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Rufmord klassisch - Leben und Werk des Dichters Gottfried August ...

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nore steht an Verbreitung keinem der deutschen Volkslieder nach, wohl aber den meisten<br />

voran. Ich kann mich nicht erinnern, in Deutschland mit ältern Leuten geredet zu haben,<br />

welche, wiewohl sie vielleicht nur nothdürftig lesen konnten, dies Gedicht, wenn darauf die<br />

Rede kam, nicht ganz oder theilweise auswendig gewußt hätten.“ 33 Auch der durch seine<br />

persönlichen Angriffe auf Bürger bekannte Wilhelm Dilthey kann der Lenore seine<br />

Anerkennung ncht versagen: „In Wirklichkeit leben von Gedichten Bürgers heute nur<br />

noch ein paar im Bewußtsein der Nation, <strong>und</strong> das hervorragendste von ihnen, Lenore, lebt<br />

ebensosehr durch die unverwüstliche Macht <strong>des</strong> volksmäßigen Gesanges, nach welchem es<br />

gedichtet ist, als durch die ungestüme sprachgewaltige Darstellung Bürgers.“ 34<br />

Heinrich Kurz schreibt in seiner Geschichte der deutschen Literatur von 1859:<br />

„Daß der Dichter der ´Lenore´, welcher in Deutschland seinerzeit sogar einer größeren Popularität<br />

als selbst Schiller <strong>und</strong> Goethe genoß, daß er, der eigentliche Schöpfer der deutschen<br />

Ballade, der er mit kecken genialen Griffe sofort Ton <strong>und</strong> Richtung anwies, sich selbst<br />

einem Goethe gegenüber in seinem eigenthümlichen Werthe fühlte, wird man ihm schwerlich<br />

verdenken können.“ 35<br />

„Die ´Lenore´ bezeichnet die gänzliche Umgestaltung der Balladenpoesie in Deutschland,<br />

wie Göthe´s ´Götz von Berlichingen´ die Umgestaltung <strong>des</strong> Dramas. [...] Wenn auch<br />

die übrigen Balladen Bürgers diese erste an Großartigkeit nicht erreichen, so sind viele derselben<br />

doch vollkommene Meisterwerke, <strong>und</strong> insbesondre werden ´Der wilde Jäger´ durch<br />

die ächt volksmäßige Behandlung, ´Die Kuh´ durch die dem Dichter sonst nicht eigene<br />

kunstvolle Composition, ´Der Kaiser <strong>und</strong> der Abt´ durch den trefflichen Humor immer gefallen<br />

<strong>und</strong> nur mit der deutschen Literatur selbst vergehen.“ 36<br />

Seine Popularität beruhte jedoch nicht allein auf den Balladen, sondern auch auf<br />

seinen Liebesliedern. Schon 1795 beschwerte sich Johann Georg Heinzmann: „Mir<br />

schaudert, wenn ich eine Tochter mit einem Romane in der Hand erblicke - da sie arbeiten<br />

sollte. Die ihre besten St<strong>und</strong>en <strong>des</strong> Tages mit der Leseläden Lektür tödtet; die zwecklos alles<br />

liest, was nur immer modisch-neues erscheint, die damit buhlt, <strong>und</strong> in ihrem Herzen mehr<br />

als einmal die Schamhaftigkeit tödtet, <strong>und</strong> die sittlichen Gefühle alle zum Schweigen bringt;<br />

die sich nach <strong>und</strong> nach gewöhnt, Wohlgefallen an den recht schmutzigen Schilderungen zu<br />

finden; die einen Bürger, einen Musenalmanachsdichter mit geiler Lust auswendig lernt, <strong>und</strong><br />

laut hersagt, was ein gesittetes Frauenzimmer ehemals weder hören noch lesen wollte.“ 37<br />

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G.A. Bürger-Archiv

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