Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002 - UFZ
Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002 - UFZ
Schadstoffbelastung nach dem Elbe-Hochwasser 2002 - UFZ
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<strong>UFZ</strong>-Umweltforschungszentrum<br />
Leipzig-Halle GmbH<br />
in der Helmholtz-Gemeinschaft<br />
<strong>Schadstoffbelastung</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>Elbe</strong>-<strong>Hochwasser</strong> <strong>2002</strong><br />
Herausgeber: Michael Böhme<br />
Frank Krüger<br />
Klaus Ockenfeld<br />
Walter Geller
<strong>Schadstoffbelastung</strong><br />
<strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Elbe</strong>-<br />
<strong>Hochwasser</strong> <strong>2002</strong><br />
Eine Kurz-Darstellung der Fakten<br />
und Hilfen zu deren Bewertung<br />
Herausgeber: Michael Böhme<br />
Frank Krüger<br />
Klaus Ockenfeld<br />
Walter Geller
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
1<br />
Impressum<br />
Herausgeber: Michael Böhme, Frank Krüger, Klaus Ockenfeld, Walter Geller<br />
ISBN: 3-00-016883-4<br />
Bezug: Exemplare dieser Veröffentlichung sind, solange der Vorrat reicht, <strong>nach</strong><br />
Einsendung eines als ’Großbrief’ derzeit mit 1,44 € frankierten und mit ihrer<br />
Adresse beschrifteten verschließbaren A4-Rückumschlags in Deutschland<br />
erhältlich bei:<br />
Prof. Walter Geller<br />
<strong>UFZ</strong> - Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH<br />
Dept. Fließgewässerökologie<br />
Brückstraße 3a<br />
39114 Magdeburg<br />
Download: http://www.ufz.de/data/HWBroschuere2637.pdf<br />
Redaktion, Satz: Michael Böhme, Frank Krüger<br />
Druck: Druckerei Mahnert<br />
Hertzstraße 3, 06449 Aschersleben<br />
http://www.druckerei-mahnert.de/<br />
Gedruckt auf RecySatin.<br />
Im PDF sind alle Verweise z.B. auf Abbildungen, Abschnitte, Seiten, Literatur und URLs aktive<br />
Links, auch wenn sie nicht immer extra als solche gekennzeichnet sind. Damit ist eine schnelle<br />
Navigation im Acrobat Reader gewährleistet.<br />
Die Erstellung dieser Broschüre wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und<br />
Forschung, FKZ 0330492, im Rahmen des Verbundprojekts “Schadstoffuntersuchungen <strong>nach</strong><br />
<strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong> vom August <strong>2002</strong> - Ermittlung der Gefährdungspotenziale an <strong>Elbe</strong> und<br />
Mulde”. Weitere Informationen erhalten Sie unter<br />
http://www.ufz.de/hochwasser/. Nachdruck mit Quellenangabe gestattet. Die Abbildungen<br />
unterliegen <strong>dem</strong> Copyright der angegebenen Quellen.<br />
Verantwortlich für den Inhalt der Beiträge sind die jeweils zeichnenden Autoren.<br />
Seitenzahl 101<br />
Abbildungen 102<br />
Tabellen 11<br />
Zuletzt bearbeitet 24. Oktober 2005 15:00<br />
Umschlagseite: <strong>Hochwasser</strong> August <strong>2002</strong>, Deichbruch südlich der <strong>Elbe</strong> bei Segrehna<br />
Foto André Künzelmann, <strong>UFZ</strong>
Liebe Leserin, lieber Leser,<br />
das extreme <strong>Hochwasser</strong> im August <strong>2002</strong> ist uns<br />
noch gut in Erinnerung. Wohngebiete, Produktionsbetriebe,<br />
auch Kleingärten, Kläranlagen, Tankstellen<br />
etc. wurden überschwemmt. Wie bei je<strong>dem</strong><br />
<strong>Hochwasser</strong> wurden große Mengen Bodenpartikel,<br />
Gewässersedimente und daran gebundene Schadstoffe<br />
mobilisiert. Die Zerstörungen von Häusern<br />
und anderen Teilen der Infrastruktur setzten während<br />
des Extremhochwassers zusätzliche Kontaminanten<br />
frei. Das Wasser verfrachtete sie talwärts<br />
und am Ende setzte sich ein großer Teil der Schadstoffe<br />
breit verteilt im überschwemmten Gebiet ab.<br />
Ein anderer Teil verdunstete, wurde abgebaut oder<br />
in die Nordsee gespült.<br />
Die Unsicherheit war damals groß, da niemand ein<br />
genaues Bild der Lage hatte. Betroffene und Helfer<br />
wussten nicht, inwieweit das Wasser oder der<br />
Schlamm, mit <strong>dem</strong> sie in Berührung kamen, giftig<br />
oder infektiös waren. Nur <strong>dem</strong> offensichtlichen<br />
Ölfilm auf der Wasseroberfläche sah man den<br />
Schadstoff an.<br />
Mitarbeiter verschiedener Behörden der Länder<br />
und des Bundes, Forschungseinrichtungen und<br />
Organisationen wie Greenpeace schwärmten<br />
damals aus, um Proben zu sammeln und auf ihre<br />
Gefährlichkeit zu untersuchen. Die Ergebnisse<br />
konnten naturgemäß nur stichprobenartig sein und<br />
waren zum Teil widersprüchlich.<br />
Nach der Katastrophe wurden die damals gewonnenen<br />
Ergebnisse im Rahmen eines vom Bundesministerium<br />
für Bildung und Forschung (BMBF)<br />
geförderten Projekts zusammengetragen, durch<br />
eine Vielzahl weiterer Messungen ergänzt und<br />
BEGRÜSSUNG<br />
übergreifend ausgewertet. Seit Mitte 2004 ist ein<br />
umfassender Ergebnisbericht unter http://<br />
www.ufz.de/hochwasser verfügbar.<br />
In dieser Broschüre sollen in allgemeinverständlicher<br />
Form speziell die schadstoffbezogenen<br />
Aspekte des <strong>Hochwasser</strong>s dargelegt werden. Sie<br />
werden erfahren, wie hoch die Schadstoffkonzentrationen<br />
während des <strong>Hochwasser</strong>s waren, welche<br />
Gefahren davon ausgingen, wie gefährlich die<br />
von der Flut zurückgelassenen Schlämme waren<br />
und wie man damit <strong>nach</strong> künftigen Hochwässern<br />
sinnvoll umgeht. Außer<strong>dem</strong> sollen Sie ein Gefühl<br />
für die spezielle Belastungssituation an <strong>Elbe</strong> und<br />
Mulde bekommen, wie sie vor und <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> extremen<br />
<strong>Hochwasser</strong> war bzw. ist. Dabei gehen wir<br />
etwas genauer auf die verschiedenen Ursachen<br />
der besonders hohen Belastungen an der Mulde<br />
ein. Weitere Abschnitte der Bröschüre befassen<br />
sich mit Gefahren durch infektiöse Keime, und den<br />
Problemen durch Sauerstoffmangel auf den überfluteten<br />
Flächen.<br />
Bevor speziell auf die Schadstoffe eingegangen<br />
wird, wollen wir Ihnen das Geschehen des August-<br />
<strong>Hochwasser</strong>s im <strong>Elbe</strong>-Gebiet in Kurzform in Erinnerung<br />
rufen.<br />
Am Ende des Heftes werden die Zusammenhänge<br />
von <strong>Hochwasser</strong> als Natur-, Schadens- und Politikereignis<br />
noch einmal im Detail beleuchtet. Damit<br />
verbunden sind Anregungen, wie wir uns auf<br />
zukünftige <strong>Hochwasser</strong>ereignisse besser vorbereiten<br />
und uns während des <strong>Hochwasser</strong>geschehens<br />
angemessen verhalten können.<br />
2
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Inhalt<br />
1 Die Flutkatastrophe im <strong>Elbe</strong>-Einzugsgebiet<br />
<strong>2002</strong> im Rückblick .......................... 4<br />
1.1 Wie kam es zu solch außergewöhnlichen<br />
Überschwemmungen? .......................................... 4<br />
1.2 Der Ablauf des <strong>Hochwasser</strong>s ................................ 4<br />
1.3 Nach <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong> ......................................... 7<br />
2 Schadstoff - Definition, Herkunft? .....10<br />
Box: Das klassische Beispiel: DDT - toxisch,<br />
persistent, akkumulierend....................... 11<br />
2.1 Herkunft anorganischer Schadstoffe/Schwermetalle<br />
und Arsen ............................................... 12<br />
2.1.1 Das Muldesystem - Arsen- und Schwermetallbelastungen<br />
durch den Erzbergbau ........ 14<br />
Box: Möglichkeiten zur Reduzierung der<br />
<strong>Schadstoffbelastung</strong> im Muldesystem .... 18<br />
2.2 Herkunft organischer Schadstoffe ....................... 18<br />
2.2.1 Industriehistorische Entwicklung der Region<br />
Bitterfeld–Wolfen............................................... 19<br />
2.2.1.1 Ansiedlung und Entwicklung von<br />
Chemiebetrieben von 1890 bis heute ............. 20<br />
2.2.1.2 Standortkennzeichen: Chlorchemie................ 24<br />
2.2.1.3 Umweltbelastungen ........................................ 25<br />
2.2.1.4 Ausblick .......................................................... 26<br />
Box: Die Suche <strong>nach</strong> unbekannten Wirkstoffen:<br />
Non Target Screening............................. 27<br />
3 Schadstoffe in der <strong>Hochwasser</strong>welle.....28<br />
Box: Quecksilber............................................. 29<br />
3.1 Wie werden Schadstoffe transportiert? ............... 30<br />
Box: Mineralölkohlenwasserstoffe .................. 31<br />
Box: Blei.......................................................... 32<br />
Box: Arsen ...................................................... 33<br />
3.2 Welche Bedeutung haben hohe<br />
Schadstoffgehalte in der <strong>Hochwasser</strong>welle?....... 34<br />
Box: Schadstoffe in Muttermilch - Reform<br />
der Chemikalienpolitik............................. 36<br />
4 Schadstoffe im Schlamm..................37<br />
4.1 Was ist Schlamm und wo kommt er her?............ 37<br />
4.2 Welche Belastung tragen die Schlämme? .......... 38<br />
Box: Polyzyklische Aromatische<br />
Kohlenwasserstoffe (PAK)...................... 40<br />
Box: Polychlorierte Biphenyle (PCB) .............. 42<br />
Box: Organozinnverbindungen ....................... 43<br />
4.3 Welche Bedeutung haben die Belastungen<br />
im Schlamm für Mensch und Tier?...................... 44<br />
Box: Dioxine, Furane und dioxinähnliche PCBs .<br />
............................................................ 45<br />
5 Welches sind die langfristigen Folgen<br />
der Gewässerbelastung?...................48<br />
5.1 Welche Transferpfade für Schadstoffe sind<br />
für den Menschen von Bedeutung? .................... 48<br />
5.1.1 Der aquatische Transferpfad - Wie hoch<br />
sind Elbfische belastet? .................................... 48<br />
5.1.1.1 Schwermetalle in Fischen............................... 49<br />
5.1.1.2 Organische Schadstoffe in Fischen ................ 50<br />
3<br />
5.1.2 Der terrestrische Transferpfad - Wie hoch<br />
sind Fleisch und Milch belastet? ....................... 51<br />
5.1.2.1 Wie hoch ist der aktuelle Schadstoffeintrag<br />
in die Auen?.................................................... 51<br />
5.1.2.2 Wie hoch ist die Bodenbelastung? ................. 51<br />
5.1.2.3 Wie sieht es mit <strong>dem</strong> Schadstofftransfer<br />
in die Vegetation aus? .................................... 55<br />
Box: Cadmium ................................................ 57<br />
5.1.2.4 Wie verhält es sich mit der Schadstoffanreicherung<br />
im Weidevieh? .......................... 58<br />
5.1.3 Ist das Trinkwasser belastet? ........................... 59<br />
6 Infektionsrisiken durch Mikroorganismen<br />
im Flutwasser ..............................60<br />
6.1 Bakterien und Pilze in Flüssen und deren<br />
Funktionen........................................................... 60<br />
6.2 Mikroorganismen als Krankheitserreger.............. 61<br />
6.3 Wie kommen pathogene Mikroorganismen<br />
in die Flüsse? ...................................................... 61<br />
6.4 Überleben pathogene Mikroorganismen im<br />
Wasser der Flut? ................................................ 62<br />
6.5 Sind Pathogene eine Gefahr im Flutwasser<br />
und wie kann man sie bekämpfen?..................... 63<br />
Box: Funktion der Uferfiltration ....................... 63<br />
6.6 Wie kann man sich gegen die pathogenen<br />
Keime schützen?................................................. 65<br />
Box: Sind Trinkwasser Epi<strong>dem</strong>ien <strong>nach</strong><br />
<strong>Hochwasser</strong> heute überhaupt noch<br />
ein Thema?............................................. 66<br />
7 Probleme mit <strong>dem</strong> Sauerstoff.............67<br />
7.1 Warum ist Sauerstoff wichtig?............................. 67<br />
7.2 Wie hoch ist der Sauerstoffgehalt normalerweise? .<br />
........................................................................ 68<br />
7.3 Wie reagierte der Sauerstoffgehalt während<br />
des <strong>Hochwasser</strong>s?.............................................. 68<br />
7.4 Fallbeispiel Havelpolder ...................................... 70<br />
7.5 Wie könnte man das Fischsterben verhindern?.. 72<br />
8 <strong>Hochwasser</strong> als Natur-, Schadens-<br />
und Politikereignis..........................74<br />
8.1 <strong>Hochwasser</strong> - was ist das? ................................ 74<br />
8.2 Hochwässer - wie häufig treten sie auf? ............. 76<br />
8.3 <strong>Hochwasser</strong> an Oder, Morava, Weichsel, Moldau,<br />
