Wir sind kein Rosengarten - Ensuite
Wir sind kein Rosengarten - Ensuite
Wir sind kein Rosengarten - Ensuite
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
musik<br />
KLASSISCHE MUSIK<br />
musikfestival bern – veress 07: das dicke ende<br />
Von Hanspeter Renggli - Veress im Zentrum Paul Klee (Bild: zVg.)<br />
■ Das Musikfestival Bern – Veress 07, das neue<br />
grosse Musikereignis der Berner Ensembles und<br />
Veranstalter, geht in seine dritte und letzte «Runde».<br />
Im Mittelpunkt stehen das Zentrum Paul<br />
Klee, in dem vom 3. bis 6. Mai nicht weniger als<br />
vier Konzerte und eine Matinee mit der ungarischschweizerischen<br />
Schriftstellerin und Übersetzerin<br />
Christina Viragh stattfi nden werden, sowie das Orchester<br />
der Hochschule der Künste Bern (HKB).<br />
Dass das Musikfestival Bern – Veress 07 in<br />
den Räumen des Zentrums Paul Klee seinen Abschluss<br />
bildet, liegt eigentlich auf der Hand: Die<br />
neue konstruktivistische Malerei von Paul Klee,<br />
dessen gestalterischen Fundamente so elementar<br />
auf musikalischen Strukturen basieren, stellte für<br />
den Komponisten Veress nach seiner Emigration<br />
in den Westen um 1950 die vielleicht wichtigste<br />
Neuorientierung und Anregung dar. Veress hat<br />
dies in unmissverständlicher Art zum Ausdruck<br />
gebracht:<br />
«<strong>Wir</strong> haben in diesen Phantasien von Klee eine<br />
vollkommen neue Welt entdeckt, die in der Sprache<br />
der reinsten Kunst auf uns gekommen ist. Und<br />
wie das immer mit wahrer und grosser Kunst ist,<br />
die Begegnung mit diesem Meister brachte uns<br />
Harmonie, Ruhe und Glück ...» Die Begegnung von<br />
Sándor Veress mit der Malerei von Paul Klee im<br />
Hause der Familie Müller-Widmann und in deren<br />
Freundeskreis auf dem Bruderholz in Basel wurde<br />
für den Komponisten 1950 zu einem Schlüsselerlebnis.<br />
Veress lernte hier erstmals eine der<br />
wichtigsten Privatsammlungen konkreter und<br />
konstruktivistischer Kunst kennen, deren Schwerpunkt<br />
Werke von Hans Arp, Mondrian und Vantongerloo<br />
bildeten. Insbesondere die Konfrontation<br />
mit der kleinen Kollektion von Stücken Paul Klees<br />
und darin vor allem mit dem Aquarell «Steinsammlung»,<br />
schliesslich aber eine Gedenkausstellung<br />
im Kunstmuseum Basel im Sommer 1950, lösten<br />
bei Veress die entscheidende Anregung zur Komposition<br />
«Hommage à Paul Klee» aus, sieben Fantasien<br />
für zwei Klaviere und Streichorchester. Die<br />
Erfahrung Klee veranlasste den eben Emigrierten<br />
zu einem eigentlichen Perspektivenwechsel, nämlich<br />
vom volksmusikalischen «Heimatboden» Ungarns<br />
zu neuen und freieren konstruktiven Ideen<br />
im Westen. Er sei zwar nur langsam in die neue<br />
künstlerische Umgebung der Nachkriegszeit hineingewachsen.<br />
«Und sicher hätte ich die entsprechende<br />
innere Entwicklung (auch in meiner Musik)<br />
nicht durchgemacht, wenn ich in Budapest geblieben<br />
wäre. Auch Klee sah ich das erste Mal hier [sc.<br />
in der Schweiz], im Sommer 1950 und das Erlebnis<br />
war wuchtig. Mondrian und Vantongerloo kamen<br />
erst später. (Mondrian parallel durch die tiefere<br />
Auseinandersetzung mit Webern!) Mein Prisma<br />
