Wir sind kein Rosengarten - Ensuite
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BÜHNE<br />
...oder war‘s ein traum?<br />
Ein Gespräch zwischen Matthias Kuhn und Michael Fankhauser (Bild: Till Hillbrecht)<br />
■ Das Stück «Der Traum» wurde 1767 von Michael<br />
Haydn (Musik) und Florian Reichsiegel (Szenario)<br />
kreiert. Nun wird es als Projekt des Institutes<br />
für Transdisziplinarität Y der HKB in der Café-Bar<br />
Turnhalle im PROGR zur Aufführung gebracht. Der<br />
musikalische Leiter, Matthias Kuhn, und der Mitinhaber<br />
der Turnhalle, Michael Fankhauser, sprechen<br />
über Träume, wie die Konfrontation dieser mit der<br />
Realität funktioniert und wie sie sich in der Turnhalle<br />
oder in der Musik umsetzen lassen.<br />
Matthias Kuhn: Träumst Du im Schlaf von der<br />
Turnhalle?<br />
Michael Fankhauser: Nicht nur im Schlaf, aber<br />
auch. Anfangs, als ich noch viel hinter dem Tresen<br />
stand, hab ich geträumt, ich sei in der Turnhalle<br />
irgendwo am Liegen und Träumen, doch hörte ich<br />
die Leute schwatzen und wusste, die warten auf<br />
meine Bedienung. Jetzt <strong>sind</strong> es eher Tagträume,<br />
morgens nach dem ersten Aufwachen, was man<br />
alles noch machen könnte in der Turnhalle...<br />
Und in welche Richtung denkst Du da, mehr<br />
Musik und Theater oder mehr Gastronomie oder<br />
am Ende eine echte Verbindung von beidem? Die<br />
Schwierigkeit, dass eigentlich so vieles möglich<br />
wäre, habe ich nicht zuletzt bei unserer Haydn-<br />
Traum-Produktion so hautnah erlebt: Man muss<br />
sich einfach irgendwann entscheiden, was man<br />
weglässt.<br />
Ja, dies ist eines der Haupthemen in einem<br />
Raum wie der Turnhalle, es kommen einem viele<br />
Ideen und dann kommen Leute mit noch viel mehr<br />
Ideen. Diese <strong>sind</strong> so verschieden, wie die Menschen,<br />
die in die Turnhalle kommen. Auch meine<br />
persönlichen Träume lassen sich schwer einer<br />
Gattung zuschreiben. Meistens <strong>sind</strong> es wohl gestalterische<br />
Ideen.<br />
Alles lässt sich nicht unter ein Dach bringen,<br />
zeitlich, räumlich und fi nanziell werden uns immer<br />
wieder Grenzen gesetzt und dann ist da noch die<br />
Schwerkraft!<br />
Aber die Träume, die bis jetzt schon realisiert<br />
wurden, zeigen immer wieder, dass es noch unzählige<br />
Möglichkeiten gibt, es immer wieder geben<br />
wird. Das kennst Du ja auch.<br />
Ja, das kenn ich gut. Doch zum Glück gibt’s<br />
eben auch Dinge wie die Schwerkraft, sie ist<br />
einfach, ohne Wenn und Aber. Nur in den kühnsten<br />
Träumen kann man sie weglassen. Aber sie<br />
macht zum Beispiel den Unterschied zwischen<br />
einem Auftakt und einem Abtakt. Ein wenig<br />
Klarheit in all den Übergängen. Noch nicht klar,<br />
ob man noch im Traum ist, oder schon erwacht:<br />
das <strong>sind</strong> Momente des Übergangs. Kennst Du<br />
das auch in Deiner Arbeit in der Turnhalle?<br />
Das ist genau, was ich oben schon beschrieben<br />
habe. Da geht es dann auch manchmal ganz schön<br />
ins Detail, wie man zum Beispiel die Abwasch<br />
maschine anheben könnte, damit der Abfl uss hoch<br />
genug liegt. Auch hat mir unsere neue Installation,<br />
der Pegasus, etwas Kopfzerbrechen gemacht, wie<br />
wir ihn so aufhängen könnten, dass man ihn nach<br />
Bedarf auch schnell wieder runternehmen kann.<br />
Solche Tüfteleien drehen sich in meinem Kopf,<br />
wenn ich morgens noch etwas länger im Bett liegen<br />
kann und zwischendurch auch wieder einnicke<br />