<strong>Elbe</strong> – immer häufiger, immer heftiger? .............. 78<br />
8.4 "Einstellen auf <strong>Hochwasser</strong>" ist nötig und möglich –<br />
verhindern kann man <strong>Hochwasser</strong> nicht! ............ 82<br />
8.5 <strong>Hochwasser</strong> in Medien und Politik ...................... 84<br />
8.6 <strong>Hochwasser</strong>risikomanagement statt schnelles<br />
Verdrängen und Vergessen! ............................... 84<br />
9 Wie kann man sich vor hochwasserbedingten<br />
Belastungen schützen?.....................90<br />
Literaturverzeichnis ...................................................... 91<br />
Glossar und Abkürzungsverzeichnis ............................ 96<br />
Verzeichnis der Abbildungen........................................ 98<br />
Verzeichnis der Tabellen............................................ 100<br />
Verzeichnis der Autoren und Herausgeber ................ 101
MICHAEL BÖHME, KLAUS OCKENFELD ABSCHNITT 1DIE FLUTKATASTROPHE IM ELBE-EINZUGSGEBIET <strong>2002</strong> IM RÜCKBLICK<br />
Abb. 1-1 Die Müglitz rauscht als Sturzflut durch Weesenstein. Im Laufe einer Nacht wurden mehrere Häuser in der<br />
Ortsmitte zerstört. Die einzelne Wand mitten im Fluss erinnert an dramatische Stunden, als den eingeschlossenen<br />
Bewohnern <strong>nach</strong>ts <strong>nach</strong> und <strong>nach</strong> das Haus wegbrach und sie am Ende zu viert auf der Mauer ausharrten, bis sie am<br />
Morgen mit Hubschraubern gerettet wurden (Foto Lutz Hennig, 80).<br />
1 Die Flutkatastrophe im <strong>Elbe</strong>-Einzugsgebiet <strong>2002</strong> im Rückblick<br />
Michael Böhme, Klaus Ockenfeld<br />
Im Zeitraum von nur zehn Jahren wurde Mitteleuropa<br />
von mehreren Jahrhunderthochwässern heimgesucht:<br />
1993 und 1995 am Rhein, 1997 an der<br />
Oder, 1999 an der Donau und 2001 an der Weichsel.<br />
Im August <strong>2002</strong> waren Moldau, <strong>Elbe</strong> und<br />
Donau betroffen. Im besonders in Mitleidenschaft<br />
gezogenen <strong>Elbe</strong>-Einzugsgebiet fielen den Wassermassen<br />
allein in Sachsen 21 Menschen zum Opfer,<br />
Tschechien beklagte 17 Tote. Weit über 300.000<br />
Menschen wurden zeitweilig evakuiert. Der materielle<br />
Gesamtschaden wird für das Gebiet der Bundesrepublik<br />
Deutschland auf 9,1 Mrd. Euro<br />
geschätzt. Dieses Flutereignis ging als die bislang<br />
teuerste Überschwemmung in die Geschichte Mitteleuropas<br />
ein und rückte die <strong>Hochwasser</strong>problematik<br />
kurzzeitig in den Mittelpunkt des Interesses<br />
von Regierung, Behörden und Öffentlichkeit.<br />
1.1 Wie kam es zu solch außergewöhnlichen<br />
Überschwemmungen?<br />
Häufige Niederschläge im gesamten <strong>Elbe</strong>-Einzugsgebiet<br />
hatten seit Anfang August <strong>2002</strong> zur fast flächendeckenden<br />
Wassersättigung des Bodens<br />
geführt. In der ersten August-Dekade näherte sich<br />
das Tiefdruckgebiet "Ilse" vom Atlantik und kam im<br />
weiten Bogen über Frankreich, Italien, Ungarn und<br />
Tschechien <strong>nach</strong> Polen und Ostdeutschland. Das<br />
besondere an dieser ’Vb’ (sprich: ’fünf b’) genannten<br />
Zugbahn ist, dass das Tief während der Passage<br />
des warmen Mittelmeeres noch einmal sehr<br />
viel warme Luft mit sehr hoher Luftfeuchtigkeit aufnimmt,<br />
und diese dann im kühleren Norden mit<br />
hoher Intensität und großflächig abregnen kann.<br />
Vom 12.08. bis zum 14.08. fielen in Sachsen stellenweise<br />
bis zu einem Drittel des langjährig registrierten<br />
mittleren Jahresniederschlags. Diese<br />
Wassermassen konnten nur in geringem Maße versickern,<br />
da die Boden-Speicherkapazität bereits<br />
erschöpft war. Das Gros floss flächig die Hänge<br />
herab und sammelte sich sehr schnell in den Tallagen.<br />
Talsperren und Rückhaltebecken konnten<br />
solange Wasser zurückhalten, bis sie überliefen.<br />
1.2 Der Ablauf des <strong>Hochwasser</strong>s<br />
In vielen erzgebirgischen Flüssen wie Gottleuba,<br />
Müglitz, Weißeritz und Mulde, kam es fast zeitgleich<br />
zu ’Strömungs-Hochwässern’ oder ’Sturzfluten’<br />
mit außerordentlich zerstörerischen Folgen in<br />
den Tälern (Abb. 1-1). Ähnlich betroffenen waren<br />
zur selben Zeit der Oberlauf der Moldau und ihre<br />
Nebenflüsse. Die extremen Niederschläge im<br />
August <strong>2002</strong> hätten in den zum Teil dicht besiedel-<br />
4
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
ten Erzgebirgstälern selbst bei Inanspruchnahme<br />
aller theoretisch verfügbaren Wasserrückhaltemöglichkeiten<br />
zu einer Katastrophe geführt. Da, wo<br />
<strong>nach</strong> zerstörerischen Hochwässern im letzten Jahrhundert<br />
Systeme von großvolumigen Rückhaltebecken<br />
gebaut und in Betrieb waren, konnten die<br />
<strong>Hochwasser</strong>spitzen bedeutend abgesenkt und der<br />
Abfluss der Wassermassen zeitlich gestreckt werden.<br />
Das <strong>Hochwasser</strong>schutzsystem im Gottleuba-<br />
Gebiet führte zum Beispiel für die Stadt Pirna zu<br />
einer Scheitelreduzierung um 40% (134). Das<br />
konnte die Katastrophe dort zwar auch nicht verhindern,<br />
das Ausmaß der Schäden jedoch etwas reduzieren.<br />
Die Wasserstände überstiegen entlang der Moldau,<br />
der Mulde und an den Erzgebirgsflüssen alle bisher<br />
jemals registrierten Wasserstandsmarken deutlich<br />
(Abb. 1-2).<br />
5<br />
Abb. 1-2 Wasserstandsmarken an der Großmühle<br />
im Einstrombereich zur Altstadt von Grimma. Der<br />
Flutscheitel übertraf den höchsten vorher bekannten<br />
Wasserstand aus <strong>dem</strong> Jahre 1771 um etwa 1,6 m<br />
(Foto Dagmar Haase, <strong>UFZ</strong>).<br />
Das Sächsische Landesamt für Umwelt und<br />
Geologie konstatiert für die Situation im Osterzgebirge:<br />
“Auch wenn <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong> vom<br />
August <strong>2002</strong> in den Einzugsgebieten statistisch<br />
ein Wiederkehrintervall in der Größenordnung<br />
von 100 bis 500 Jahren zugeordnet wird, zeigt<br />
die historische Auswertung, dass in allen Flüssen<br />
mit ähnlichen Ereignissen wie im August<br />
gerechnet werden muss. Die Analyse des<br />
<strong>Hochwasser</strong>s hat gezeigt, dass es sich beim<br />
Augusthochwasser nicht um ein Ereignis in der<br />
Größenordnung eines maximal möglichen<br />
<strong>Hochwasser</strong>s gehandelt hat. Für die Zukunft<br />
können größere Ereignisse als das <strong>Hochwasser</strong><br />
im August <strong>2002</strong> nicht ausgeschlossen werden.”<br />
(144, S. 8)<br />
Dagegen schwankte entlang des Oberen Elbtals in<br />
der Sächsischen Schweiz der Wasserstand nur um<br />
wenige Dezimeter sowohl über als auch unter den<br />
allerorten angebrachten Wasserstandsmarken vom<br />
größten bereits bekannten <strong>Hochwasser</strong> vom März<br />
1845 (Abb. 8-12 auf Seite 82).<br />
Unterhalb der Saalemündung waren die Höchststände<br />
<strong>2002</strong> i.d.R. sogar deutlich geringer als die<br />
historischen Höchststände. Das liegt daran, dass<br />
der größte deutsche Nebenfluss, die Saale, nur<br />
wenig zum <strong>Hochwasser</strong>geschehen beitrug. Die<br />
Pegelkurven fast aller Schreibpegel entlang der<br />
<strong>Elbe</strong> sind in Abb. 1-3 wiedergegeben.<br />
Im Gegensatz zu den schnell steigenden und durch<br />
ihre reißende Strömung so gefährlichen ’Strömungshochwässern’<br />
oder ’Sturzfluten’ versanken<br />
die Auengebiete entlang der Mittel- und Unterläufe<br />
von Moldau, Mulde und <strong>Elbe</strong> allmählich (im Verlaufe<br />
mehrerer Tage) in sogenannnten ’Stauhochwässern’.<br />
Die Strömung ist hier nur noch stellenweise<br />
an lokalen Gefällestrecken von Bedeutung,<br />
z.B. kurz <strong>nach</strong> Deichbrüchen. Die in den Auen<br />
angelegten Siedlungen wurden überschwemmt, die<br />
Flüsse holten sich quasi einen Teil ihrer natürlichen<br />
Überschwemmungsgebiete für kurze Zeit zurück<br />
(Abb. 1-4). Durch die Ausdeichungen in den vergangenen<br />
500 Jahren wurde das natürliche Überschwemmungsgebiet<br />
entlang der <strong>Elbe</strong> immerhin<br />
um 85% reduziert (143).<br />
Zahlreiche Deichbrüche entlang von <strong>Elbe</strong> und<br />
Mulde zogen auch bisher geschützt geglaubte Ortschaften<br />
in Mitleidenschaft. An der <strong>Elbe</strong> brachen<br />
die Deiche an 21 Stellen, an der Mulde gar 125<br />
mal. Alleine der Deichbruch bei Dautzschen unterhalb<br />
von Torgau setzte eine Auenfläche von 214<br />
km² unter Wasser. Der zeitweilige Wasserrückhalt<br />
<strong>nach</strong> den Deichbrüchen bewahrte andere, unterhalb<br />
gelegene Siedlungsgebiete vor Schlimmerem.<br />
Sie wirkten oft wie ’gesteuerte Polder’, da die
MICHAEL BÖHME, KLAUS OCKENFELD ABSCHNITT 1DIE FLUTKATASTROPHE IM ELBE-EINZUGSGEBIET <strong>2002</strong> IM RÜCKBLICK<br />
Höhe in m über Pegel-Null + X<br />
20<br />
19<br />
18<br />
17<br />
16<br />
15<br />
14<br />
13<br />
12<br />
11<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
1<br />
2<br />
4<br />
3<br />
5<br />
6<br />
07.08.<strong>2002</strong><br />
09.08.<strong>2002</strong><br />
11.08.<strong>2002</strong><br />
13.08.<strong>2002</strong><br />
15.08.<strong>2002</strong><br />
17.08.<strong>2002</strong><br />
19.08.<strong>2002</strong><br />
21.08.<strong>2002</strong><br />
23.08.<strong>2002</strong><br />
25.08.<strong>2002</strong><br />
27.08.<strong>2002</strong><br />
29.08.<strong>2002</strong><br />
31.08.<strong>2002</strong><br />
02.09.<strong>2002</strong><br />
04.09.<strong>2002</strong><br />
X [m]<br />
Schöna 8,00<br />
Pirna 7,57<br />
Dresden 7,67<br />
Meissen 6,88<br />
Riesa 6,43<br />
Mühlberg 5,73<br />
Torgau 6,34<br />
Mauken 6,00<br />
Wittenberg 5,41<br />
Coswig 5,08<br />
Vockerode 5,16<br />
Dessau 5,00<br />
Aken 4,91<br />
Barby 4,70<br />
MD-Strombrücke 4,73<br />
Rothensee 3,48<br />
Niegripp 2,23<br />
Rogaetz 3,88<br />
Storkau 2,05<br />
Sandau 1,69<br />
Werben AP 1,48<br />
Gnevsdorf AP 1,77<br />
Scharleuk 1,39<br />
Wittenberge 1,32<br />
Mueggendorf 0,88<br />
Schnackenburg 0,70<br />
Lenzen 0,54<br />
Gorleben 0,36<br />
Doemitz 0,66<br />
Damnatz -0,48<br />
Hitzacker -0,48<br />
Neu Darchau -0,77<br />
Bleckede -5,10<br />
Boizenburg -0,36<br />
Hohnstorf -3,42<br />
Artlenburg -3,24<br />
Geesthacht -3,05<br />
Abb. 1-3 Wasserstände von 37 Schreibpegeln entlang der deutschen <strong>Elbe</strong>. Die Originaldaten wurden um einen Betrag<br />
X verändert, damit be<strong>nach</strong>barte Pegel überschneidungsarm dicht beieinander liegen. Die Pfeile weisen auf besondere<br />
Ursachen für Knicks in den Kurven: 1. Moldau erste Welle, 2. Erzgebirgsflüsse im Oberen Elbtal, 3. Mulde (Vockerode im<br />
Rückstau), 4. Moldau zweite Welle, 5. Deichbruch bei Prettin, 6. Flutung der Havelpolder. Man erkennt, wie die Wellen<br />
entlang der <strong>Elbe</strong> wandern und sich dabei verflachen und verbreitern (Daten WSÄ Dresden, Magdeburg und Lauenburg).<br />
6
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Deiche ziemlich genau zu <strong>dem</strong> Zeitpunkt brachen,<br />
als der Pegelscheitel in etwa erreicht war. Damit<br />
wurde der Scheitel für die Unterlieger besonders<br />
effektiv abgesenkt (Beispiel siehe Pfeil 5 in Abb. 1-<br />
3).<br />
Im Bereich der Havelmündung wurden Poldergebiete<br />
gezielt geflutet, die in den 1930er Jahren<br />
extra für den Zweck der <strong>Hochwasser</strong>absenkung<br />
angelegt wurden. Das führte zu einer Absenkung<br />
des Spitzenwasserstandes im Unterlauf der <strong>Elbe</strong><br />
um fast einen halben Meter (siehe Pfeil 6 in Abb. 1-<br />
3)! Die Stadt Wittenberge und weitere Ortschaften<br />
wurden damit vor Überschwemmung bewahrt und<br />
weitere Deichbrüche höchstwahrscheinlich verhindert.<br />
7<br />
1.3 Nach <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong><br />
Abb. 1-4 Neubaugebiet<br />
in der überfluteten<br />
Aue von Dresden-Cossebaude.<br />
Zum Teil steht das<br />
Wasser bis ans<br />
Dach. Ähnlich wie<br />
hier in Cossebaude<br />
wurde in den 1990er<br />
Jahren auch in<br />
Röderau-Süd<br />
bedenkenlos in die<br />
Aue gebaut. Röderau-Süd<br />
wird jetzt<br />
als Siedlungsstandort<br />
wieder aufgegeben.<br />
Abriß der<br />
Häuser, Umsiedlung<br />
der Bewohner<br />
und Renaturierung<br />
kosteten Bund und<br />
Freistaat rund 40<br />
Mio. € (Foto Umweltamt<br />
Dresden).<br />
Erst mit <strong>dem</strong> Rückgang des Wassers, wurde der<br />
größte Teil der Schäden erkennbar. Über 25.000<br />
Wohngebäude wurden beschädigt, 200 ganz zerstört.<br />
Unmengen von Sperrmüll mussten in kürzester<br />
Zeit beseitigt, die Häuser, Gärten, Straßen vom<br />
Schlamm gesäubert werden (Abb. 1-5). Allein im<br />
