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FES-Info 2011, Nr. 3 - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung

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GERECHTERE LASTENTEILUNG<br />

WEITERENTWICKLUNG DER EUROPÄISCHEN FLÜCHTLINGSPOLITIK<br />

Die jüngsten Fluchtbewegungen von Afrika in<br />

die südlichen Mitgliedstaaten <strong>der</strong> europäischen<br />

Union haben deutlich gemacht, wie wichtig<br />

eine humane, europäische Flüchtlingspolitik<br />

ist. Auf <strong>der</strong> Konferenz des <strong>FES</strong>-Gesprächskreises<br />

Migration und Integration Ende September in<br />

Berlin, berichtete Rüdiger Veit, Sprecher <strong>der</strong><br />

Querschnitts-AG Migration und Integration <strong>der</strong><br />

SPD-Bundestagsfraktion, über eine Reise von<br />

Bundestagsabgeordneten nach Griechenland:<br />

„Wir haben zwei Aufnahmeeinrichtungen für<br />

Flüchtlinge besucht – und dort so Schreckliches<br />

gesehen, dass es uns noch lange bewegen wird.<br />

In Fyliako waren in einer Gemeinschaftszelle von<br />

knapp 40 qm 26 Frauen untergebracht. Verzwei-<br />

felnd schreiend, weinend und dicht gedrängt am<br />

Eingangsgitter haben uns Frauen aller Altersgrup-<br />

pen und Nationalitäten um Hilfe angefleht, weil<br />

sie unter diesen Bedingungen zum Teil seit fünf<br />

Monaten gefangen gehalten wurden.“ In Gesprä-<br />

chen mit Parlamentariern und dem griechischen<br />

Innenminister wurde deutlich, dass es scheinbar<br />

sowohl am politischen Willen als auch an <strong>der</strong> ad-<br />

ministrativen Fähigkeit fehlt, menschenwürdige<br />

Bedingungen für Flüchtlinge zu schaffen.<br />

Marei Pelzer von Pro Asyl for<strong>der</strong>te deshalb mehr<br />

Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten <strong>der</strong><br />

EU. Problematisch sei vor allem das Dublin-II-<br />

Abkommen, welches vorsieht, dass in <strong>der</strong> Regel<br />

<strong>der</strong> Einreisestaat auch zuständig für die Asylver-<br />

fahren sei. Eine gerechtere „Lastenteilung“ zwi-<br />

schen den Län<strong>der</strong>n an <strong>der</strong> Peripherie <strong>der</strong> EU und<br />

den Län<strong>der</strong>n ohne „Außengrenzen“ sei dringend<br />

erfor<strong>der</strong>lich. Diskutiert werden u. a. Quotenrege-<br />

lungen, nach denen dann die Flüchtlinge gleich-<br />

mäßiger auf alle Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> EU verteilt werden.<br />

Die UNHCR-Vertretung für Deutschland schlägt<br />

darüber hinaus vor, stärker als in <strong>der</strong> Vergangen-<br />

heit Resettlement-Programme zu nutzen, die die<br />

dauerhafte Nie<strong>der</strong>lassung von Flüchtlingen in<br />

aufnahmebereiten Drittstaaten vorsehen.<br />

Als „Pilotprojekte“ gelten die sogenannten Mo-<br />

bilitätspartnerschaften, die mit den Län<strong>der</strong>n<br />

Kap Verde, Moldau und Georgien geschlossen<br />

wurden. Wenn diese Län<strong>der</strong> illegale Ausreisen<br />

verhin<strong>der</strong>n und sich bereit erklären, nicht an-<br />

erkannte Flüchtlinge zurückzunehmen, will die<br />

EU im Gegenzug ihre Entwicklungshilfe ausbau-<br />

en und in begrenztem Umfang legale Einwande-<br />

rungsmöglichkeiten eröffnen.<br />

KINDER AUS DER ARMUT HOLEN<br />

REFORMVORSCHLÄGE FÜR EIN NEUES, FAIRES KINDERGELD<br />

Im OECD-Vergleich gibt Deutschland überdurch-<br />

schnittlich viel Geld für Familienleistungen aus,<br />

und dennoch gelingt es nicht, alle Kin<strong>der</strong> und<br />

ihre Eltern vor finanzieller Not zu schützen: Fast<br />

15 Prozent aller Haushalte mit Kin<strong>der</strong>n sind von<br />

Armut bedroht, bei Haushalten von Alleinerzie-<br />

hen sind es sogar fast die Hälfte. Gleichzeitig ge-<br />

währt <strong>der</strong> Staat wohlhabenden Eltern hohe Steu-<br />

erfreibeträge pro Kind. Das Nebeneinan<strong>der</strong> von<br />

Kin<strong>der</strong>geld für Niedrig- und Normalverdiener<br />

und von Kin<strong>der</strong>freibeträgen für Besserverdienen-<br />

de führt zu einer paradoxen Situation: Der Staat<br />

lässt sich die Kin<strong>der</strong> reicher Eltern mehr kosten<br />

als die Kin<strong>der</strong> armer Eltern.<br />

Das Forum Politik und Gesellschaft <strong>der</strong> <strong>FES</strong> hat<br />

gefragt: Wie gerecht ist <strong>der</strong> Familienlastenaus-<br />

gleich eigentlich? Wird er dem Auftrag gerecht,<br />

die massive Ungleichverteilung von Ressourcen<br />

und Chancen gegenüber Kin<strong>der</strong>n zu min<strong>der</strong>n?<br />

Gemeinsam mit Experten aus Politik, Verwal-<br />

tung, Sozial- und Familienverbänden und Wis-<br />

senschaft wurden in mehreren Workshops Ziel-<br />

vorgaben für ein neues, gerechteres Kin<strong>der</strong>geld<br />

erarbeitet: Vermeidung von Kin<strong>der</strong>armut, Besser-<br />

stellung von Familien im unteren und mittleren<br />

Einkommensbereich, unkomplizierte Beantra-<br />

gung und Finanzierbarkeit. Im Anschluss wurde<br />

die Volkswirtin Dr. Irene Becker damit beauf-<br />

tragt, auf <strong>der</strong> Basis dieser Vorgaben ein einkom-<br />

mensabhängiges Kin<strong>der</strong>geld zu konzipieren. Das<br />

Konzept sieht eine Neuverteilung von Familien-<br />

leistungen vor; es zielt insbeson<strong>der</strong>e darauf ab,<br />

Kin<strong>der</strong> aus <strong>der</strong> verdeckten Armut zu holen.<br />

PUBLIKATION<br />

Irene Becker und Manfred Cirkel – Bedarfsgerecht<br />

statt pauschal – Ein Konzept zur Reform des Kin<strong>der</strong>-<br />

gelds, Dezember <strong>2011</strong><br />

INTEGRATION, BILDUNG, KULTUR 51<br />

3 / 2 0 1 1<br />

Gesprächskreis<br />

Workshops<br />

I N F O <strong>FES</strong>

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