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Rufmord klassisch - Leben und Werk des Dichters Gottfried August ...

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schwache Umrisse, wie im Ritter Toggenburg. [...] Der Dialog ist bei Bürger immer das<br />

Schönste, die eigentliche Schilderung bei Schiller. [...] Den Charakter seiner Helden fand<br />

Schiller entweder schon in seinen Quellen, oder er bildete ihn nach seinen Ansichten. Und<br />

wir finden bei ihm lauter ideale, d.h. allgemein gehaltne Gestalten <strong>und</strong> Charaktere, ohne<br />

besondere eigenthümliche Züge. Diese idealen Gestalten sehen wir aber je<strong>des</strong>mal unter<br />

anderen Verhältnissen, in einer andern Umgebung. Der Taucher, de Lorges, Graf Rudolf,<br />

Möros, Deodat, Ritter Toggenburg – es sind gewissermaßen immer dieselben Charaktere,<br />

nur je<strong>des</strong>mal in einer neuen Lage. Selbst Polykrates hat durchaus nichts Eigenthümliches,<br />

auf keinen Fall zu seinem Vortheile; vermuthlich hätten wir von Bürger einen bedeutenderen<br />

Polykrates erhalten.<br />

Bürgers Gestalten sind nie ideal, sondern ganz individuell; Lenore hat mit Frau<br />

Magdalis <strong>und</strong> mit Rosette nichts gemein, obgleich die Umgebungen gerade dieselben sind,<br />

<strong>und</strong> wie unendlich verschieden sind der Wildgraf <strong>und</strong> der Marschall v. Holm, Karl von<br />

Eichenhorst <strong>und</strong> der brave Mann, das Pilgermädchen <strong>und</strong> Getrud, Hans Bendix <strong>und</strong> der<br />

Kaiser! Ja wie leibt <strong>und</strong> lebt sogar der bloß erzählende Schwager Matz vor uns! Dieser<br />

Unterschied zwischen den Helden beider Dichter spricht sich sogar in Außerlichkeiten aus,<br />

vorzüglich auch darin, daß die von Bürger Nahmen haben, die von Schiller gewöhnlich<br />

keine; wo wir die Nahmen bei letzterem kennen, kommen sie meist bloß in der Ueberschrift<br />

vor, <strong>und</strong> nur der Gang in den Eisenhammer <strong>und</strong> der Handschuh machen hier eine<br />

Ausnahme, <strong>und</strong> wirklich sind die Gestalten im Eisenhammer auch noch die individuellsten<br />

in allen Schillerschen Balladen.“ 71 Weiter gibt es stilistische Unterschiede: „Drittens<br />

unterscheiden sich beide Dichter sehr in dem, was man Styl der Darstellung nennt, d.h. In<br />

der Art, wie sie ihr Darstellungsmittel anwenden, ihren Stoff verarbeiten. [...] Verfiele<br />

Bürgers Styl nicht in Manier, so wäre er sehr zu loben; denn es herrscht eine <strong>Leben</strong>digkeit,<br />

eine Frische, eine Beweglichkeit darin, sie sonst kein Balladendichter erreicht hat.<br />

Ganz anders finden wir hier Schillern. Man kann in seiner Darstellung durchaus nicht von<br />

Manier reden; jeder seiner Balladen ist anders gehalten, nach Bedürfnis <strong>des</strong><br />

Darzustellenden.“ 72<br />

Sehr große Unterschiede sieht Götzinger in der Sprache der beiden Dichter: „So<br />

wie Bürgers Helden ganz individuelle Gestalten sind, so ist auch ihre Sprache individuell;<br />

Lenore spricht anders als ihre Mutter <strong>und</strong> Wilhelm; Frau Magdalis anders als Rosette (<strong>des</strong><br />

Pfarrers Tochter); Karl von Eichenhorst, der Freiherr, Plump <strong>und</strong> Gertrud, je<strong>des</strong> spricht in<br />

seinem bestimmten Charakter; eben so der Kaiser <strong>und</strong> Hans Bendix u.s.w. Dies ist bei<br />

Schiller nie der Fall, seine Sprache ist ebenfalls so allgemein <strong>und</strong> ideal wie seine Helden<br />

selbst. Es ist durchaus nichts individuelles in den Wechselreden zwischen Polykrates <strong>und</strong><br />

Amasis (man vergleiche damit den rechten <strong>und</strong> linken Ritter bei Bürger), <strong>und</strong> Deodat spricht<br />

wie Helion, Rudolf von Habsburg wie der Sänger, der Taucher wie Möros u.s.w. [...] Was<br />

nun viertens die Reinheit der Sprache, die Richtigkeit im Gebrauche der Sprachformen<br />

betrifft, so steht Bürger unfehlbar weit höher als Schiller. Er verwandte viel Fleiß auf den<br />

richtigen Sprachbau <strong>und</strong> auf den Wohlklang <strong>des</strong> Verses <strong>und</strong> hat bewiesen, wie man ein<br />

großer Dichter sein <strong>und</strong> doch auf Kleinigkeiten achten könne. Schiller ist in seinen Balladen<br />

oft nicht glücklich im Gebrauche mancher Formen, besonders in allem, was die<br />

Satzverbindung anbetrifft.<br />

Dadurch entsteht natürlich oft Undeutlichkeit <strong>und</strong> Unbestimmtheit, welche besonders<br />

der übel empfindet, der sich mit Untersuchungen <strong>des</strong> Sprach- <strong>und</strong> Satzbaues beschäftigt hat.<br />

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G.A. Bürger-Archiv

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