Freistaat Sachsen mussten 406.148 t Sperrmüll<br />
und 270.955 t Schlamm (Abb. 1-6) entsorgt werden.<br />
Während der Aufräumarbeiten kamen Helfer und<br />
andere Betroffene unweigerlich mit <strong>dem</strong> Schlamm<br />
und seinen Inhaltsstoffen in Kontakt. Dieser<br />
Flussschlamm ist eine ernstzunehmende Quelle<br />
Abb. 1-5 Sperrmüll in Pirna (Foto Stephanie Pilick).<br />
“Das <strong>Hochwasser</strong> im August bescherte [allein] der Stadt<br />
[Dresden] Abfallmengen, deren Ausmaße nur im Vergleich<br />
konkret werden. So wurde im Zeitraum von August bis<br />
Oktober <strong>2002</strong> über 64.995 Tonnen Sperrmüll entsorgt. Im<br />
ganzen Jahr 2001 betrug die Menge 15.500 t und von 1998<br />
bis 2001, in drei Jahren insgesamt 64.000 t. Schlamm wurden<br />
25.231 t beseitigt, Sand und Boden 25.282 t. Die<br />
Schadstoffentsorgung in den Monaten August <strong>2002</strong> bis<br />
Oktober <strong>2002</strong> betrug 219 t. Im Jahr 2001 waren es 332 t.<br />
Die Kosten für die Entsorgung der Hinterlassenschaft von<br />
<strong>Elbe</strong> und Weißeritz betragen per 31. Oktober <strong>2002</strong> aktuell<br />
6.037.000 EUR, ein Ansteigen auf 8.000.000 EUR wird eingeschätzt.”<br />
(Quelle: Dresdner Presseamt in 79)
MICHAEL BÖHME, KLAUS OCKENFELD ABSCHNITT 1DIE FLUTKATASTROPHE IM ELBE-EINZUGSGEBIET <strong>2002</strong> IM RÜCKBLICK<br />
Abb. 1-6 Getrockneter Schlamm auf den Elbwiesen in Dresden (25.8.<strong>2002</strong>, Foto Ralf Hirschberger).<br />
infektiöser Keime. Der offensichtlich ausreichend<br />
hygienische Umgang mit dieser Gefahr führte dazu,<br />
dass keine auffällige Häufung von Infektionskrankheiten<br />
in Zusammenhang mit <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong><br />
bekannt wurde.<br />
Beschädigte Gebäude wurden repariert oder abgerissen.<br />
Das betraf nicht nur die so heftig von den<br />
Sturzfluten in den Erzgebirgstälern betroffenen<br />
Gemeinden, sondern auch einzelne Häuser in den<br />
großen Flussniederungen, in denen ausgelaufe-<br />
Von Heizölschäden und Nachbarschaftshilfe<br />
... Wenn sich auch hier [in Pötzscha] die Menschen durch<br />
das Zusammenrücken gegenseitig den Rücken stärken, ist<br />
hier noch lange nicht alles ausgestanden. Sieben Häuser<br />
müssen abgerissen werden. Erst Monate, <strong>nach</strong><strong>dem</strong> die<br />
Bewohner wieder eingezogen waren, haben sich Ölschäden<br />
gezeigt, die irreparabel und vor allem gesundheitsschädlich<br />
sind.<br />
20.000-fach über <strong>dem</strong> Normalwert seien in <strong>dem</strong> von ihm<br />
einst bewohnten Haus die Belastungen durch das ausgetretene<br />
Heizöl, erzählt Martin Kupke. Der ehemalige<br />
Oschatzer Superintendent hat sich hier seinen Ruhestandssitz<br />
gewählt. Der bereits eingelagerte Wintervorrat<br />
von 4.500 Litern Öl hatte sich bei Kupkes aus den hochgeschwemmten<br />
Tanks in Haus und Garten ergossen. Vier<br />
Abb. 1-7 Ausgelaufene Öltanks in einem Keller in<br />
Tage stand diese »Brühe«. Nun muss das Haus abgerissen<br />
Röderau-Süd. (Foto Lars Stukenbrock, FW Teningen).<br />
werden. »Bei der Ölproblematik ist staatlicherseits nichts<br />
unternommen worden«, beklagt er. Untersuchungen und<br />
Probebohrungen seien sehr spät und meist auf Privatinitiative erfolgt. Allein das Schwimmbad werde aus hygienischen<br />
Gründen jetzt abgetragen. Die Kontaminierung sei zu groß. Um die privaten Böden kümmere sich niemand,<br />
so Martin Kupke (Quelle: Glaube und Heimat Nr. 32, 10. Aug. 2003, S. 3 in 78)<br />
8
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
nes Heizöl so tief in das Mauerwerk eindrang, dass<br />
es nicht mehr entfernt werden konnte. Da, wo eine<br />
Sanierung keinen Erfolg brachte, mussten ganze<br />
Häuser abgerissen und von Grund auf neu gebaut<br />
werden.<br />
In etlichen Gemeinden wie z.B. in Teilen Dresdens<br />
oder Bitterfelds liefen die Keller bereits während<br />
des <strong>Hochwasser</strong>s durch ungewöhnlich hohe<br />
Grundwasserstände voll. Die Grundwasserstände<br />
blieben z.T. lange Zeit, über Wochen und Monate,<br />
so hoch und sanken erst im extrem trockenen Sommer<br />
2003 wieder auf die Normalwerte ab. Manche<br />
Gebäude waren während dieser Zeit durch ’Aufschwimmen’<br />
in ihrer Standfestigkeit bedroht.<br />
Doch dies ist nicht alles. Ein Großteil der während<br />
der Katastrophe deutlich gewordenen Probleme<br />
wirkt bis in die Gegenwart. Dies betrifft vor allem<br />
den Umgang mit und die Vorsorge für zukünftige<br />
<strong>Hochwasser</strong>ereignisse.<br />
Initiativen zur Verbesserung der <strong>Hochwasser</strong>vorsorge<br />
fanden bereits <strong>nach</strong> den Rheinhochwässern<br />
der 1990er Jahre statt (LAWA-Leitlinien für einen<br />
zukunftsweisenden <strong>Hochwasser</strong>schutz, 106),<br />
Novellen des Wasserhaushaltsgesetztes 170).<br />
9<br />
Abb. 1-8 Herausgerissene<br />
Öltanks in der Landschaft<br />
(Foto Egli Engineering).<br />
Umfangreiche <strong>Hochwasser</strong>schutzmaßnahmen wurden<br />
mittlerweile für das Einzugsgebiet der <strong>Elbe</strong><br />
beschlossen (Internationale Kommission zum<br />
Schutz der <strong>Elbe</strong>, 94). Auf nationaler Ebene ist <strong>nach</strong><br />
erneuter Aufbereitung des Wasserhaushaltsgesetzes<br />
(170) und der Erstellung des 5-Punkte Programmes<br />
der Bundesregierung (1) das Gesetz der<br />
Bundesregierung zum vorbeugenden <strong>Hochwasser</strong>schutz<br />
(54, siehe Abschnitt 8.6) in Kraft getreten.<br />
Die hierin angezeigte Verpflichtung zur flächendekkenden<br />
Ausweisung von Überschwemmungsgebieten<br />
in Raumordnungs-, Flächennutzungs- und<br />
Bebauungsplänen sorgt bis in die Gegenwart für<br />
politische Diskussionen.<br />
Die Besiedlungs- und Nutzungspolitik für die Überschwemmungsgebiete<br />
muss die Vielfalt sozioökonomischer<br />
Erfordernisse an die vorhandenen und<br />
in Wandlung befindlichen klimatischen und hydrologischen<br />
Rahmenbedingungen anpassen. Für die<br />
Zukunft bleibt zu wünschen, dass die Abhängigkeit<br />
des Menschen von Naturgegebenheiten im<br />
Bewusstsein bleibt und sich die Fehler der Vergangenheit<br />
nicht wiederholen.
FRANK KRÜGER, WERNER KLEMM, ANNEGRET THIEKEN, HOLGER WEISS, PETER WYCISK ABSCHNITT 2SCHADSTOFF - DEFINITION, HERKUNFT?<br />
Abb. 2-1 Abwassereinleitung in die <strong>Elbe</strong> bei Pirna/Heidenau 1984. Die <strong>Schadstoffbelastung</strong> der <strong>Elbe</strong> nahm bis Mitte<br />
der 1980er Jahre beständig zu. Die hohe Gesamtfracht an organischen Schadstoffen, die bereits aus der ČSSR in die<br />
DDR hereintrieb, wurde allein im Ballungsraum Dresden auf wenigen Kilometern Fließstrecke verdoppelt! Hier Abwässer<br />
der Papierindustrie, im Hintergrund der Schaufelraddampfer ’Karl-Marx’ (Foto Michael Böhme).<br />
2 Schadstoff - Definition, Herkunft?<br />
Frank Krüger, Werner Klemm, Annegret Thieken, Holger Weiss, Peter Wycisk<br />
Unter <strong>dem</strong> Überbegriff Schadstoff werden im Allgemeinen<br />
all jene Stoffe oder Stoffgemische verstanden,<br />
welche die belebte Umwelt, also Menschen,<br />
Tiere und Pflanzen ja sogar ganze Ökosysteme,<br />
negativ beeinträchtigen können. Sie können sich<br />
schädlich auf das Wachstum, die Reproduktion und<br />
den Gesundheitsstatus von Organismen auswirken.<br />
Bei <strong>dem</strong> Begriff "Schadstoff" handelt es sich<br />
um eine Sammelbezeichnung. Eine eindeutige<br />
Definition gibt es nicht.<br />
Schon der Arzt und Naturforscher Paracelsus<br />
(1493-1541) erkannte: "Alle Dinge sind Gift und<br />
nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, dass<br />
ein Ding kein Gift ist." Er beschreibt damit die Tatsache,<br />
dass viele Stoffe bis zu einem gewissen<br />
Grad keine oder sogar positive Wirkungen haben<br />
können, bei Überschreiten eines Schwellenwertes<br />
jedoch negative Folgen auftreten können. Ein ein-<br />
faches Bespiel dafür ist Nitrat. Nitrat ist ein essentieller<br />
Pflanzennährstoff. Ein Überangebot führt<br />
jedoch zur Eutrophierung mit allen negativen Folgen<br />
für Böden und Gewässer. Selbst das gewöhnlich<br />
eindeutig als Schadstoff bekannte Schwermetall<br />
Quecksilber hat in verschiedenen Varianten<br />
sowohl positive als auch negative Wirkungen.<br />
Paracelsus mischte seinerzeit Quecksilberoxid in<br />
Salben, um damit Syphilis zu heilen. Andererseits<br />
sind Methyl-Quecksilber-Verbindungen schon in<br />
geringsten Konzentrationen hochgiftig für Mensch<br />
und Tier.<br />
Die gesundheitsrelevante Wirkung von Schadstoffen<br />
ist von zahlreichen Faktoren abhängig, z.B.<br />
vom Aufnahmepfad (Aufnahme über die Haut, Nahrung<br />
oder Atemluft), von der chemischen Bindungsform<br />
und der Konzentration des Stoffes, vom aufnehmenden<br />
Organismus etc. Sie wird in den<br />
10
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Das klassische Beispiel: DDT - toxisch, persistent, akkumulierend<br />
DDT ist ein Breitbandinsektizid, d.h. es wirkt gegen<br />
fast alle Insekten und weitere Gliedertiere tödlich,<br />
hat aber gleichzeitig eine relativ geringe akute Toxizität<br />
gegen andere Tiergruppen wie wir Warmblüter<br />
und Pflanzen. Seit den 1940er Jahren wurde DDT<br />
sehr erfolgreich eingesetzt zur Bekämpfung von<br />
Malaria übertragenden Mücken, Läusen (Soldaten<br />
und Schulkinder wurden mit DDT gepudert) und<br />
später ganz allgemein in der Landwirtschaft und im<br />
Wohnbereich zum umfassenden Kampf gegen<br />
alles, was sechs Beine hat („Walliser Maikäferkriege“).<br />
Weltweit wurden riesige Mengen des<br />
Insektizids in der Umwelt verteilt. Nach Plänen der<br />
UNO sollte jedes Land seine eigene DDT-Produktion<br />
bekommen.<br />
Aufkommende Resistenzen bereits Anfang der<br />
1950er Jahre führten zur weiteren Erhöhung der<br />
ausgebrachten Mengen. Nun häuften sich jedoch<br />
Beobachtungen, dass Vögel vom Himmel fielen<br />
und am Boden unter Zuckungen verendeten. Zwar<br />
war die Giftwirkung auf Warmblüter zunächst nur<br />
gering, aber Insektenfresser nahmen über ihre<br />
Nahrung derart große Mengen an Gift auf, dass sie<br />
doch an akuter Vergiftung starben.<br />
Da sich DDT bevorzugt im Fettgewebe anreichert,<br />
akkumulierten die fleischfressenden Glieder der<br />
Nahrungskette immer höhere DDT-Konzentrationen.<br />
Selbst die Pinguine in der Antarktis, wo gar<br />
kein DDT eingesetzt wurde, akkumulierten das<br />
DDT ihrer Nahrungsfische. Greifvögel zertraten<br />
beim Versuch zu brüten ihre Eier, da schon eine<br />
geringe Menge DDT eine hormonähnliche Wirkung<br />
hat, welche die Dicke der Eierschalen verringerte.<br />
Der Wanderfalke stand deswegen kurz vor seiner<br />
Ausrottung. DDT ließ sich auch in der menschlichen<br />
Muttermilch <strong>nach</strong>weisen. Schweizer Emmentalerkäse<br />
war zeitweise für den Export gesperrt,<br />
weil er zuviel DDT enthielt. Die Chemikalie war<br />
über die Nahrungskette fast überallhin gelangt!<br />
Forschungszweigen der Toxikologie, der Umweltchemie<br />
und der Ökologie untersucht und in der<br />
Wissenschaft unter <strong>dem</strong> Begriff Ökotoxikologie<br />
zusammengefasst. Schadstoffe sind ökotoxikologisch<br />
wirksam. Sie sind biologisch aktiv und für einzelne<br />
oder viele Organismengruppen akut oder<br />
chronisch toxisch. Besonders relevant sind zum<br />
einen persistente Schadstoffe, welche schlecht biologisch<br />
abbaubar sind und eine Langzeitgefahr für<br />
die Biospäre darstellen können, und zum andern<br />
solche Schadstoffe, die in der Nahrungskette ange-<br />
11<br />
Rachel Carson machte mit ihrem Buch „The Silent<br />
Spring“ 1962 erstmals breitenwirksam auf diese<br />
Zustände aufmerksam. Die immer klarer werdenden<br />
schädlichen Wirkungen von DDT führten<br />
schließlich dazu, dass seine Anwendung 1972 in<br />
den USA und Kanada und wenig später in den meisten<br />
westlichen Industrienationen verboten wurde.<br />
Dies war ein erster großer Erfolg der aufkommenden<br />
Umweltbewegung. In der DDR wurde DDT<br />
noch bis 1989, in Entwicklungsländern heute immer<br />
noch eingesetzt. Am Chemiestandort Bitterfeld-<br />
Wolfen wurde DDT bis 1973 mit ca. 2500 t/a produziert<br />
(60). Es ist dort heute noch im Grundwasser<br />
<strong>nach</strong>weisbar (151).<br />
DDT wird nicht nur im Fettgewebe von Organismen<br />
akkumuliert, sondern ist gleichzeitig nur schwer<br />
abbaubar. Die Halbwertzeit beträgt 10 bis 20 Jahre,<br />
d.h. <strong>nach</strong> dieser Zeitspanne sind immer noch 50%<br />
der Ausgangsmenge vorhanden. So ging die Konzentration<br />
in der Umwelt nur sehr langsam zurück.<br />