- und plötzlich taucht eine Möglichkeit aus den<br />
Untiefen meines Schlafes auf. Woher ist die jetzt<br />
gekommen...?<br />
Wie in Proben mit einem Orchester: Man arbeitet<br />
an einer gewissen Stelle, wird genauer und<br />
genauer, hat «es» aber noch nicht gepackt. Dann<br />
dreht die Musik in meinem Kopf, macht lustige<br />
Spiralen und erfi ndet sich so selber neu. Und am<br />
nächsten Tag in der Probe ist doch mehr verändert,<br />
als man tags zuvor den Eindruck hatte.<br />
Dieser Zustand des Tagträumens hat eine unverwechselbare<br />
Qualität!<br />
Das Schöne bei Dir und bei mir ist ja auch,<br />
dass wir immer mit anderen zusammenarbeiten.<br />
Da bringt jeder wieder seine eigenen Träume mit<br />
hinein. Das hab ich meistens als sehr fruchtbar<br />
empfunden. Und auch wenn man sich am Anfang<br />
noch nicht sehr einig ist, oder sich etwas ganz anderes<br />
vorgestellt hat, am Schluss ist es gut, was<br />
man gemeinsam auf die Beine gestellt hat. Wie in<br />
einem Traum, in dem uns manchmal die Kapriolen<br />
des Unterbewusstseins überraschen, verblüffen<br />
uns die Mitdenker und -helfer auch wieder. Sich auf<br />
das einzulassen ist, dem Unterbewusstsein Raum<br />
und Zeit zu geben.<br />
Oh ja, neugieriges Annehmen von allem, was<br />
auf einen zukommt, ist wohl Grundsatz eines<br />
jeden Träumers. In meinem Traum vom «Traum»<br />
veranstaltungen<br />
gab es den entscheidenden Moment, als ich das<br />
erste Mal die Turnhalle im PROGR betreten habe.<br />
Ich wusste «schlafwandlerisch»: Hier muss dieses<br />
Stück stattfi nden. Kannst Du mir beschreiben,<br />
weshalb wohl dieser Raum so viele Leute<br />
zum Träumen anzieht und wovon Du geträumt<br />
hast, als Du die Café-Bar eingerichtet hast?<br />
Es liegt ein grosses Potenzial in diesem nicht<br />
klar defi nierten Raum. Vieles ist in Ansätzen<br />
vorhanden, anderes wurde wieder entfernt. Etwas<br />
fängt an, ist noch unvollkommen oder geht wieder<br />
zu Ende. Diese Offenheit ermöglicht es, zu träumen.<br />
Offenheit ist das eine, das andere ist aber die<br />
Person, die Schlummerndes weckt, dort auch Potenzial<br />
sieht und nicht nur ein eingeschlafenes<br />
Wesen.<br />
Mit Musik ist das ja genau gleich; Du bist ja auch<br />
immer am Erwecken von schlummernden Noten.<br />
Und einige mögen eher ein sanftes Streicheln<br />
über den Notenkopf und andere muss man mit<br />
Trommeln und Hörnern aus den Armen Morpheus<br />
reissen.<br />
«Der Traum» wird Anfang Mai Realität. Gibt<br />
es einen speziellen «Dream-Drink», um sanft<br />
aufzuwachen oder den Traum zu verlängern<br />
nach den Vorstellungen?<br />
Darüber hab ich noch nicht nachgedacht. Kann<br />
mir aber vorstellen, dass es ganz verschiedene<br />
Wege gibt, um in die Gegenwart zurückzufi nden.<br />
Ich muss zugeben: Da bin ich relativ simpel<br />
gestrickt: Ein Bier nach einem Konzert oder einer<br />
Vorstellung ist einfach was Herrliches. Und<br />
das gibt’s ja dann sozusagen auf der Bühne.<br />
Oper: «Der Traum - Ein phantastisches Treiben»<br />
Musik: Michael Haydn (1737-1806)<br />
Szenario: Floriab Reichsiegel (1735-1793)<br />
Musikalische Leitung: Matthias Kuhn<br />
Inszenierung: Kurt Dreyer<br />
Video: Samuel Stoll, Simon Baumann<br />
Technik: Christof Arnold, Nathalie Oesch<br />
Ensemble Y der HKB<br />
10.-12. Mai, jeweils 19:30 h / Turnhalle, PROGR<br />
Vorverkauf: 031 634 93 61 oder rita.weber@hkb.<br />
bfh.ch<br />
ensuite - kulturmagazin Nr. 53 | Mai 07 7