hat sich also mit einem Grad gedreht, eine andere<br />
Denk-, Betrachtungs- und Hörweise als noch bei<br />
Bartók.» Inwiefern wohl hatte gerade Klees Malerei<br />
in Veress’ Komponieren eine Drehung des Prismas<br />
initialisiert? Es war zunächst die Strenge der<br />
Komposition, der Kontrapunkt der Farbelemente<br />
und der Bildmotive. Es war vielmehr aber noch die<br />
Kombination dieser Strenge mit der bildnerischen<br />
Fantasie, mit dem Spiel der Elemente, mit der<br />
Fantasie des Kreativen. Strenge in der Struktur,<br />
verbunden mit kreativer Spiellust können sowohl<br />
für Klee wie für Veress als die eigentlichen künstlerischen<br />
Prinzipien bezeichnet werden. Es ist<br />
darum nicht verwunderlich, dass Veress in Bezug<br />
auf Klee einerseits von einer Kunst sprach, die wie<br />
<strong>kein</strong>e andere «das Leben selbst» sei, andererseits<br />
in Klees Bildern ein «wunderbares Märchenland»<br />
entdeckte. Noch 35 Jahre nach der Komposition<br />
der «Hommage à Paul Klee» meinte Veress: «The<br />
Klee cycle was a turning point for me as composer.<br />
It was there that I was fi rst able to actually do<br />
something with an inner freedom that I myself had<br />
achieved.» (Der ungarische Musikforscher Ferenc<br />
Bónis in «Three Days with Sándor Veress the Composer»)<br />
Der ungehörige Schüler: Das Ensemble Paul<br />
Klee mit György Kurtág Es ist sinnigerweise das<br />
Ensemble Paul Klee, das am Donnerstag, 3. Mai,<br />
das dritte Festivalwochende eröffnet. In einem<br />
feinsinnig gedachten Programm konfrontieren die<br />
Musikerinnen und Musiker des Ensembles Kammermusik<br />
und Lieder von Veress mit ausgewählten<br />
Signs, Games and Messages (Zeichen, Spiele<br />
und Botschaften) von György Kurtág.<br />
Auch Kurtág begann seine kompositorische<br />
Karriere – wie viele seiner ungarischen Zeitgenossen<br />
– im Banne von Bartók und dessen Schüler<br />
Veress. Bei Veress studierte Kurtág von 1946<br />
bis zu dessen Emigration 1949 Komposition. Das<br />
Bratschenkonzert von 1953/54 dokumentiert Kurtágs<br />
Orientierung an seinem Lehrer. Eletút (Lebenslauf)<br />
entstand 1992 als Hommage zum 85.<br />
Geburtstag von Sándor Veress. Die Komposition<br />
klingt für Kurtág erstaunlich satt, gleichsam irdisch,<br />
indem sich zwei Welten, die sich so ähnlich<br />
<strong>sind</strong>, auf engstem Raume reiben. Kurtág hat das<br />
Werk mit einer Reihe von Assoziationen belegt,<br />
deren Deutung wohl nur der Komponist geben<br />
kann, vermutlich hatte sie auch der Widmungsträger<br />
verstanden. Das Motto «Alles prüfe der<br />
Mensch ...» ist der Beginn der letzten Strophe aus<br />
Hölderlins Gedicht «Lebenslauf», dessen Schluss<br />
deutlich genug die unterschiedlichen Wege von<br />
Lehrer und Schüler zur Sprache bringt: «Und verstehe<br />
die Freiheit, aufzubrechen, wohin er will.»<br />
Die Signs, Games and Messages von György Kurtág<br />
bezeugen dagegen den Gipfel einer Kunst, mit<br />
minimalen Mitteln das Äusserste an Ausdruck zu<br />
erzielen, aus «fast nichts Musik zu machen». Nach<br />
Kurtágs Pariser Aufenthalt von 1957/58 kristallisierte<br />
sich jenes musikalische Denken heraus, in<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 11