FES-Info 2011, Nr. 3 - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung
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12 SCHWERPUNKT<br />
Übergreifende<br />
Meinungsbildung<br />
Bestandsaufnahme<br />
<strong>FES</strong> I N F O 3 / 2 0 1 1<br />
WANDEL STATT UMSTURZ<br />
MAROKKOS SONDERWEG<br />
Die marokkanische Variante des arabischen Früh-<br />
lings hat we<strong>der</strong> Regime noch Herrscher gestürzt,<br />
doch auch die Marokkaner gingen für ihre Rech-<br />
te auf die Straße und setzen die Monarchie unter<br />
Handlungsdruck. Die Massenproteste <strong>der</strong> Ma-<br />
rokkaner wurden in einem rasanten politischen<br />
Erneuerungsprozess aufgefangen, in dem die<br />
Verfassung des Landes umfassend reformiert und<br />
zum Jahresende <strong>2011</strong> eine neue politische Füh-<br />
rung gewählt wurde. Überraschend beteiligungs-<br />
orientiert waren die vom König selbst im März<br />
angekündigten Mechanismen <strong>der</strong> Verfassungs-<br />
reform: Erstmalig waren die Marokkaner – und<br />
insbeson<strong>der</strong>e die Jugend als Träger <strong>der</strong> Proteste –<br />
aufgerufen, an <strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> Reform mitzu-<br />
wirken. Die jugendlichen Demonstranten sollten<br />
nun in Konferenzräumen eilig ihre Frustration in<br />
konstruktive Reformvorschläge umwandeln.<br />
So wurde die <strong>FES</strong> Ansprechpartner für zahlreiche<br />
Gruppierungen und Netzwerke und unterstützte<br />
die Bemühungen, jugendliche Akteure in die De-<br />
batten einzubeziehen.<br />
In nur zwei Monaten wurde ein umfassendes<br />
Abstimmungsverfahren zur übergreifenden Mei-<br />
nungsbildung organisiert, das in Kommunen<br />
HOFFNUNGSLOSIGKEIT ÜBERWINDEN<br />
ENTWURF FÜR EINEN NEUEN GESELLSCHAFTSVERTRAG IN MAROKKO<br />
Eine <strong>der</strong> Ursachen für die Aufstände und Umstür-<br />
ze, die die arabischen Welt erschüttern, sind die<br />
gravierenden sozialen Ungerechtigkeiten. Dabei<br />
trägt <strong>der</strong> Mangel an sozialer Absicherung wesent-<br />
lich zum Gefühl <strong>der</strong> Hoffnungslosigkeit bei. Die<br />
<strong>FES</strong> Marokko arbeitet mit den verantwortlichen<br />
Ministerien, den Sozialversicherungsträgern<br />
und Expertengruppen an einer umfassenden<br />
Bestandsaufnahme <strong>der</strong> Gesetzesgrundlagen,<br />
Institutionen und Mechanismen <strong>der</strong> sozialen<br />
Sicherungssysteme. Als Endprodukt entsteht<br />
eine interaktive, mehrsprachige CD, die Politi-<br />
kern Fakten für die Gestaltung ihrer Reformpo-<br />
litik an die Hand gibt. Daneben bemüht sich die<br />
<strong>FES</strong>, den zum Interessensausgleich notwendigen<br />
Dialog zwischen staatlichen Entscheidungsträ-<br />
gern, Gewerkschaften und <strong>der</strong> Zivilgesellschaft<br />
in Gang zu bringen. Zu den ersten Ergebnissen<br />
zählen neu geschaffene Wirtschafts- und Sozial-<br />
und Provinzen seinen Anfang nahm und schließ-<br />
lich auf nationaler Ebene zusammenfloss: Hun-<br />
<strong>der</strong>te von jugendlichen Aktivisten diskutierten<br />
in Sitzungen, Versammlungen und Großveran-<br />
staltungen ihre Zukunftsvorstellungen. Von <strong>der</strong><br />
Breite <strong>der</strong> politischen Mitwirkung – zu <strong>der</strong> die<br />
<strong>FES</strong> ihren Beitrag leisten konnte – zeugen über<br />
180 Memoranden, die letztlich bei <strong>der</strong> Verfas-<br />
sungskommission eingereicht wurden.<br />
Auch nach dem hitzigen Frühjahr blieb wenig<br />
Zeit zum Durchatmen: <strong>der</strong> neu gegründete Na-<br />
tionale Menschenrechtsrat wandte sich an die<br />
<strong>Stiftung</strong>, um mithilfe internationaler Expertise<br />
seinem Auftrag gerecht zu werden, erstmalig die<br />
Wahlbeobachtung im aufgeheizten politischen<br />
Klima sicherzustellen.<br />
Die nächste Etappe im Erneuerungsprozess – die<br />
vorgezogenen Parlamentswahlen im November<br />
– flankierte die <strong>FES</strong> mit Analysen zum neuen le-<br />
gislativen Rahmen sowie zur Berücksichtigung<br />
des Gleichberechtigungs-Grundsatzes.<br />
Zentrales Ziel ist es, insbeson<strong>der</strong>e die jugend-<br />
lichen Initiatoren des politischen Wandels aktiv<br />
einzubinden und damit zu seiner Glaubwürdig-<br />
keit in <strong>der</strong> gesamten Bevölkerung beizutragen.<br />
ausschüsse und <strong>der</strong> (sozial)partnerschaftliche<br />
Entwurf eines neuen Gesellschaftsvertrags.<br />
BEZIEHUNGEN VERTIEFEN<br />
Als sich die marokkanische Protestbewegung im<br />
Februar formierte, waren Gewerkschafter von<br />
Anfang an mit im Boot. Allerdings war insbe-<br />
son<strong>der</strong>e dem größten marokkanischen Dach-<br />
verband UMT an verantwortungsvoller Mitge-<br />
staltung gelegen: Er unterstützte die vom König<br />
eingeleitete Verfassungsreform und stellte sich<br />
gegen den von Demonstranten ausgerufenen<br />
Boykott des Reformprozesses. Michael Sommer<br />
sagte als Generalsekretär des Internationalen<br />
Gewerkschaftsbundes, dem von <strong>der</strong> <strong>FES</strong> nach<br />
Berlin eingeladenen UMT-Vorsitzenden Miloudi<br />
Moukharik zu, die Beziehungen zu dem marok-<br />
kanischen Mitgliedsverband zu vertiefen.