Immerhin wurden die Schalen der Greifvogeleier<br />
wieder fester. Die Bestände der vom Aussterben<br />
bedrohten Adler- und Falkenarten erholten sich<br />
wieder.<br />
Die Geschichte des DDT lehrt, was für synthetische<br />
Wirkstoffe ganz allgemein Gültigkeit hat: Der<br />
Gebrauch einer Substanz sollte schon dann eingeschränkt<br />
werden, wenn erste Hinweise auf eine<br />
Umweltschädigung vorliegen. Wird gewartet, bis<br />
der Nachweis für die negative Wirkung erbracht ist,<br />
kann schon sehr viel Schaden angerichtet sein.<br />
Deshalb werden Chemikalien heute vor ihrer Zulassung<br />
zur Vermarktung mehr oder weniger umfassend<br />
auf mögliche schädliche Wirkungen getestet<br />
und der Gebrauch gefährlicher Substanzen an<br />
strenge Regeln gebunden. Länger bekannte Substanzen<br />
unterliegen dagegen keiner Zulassungspflicht<br />
(vgl. Box Schadstoffe in Muttermilch auf<br />
Seite 36) (<strong>nach</strong> 64).<br />
reichert werden können. Die gefährlichsten Schadstoffe<br />
zeigen alle der oben genannten Eigenschaften<br />
(siehe Box DDT).<br />
"Schadstoffe" treten in unseren Ökosystemen auch<br />
natürlicherweise auf. Geogen natürlich erhöhte<br />
Konzentrationen von Schwermetallen und Arsen in<br />
Erzen beeinflussen Böden und Vegetation. Einzelnen<br />
Organismengruppen scheiden biologisch wirksame<br />
Substanzen aus, wie z.B. das von Blaualgen<br />
synthetisierte Microcystin, das für Warmblüter ein
FRANK KRÜGER, WERNER KLEMM, ANNEGRET THIEKEN, HOLGER WEISS, PETER WYCISK ABSCHNITT 2SCHADSTOFF - DEFINITION, HERKUNFT?<br />
gefährliches Nerven- und Lebergift darstellt. Das ist<br />
ein Grund, weshalb Blaualgenblüten Jahr für Jahr<br />
zu Badeverboten an unseren Gewässern führen.<br />
Schadstoffe werden <strong>nach</strong> verschiedenen Kriterien<br />
eingeteilt. Zum einen kann man, wie oben erwähnt,<br />
eine natürliche und im Gegensatz dazu die künstliche,<br />
vom Menschen verursachte (=anthropogene)<br />
<strong>Schadstoffbelastung</strong> unterscheiden. Zum andern<br />
kann man auch die Schadstoffe selbst in natürliche,<br />
also in der Natur vorkommende, und künstliche,<br />
xenobiotische Schadstoffe unterteilen. Beide Gruppen<br />
können chemisch verwandte Stoffe enthalten.<br />
Manche künstliche Schadstoffe können jedoch<br />
auch völlig andere Strukturen und Wirkmechanismen<br />
aufweisen. Auf diese ist die Natur nicht vorbereitet,<br />
weshalb solche Xenobiotika teilweise extrem<br />
wirksam und sehr langlebig sein können (fehlender<br />
biologischer Abbau, da kein Bakterium mit diesen<br />
Stoffen etwas anfangen kann).<br />
Eine andere Unterteilung der Schadstoffe bezieht<br />
sich auf ihren Chemismus und teilt sie in anorganische<br />
und organische Schadstoffe ein:<br />
• Anorganische Schadstoffe:<br />
- Natürlichen Ursprungs - z.B. Erze oder vulkanische<br />
Stoffe, Gesteinsstäube usw.<br />
- Anthropogen - wie z.B. viele Anteile am Feinstaub,<br />
Kunstdünger oder diverse Stickoxide<br />
und Schwermetalle.<br />
• Organische Stoffe besitzen fast immer ein chemisches<br />
Gerüst aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen,<br />
in das oft andere Elemente eingebaut<br />
sind. Sie werden ihrerseits oft in die o.g. Kategorien<br />
natürlich und künstlich klassifiziert:<br />
- Natürlich-organische Schadstoffe - z.B. Giftstoffe<br />
von Pilzen, Algen und anderen biologischen<br />
Quellen<br />
- Anthropogen-organische Gifte wie beispielsweise<br />
PCB (Poly-Chlorierte Biphenyle) und<br />
HCH (Hexa-Chlor Cyclohexan, Lindan)<br />
Im Folgenden werden typische anorganische und<br />
organische Schadstoffvorkommen im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />
diskutiert, die eine anthropogen (d.h. durch<br />
menschliche Tätigkeit) bedingte Anreicherung im<br />
Flussökosystem <strong>Elbe</strong> erfahren haben.<br />
2.1 Herkunft anorganischer Schadstoffe/<br />
Schwermetalle und Arsen<br />
In der <strong>Elbe</strong> treten zahlreiche natürliche und anthropogene,<br />
organische und anorganische Schadstoffe<br />
auf, deren Herkunft vielfältig ist.<br />
Natürlich vorkommende und ab bestimmten Konzentrationen<br />
toxisch wirksame Elemente, wie beispielsweise<br />
Arsen oder Schwermetalle wie Quecksilber,<br />
Blei, Cadmium, Uran und Kupfer, finden sich<br />
Cadmium in µg/g Quecksilber in µg/g<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
1984<br />
1984<br />
Schnackenburg<br />
Magdeburg<br />
1985<br />
1986<br />
1987<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
<strong>2002</strong><br />
2003<br />
Abb. 2-2 Zeitliche Entwicklung der Quecksilbergehalte in<br />
Gewässersedimenten der <strong>Elbe</strong> bei Schnackenburg und<br />
Magdeburg (Daten 18).<br />
1985<br />
1986<br />
1987<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
<strong>2002</strong><br />
2003<br />
Abb. 2-3 Zeitliche Entwicklung der Cadmiumgehalte in<br />
Gewässersedimenten der <strong>Elbe</strong> bei Schnackenburg und<br />
Magdeburg (Daten 18).<br />
im gesamten <strong>Elbe</strong>-Einzugsgebiet. Sie wurden aus<br />
den <strong>Elbe</strong>-begleitenden Mittelgebirgsregionen (Riesengebirge,<br />
Böhmerwald, Adlergebirge, Isergebirge,<br />
Erzgebirge, Harz) schon immer durch Windund<br />
Wassererosion abgetragen. Die Stoffe gelangen<br />
zunächst in die Nebenflüsse und anschließend<br />
in die <strong>Elbe</strong> selbst. Sie werden entsprechend der<br />
jeweiligen Flussdynamik teils abgelagert, teils weitergespült<br />
und verursachen auch ohne menschliche<br />
Aktivität die sogenannte geogene Hintergrundbelastung<br />
im Gewässer. Aber auch die<br />
anthropogen bedingten Schadstoffeinträge wirken<br />
teilweise schon über Jahrhunderte. Seit der<br />
Mensch gezielt Metalle verwendet, wurden Erze<br />
bergbaulich gefördert und oftmals schon am<br />
Gewinnungsort verarbeitet. Die entsprechenden<br />
Spülwässer, der anfallende Abraum, sowie die<br />
Abfallprodukte der Verhüttung stellen bedeutende<br />
Quellen für Schwermetalle und Arsen dar. Dies<br />
führt dazu, dass sich zur oben genannten geogenen<br />
Hintergrundbelastung anthropogen freigesetzte<br />
Metallbelastungen addieren. Auch heute<br />
noch wirken sie als weit verbreitete diffuse Schadstoffquellen<br />
in den Mittelgebirgsregionen des <strong>Elbe</strong>-<br />
Einzugsgebietes.<br />
12
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Tab. 2-1 Schwermetall- und Arseneinträge in Oberflächengewässer des deutschen <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes (156).<br />
Schadstoff Eintrag in die<br />
davon (alle Angaben in %):<br />
Gewässer in Summe aller<br />
t/a diffusen<br />
Urbane<br />
Quellen Erosion Flächen Weitere diffuse Quellen<br />
Arsen 25 96 33 7 Grundwasser (49%)<br />
Blei 75 86 40 37<br />
Cadmium 3 72 17 31 Historischer Bergbau (16%)<br />
Chrom 60 92 53 17 Dränage (15%)<br />
Kupfer 180 85 37 33<br />
Quecksilber 1 84 17 33 Atmosphärische Deposition (15%)<br />
Nickel 120 88 18 11 Grundwasser (43%)<br />
Zink 700 90 19 52<br />
Diffuse Schadstoffquellen für Schwermetalle sind<br />
neben alten Halden und Tailings (zur Ablagerung<br />
und Trocknung schlammartiger Rückstände) des<br />
Bergbaus auch Straßenabläufe, Mischwasserkanäle,<br />
Grundwasserzuströme, Luftdepositionen und<br />
Erosionen von landwirtschaftlichen Flächen. Sie<br />
13<br />
Bergbaureviere und Erzgänge<br />
im Erzgebirge<br />
Legende<br />
Zwickau<br />
Bergbaureviere<br />
Wasserscheide<br />
Fluorit-Quarz-Assoziation<br />
Hämatit-Baryt-Assoziation<br />
Karbonat-Antimonit-Assoziation<br />
Karbonat-Antimonit/<br />
Quarz-Arsenid-Assoziation<br />
Karbonat-Sulfid-Assoziation<br />
Kassiterit-Sulfid-Assoziation<br />
Quarz-Hämatit-Assoziation<br />
Quarz-Sulfid-Assoziation<br />
Quarz-Wolframit-Assoziation<br />
Baryt-Fluorit-Assoziation<br />
Glauchau<br />
Zwickauer Mulde<br />
Schneeberg<br />
Ag Co Ni<br />
Fe Mn Sn<br />
Ag Co U<br />
Aue<br />
Schwarzwasser<br />
Chemnitz<br />
Chemnitz<br />
Würschnitz<br />
UAsCo<br />
Zwönitz<br />
Schwarzenberg<br />
Fe<br />
Johanngeorgenstadt<br />
Zschopau<br />
UZnSn<br />
sind in ihrer Summe derzeit weit größer als die<br />
direkten Einleitungen von Schwermetallen und<br />
Arsen aus Punktquellen (156). Tab. 2-1 verdeutlicht<br />
den Anteil diffuser Schwermetall- und Arseneinträge<br />
in Oberflächengewässer des deutschen <strong>Elbe</strong>einzugsgebietes.<br />
Sn W<br />
Zschopau<br />
Zschopau<br />
Flöha<br />
Striegis<br />
Flöha<br />
Annaberg-Buchholz<br />
Ag Co U<br />
Freiberg<br />
Ag Pb Zn As Cd<br />
AgUSn<br />
Marienberg<br />
0<br />
5<br />
Freiberger Mulde<br />
km<br />
10<br />
Bobritzsch<br />
15<br />
N<br />
20<br />
TU Bergaka<strong>dem</strong>ie Freiberg<br />
Institut für Mineralogie<br />
Abb. 2-4 Übersicht über Mineralisationen, Bergbaureviere und deren umweltrelevanten Elementinhalte im Erzgebirge<br />
(26).
Konzentration in mg/kg<br />
FRANK KRÜGER, WERNER KLEMM, ANNEGRET THIEKEN, HOLGER WEISS, PETER WYCISK ABSCHNITT 2SCHADSTOFF - DEFINITION, HERKUNFT?<br />
20000<br />
10000<br />
1000<br />
100<br />
10<br />
Blei<br />
Zink<br />
Arsen<br />
Zinn<br />
Antimon<br />
Uran<br />
2<br />
100 80 60 40 20<br />
Oberlauf<br />
Flusskilometer<br />
0 60 80 100 120 140<br />
Vereini-<br />
Oberlauf<br />
gung Flusskilometer<br />
Freiberger Mulde Zwickauer Mulde<br />
Abb. 2-5 Konzentrationsänderungen von Arsen und<br />
Schwermetallen in Hochflutsedimenten entlang der<br />
Freiberger und Zwickauer Mulde im Oktober <strong>2002</strong>,<br />
Feinfraktion (
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
ten über Jahrhunderte ein Zentrum des Erzbergbaus,<br />
der Erzaufbereitung und -verhüttung sowie<br />
der Metallverarbeitung.<br />
Im Verlauf von 800 Jahren wechselten die Elemente,<br />
<strong>nach</strong> denen gesucht wurde. Waren es<br />
zunächst Silber und Zinn, wurden später auch Blei,<br />
Zink, Kobalt, Arsen, Nickel, Wolfram, Molybdän,<br />
Uran sowie die Verbindungen Fluorit und Baryt<br />
abgebaut (Abb. 2-4 auf Seite 13, Tab. 2-2).<br />
Tab. 2-2 Übersicht über die gewonnenen Mengen verschiedener<br />
Wertelemente und ihre noch vorhandenen<br />
Vorräte im sächsischen Teil des Erzgebirges (62).<br />
Wertelement gefördert in kt<br />
erkundete u.<br />
prognostische<br />
Vorräte in kt<br />
Silber 7,97 0,8<br />
Zinn 202 830<br />
Blei 270,8 405<br />
Uran 121,2 66<br />
Zink 117,3 865<br />
Arsen 165 21,4<br />
Eine Begleiterscheinung all dieser Aktivitäten<br />
waren Umweltkontaminationen durch Schwermetalle<br />
und Arsen. Die Dimension und die Intensität<br />
dieser Umweltbelastungen waren eng mit der Entwicklung<br />
der Technologien im Bergbau, in der Erzaufbereitung<br />
und Verhüttung verbunden (2, 167,<br />
168). Durch den Bergbau entstanden offene und<br />
untertägige Grubenhohlräume sowie Berge- und<br />
Aufbereitungshalden, die den Zutritt von Luft und<br />
Feuchtigkeit zu den verbliebenen Erzresten sowie<br />
eine z.T. verbesserte Wegsamkeit für Wässer<br />
bewirkten. Unter diesen Bedingungen erfolgt die<br />
Oxidation der vorwiegend sulfidischen Erze unter<br />
Bildung von Schwefelsäure und wasserlöslichen<br />
Komponenten der Erzbestandteile, die mit den Gruben<br />
bzw. Haldensickerwässern in die Oberflächen-<br />
15<br />
gewässer ausgetragen werden. Besonders hohe<br />
Gehalte an Begleitmineralen enthalten die Rückstände<br />
der Erzaufbereitung, die infolge ihrer Feinkörnigkeit<br />
leicht oxidierbar sind. Abhängig von der<br />
mineralischen Zusammensetzung der Erze und<br />
assoziierten Begleitminerale enthalten die aus den<br />
gefluteten Gruben oder den Tailinghalden ausfließenden<br />
Wässer jeweils typische Elementassoziationen<br />
(Tab. 2-3).<br />
Hinzu kommt eine in der Vergangenheit bedeutsame<br />
Belastung der Atmosphäre. Diese wurde<br />
durch den Hüttenrauch verursacht. Der Hüttenrauch<br />
enthielt Stäube mit hoher Schadstoffkonzentration,<br />
welche in der Umgebung der Hütten wieder<br />
auf den Boden absank. Dies spiegelt sich heute<br />
durch großflächig erhöhte Schadstoffgehalte im<br />
Oberboden der Landschaft wider (128, 163, 164).<br />
Zunächst lagerten sich die Erz- und Begleitelemente<br />
durch den Hüttenrauch auf kleinen Gebieten<br />
in sehr hoher Konzentration ab. Mit der Zunahme<br />
der Produktion und der Zentralisierung der Verhüttung<br />
in verschiedenen Orten, vor allem im Freiberger<br />
Gebiet, wurde der Hüttenrauch zusammen mit<br />
<strong>dem</strong> im Produktionsprozess nicht abgeschiedenen<br />
Staub über immer höhere, nun auf den Anhöhen<br />
gebaute Schornsteine (z.B. Ziegelschornstein Halsbrücke,<br />
Hütte Freiberg, Muldenhütten), auf immer<br />
