FES-Info 2011, Nr. 3 - Bibliothek der Friedrich-Ebert-Stiftung
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24 GESELLSCHAFTLICHES ENGAGEMENT / SOZIALE DEMOKRATIE<br />
Konferenz<br />
„Kapitalismus ja,<br />
Auswüchse nein“<br />
– Polens ehemaligesStaatsoberhaupt<br />
Aleksan<strong>der</strong><br />
Kwaśniewski<br />
bei seiner Eröffnungsrede.<br />
Zwei<br />
Diskussionsrunden<br />
<strong>FES</strong> I N F O 3 / 2 0 1 1<br />
BESSERE REZEPTE GEGEN DIE KRISE<br />
SOZIALDEMOKRATISCHE PERSPEKTIVEN FÜR OSTMITTELEUROPA<br />
Mit Blick auf die globale Wirtschafts- und Finanz-<br />
krise wähnt sich Polens Ex-Präsident Aleksan<strong>der</strong><br />
Kwaśniewski in einem Déjà-vu. „Ende <strong>der</strong> 80er<br />
Jahre sagten die Kommunisten: Sozialismus ja,<br />
Auswüchse nein. Heute lautet das Motto: Kapi-<br />
talismus ja, Auswüchse nein.“ Das richtige Maß<br />
zwischen Freiheit des Marktes und staatlicher<br />
Regulierung zu finden, sei eine genuin sozialde-<br />
mokratische Aufgabe und Stärke. „Wir sind es,<br />
die sich seit jeher für Freiheit und sozialen Aus-<br />
gleich gleichermaßen eingesetzt haben“, sagt<br />
Kwaśniewski auf <strong>der</strong> <strong>FES</strong>-Konferenz über „Sozi-<br />
aldemokratische Perspektiven für Ostmitteleuro-<br />
pa“ am 3. November in Warschau.<br />
Mit Blick auf die aktuelle Finanzkrise vermittelt<br />
Lászlo Kovács, stellvertreten<strong>der</strong> Vorsitzen<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />
ungarischen Sozialisten, Zuversicht. Die Sozial-<br />
demokraten „besitzen das bessere Rezept gegen<br />
die Krise“, sagt er und führt aus: „Wir brauchen<br />
mehr Europa, weniger Nationalismus und mehr<br />
finanzpolitische Regulierung.“ Knut Dethlef-<br />
sen, Leiter <strong>der</strong> <strong>FES</strong>-Vertretung in Warschau, fragt<br />
nach den organisatorischen Herausfor<strong>der</strong>ungen<br />
und nach neuen Partizipationsmöglichkeiten im<br />
Internetzeitalter. „Wie schaffen wir es, vor allem<br />
junge Menschen für die Politik und die Sozialde-<br />
mokratie zu gewinnen?“, will er von den Podi-<br />
umsteilnehmern wissen. Dass sich linke Parteien<br />
des Internets bedienen müssen, steht für Carsten<br />
Sten<strong>der</strong> von <strong>der</strong> Hertie School of Governance<br />
außer Frage. Allein Facebook habe heute so viele<br />
Mitglie<strong>der</strong>, wie <strong>der</strong> Subkontinent Indien Einwoh-<br />
ner. „Wer im Netz nicht aktiv ist, hat schon verlo-<br />
ren“. Der Göttinger Demokratieforscher Matthias<br />
Micus gießt dagegen Wasser in den Wein. „Parti-<br />
zipation ist kein Allheilmittel“, sagt er. „Sozialde-<br />
mokraten brauchen Ziele und konkrete Utopien.<br />
Und sie dürfen die Lebenswelt des sozialen Unten<br />
nicht aus dem Auge verlieren.“<br />
SCHULDEN BREMSEN – ABER WIE?<br />
HARTE KONSOLIDIERUNGSKURSE IN BREMEN UND HAMBURG<br />
Um die soziale und wirtschaftliche Infrastruktur<br />
aufrecht zu erhalten, nehmen Bund, Län<strong>der</strong> und<br />
Kommunen auch Kredite in Anspruch – in <strong>der</strong><br />
Hoffnung, dass die Investitionen am Ende mehr<br />
einbringen, als sie an Zinsen und Tilgung kosten.<br />
Damit aber zukünftige Generationen nicht auf<br />
einem nicht mehr zu finanzierenden Schulden-<br />
berg sitzen bleiben, wurde 2009 die sogenannte<br />
„Schuldenbremse“ im Grundgesetz verankert.<br />
Die strukturelle Neuverschuldung des Bundes<br />
wird ab 2016 auf 0,35 % des Bruttoinlandspro-<br />
dukts begrenzt, die Län<strong>der</strong> müssen ab 2020 ihre<br />
Haushalte sogar grundsätzlich ohne Kredite<br />
ausgleichen. Dies zwingt insbeson<strong>der</strong>e Län<strong>der</strong><br />
wie Bremen, das sich in einer extremen Haus-<br />
haltsnotlage befindet und die höchste Pro-Kopf-<br />
Verschuldung von allen Bundeslän<strong>der</strong>n aufweist,<br />
zu einem harten Konsolidierungskurs, dem sich<br />
allerdings auch Hamburg verschrieben hat. Zwei<br />
öffentliche Diskussionsrunden des Julius-Leber-<br />
Forums widmeten sich den Konsequenzen <strong>der</strong><br />
Schuldenbremse.<br />
„Die Schuldenbremse muss auch als Steuersen-<br />
kungsbremse wirken“, for<strong>der</strong>te <strong>der</strong> Landesvorsit-<br />
zende <strong>der</strong> Bremer SPD, Andreas Bovenschulte mit<br />
Blick auf die Sicherung staatlicher Einnahmen.<br />
Unterstützung fand er bei Stefan Schostok, SPD-<br />
Fraktionsvorsitzen<strong>der</strong> im Landtag Nie<strong>der</strong>sach-<br />
sen und Hartmut Tölle, DGB Vorsitzen<strong>der</strong> Nie-<br />
<strong>der</strong>sachsen-Bremen-Sachsen-Anhalt.<br />
Auf dem Hamburger NordForum stellte Finanz-<br />
senator Peter Tschentscher klar, dass Haushalte<br />
nicht in schlechten, son<strong>der</strong>n in guten Zeiten rui-<br />
niert würden. Gustav A. Horn, wissenschaftlicher<br />
Direktor des Instituts für Makroökonomie und<br />
Konjunkturforschung in <strong>der</strong> Hans-Böckler-Stif-<br />
tung, äußerte die Hoffnung, „dass sich die Kon-<br />
junkturentwicklung an die Schuldenbremse hält“.