Zahnärztliche Nachrichten Schwaben 5/2010 - Zahnärztlicher ...
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LEITARTIKEL<br />
4<br />
Stichtag wurde die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts<br />
(BVerfG) vom<br />
23.07.2001 – 1 BvR 873/00. Bestätigt und<br />
ergänzt wurde diese Zeitenwende durch<br />
die Entscheidung des BVerfG vom<br />
08.01.2002 – 1 BvR 1147/01. Seitdem<br />
gibt es sehr weitgehende, aber dennoch<br />
keine grenzenlosen Werbemöglichkeiten.<br />
An die Stelle des strikten berufsrechtlichen<br />
Werbeverbots trat keine rechtliche terra<br />
incognita. Seitdem steht vielmehr fest,<br />
dass sich der werbende Zahnarzt mit seinen<br />
Werbeaussagen an die Maßstäbe des<br />
Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb<br />
(UWG) im Allgemeinen und das Heilmittelwerbegesetz<br />
(HWG) im Besonderen<br />
zu halten hat. Verstöße dagegen werden<br />
oft nicht mehr durch die Berufsgerichte,<br />
sondern durch die Zivilgerichte geahndet.<br />
Das geht schnell und wird meist teuer.<br />
Aber auch Berufsgerichtsverfahren sind<br />
weiterhin möglich. Vieles, was man täglich<br />
in Zeitungen liest, ist wettbewerbsrechtlich/heilmittelwerberechtlich<br />
unzulässig.<br />
Alles, was wettbewerbsrechtlich/heilmittelwerberechtlich<br />
unzulässig ist, ist auch<br />
zugleich eine berufswidrige Werbung.<br />
■ Verbot der berufswidrigen<br />
Werbung<br />
Das in § 21 Abs. 1 Satz 2 der bayerischen<br />
Berufsordnung enthaltene Verbot berufswidriger<br />
Werbung, mit dem die in Satz 1<br />
enthaltene Erlaubnis für sachliche Werbung<br />
korrespondiert, ist wirksam. Dieses<br />
(eingeschränkte) Werbeverbot für Zahnärzte<br />
soll einer gesundheitspolitisch unerwünschten<br />
Kommerzialisierung und damit<br />
einer Verfälschung des Zahnarztberufes<br />
vorbeugen. Es dient dem Schutz der<br />
Bevölkerung und soll das Vertrauen der<br />
Patienten erhalten, dass ein Zahnarzt<br />
nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen<br />
oder Behandlungen durchführt.<br />
Das BVerfG betonte allerdings schon seit<br />
1985, dass sich das damals in den Berufsordnungen<br />
noch verankerte absolute<br />
Werbeverbot nur auf berufswidrige Wer-<br />
Werberecht der Zahnärzte<br />
Dr. Thomas Ratajczak, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht,<br />
Fachanwalt für Sozialrecht<br />
Im Werberecht der Heilberufe gibt es eine zeitlich ziemlich genau einzuordnende Zäsur Mitte 2001. In der Zeit davor<br />
galt in der Rechtspraxis, insbesondere der Praxis der Kammern und der Berufsgerichte, ein weitgehend striktes<br />
Werbeverbot. Danach zerfiel dieses Werbeverbot ebenso weitgehend.<br />
bung bezieht, ohne dass sich bis zu den<br />
genannten Entscheidungen aus 2001 und<br />
2002 die Ärzte- und Zahnärztekammern<br />
veranlasst sahen, die Regelungen ihrer Berufsordnungen<br />
zu ändern, noch die Berufsgerichte,<br />
ihre Rechtsprechung anzupassen.<br />
Man maß nachts noch heimlich<br />
mit dem Zollstock, ob das Praxisschild<br />
auch nicht wirklich größer war, als von der<br />
Berufsordnung zugelassen, und zählte<br />
nach, ob es verbotene Zusatzschilder gab.<br />
Ggf. gab es nach meist anonymer Anzeige<br />
ein Berufsgerichtsverfahren (Beispiele:<br />
VGH Baden-Württemberg, 28.07.1994<br />
– 9 S 2655/92 –; OVG Hamburg,<br />
