das Vertrauen der<br />
Patienten erhalten, dass ein Zahnarzt nicht aus Gewinnstreben<br />
bestimmte Untersuchungen oder Behandlungen durchführt“,<br />
schreibt Dr. Thomas Ratajczak im Leitartikel dieser Ausgabe.<br />
Wir Zahnärzte in unseren Praxen werden mittlerweile von zwei<br />
Seiten in die Zange genommen: Hier die Lockerung des Werbeverbots,<br />
die einen Wildwuchs zur Folge hat, bei dem sich<br />
immer größere Plakatierungen an Hauswänden, Werbeeindrucke<br />
auf jeder Seite des Telefonbuchs und reißerische Anzeigen<br />
in Zeitungen nach dem Motto „Zahnersatz zum Nulltarif“<br />
gegenseitig überbieten wollen. Wem nützt das alles? Den<br />
Zeitungen, den Telefonbuchverlagen und den Anstreichern. Es<br />
nützt weder den Patienten, die sich trotz Internet nach wie vor<br />
ihren Zahnarzt meist nach Mundpropaganda aussuchen, noch<br />
nützt es der Zahnärzteschaft, die Solidarisierung dringender<br />
denn je benötigt und einen künstlich geschürten Konkurrenzkampf<br />
so dringend braucht wie der Allgäuer seinen Kropf. Ja,<br />
auch die Zahnärzte in <strong>Schwaben</strong> sind längst davon betroffen,<br />
wie einer Resolution des Kemptener Obmannsbezirks kürzlich<br />
zu entnehmen war. Im ZBV-Vorstand tun wir alles, was möglich<br />
ist, um berufswidrige Werbung einzudämmen und zu untersagen<br />
– leider können wir nicht mehr tun. Denn die<br />
Geiz-ist-geil-Mentalität, die derzeit in der Bevölkerung en<br />
vogue zu sein scheint, schadet dem Vertrauensverhältnis<br />
zwischen Patient und Zahnarzt.<br />
Die andere Seite der Zange heißt „Entsolidarisierung“ des<br />
Berufsstandes. Und hier glaube ich, dass die GKVen und die<br />
PKVen mit Hilfe der Selektivverträge auf lange Sicht das Ziel<br />
verfolgen, dass sich die Berufsgruppe der Zahnärzte in kleine,<br />
untereinander konkurrierende Einheiten aufteilen soll. Wenn<br />
der Berufsstand in seiner Gesamtheit hier den kurzfristigen<br />
Verlockungen der Krankenkassen nicht widersteht und die<br />
Kollegenschaft entsprechend aufklärt, dann landen wir dort,<br />
wo die Humanmediziner bereits sind – zersplittert in zerstritte-<br />
ZNS 5-<strong>2010</strong><br />
Zurück zur Solidarität<br />
ne kleine Gruppen, die sich ums beste<br />
Stück vom Honorarkuchen streiten. Leider<br />
gibt es bereits Körperschaften, die<br />
manche Selektivverträge nicht nur gutheißen,<br />
sondern sogar aktiv abschließen,<br />
um sie als Erfolg ihrer eigenen Arbeit zu<br />
verkaufen. Da braucht es schon eine einige<br />
und langfristig denkende Standesführung,<br />
damit der Berufsstand nicht<br />
eines späteren Tages im Abseits steht.<br />
Selektivverträge sind meist Verträge auf<br />
Zeit. Was können Sie als Zahnarzt tun,<br />
wenn die Krankenkasse/Versicherung<br />
nach einigen Jahren den Vertrag kündigen<br />
will oder Ihnen nur schlechtere Konditionen<br />
anbietet? Suchen Sie sich dann<br />
neue Patienten oder eine andere Krankenkasse/Versicherung<br />
oder geben Sie<br />
klein bei? Es gibt mehr als ein Beispiel,<br />
dass Gesellschaften, die von Krankenkassen oder PKV-Unternehmen<br />
zum Zweck gegründet wurden, Selektivverträge<br />
anzubieten und abzuschließen, Honorardumping betrieben<br />
haben, weil sie vom Gesetzgeber freie Hand erhalten haben.<br />
Die beteiligten Zahnärzte werden mit Behandlungspauschalen<br />
geknebelt, die nicht einmal Bestandteil von BEMA oder GOZ<br />
sind. Zahnersatz darf nur von bestimmten Firmen bezogen<br />
werden usw. usw. Auch wenn so manche Praxis bei solchen<br />
Verträgen kurzfristig gerne einsteigen würde, weil ihr ein Mehr<br />
an Honorar oder an Patienten in Aussicht gestellt wird – mit<br />
wirklich freier Arztwahl, freier Therapiewahl und einer freien<br />
Arzt-Patienten-Beziehung haben solche Managed-Care-<br />
Modelle nichts mehr zu tun. Lassen wir uns nicht von der<br />
schönen Fassade blenden, um nachher erkennen zu müssen,<br />
dass wir in einem Gefängnis aus Behandlungspauschale, Fallpauschale<br />
oder Kopfpauschale gelandet sind! Wir sind ein<br />
Freier Beruf, wir suchen Risiko und Chance, wir nehmen<br />
unsere Zukunft selbst in die Hand.<br />
Ihr<br />
Christian Berger<br />
3<br />
EDITORIAL