größere Flächen verteilt. Dies führte zu einer<br />
erheblichen Vergrößerung der belasteten Areale.<br />
Tab. 2-4 auf Seite 17 enthält einen Überblick über<br />
Staubemissionen der Freiberger Hüttenbetriebe,<br />
die das Ausmaß der atmosphärischen Belastung<br />
vor der Wende verdeutlicht.<br />
Starkregenereignisse erodieren in erheblichem<br />
Ausmaß belastetes Bodenmaterial und tragen<br />
ebenfalls maßgeblich zur Belastung der Sedimente<br />
in den Fließgewässern bei. Dabei sind, entsprechend<br />
der geförderten Minerale und deren Begleitstoffe<br />
regionale Unterschiede der Belastung von<br />
Böden und Sedimenten festzustellen (27, 29, 127).<br />
Tab. 2-3 Wichtige Wertelemente, ihre Erzminerale und umweltrelevante Begleitminerale (20) des Bergbaus im Erzgebirge<br />
und ihre Belastungen für den Wasser- und Luftpfad.<br />
Wertkom-ponente Ag Sn (W) Pb U<br />
Erzminerale Ag, PbS(Ag), Ag2S, Ag3AsS3 , Ag3SbS3 SnO2 , (Fe,Mn)WO4 PbS U3O8 , UO2 umweltrelevante<br />
Begleitminerale<br />
CoNi-Arsenide, Pyrit,<br />
Chalkopyrit, Sphalerit,<br />
CoNiFe-Arsenide<br />
FeAsS, FeAs 2 , CaF 2 ,<br />
CoNi-Arsenide<br />
Belastung Gewässer Pb, Zn, Cd, As, Fe SO4 2- , F¯, As, Al, Fe,<br />
Mn, Ni, Co, Cd<br />
Belastung Atmosphäre,<br />
Boden<br />
Beispiele Freiberg, Annaberg,<br />
Schneeberg<br />
ZnS (Cd), Pyrit, Arsenopyrit,<br />
Chalkopyrit,<br />
CoNi- Arsenide<br />
SO4 2- , Pb, Zn, Cd, As,<br />
Fe, Mn<br />
As, Bi, CoNi-Arsenide<br />
SO4 2- , F¯, U, As, Fe,<br />
Ra,<br />
SO 2 , Pb, Zn, Cd, As, As 2 O 3 , SO 2 SO 2 , Pb, Zn, Cd, As lokal begrenzt U, As,<br />
Ra,<br />
Ehrenfriedersdorf,<br />
Altenberg<br />
Freiberg Schlema - Alberoda -<br />
Hartenstein, Pöhla,<br />
Johanngeorgenstadt
FRANK KRÜGER, WERNER KLEMM, ANNEGRET THIEKEN, HOLGER WEISS, PETER WYCISK ABSCHNITT 2SCHADSTOFF - DEFINITION, HERKUNFT?<br />
Abb. 2-6 Schlackenhalden<br />
aus hunderten Jahren Bergbau<br />
in Muldenhütten bei<br />
Freiberg. Hier wurden während<br />
des <strong>Hochwasser</strong>s <strong>2002</strong><br />
ca. 9000 Tonnen hochgradig<br />
Blei- und Arsen-belastetes<br />
Material erodiert (Bilder oben<br />
und mitte). Diese Quelle<br />
führte zu den extremen Konzentrationsspitzen<br />
in den<br />
Sedimenten und Böden<br />
unterhalb von Freiberg, wie<br />
sie für das Beispiel Blei in<br />
Abb. 5-14 dargestellt ist.<br />
Auf <strong>dem</strong> mittleren Bild<br />
erkennt man eine Linie am<br />
Hang. Bis dorthin ’stand’ das<br />
Wasser und spülte alle feineren<br />
Bestandteile aus der<br />
Schüttung in den Fluß. Von<br />
oben rutschte weiteres Material<br />
<strong>nach</strong>.<br />
2004 wurde der Haldenfuß<br />
am Prallhang gesichert.<br />
(Fotos Werner Klemm,<br />
Günther Rank).<br />
16
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Tab. 2-4 Staubemission der Freiberger Hüttenbetriebe<br />
vor 1990 (Angaben in Tonnen/Jahr, zusammengestellt<br />
aus betriebsinternen Unterlagen).<br />
Komponente t/a<br />
Staub<br />
darin<br />
405 - 875<br />
Blei (Pb) 84 - 170<br />
Zink (Zn) 9 - 44<br />
Cadmium (Cd) 1,5 - 3<br />
Arsen (As) 1 - 22<br />
Zinn (Sb) 0,8 - 9,8<br />
Im Gebiet von Ehrenfriedersdorf, wo das im Zinnerz<br />
enthaltene Arsen (Arsenopyrit) vor der eigentlichen<br />
Verhüttung in sogenannten Gifthütten durch<br />
Abrösten als As 2 O 3 entfernt und gewonnen wurde,<br />
werden im Oberboden stellenweise Arsen-Konzentrationen<br />
>2000 mg/kg <strong>nach</strong>gewiesen. Abb. 2-5 auf<br />
Seite 14 zeigt dies und den Konzentrationsverlauf<br />
anderer Schwermetalle in den Hochflutsedimenten<br />
auf Überflutungsflächen entlang der beiden Mulden-Oberläufe.<br />
Abb. 5-14 auf Seite 54 zeigt die<br />
Bleibelastung der Mulde- im Vergleich zu den<br />
Elbauenböden und verdeutlicht die zunehmende<br />
17<br />
<strong>Elbe</strong> Darstellung der Geoindizes <strong>Elbe</strong><br />
Darstellung der Geoindizes<br />
Dessau ! Dessau !<br />
Raguhn Raguhn<br />
! !<br />
Wolfen ! Wolfen !<br />
! !<br />
Bitterfeld Bad Düben Bitterfeld<br />
Bad Düben<br />
! !<br />
! !<br />
Delitzsch Delitzsch<br />
! !<br />
Eilenburg Eilenburg<br />
! !<br />
Wurzen Wurzen<br />
Geoindex <strong>nach</strong> MÜLLER<br />
Geoindex <strong>nach</strong> MÜLLER<br />
(bezogen auf 10 mg/kg)<br />
(bezogen auf 10 mg/kg)<br />
Igeo- bis<br />
Grimma<br />
! Igeo-<br />
bis<br />
Grimma<br />
!<br />
Klasse [mg/kg] Klasse [mg/kg]<br />
0 15 0<br />
15<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
30<br />
60<br />
120<br />
240<br />
480<br />
!<br />
Sermuth<br />
Döbeln<br />
!<br />
Nossen<br />
!<br />
Dresden<br />
!<br />
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
30<br />
60<br />
120<br />
240<br />
480<br />
!<br />
Sermuth<br />
Döbeln<br />
!<br />
Nossen<br />
!<br />
Dresden<br />
!<br />
6 960 6<br />
960<br />
7 > 960 7 > 960<br />
keine Angaben keine Angaben<br />
Freiberg! Freiberg!<br />
km<br />
0 5 10 15 20<br />
Mulde<br />
Zwickauer Mulde<br />
Arsen<br />
im Flusssediment der<br />
Mulde<br />
und ihrer Nebenflüsse<br />
Chemnitz<br />
Freiberger Mulde<br />
Zschopau<br />
Flöha Flöha<br />
! !<br />
! !<br />
Glauchau Chemnitz Glauchau<br />
Chemnitz<br />
! !<br />
E E<br />
Herbst 1992 Mai 2003<br />
Flöha<br />
Zwickau! Zwickau!<br />
Marienberg Marienberg<br />
! !<br />
Schneeberg<br />
! Aue<br />
! Annaberg-Buchholz<br />
Schneeberg<br />
! Aue<br />
!<br />
Annaberg-Buchholz<br />
! !<br />
! !<br />
Schwarzenberg Schwarzenberg<br />
Johanngeorgenstadt Johanngeorgenstadt<br />
! !<br />
BMBF - Verbundprojekt 1991-1993:<br />
TU Bergaka<strong>dem</strong>ie Freiberg,<br />
Institut für Mineralogie<br />
Universität Hamburg,<br />
Institut für Anorganische und Angewandte Chemie<br />
km<br />
0 5 10 15 20<br />
Mulde<br />
Zwickauer Mulde<br />
Abb. 2-7 Vergleich der Arsen-Belastung im Sediment der Mulde für 1992 und 2003.<br />
Arsen<br />
im Flusssediment der<br />
Mulde<br />
Chemnitz<br />
Freiberger Mulde<br />
Zschopau<br />
Verdünnung der aus <strong>dem</strong> Raum Freiberg kommenden<br />
Kontamination im Verlauf der Fließstrecke.<br />
Nach <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong> <strong>2002</strong> wurden besonders<br />
hohe Konzentrationen von As, Pb, Sb und Sn in<br />
den Flutsedimenten gemessen (Abb. 2-5). Hauptursache<br />
hierfür war der Abtrag von ca. 9.000 Tonnen<br />
aus einer Schlackenhalde im Abschnitt Muldenhütten<br />
(nahe Freiberg, Abb. 2-6). Die<br />
flussabwärts zunehmende "Verdünnung" mit unbelastetem<br />
Material zeigt sich für beide Flüsse in den<br />
abnehmenden Konzentrationen für alle Elemente,<br />
so dass im Bereich der Vereinten Mulde z.T. nur<br />
noch moderat erhöhte Werte auftreten.<br />
Der extreme Austrag an belasteten Sedimenten<br />
durch das <strong>Hochwasser</strong> <strong>2002</strong> aus den Belastungsabschnitten<br />
der Freiberger und Zwickauer Mulde<br />
weckte die Erwartung <strong>nach</strong> einem "Reinigungseffekt".<br />
Vergleiche der Belastung in den Teilsystemen<br />
der Mulde zwischen 1992 und 2003 weisen in den<br />
Unterläufen von Freiberger und Zwickauer sowie<br />
der Vereinten Mulde auf eine tendenzielle Verringerung<br />
der Kontamination hin. In den primären Hauptbelastungsabschnitten<br />
von Freiberger und Zwikkauer<br />
Mulde erfolgt jedoch weiterhin eine deutlicher<br />
Flöha<br />
BMBF - Verbundprojekt 2003:<br />
TU Bergaka<strong>dem</strong>ie Freiberg, Institut für Mineralogie<br />
(Daten Freiberger und Zwickauer Mulde)<br />
Universität Hamburg, Institut für Anorganische und<br />
Angewandte Chemie (Daten Vereinigte Mulde)
FRANK KRÜGER, WERNER KLEMM, ANNEGRET THIEKEN, HOLGER WEISS, PETER WYCISK ABSCHNITT 2SCHADSTOFF - DEFINITION, HERKUNFT?<br />
Möglichkeiten zur Reduzierung der <strong>Schadstoffbelastung</strong> im Muldesystem<br />
Die Nachhaltigkeit der Einträge von Schwermetallen<br />
und Arsen auf zwar erhöhtem, Grenzwerte<br />
überschreitenden, jedoch für industrielle Reinigungsanlagen<br />
uneffektiven teurem Niveau, erfordert<br />
neben Maßnahmen zur Reduzierung der Quellen<br />
den Einsatz passiver, kostengünstiger<br />
Sanierungsverfahren. Grubenwässer und Haldensickerwässer<br />
verfügen häufig über hohe Gehalte<br />
an Eisen und Aluminium, und damit über ein erhebliches<br />
"Selbstreinigungspotenzial" (26, 28).<br />
Es ist nämlich möglich, Eisen und Aluminium zur<br />
Ausfällung zu bringen. Bei diesen Ausfällungsreaktionen<br />
kommt es, abhängig von den konkreten geochemischen<br />
Bedingungen zur Entfernung von<br />
Schadstoffen aus der gelösten Phase und zur Festlegung<br />
im Gewässersediment. Vor allem Arsen,<br />
Blei und Zink lassen sich in hohen Konzentrationen<br />
an diesen eisen- und aluminiumhaltigen Niederschlägen<br />
stabil fixieren und durch Sedimentation<br />
aus <strong>dem</strong> Grubenwasser entfernen.<br />
Für die Oxidation des zunächst im Gruben- und<br />
Haldensickerwasser anfallenden Fe II sowie für die<br />
Sedimentation der Eisen- und Aluminium-Hydroxide<br />
sind im jeweiligen Bereich geeignete Bedingungen<br />
zu schaffen, so daß dieser Prozeß ohne<br />
weiteren Aufwand "natürlich" ablaufen kann.<br />
In belasteten Fließgewässsern kann bei ausreichenden<br />
Schwebgehalten ebenfalls eine Verringerung<br />
der Schwermetall- und As-Konzentrationen<br />
erreicht werden. Ein Beispiel für eine natürliche<br />
Eintrag. Es ist keine Verringerung der Gehalte in<br />
den Sedimenten festzustellen. Für Arsen wird in<br />
der Freiberger Mulde sogar eine Erhöhung der<br />
Belastung registriert (Abb. 2-7).<br />
Ein weiteres <strong>Hochwasser</strong> wird die neuen Sedimente<br />
wiederum flussabwärts transportieren. Für<br />
die notwendige Reduzierung dieser Emissionen<br />
aus Bergbauanlagen müssen bauliche und geochemische<br />
Barrieresysteme installiert und genutzt<br />
werden. Der Erosion von belasteten Böden kann<br />
durch Flächenstilllegung und Begrünung deutlich<br />
entgegnet werden. Die Sanierung von Halden in<br />
Ufernähe sollte den Abtrag von belastetem Material<br />
bei <strong>Hochwasser</strong> verhindern.<br />
Nach<strong>dem</strong> hier etwas tiefer eine Quelle hoher anorganischer<br />
Schadstoffeinträge im <strong>Elbe</strong>-Einzugsgebiet<br />
betrachtet wurde, wenden wir uns jetzt der Herkunft<br />
der zweiten Hauptgruppe von Schadstoffen<br />
zu, den organischen Schadstoffe.<br />
Sedimentationsfalle liefert der Muldenstausee bei<br />
Bitterfeld. Tab. 2-5 gibt eine Bilanzübersicht über<br />
den Zeitraum 1992 - 1994 für den Ein- und Austrag<br />
der Schwermetalle und As (173). Die Elemente Fe,<br />
Pb, Cd, Cu, Cr, As, Zn und Co werden zu mehr als<br />
50% aus <strong>dem</strong> Wasser entfernt und in das Sediment<br />
des Stausees eingelagert.<br />
Tab. 2-5 Elementbilanz für den Muldestausee im Zeitraum<br />
08.1992 - 03.10.1994 (173).<br />
Verbleib im<br />
Element Eintrag t/a Austrag t/a Stausee %<br />
As 28 12 57<br />
Pb 43 7 84<br />
Cd 6,1 1,4 77<br />
Co 4,5 2,2 51<br />
Cr 18 5 72<br />
Cu 29 8 72<br />
Ni 33 22 33<br />
U 8,4 4,3 49<br />
Zn 362 175 52<br />
Fe 4871 802 84<br />
Mn 398 265 33<br />
Von Beuge et al. (28) wurde deshalb vorgeschlagen,<br />
diesen natürlichen Reinigungsprozess durch<br />
Umleitung der Mulde durch ein als geochemische<br />
Sedimentationsfalle vorzubereitendes Tagebaurestloch<br />
zu nutzen.<br />
2.2 Herkunft organischer Schadstoffe<br />
Die organischen Gewässerverunreinigungen stammen<br />
ebenfalls sowohl aus diffusen Quellen als<br />
auch aus Punktquellen industrieller Direkteinleiter<br />
und kommunaler Kläranlagen. Im Gegensatz zu<br />
den Schwermetallen gibt es jedoch keine geogen<br />
bedingte Grundbelastung. Alle hier behandelten<br />
organischen Schadstoffe sind anthropogenen<br />
Ursprungs.<br />
Ein weiterer Unterschied zu den anorganischen<br />
Schadstoffen liegt im Belastungszeitraum. Während<br />
die Schwermetalle im Zuge des Erzbergbaus<br />
bereits seit Jahrhunderten in das Gewässersystem<br />
eingetragen werden, ist die Beeinträchtigung mit<br />
der überwiegenden Anzahl organischer Schadstoffe<br />
wesentlich jünger und an die Entwicklung der<br />
chemischen Industrie z.B. für die Produktion von<br />
Kunststoffen, Biozide und Arzneimittel gekoppelt.<br />
Als Beispiel sei hier die Lindanproduktion aus <strong>dem</strong><br />
Bereich Bitterfeld/Wolfen an der Mulde und Fahl-<br />
18
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
berg-List bei Magdeburg an der <strong>Elbe</strong> genannt, die<br />
erst in den 1950er Jahren begann und bereits in<br />
den 1980er Jahren wieder eingestellt wurde (vgl.<br />
Abb. 2-13 und Seite 24). Als Stoffquellen kommen<br />