21.07.1988 – Bf VI 60/86 –; OVG Hamburg,<br />
14.04.1988 – Bf VI 8/87 –). Es ist<br />
gut, dass diese Zeiten vorbei sind.<br />
Rechtlich gilt also eigentlich schon sehr<br />
lange: In den Bereich der durch Art. 12<br />
Abs. 1 GG (Grundgesetz) geschützten berufsbezogenen<br />
Tätigkeit fällt auch die berufliche<br />
Außendarstellung einschließlich<br />
der Werbung für die Inanspruchnahme<br />
der zahnärztlichen Dienste. Nicht der<br />
Zahnarzt, der werben will, muss sich<br />
rechtfertigen, sondern die Kammer, die<br />
ihn daran hindern will. Wer mit wahrheitsgemäßen<br />
und nicht irreführenden Angaben<br />
wirbt, nutzt seine Freiheitsrechte. Wer<br />
diese Freiheit behindern will, muss sich<br />
rechtfertigen.<br />
Das BVerfG hat in einer Vielzahl von Entscheidungen<br />
darauf hingewiesen, dass für<br />
interessengerechte und sachangemessene<br />
Informationen im rechtlichen und geschäftlichen<br />
Verkehr Raum bleiben muss.<br />
Die Information muss in wahrheitsgemäßer<br />
und sachlicher Form erfolgen. Allein<br />
ein Werbeeffekt als solcher darf nicht zu<br />
einem Verbot führen, da berufsbezogene<br />
und sachangemessene Werbung erlaubt<br />
ist. Das ist auch heute der maßgebliche<br />
Gesichtspunkt.<br />
■ Leistungsangebot der Praxis<br />
Auf diesen Grundsätzen basiert die Entscheidung<br />
des BVerfG vom 23.07.2001.<br />
Danach ist ein Hinweis auf ein besonderes<br />
Leistungsangebot als Folge einer tatsächlich<br />
erfolgten Spezialisierung zulässig.<br />
Das Spezialgebiet muss zahnmedizinisch<br />
anerkannt und eingeführt sein,<br />
da nur dann ein Informationsinteresse<br />
der Patienten angenommen werden<br />
kann.<br />
Die einmal erworbenen Kenntnisse<br />
und Fähigkeiten müssen praktisch<br />
umgesetzt werden, d.h. auch weiterhin<br />
einen Schwerpunkt der zahnärztlichen<br />
Tätigkeit darstellen.<br />
Die Selbstdarstellung muss überprüfbar,<br />
wahr und nicht irreführend sein.<br />
Auch der Hinweis auf besondere Behandlungsmethoden<br />
gilt als zulässige Angabe<br />
eines Leistungsangebotes. Das Bundesverwaltungsgericht<br />
(BVerwG) entschied<br />
am 05.04.2001 – 3 C 25/00 –, dass Ärzte<br />
und Heilung suchende Patienten ein berechtigtes<br />
Interesse an Informationen<br />
über Behandlungsmethoden haben, die<br />
nicht jeder Arzt beherrscht bzw. anbietet.<br />
Im konkreten Fall ging es um die Angabe<br />
von Akupunktur auf dem Praxisschild.<br />
Diese Entscheidung ist natürlich auch auf<br />
besondere Behandlungsmethoden bei<br />
Zahnärzten übertragbar.<br />
■ Fähigkeiten der Praxiszahnärzte<br />
Am 08.01.2002 befand das BVerfG, dass<br />
zwei Ärzte (Orthopäden), die 7.000 Wirbelsäulenoperationen<br />
bzw. 13.000 Knieoperationen<br />
in 10 bzw. 15 Jahren durchgeführt<br />
hatten, als Wirbelsäulenspezialist<br />
bzw. Kniespezialist bezeichnet werden<br />
dürfen.<br />
Voraussetzung für die Bezeichnung als<br />
Spezialist sei nicht eine förmlich erworbene<br />
Qualifikation, sondern eine Spezialisierung<br />
aufgrund der beruflichen Praxis, und<br />
zwar in einem engeren Gebiet als dem<br />
Gebiet des Facharztes. Mit der Verwendung<br />
des Begriffes „Spezialist“ werde angegeben,<br />
auf diesem Gebiet besondere<br />
Fähigkeiten zu besitzen. Auch wenn der<br />
ZNS 5-<strong>2010</strong>