RDT 2/2008 - Bund gegen Missbrauch der Tiere ev
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F RANZISKUS-TH<br />
SCHÖNER ALS FLIEGEN<br />
Zwei Tauben<br />
im siebten<br />
Himmel<br />
Die Geschichte <strong>der</strong> Taube Paloma nimmt ihren Anfang an einem<br />
gemütlichen Juliabend im vergangenen Jahr. Tierheimleiter<br />
Frank Weber trifft sich mit einigen Ehrenamtlichen, um die neuen<br />
Werbepostkarten zu konzipieren. Ein anschließen<strong>der</strong> Bummel<br />
durch die Stadt endet auf dem Hamburger Fischmarkt. Zum Glück<br />
für Paloma. Noch ahnt niemand, dass man in Kürze zum Postillon<br />
Dàmour in einer großen Taubenliebe werden soll.<br />
Auf dem Fischmarkt werden, wie überall<br />
in Deutschland, lebende <strong>Tiere</strong> zum<br />
Verkauf angeboten. Ein Missstand, <strong>der</strong><br />
in Deutschland auf vielen öffentlichen<br />
Märkten lei<strong>der</strong> Gang und Gäbe ist. Sofort<br />
fällt auf, dass sich die angebotenen<br />
<strong>Tiere</strong> in einem besorgniserregenden<br />
Zustand befinden. Kaninchen, Meerschweinchen,<br />
Tauben und Hühner sind<br />
auf engstem Raum zusammen gepfercht<br />
und sehen einer ungewissen<br />
Zukunft ent<strong>gegen</strong>. Viele <strong>der</strong> angebotenen<br />
<strong>Tiere</strong> sind offensichtlich krank und<br />
haben kaum eine Chance auf eine gesicherte<br />
Zukunft. Um die Situation <strong>der</strong><br />
<strong>Tiere</strong> beurteilen zu können, entschließen<br />
wir uns, einige <strong>Tiere</strong> anzukaufen.<br />
Insgesamt wechseln Hühner, Meerschweinchen,<br />
Tauben und ein großes<br />
Kaninchen in dieser Nacht den Besitzer.<br />
Keiner <strong>der</strong> Verkäufer fragt nach, was<br />
mit den <strong>Tiere</strong>n passieren soll. Am nächsten<br />
Tagen werden die Kleintiere im<br />
Tierheim einer ausgiebigen tierärztlichen<br />
Untersuchung unterzogen. Alle<br />
sind ausnahmslos krank und hätten<br />
ohne die intensive Versorgung durch<br />
die Ärzte keine Überlebenschance. Gerade<br />
die Meerschweinchen haben eine<br />
ansteckende Pilzerkrankung, die sich<br />
beson<strong>der</strong>s auf Menschen mit geschwächtem<br />
Immunsystem überträgt.<br />
Die <strong>Tiere</strong> können nur durch eine aufwendige<br />
und kostenintensive Behandlung<br />
am Leben erhalten werden.<br />
Paloma wird von dem verliebten Täuberich umworben<br />
Gerade Paloma geht es beson<strong>der</strong>s<br />
schlecht. Die braun-weiße Ziertaube<br />
hat es schwer, an Gewicht zuzusetzen.<br />
Über mehrere Wochen wird sie mit<br />
Antibiotika und aufbauenden Mitteln<br />
gepäppelt. Trotz aller Fürsorge bleibt<br />
sie unser Sorgenkind. Gerade mal zwei<br />
Euro mussten wir beim Händler für das<br />
Leben dieses <strong>Tiere</strong>s bezahlen. Auch<br />
nach mehreren Wochen ist sie nicht in<br />
<strong>der</strong> Lage, zu fliegen. Während ihre Leidensgenossen<br />
sich zunehmen<strong>der</strong> Lebensfreude<br />
erfreuen und das Umland<br />
des Tierheimes erkunden, will Paloma<br />
die Voliere nicht verlassen. Trotz aller<br />
Bemühungen bleibt die Taube flugunfähig<br />
und schafft es nicht, ihren<br />
Schwarmkollegen zu folgen. Nach einiger<br />
Zeit beratschlagen wir uns, sie zu<br />
einer befreundeten Tierschützerin zu<br />
bringen, die bereits einige Vögel von<br />
uns aufgenommen hat.<br />
Und damit nimmt das Schicksal von Paloma<br />
erneut eine zuerst dramatische<br />
und dann doch noch glückliche Wendung:<br />
Petra Bandow holt Paloma zu<br />
sich und beobachtet das Tier erst einmal<br />
mehrere Tage lang. Nach einer<br />
Woche spricht sie mit <strong>der</strong> einsamen<br />
Taube bei einem auf Vögel spezialisierten<br />
Tierarzt vor. Das Ergebnis <strong>der</strong><br />
Untersuchung ist nie<strong>der</strong>schmetternd:<br />
Das Röntgenbild zeigt einen Tumor am<br />
Flügel, die einzige Chance für die Taube<br />
ist eine Amputation. Da die Kleine<br />
sonst ausgesprochen munter und lebensfroh<br />
ist, entschließen wir uns dazu,<br />
die Operation vornehmen zu lassen.<br />
Palomas Flügel wird amputiert. Und<br />
wie<strong>der</strong> zeigt sich, dass das Schicksal<br />
eigene, verschlungene Wege geht.<br />
Ein Täuberich, <strong>der</strong> ebenfalls bei Petra<br />
gelandet und in ihrer Voliere untergebracht<br />
ist, wird von Amors Pfeil getroffen.<br />
Er ist von Charme <strong>der</strong> Taubendame<br />
völlig in den Bann gezogen.<br />
Glücklich gurrend umwirbt er seine Angebetete<br />
und wird erhört. Von diesem<br />
Zeitpunkt an weicht er nicht mehr von<br />
Paloma, links vorne<br />
Palomas Seite. Und wie das Leben so<br />
spielt, wird aus <strong>der</strong> anfänglichen<br />
Schwärmerei die ganz große Liebe.<br />
Zwei Tauben "in love", je<strong>der</strong> <strong>der</strong> die beiden<br />
sieht, weiß spätestens jetzt woher<br />
das Wort "Turteltäubchen" kommt.<br />
Wenn soviel Gefühl im Spiel ist, vergisst<br />
man alles an<strong>der</strong>e. Da ist es für den beglückten<br />
Taubenmann auch kein Problem,<br />
gänzlich aufs Fliegen zu verzichten.<br />
Und so flanieren die beiden Verliebten<br />
gemeinsam unermüdlich durch die Voliere<br />
- wahre Liebe überwindet eben alle<br />
Hin<strong>der</strong>nisse.<br />
Text und Fotos: Frank Weber,<br />
Tierheimleiter des Franziskus-Tierheims<br />
Das Recht <strong>der</strong> <strong>Tiere</strong> 2/<strong>2008</strong><br />
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