nicht nur die Produktionsstätten in Betracht. Biozide<br />
sind als biologisch aktive Stoffgruppe nahezu<br />
flächendeckend im Einzugsgebiet der <strong>Elbe</strong> eingesetzt<br />
worden, vor allem in der Landwirtschaft. Diese<br />
Schadstoffe bzw. ihre Umwandlungs- und Abbauprodukte<br />
gelangten zum einen über Produktionsabwässer<br />
direkt ins Gewässernetz. Zum anderen werden<br />
Sie aktuell über Erosionsvorgänge im<br />
Einzugsgebiet oder auch über den Austrag mit <strong>dem</strong><br />
Sickerwasser <strong>dem</strong> Fließgewässer wieder zugeführt,<br />
wie es in Abb. 2-8 zu erkennen ist. Gleichzeitig<br />
ist anzumerken, dass die verschiedenen Eintragspfade<br />
unterschiedlich lange wirken. Es ist<br />
einsichtig, dass eine industrielle Direkteinleitung<br />
sofort im Gewässer wirksam werden kann. Über<br />
die Möglichkeit der Festlegung von Stoffen im Sediment<br />
ist aber eine viel längere Wirkungszeit vorprogrammiert.<br />
Ähnliches gilt für erosive Vorgänge im<br />
Einzugsgebiet. Es kann Jahrzehnte und länger<br />
dauern, bis ein erodierter Schadstoff oder dessen<br />
Umwandlungsprodukt das Hauptgewässer erreicht.<br />
Ein weiterer zu bedenkender Eintrag von Schadstoffen<br />
erfolgt über das Grundwasser, wobei auch<br />
hier größere, schwer zu kalkulierende Zeiträume<br />
veranschlagt werden müssen. Bereits für die sehr<br />
mobile Verbindung Nitrat wird mit einer Verweilzeit<br />
von 1 bis 100 Jahren im Grundwasserleiter gerechnet,<br />
bis es in einem Vorfluter erneut austritt und<br />
anschließend deutlich schneller <strong>dem</strong> Hauptgewässer<br />
zugeführt wird. Und so verwundert es auch<br />
nicht, dass Lindanverbindungen (hier β-Hexachlorcyclohexan)<br />
immer noch in den Sedimenten der<br />
<strong>Elbe</strong> anzutreffen sind (Abb. 2-9), obwohl die Lin-<br />
19<br />
Diffuse Quellen<br />
Niederschlag<br />
Versickerung<br />
Grundwasserleiter<br />
Jahre-Jahrhunderte<br />
Erosion<br />
Jahrzehnte-Jahrhunderte<br />
Industrielle und kommunale<br />
Direkteinleiter<br />
Sofort-Jahrzehnte<br />
Abb. 2-8 Eintragspfade und Eintragszeiträume für Schadstoffe<br />
in Gewässer.<br />
�-HCH in µg/kg<br />
200<br />
180<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
1984<br />
1985<br />
1986<br />
1987<br />
1988<br />
1989<br />
1990<br />
1991<br />
1992<br />
1993<br />
1994<br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
<strong>2002</strong><br />
2003<br />
Abb. 2-9 Zeitliche Entwicklung der ß-Hexachlorcyclohexangehalte<br />
in Gewässersedimenten der <strong>Elbe</strong> bei Schnackenburg<br />
und Magdeburg (Daten 18).<br />
dan-Produktion schon vor 23 Jahren eingestellt<br />
wurde.<br />
Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von organischen<br />
Schadstoffen, die lediglich als Begleitprodukt<br />
von Produktionsprozessen entstanden sind, deren<br />
Herstellung also weder geplant noch gewollt war.<br />
Die Entstehung der Dioxine und Furane ist hier einzugruppieren.<br />
Dioxine und Furane stellen ungewollte Nebenprodukte<br />
bei chemischen Chlorierungsreaktionen und<br />
metallurgischen Prozessen dar. Typische Quellen<br />
von Dioxinen, die sich in den Sedimenten der Fließgewässer<br />
im Einzugsgebiet der <strong>Elbe</strong> niedergeschlagen<br />
haben, waren z.B. die Magnesium-Produktionsstätten<br />
in Bitterfeld an der Mulde und<br />
Staßfurt an der Bode/Saale, die bis 1945 in Betrieb<br />
waren (103). Diese Belastungen sind bis heute in<br />
Sedimenten der Nebenflüsse und der <strong>Elbe</strong> wirksam.<br />
Aufgrund der hohen Persistenz dieser Stoffe<br />
ist nicht damit zu rechnen, dass sich die Belastung<br />
der Umwelt in naher Zukunft verringern wird.<br />
Im folgenden Abschnitt geben wir einen Überblick<br />
über die Entwicklung der Bergbau- und Industrieregion<br />
Bitterfeld/Wolfen. Sie steht als Beispiel für die<br />
Entstehung einer bedeutenden industriellen Kontaminationsquelle<br />
im <strong>Elbe</strong>-Einzugsgebiet.<br />
2.2.1 Industriehistorische Entwicklung der<br />
Region Bitterfeld–Wolfen<br />
Die Industrieregion Bitterfeld-Wolfen ist Teil des<br />
Mitteldeutschen Industriedreiecks, das die Zentren<br />
Leipzig, Halle und Bitterfeld einschließt. In Bitterfeld<br />
wurden Braunkohlenflöze seit Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
abgebaut. Dies war ausschlaggebend für<br />
die Ansiedlung chemischer Industrie am Ende des<br />
19. Jahrhunderts, die sich in den folgenden Jahrzehnten<br />
zur Großindustrie entwickelte (Abb. 2-10).
FRANK KRÜGER, WERNER KLEMM, ANNEGRET THIEKEN, HOLGER WEISS, PETER WYCISK ABSCHNITT 2SCHADSTOFF - DEFINITION, HERKUNFT?<br />
Bergbau und Chemieindustrie hinterließen schwerwiegende<br />
Veränderungen des Landschaftsraumes<br />
sowie Verunreinigungen von Luft und Boden wie<br />
auch von Oberflächen- und Grundwasser. Diese<br />
Schadstoffe können während eines <strong>Hochwasser</strong>s<br />
remobilisiert werden. Während des <strong>Hochwasser</strong>s<br />
<strong>2002</strong> flossen <strong>nach</strong> zahlreichen Deichbrüchen oberhalb<br />
von Bitterfeld große Wassermengen unkontrolliert<br />
in das bereits zur Flutung vorbereitete Tagebaurestloch<br />
Goitzsche. Dies trug wesentlich zur<br />
<strong>Hochwasser</strong>entlastung der Gebiete im Unterstrom,<br />
z.B. des Chemieparks Bitterfeld und der Stadt Dessau,<br />
bei. Jedoch ergaben sich mit den drastisch<br />
veränderten Grundwasserständen Änderungen der<br />
Ausbreitungsrichtung und -geschwindigkeit der<br />
ausgedehnten Schadstoffblasen im Bitterfelder<br />
Jahresförderung in Mio. t/a<br />
Abb. 2-10 Wolfen-Ost im Jahre 1970, etwa zu der Zeit maximaler Emissionen (aus 33, Foto Seite 207).<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
1840 1860 1880 1900 1920 1940 1960 1980 2000<br />
Untergrund. Um die Komplexität der <strong>Schadstoffbelastung</strong><br />
in der Region Bitterfeld-Wolfen besser zu<br />
verstehen, soll die historische Entwicklung der<br />
Region im Folgenden kurz dargestellt werden.<br />
2.2.1.1 Ansiedlung und Entwicklung von<br />
Chemiebetrieben von 1890 bis heute<br />
Nach<strong>dem</strong> Dampfmaschinen und Pumpen erfolgreich<br />
zur Senkung des Grundwasserspiegels eingesetzt<br />
werden konnten, wurde in der Region Bitterfeld-Wolfen<br />
ab 1839 Braunkohle gefördert. Sie<br />
wurde bis 1993 in großen Mengen über Tage abgebaut<br />
und industriell verwendet (Abb. 2-11).<br />
Abb. 2-11 Braunkohlenförderung<br />
im Bitterfelder Revier<br />
(zusammengestellt aus 108, 110).<br />
20
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Tab. 2-6 Produktionsschwerpunkte der Chemischen Betriebe vor 1945 (125, 4, 61, 47).<br />
Werk Standort Schwerpunkte<br />
CFGE Bitterfeld-Süd anorganische Produkte: z.B. Chlor, Natronlauge, Kalilauge, Phosphor<br />
Schwermetalle<br />
Leichtmetalle: u.a. Aluminium, Magnesium<br />
Stahlveredler: Chrom, Wolfram, Molybdän, etc.<br />
Kunststoffe: vor allem Polyvinylchlorid (PVC)<br />
Elektrochemische Werke<br />
(ab 1920/21 zur CFGE)<br />
AGFA, Wolfen-Farben Greppin /<br />
Wolfen<br />
Zunächst wurden Braunkohlenbriketts hergestellt,<br />
die einen geringeren Wassergehalt, eine höhere<br />
Dichte und damit einen wesentlich höheren Heizwert<br />
als die Rohbraunkohle aufwiesen. Um 1890<br />
begann die chemische Industrie, sich in Deutschland<br />
rasant zu entwickeln, weil Seifen, Papier, Farben<br />
und Textilien sehr gefragt waren. Die Braunkohlevorkommen<br />
und die gute Verkehrsanbindung<br />
(Eisenbahnstrecken Halle-Wittenberg und Leipzig-<br />
Dessau) führten zur Ansiedlung der Elektrochemischen<br />
Werke, Berlin (1893) und der Chemischen<br />
Fabrik Griesheim-Elektron (CFGE, 1894) in Bitterfeld<br />
sowie der Aktiengesellschaft für Anilinfarben,<br />
Berlin (AGFA) in Greppin (1895) und Wolfen<br />
(1909). Die Braunkohle war die wichtigste Energiequelle<br />
für die Chemiebetriebe und wurde überwiegend<br />
in Kraftwerken verfeuert. Im Gegenzug wurden<br />
die großen Aschemengen, aber auch<br />
Produktionsrückstände in ausgekohlte Gruben<br />
ohne Abdichtungsmaßmahmen deponiert (Tab. 2-<br />
7, 61). Die Produktionsbereiche der Betriebe sind<br />
in Tab. 2-6 zusammengestellt.<br />
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erweiterten die in<br />
der Region angesiedelten Betriebe ihre Produktion<br />
sowohl horizontal in der Angebotsbreite als auch<br />
vertikal durch Einbeziehung aller Schritte von der<br />
Herstellung der Grundchemikalien (z.B. Lösemittel)<br />
bis zu Handelswaren (z.B. Farben, Filme, Waschmittel,<br />
Kunststoffe, Klebstoffe). Durch diesen Prozess<br />
blieben in ganz Deutschland innerhalb von 30<br />
Jahren nur wenige große und kapitalkräftige Chemieunternehmen<br />
übrig, aus denen 1925 der Groß-<br />
21<br />
Bitterfeld-Nord anorganische Produkte: u.a. Chlor, Phosphor<br />
organische Stoffe: u.a. Monochlorbenzen, Monochloressigsäure<br />
Azo- und Anilinfarben<br />
organische Stoffe: u.a. Nitrobenzol, Anilin, Naphtol<br />
Säuren: z.B. Naphtyl-aminsulfonsäuren, Salpetersäure<br />
AGFA, Wolfen-Film Wolfen Filme: Schwarz-Weiß-Filme, Farbfilme, Tonfilme<br />
Magnetbänder<br />
Kunstfasern: Nitrozellulose, Viskose, Acetatseide<br />
Kunststoffe: PVC, Polyamid (PA, Nylon, Perlon, Dederon), Polyacrylnitril<br />
(PAN, Dralon)<br />
konzern IG Farben hervorging. Darin übernahm die<br />
BASF die Firmenvermögen von BAYER,<br />
HOECHST, AGFA, Weiler-ter-Meer sowie der<br />
CFGE und änderte ihren Namen in Interessengemeinschaft<br />
Farbenindustrie Aktiengesellschaft (IG<br />
Farben) (149). Zu den acht Werken der IG Farben<br />
gehörten auch die Werke Wolfen-Film, Bitterfeld<br />
und Wolfen-Farben. In der IG Farben blieben die<br />
Firmennamen erhalten, aber die Werke wurden<br />
gemeinsam organisiert, Forschung, Produktion und<br />
Verkauf rationalisiert und konzentriert (149).<br />
Dadurch konnte die IG Farben auf diversen Gebieten<br />
Innovationen vorweisen (137, 125). Für Bitterfeld-Wolfen<br />
sind die Bereiche der Leichtmetalle,<br />
Kunststoffe und Kunstfasern sowie die Fotoindustrie<br />
relevant.<br />
So wurde zum Beispiel als erste Synthesefaser die<br />
Polyvinylchloridfaser (PVC) aus Vinylchlorid entwickelt.<br />
Ab 1930 wurde PVC unter <strong>dem</strong> Markennamen<br />
Igelit (für weiches PVC) und Vinidur (für hartes<br />
PVC) in Bitterfeld produziert. PVC eignete sich aufgrund<br />
des niedrigen Schmelzpunktes nicht als Textilfaser.<br />
Wegen der hohen Säure- und Alkalibeständigkeit<br />
und der Quellfestigkeit gegenüber Wasser<br />
wurde es vor allem als technische Faser, z.B. als<br />
Filterfaser in der chemischen Industrie, eingesetzt<br />
(125). PVC-Kunststoffe wurden vielseitig verwendet:<br />
als harte Pressmassen, weiche, gummiartige<br />
Werkstoffe, Folien und Fasergrundstoffe. 1934<br />
gelang es, Rohre aus PVC herzustellen. PVC<br />
wurde mit Anteilen von 30-40% an der Produktion<br />
synthetischer Kunststoffe der wichtigste Kunststoff
FRANK KRÜGER, WERNER KLEMM, ANNEGRET THIEKEN, HOLGER WEISS, PETER WYCISK ABSCHNITT 2SCHADSTOFF - DEFINITION, HERKUNFT?<br />
der IG Farben und Bitterfeld mit einem Anteil von<br />
75% der wichtigste Produktionsstandort (125). Als<br />
weitere Faser kam Polyamid als Nylon oder Perlon<br />
sowie später als Dederon auf den Markt. 1941 kam<br />
eine weitere Textilfaser mit <strong>dem</strong> Handelsnamen<br />
Dralon hinzu (125).<br />
Die Exportorientierung und der wirtschaftliche<br />
Erfolg der chemischen Industrie hatte bis 1945, insbesondere<br />
in den beiden Weltkriegen, große<br />
Bedeutung (vgl. 149, 137, 112). Die Chemie konnte<br />
die wenigen Rohstoffe in viele verkaufsfähige Substanzen<br />
verwandeln und damit die schmale Rohstoffbasis<br />
in Deutschland ausgleichen (149). Dies<br />
ermöglichte nicht nur, unabhängiger von ausländischen<br />
Rohstoffen zu werden, sondern auch den<br />
natürlichen Rohstoffmarkt mit synthetischen Produkten<br />
zu verändern.<br />
Nach <strong>dem</strong> zweiten Weltkrieg wurde der Auslandsbesitz<br />
der IG Farben eingezogen, die Patente veröffentlicht<br />
und das Unternehmen liquidiert. Die Produktionseinheiten<br />
der IG Farben unterstanden den<br />
Besatzern der jeweiligen Zone, Bitterfeld-Wolfen<br />
somit vom 14./15.04.1945 bis 30.06.1945 der amerikanischen,<br />
ab 01.07.1945 der sowjetischen<br />
Macht.<br />
In der sowjetischen Besatzungszone wurden die<br />
IG-Farben-Werke entweder <strong>dem</strong>ontiert oder in<br />
"Sowjetaktiengesellschaften" (SAG) eingebracht.<br />
(137). 1952 wurden die ehemaligen Werke der<br />
CFGE als VEB Elektrochemisches Kombinat Bitterfeld<br />
(EKB) und die ehemalige AGFA-Farbenfabrik<br />
als VEB Farbenfabrik Wolfen an die DDR überge-<br />
Abb. 2-12 Altdeponien<br />
und Altbergbau im Raum<br />
Bitterfeld.<br />
ben. Das EKB wurde 1969 mit der Farbenfabrik<br />
Wolfen zum VEB Chemiekombinat Bitterfeld (CKB)<br />
vereinigt. Die Filmfabrik wurde 1954 als VEB Filmund<br />
Chemiefaserwerk AGFA Wolfen Staatsbetrieb.<br />
Unter Druck der DDR-Regierung kündigte die Filmfabrik<br />
1963 das Warenzeichen-Abkommen mit <strong>dem</strong><br />
AGFA-Werk in Leverkusen und führte das Warenzeichen<br />
ORWO (ORriginal WOlfen) ein.<br />
Die Produktion entwickelte sich zunächst nur langsam,<br />
da es Rohstoffprobleme, Absatzschwierigkeiten,<br />
technische Störungen und Stromeinschränkungen<br />
gab (61). Dies änderte sich mit <strong>dem</strong><br />
Chemieprogramm von 1958, das eine Verdopplung<br />
der chemischen Produktion bis 1965 und eine wirtschaftliche<br />
Vernetzung mit den Ostblockstaaten<br />
vorsah. In diesem Zuge wurde die traditionelle,<br />
aber besonders umweltbelastende Karbochemie<br />
(auf Braunkohle basierend) ausgebaut und die<br />
Petrochemie (auf Erdöl basierend) in den Bezirken<br />
Halle und Leipzig aufgebaut.<br />
Nach 1970 wurden in Bitterfeld-Wolfen die Standorte<br />
der Vorkriegszeit um Flächen westlich von<br />
Greppin mit neuen Industrieanlagen erweitert, so<br />
dass eine geschlossene industrielle Zone zwischen<br />
Bitterfeld und Wolfen entstand. 1989 nahm das<br />
CKB 849 ha mit 115 km Gleisanlagen und über 50<br />
km Rohrbrücken, die Filmfabrik 339 ha ein (39).<br />
Nach und <strong>nach</strong> wirkte sich das Alter der Anlagen<br />
negativ auf die Effizienz der Produktion und auf die<br />
Belastung der Umwelt aus. Bei zu hohen Kosten<br />
und mit großem Personalaufwand wurde trotz<strong>dem</strong><br />
ein breites Produktspektrum angeboten: anorgani-<br />
22
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Tab. 2-7 Aufschluss, Ende und umweltrelevante Folgenutzung einiger Braunkohlengruben um Bitterfeld und Wolfen<br />
(zusammengestellt aus 109, 108, 32).<br />
Grube/Tagebau<br />
sche und organische Grundstoffe, Metalle, Ionenaustauscher,<br />
Pflanzenschutzmittel (Biozide), Farbstoffe,<br />
Kunststoffe, Waschmittel und<br />
Synthesefasern sowie andere Konsumgüter. Insgesamt<br />
wurden im CKB über 4500 verkaufsfähige<br />
Produkte hergestellt (61).<br />
23<br />
Aufschluß<br />
Grube Auguste (später Freiheit III und IV) 1839 1950 /<br />
1954<br />
Förder<br />
-ende Folgenutzung<br />
von 1957/58 bis 1991 (Sondermüll-) Deponie für Bauschutt<br />
und Fabrikationsreste des Chemischen Kombinats<br />
Bitterfeld (im Liegenden der Deponie ist z.T. Ton vorhanden),<br />
Grubenwassereinigung; kleine Restseen<br />
Grube Richard 1842 1944 im Restloch zwischen Ramsiner Str. und Pfingstanger<br />
zeitweise Verspülung von Kohletrübe aus Brikettfabrik,<br />
heute Baumbewuchs<br />
Grube Johannes bei Wolfen (Nr. 6), ab<br />
1871 Greppiner Werke<br />
Grube Greppin (Nr. 79), ab 1871 Greppiner<br />
Werke<br />
Grube Antonie, ab 1916 Zusammenschluss<br />
mit Marie<br />
Grube Marie, ab 1916 Zusammenschluss<br />
mit Antonie<br />
1845 1871 /<br />
1931<br />
1850 1859 /<br />
1931<br />
Grube Louise 1872 1930 /<br />
1944<br />
Grube Hermine 1874 /<br />
1875<br />
Grube Friedrich III, später Auguste-Süd,<br />
1930 Markscheidung mit Auguste, ab<br />
1948 Neuaufschluß als Tagebau Freiheit<br />
IV (1948-1954) mit Großraumförderung<br />
Feststoff- und Flüssigkeitsdeponie der Filmfabrik, seit<br />
1935 Abwassereinleitungen (Silbersee)<br />
Deponie der Farbenfabrik, Aschedeponie des Kraftwerks<br />
der Farbenfabrik (1918-1955)<br />
1870 1935 HCH-Deponie des Chemischen Kombinats Bitterfeld<br />
1871 1935 Ascheverspülung aus <strong>dem</strong> Kraftwerk Süd, Absetzbecken<br />
für wassergetragene Schwebstoffe<br />
1888 1930 /<br />
1954<br />
Ascheverspülung aus <strong>dem</strong> Kraftwerk Süd, möglicherweise<br />
Fabrikationsreste aus der chemischen Produktion<br />
1941 Ascheverspülung aus <strong>dem</strong> Kraftwerk Thalheim und <strong>dem</strong><br />
Kraftwerk der Filmfabrik Wolfen; Ablagerung von Produktionsrückständen<br />
aus der Filmfabrik Wolfen<br />
Aschedeponie des Kraftwerks Süd (1955-1990) über<br />
Aschefernleitung, Restseen<br />
Grube Theodor: ab 1948 Freiheit II. 1907 1951 Verkippung aus <strong>dem</strong> Tagebau Pistor & Freiheit IV; Rekultivierung;<br />
wild abgelagerte Hausmüllkippe<br />
Grube Stakendorf 1923 1943 Restsee von 12 ha, teilweise Verspülung von Abraum<br />
aus <strong>dem</strong> Tagebau Thalheim-West, <strong>nach</strong> 1945 Asche-<br />
und Bauschuttdeponie der deutschen Reichsbahn an der<br />
Ostseite, an der Westseite bis 1991 Strandbad<br />
Grube Karl Ferdinand Nord, ab 1948 Hermann<br />
Fahlke<br />
Tagebaue Goitsche und Rösa 1949 1991/<br />
1993<br />
1946 1951 bis 1967 Deponie der Deutschen Reichbahn für Asche<br />
und Bauschutt, <strong>nach</strong> 1970 Gargen des 1. Sandersdorfer<br />
Neubaugebietes, <strong>nach</strong> 1990 Gewerbegebiet, bis 1990<br />
Ascheverspülung im Restloch aus <strong>dem</strong> Kraftwerk der<br />
Filmfabrik Wolfen<br />
Rekultivierung mit den Tagebauen Holzweißig Ost und<br />
West zum Erholungs- und Naturschutzgebiet Goitzsche;<br />
Restsee von 24 km²<br />
Tagebau Muldenstein 1951 1975 Rekultivierung zum Muldestausee, Flutung durch Mulde<br />
<strong>nach</strong> ihrer Verlegung (6,1 km²), Sedimentfalle zum Rückhalt<br />
eines Teils der Schwermetalle aus <strong>dem</strong> Erzgebirge<br />
Mit der politischen Wende 1989/90 wurden die<br />
Chemiekombinate aufgelöst; man bildete die Chemie<br />
AG Bitterfeld-Wolfen (CAG) und die Filmfabrik<br />
Wolfen AG (115). Die Liquidation der Filmfabrik<br />
Wolfen wird seit 1994 von der Wolfener Vermögensverwaltung<br />
i.L. AG (WVV) durchgeführt. Dane-
FRANK KRÜGER, WERNER KLEMM, ANNEGRET THIEKEN, HOLGER WEISS, PETER WYCISK ABSCHNITT 2SCHADSTOFF - DEFINITION, HERKUNFT?<br />
Produktion in t/a<br />
12000<br />
10000<br />
8000<br />
6000<br />
4000<br />
2000<br />
0<br />
1968 1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982<br />
ben entstand 1994 die Bitterfelder Vermögensverwaltung<br />
Chemie GmbH (BVV).<br />
Durch die Währungsumstellung und den Wegfall<br />
traditioneller Märkte bei gleichzeitiger Konfrontation<br />
mit <strong>dem</strong> Weltmarkt waren viele Betriebe nicht mehr<br />
wettbewerbsfähig. Die fehlende Konkurrenzfähigkeit<br />
vieler Ostprodukte und die Privatisierung<br />
kamen erschwerend hinzu (39). So wurden in Bitterfeld-Wolfen<br />
flächenhaft veraltete Anlagen stillgelegt<br />
und abgebrochen: Von den ursprünglich 90<br />
Anlagen waren 1991 bereits 40 stillgelegt (93).<br />
Nach<strong>dem</strong> belastete Betriebsflächen saniert waren<br />
(vgl. 111), versuchte man, chemische Industrie mit<br />
modernen Anlagen sowie Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe<br />
im Chemiepark Bitterfeld und im<br />
Industriepark Wolfen-Thalheim (seit 1997/98 ChemiePark<br />
Bitterfeld-Wolfen) neu anzusiedeln (vgl.<br />
39). Die gute Infrastruktur in Bitterfeld (Vernetzung<br />
der Betriebe, Anlagen zur Produktion von Chlor<br />
und Phosphor) und die Chemieakzeptanz sorgten<br />
dafür, dass sich bis 1999 schon 200 neue Firmen<br />
niedergelassen hatten (Abb. 2-15).<br />
2.2.1.2 Standortkennzeichen: Chlorchemie<br />
Bestimmend für die Region Bitterfeld-Wolfen ist die<br />
Chlorchemie. Die Elektrochemischen Werke und<br />
die CFGE bauten bereits 1894 Anlagen zur Chloralkali-Elektrolyse.<br />
Darin werden Natronlauge und<br />
Chlorgas erzeugt. Natronlauge wurde vor allem in<br />
der Seifenproduktion gebraucht. War das Chlorgas<br />
zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch ein Abfallprodukt,<br />
hingen am Ende des 20. Jahrhunderts über<br />
60% der chemischen Industrie (bezogen auf den<br />
Umsatz) direkt oder indirekt vom Chlor ab. Zwei<br />
Drittel der Produkte sind letztlich nicht mehr chloriert,<br />
werden aber über chlorierte Zwischenprodukte<br />
hergestellt (158). Mittlerweile hat sich die<br />
Absatzlage umgedreht: Der Markt und Absatz<br />
chlororganischer Produkte ist weltweit so groß,<br />
technisches HCH (DDR)<br />
technisches HCH (CKB)<br />
Lindan (DDR)<br />
Lindan (CKB)<br />
Abb. 2-13 Produktion von technischem<br />
HCH und Lindan im Chemiekombinat<br />
Bitterfeld (CKB) und in der<br />
DDR insgesamt (Daten 60).<br />
dass die riesigen Mengen an Natronlauge kaum zu<br />
verwerten sind (166).<br />
Das EKB/CKB war der größte Chlor- und Chlorprodukterzeuger<br />
der DDR. Dort produzierte man etwa<br />
die Hälfte des Chlorgases. Mit <strong>dem</strong> größten Teil<br />
des Chlorgases wurden in Bitterfeld-Wolfen leichtflüchtige<br />
halogenierte Kohlenwasserstoffe (LHKW)<br />
hergestellt, während die Produktion von Chloraromaten<br />
stetig abnahm (60). Diese Substanzen werden<br />
z.B. als Lösemittel eingesetzt, sind aber auch<br />
Zwischenprodukte bei der Herstellung anderer<br />
Stoffe, wie Farbstoffe oder Pestizide. Aufgrund der<br />
Stoffvielfalt ist es unmöglich, alle möglichen Ausgangs-,<br />
Zwischen- und Endprodukte und deren<br />
Produktionsmengen zu erfassen. Besondere Aufmerksamkeit<br />
soll jedoch das Pestizid Lindan<br />
(Hexachlorcyclohexan, HCH) erhalten, da es in Bitterfeld<br />
in großen Mengen produziert wurde und aufgrund<br />
seiner schlechten Abbaubarkeit und großer<br />
Mengen Produktionsabfälle eine hohe Umweltrelevanz<br />
besitzt.<br />
Hexachlorcyclohexan wurde von Michael Faraday<br />
1825 erstmals hergestellt und kann in acht verschiedenen<br />
Isomeren vorliegen. Eine insektizide<br />
Wirkung hat jedoch nur das gamma-Isomer<br />
(γ-HCH). Dies wurde <strong>nach</strong> von der Linden, der es<br />
1912 aus einem technischen Gemisch isolierte,<br />
Lindan genannt. Hergestellt wird HCH aus Benzen,<br />
das unter UV-Strahlung chloriert wird. Da dabei fünf<br />
der acht möglichen Isomere entstehen, enthält<br />
technisches HCH nur zu 9-18% das gamma-Isomer.<br />
Die anderen Isomere wurden fast ausschließlich<br />
deponiert, in Bitterfeld zum größten Teil in der<br />
Grube Antonie (vgl. Abb. 2-12). Die Produktion von<br />
technischem HCH und Lindan erfolgte im CKB bis<br />
1982, die Mengen sind Abb. 2-13 zu entnehmen.<br />
Aufgrund der hohen Produktionsrückstände ist der<br />
Verunreinigung von Boden und Grundwasser mit<br />
HCH besondere Aufmerksamkeit zu schenken.<br />
24
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
2.2.1.3 Umweltbelastungen<br />
Nach 1989/90 wurde die Region Bitterfeld-Wolfen<br />
erstmalig umfassend hinsichtlich ihrer stofflichen<br />
Belastungen untersucht. Während sich die Qualität<br />
der Luft und der Fließgewässer in wenigen Jahren<br />
deutlich verbessert hat, ist die Erfassung und<br />
Beseitigung von Schadstoffen in Boden und Grundwasser<br />
weitaus komplexer und von größerer<br />
Dauer. Ein Großteil der im Produktionsprozess<br />
angefallenen Abwässer wurden über den Schachtgraben<br />
und das Spittelwasser der Mulde zugeführt<br />
(Abb. 2-14). Regelmäßige Überflutungen haben<br />
eine erhebliche Belastung der Niederungen in<br />
Abhängigkeit von ihrer Überschwemmungshäufigkeit<br />
(133) verursacht. So sind die erheblichen aktuellen<br />
DDT- und HCH-Befunde in der Spittelwasserniederung<br />
eindeutig Altablagerungen der Pestizidproduktion<br />
des Chemiekombinates Bitterfeld<br />
zuzuordnen (141).<br />
Weiterhin sind die natürlichen Grundwasserverhältnisse<br />
durch mit Innenkippen gefüllte Tagebaurestlöcher,<br />
vorhandene Abbauhohlformen (v.a. Goitzsche)<br />
sowie ein sich ständig änderndes<br />
Wasserhaltungsregime in den verschiedenen Restlöchern<br />
und Restlochdeponien stark gestört. Einen<br />
Eindruck über das Ausmaß vermittelt Abb. 2-12.<br />
25<br />
Abb. 2-14 Die Spittelwasserniederung bei Jeßnitz.<br />
Hochgradig belastet mit Rückständen der Pflanzenschutzmittelproduktion,<br />
gilt es in dieser Gegend dennoch<br />
als Kleinod der Natur (Foto Frank Krüger).<br />
Die über mehr als 100 Jahre andauernden Einträge<br />
von Stoffen aus Produktionsbetrieben, unabgedichteten<br />
Deponien, Produktleitungs- und Umschlagverlusten<br />
sowie Havarien haben eine komplexe<br />
Verunreinigung der Böden und des Grundwassers<br />
bewirkt. Aus den recherchierten Produktionspaletten,<br />
Rohstoff- und Zwischenproduktlisten, den<br />
Genehmigungsunterlagen für die Verbringung von<br />
Abb. 2-15 Bitterfelder Revier heute: Industriebrachen, Sanierungsgebiete und neue Produktionsanlagen<br />
Das Luftbild ist aus <strong>dem</strong> Jahr 1999 (Foto Bertram Kober, Punctum).
FRANK KRÜGER, WERNER KLEMM, ANNEGRET THIEKEN, HOLGER WEISS, PETER WYCISK ABSCHNITT 2SCHADSTOFF - DEFINITION, HERKUNFT?<br />
Abfällen der DDR-Bezirksämter sowie aus den plakativen<br />
Bezeichnungen für produktions- oder entsorgungstechnische<br />
Standorte wie das "Säureeck",<br />
die "Säurekreuzung", der "Silbersee" (ohne Silbergehalt),<br />
der "Titansee", die "Phosphorgruben" oder<br />
der "Chromteich" ließen sich verlässliche Parameterlisten<br />
für Grundwasser- und Bodenuntersuchungen<br />
ableiten. Die Grundwasseruntersuchungen<br />
haben ergeben, dass über 200 Mio. m³ Grundwasser<br />
auf einer Fläche von ca. 25 km² mit einem weiten<br />
Spektrum von Schadstoffen verunreinigt sind<br />
und als eigenständiger Schadensherd betrachtet<br />
werden müssen (120).<br />
Da herkömmliche Verfahren zur Grundwassersanierung<br />
bei solchen großräumigen Verunreinigungen<br />
leider nur einen geringen Wirkungsgrad erreichen,<br />
entwickelt das Forschungsprojekt SAFIRA<br />
(Sanierungsforschung in regional kontaminierten<br />
Aquiferen) neue passive In-situ-Verfahren zur<br />
Grundwasserreinigung und untersucht in einem<br />
Teilprojekt die Möglichkeiten ihrer ökologisch verträglichen<br />
Implementierung.<br />
2.2.1.4 Ausblick<br />
Die Betrachtung der Entwicklungsgeschichte der<br />
Industrieregion Bitterfeld/Wolfen verdeutlicht, dass<br />
im Laufe der Zeit eine schier unübersichtliche<br />
Anzahl verschiedenster Stoffe produziert und auch<br />
in die Gewässer eingeleitet worden sind. Dem tra-<br />
gen heute amtliche Überwachungsorgane mit<br />
einem umfangreichen Monitoringprogramm zur<br />
Überwachung der Gewässergüte Rechnung. Aber<br />
noch längst sind nicht alle umweltrelevanten Stoffe<br />
erkannt und lokalisiert (siehe Box ’Non-target<br />
Screening’).<br />
Innerhalb des Ad-hoc <strong>Hochwasser</strong>projektes wurden<br />
seit August <strong>2002</strong> über 40.000 Einzelanalysen<br />
von mehr als 300 verschiedenen Stoffen und<br />
Eigenschaften des Wassers sowie der Sedimente<br />
und Böden analysiert. Einen Überblick über Analysenergebnisse<br />
des Forschungsvorhabens "<strong>Schadstoffbelastung</strong><br />
<strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Elbe</strong>-<strong>Hochwasser</strong> <strong>2002</strong> -<br />
Ermittlung der Gefährdungspotenziale an <strong>Elbe</strong> und<br />
Mulde" ist unter www.halle.ufz.de/hochwasser einsehbar.<br />
Die hohe Anzahl der Analysenergebnisse und der<br />
untersuchten Stoffgruppen verdeutlicht, dass für<br />
die weitere Darstellung der Belastungssituation vor,<br />
während und <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> extremen <strong>Hochwasser</strong> vom<br />
August <strong>2002</strong> an dieser Stelle nur eine kleine Auswahl<br />
an Ergebnissen präsentiert werden kann. Zur<br />
Beurteilung der Situation werden drei Betroffenheitskategorien<br />
unterschieden:<br />
• Die Situation während der Flut, Schadstoffe im<br />
Wasser<br />
• Die Situation unmittelbar <strong>nach</strong> der Flut, Schadstoffe<br />
im Schlamm<br />
• Die langfristigen Folgen der Gewässerbelastung<br />
26
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Die Suche <strong>nach</strong> unbekannten Wirkstoffen: Non Target Screening<br />
Umweltanalysen sind in ihrer überwiegenden<br />
Anzahl darauf ausgerichtet spezielle, begründet<br />
ausgewählte Substanzen, wie die hier vorgestellten<br />
Mineralölkohlenwasserstoffe, PCB, Dioxine oder<br />
DDT in verschiedenen Medien, wie Wasser,<br />
Schlamm oder Boden zu quantifizieren. Diese<br />
Analysen werden auch Target-Analysen genannt,<br />
weil sie mit selektiven, zielgerichteten analytischen<br />
Methoden geeignet sind, jeweils nur spezielle Stoffgruppen<br />
zu erfassen. Das Ergebnis dieser Messungen<br />
sind sehr genaue Mengenangaben bzw. Konzentrationen.<br />
Aber die Anzahl der Problemstoffe in<br />
der Umwelt übersteigt die zur Verfügung stehenden<br />
Analysenverfahren um ein Vielfaches. Dies wiederum<br />
bedeutet, dass mit allgemein gängigen Analysenverfahren<br />
eine große Anzahl von Kontaminanten<br />
gar nicht gemessen werden kann. Außer<strong>dem</strong><br />
ist ja oft nicht bekannt, <strong>nach</strong> welchen Stoffen<br />
gesucht werden muss (vgl. Box Schadstoffe in Muttermilch<br />
auf Seite 36). Um diesen Soffen auf die<br />
Spur zu kommen, müssen weniger stark selektive<br />
Analysenmethoden angewandt werden: das Non<br />
Target Screening (59, 44, 142).<br />
Dieses auf die detaillierte qualitative Analyse der<br />
Einzelprobe ausgerichtete Vorgehen lieferte neben<br />
einer Übersicht vorhandener Schadstoffe im Muldesystem<br />
neue Kenntnisse über bisher unerkannte,<br />
von Monitoring-Routinen nicht erfasste organische<br />
Problemstoffe. Diese können unbewertete Risiken<br />
beinhalten und auch als Markersubstanzen für<br />
infolge der Flut veränderte Ausbreitungspfade dienen.<br />
Das wegen der in der Industrieregion Bitterfeld-<br />
Wolfen akkumulierten Schadstoffe und Altlasten<br />
besonders kritisch zu bewertende Gebiet der Unteren<br />
Mulde wurde stichprobenartig durch ein Non<br />
Target Screening auf organische Substanzen in<br />
27<br />
Grundwasser, Flusswasser und Flusssediment<br />
untersucht (48).<br />
Sedimentbeprobungen ergaben, dass als unmittelbare<br />
Flutfolge organisch hochbelastetes Sediment<br />
aus der Vereinigten Mulde und <strong>dem</strong> Spittelwasser<br />
weitgehend ausgeräumt und auf umliegende Flächen<br />
sowie elbabwärts verfrachtet worden ist. Die<br />
Sediment- und Wasserbelastung war zunächst<br />
unterhalb des Muldestausees vergleichsweise<br />
gering. Flussabwärts stieg die Organika-Kontamination<br />
des Wassers und des Sediments noch vor<br />
<strong>dem</strong> Zusammenfluss mit <strong>dem</strong> Spittelwasser stark<br />
an und nahm in größerer Entfernung von Bitterfeld-<br />
Wolfen zwischen Raghun und Dessau weiter zu.<br />
Dem<strong>nach</strong> kann die drastische Verschlechterung<br />
der Wasser- und Sedimentqualität der Mulde nicht<br />
allein auf den Zufluss des hochbelasteten Spittelwassers<br />
zurückgeführt werden. Das Grundwasser<br />
wies teilweise außerordentlich hohe Belastungen<br />
mit nur wenigen, regional sehr unterschiedlich auftretenden<br />
organischen Schadstoffen auf. Die ausgeprägte<br />
Zunahme der Kontamination von Mulde<br />
und Spittelwasser zwischen Jessnitz und Raghun<br />
lassen hier den Austritt von Süden aus Wolfen<br />
anströmender, belasteter Grundwässer vermuten.<br />
Die Beurteilung von Ausbreitungspfaden im Grundwasser<br />
wird durch die komplexe Hydrogeologie<br />
und die Überlagerung teils sehr unterschiedlicher,<br />
teils identischer Belastungsprofile vieler Quellen<br />
erheblich erschwert. Geeignete Leitsubstanzen<br />
müssen hier in Detailuntersuchungen aus der aufgezeigten<br />
großen Zahl identifizierter organischer<br />
Substanzen ermittelt werden. In diesem Zusammenhang<br />
sind u.a. industrielle Problemstoffe hervorzuheben,<br />
die aus der Umsetzung von Styrol<br />
(Polystyrol ist unter <strong>dem</strong> Handelsnamen Styropor<br />
bekannt) mit Formaldehyd stammen.
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 3SCHADSTOFFE IN DER HOCHWASSERWELLE<br />
Abb. 3-1 Ölschlieren auf der <strong>Elbe</strong> bei Pilnitz während des <strong>Hochwasser</strong>s am 16.08.<strong>2002</strong> (Foto Andreas Prange).<br />
3 Schadstoffe in der <strong>Hochwasser</strong>welle<br />
Frank Krüger<br />
Hochwässer sind charakterisiert durch eine oft<br />
schnelle Änderung von Durchfluß und Wasserstand.<br />
Das hat bezüglich der Stoffqualität des<br />
Gewässers zweierlei Dinge zur Folge. Erstens werden<br />
bereits abgelagerte Sedimente mobilisiert, und<br />
zweitens können weitere Schadstoffquellen aktiviert<br />
werden.<br />
Mit der Zunahme der Durchflussmenge im Fließgewässer<br />
steigt die Fließgeschwindigkeit des Wassers<br />
an. Dabei kommt es zu einer Mobilisierung<br />
von Sedimenten, die zuvor in Stillwasserbereichen<br />
aussinken konnten. Da diese Sedimente an der<br />
<strong>Elbe</strong> und Mulde, aber auch an der Saale und anderen<br />
Nebenflüssen, schadstoffbehaftet sind, führt<br />
ihre Aufwirbelung zu höheren Schadstoffgehalten<br />
in der Flutwelle. Dies geschieht in z.B. Magdeburg<br />
alljährlich bei Überschreiten eines Durchflusses<br />
von ca. 800 m³/s (146) und entspricht einem Wasserstand<br />
von ca. 290 cm am Pegel Magdeburg-<br />
Strombrücke (km 326,6). In Abb. 3-4 auf Seite 34<br />
ist zu erkennen, dass die größten Schwebstoffgehalte<br />
deutlich vor Erreichen des <strong>Hochwasser</strong>scheitels<br />
aufgetreten sind (19). Da ein großer Teil von<br />
Schadstoffen an diese Schwebstoffe gekoppelt ist,<br />
steigt gleichzeitig der Schadstoffgehalt im Wasser<br />
an, wie das Beispiel Quecksilber zeigt (Abb. 3-5 auf<br />
Seite 34, 19).<br />
Der Name Quecksilber (Hg) leitet sich aus <strong>dem</strong> Althochdeutschen<br />
("Quecksilabar" - "lebendiges Silber")<br />
ab. Es findet sich in geringen Mengen überall<br />
auf unserem Planeten, wobei die Reinmetallform<br />
nur sehr selten vorkommt. Weit bedeutsamer sind<br />
einige Verbindungen, von denen an erster Stelle<br />
Quecksilbersulfid (HgS), auch als Zinnober<br />
bekannt, zu nennen ist (89). Die mittelalterliche<br />
Verwendung von Quecksilberoxid zur Heilung von<br />
Syphilis und Augenpatienten wurde bereits<br />
erwähnt. Heutzutage sind als industriell oder<br />
gewerblich bedeutsame Verwendungsformen vor<br />
allem Amalgame zu nennen, welche als Gemische<br />
mit anderen Metallen zur Gold- und Silbergewinnung<br />
genutzt werden oder in der Zahnmedizin Verwendung<br />
finden. In der elektrochemischen Produktion<br />
fungierte Quecksilber als Kathodenbestandteil<br />
in der Chloralkalielektrolyse, Bestandteil von Lampen<br />
(Quecksilberdampflampen) oder Batterien<br />
(84). Messinstrumente im naturwissenschaftlichen<br />
und medizinischen Bereich basieren oftmals<br />
28
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Quecksilber<br />
Quecksilber (Elementsymbol Hg) stellt keinen<br />
essenziellen Bestandteil des Körpers dar. Vergiftungen<br />
sind vielfach bekannt geworden. In diesem<br />
Zusammenhang symbolisiert das Dorf Minamata<br />
auf der japanischen Insel Kyushu stellvertretend<br />
die negativen Auswirkungen unkontrollierter "Entsorgung"<br />
von Produktionsabfällen in die Umwelt.<br />
Hg hatte seit Mitte des 20. Jahrhunderts zu starken<br />
Schädigungen am zentralen Nervensystem von<br />
Tieren und Menschen geführt ("Minamata-Krankheit").<br />
Zwischen 1953 und 1969 erkrankten schätzungsweise<br />
15.000 Menschen. Ursache waren Hg-<br />
Anreicherungen in Meeresfischen, die als Hauptnahrungsquelle<br />
dienten. Methylquecksilberjodid<br />
war im Zusammenhang mit industrieller Acetaldehyd-Produktion<br />
in großen Mengen ins Meer gelangt<br />
(63). Darüber hinaus können Hg und seine Verbindungen<br />
das Erbgut schädigen. In flüssiger Form<br />
wird Hg weit weniger effektiv über Schleimhäute<br />
aufgenommen als Hg-Dämpfe. Diese entstehen<br />
bereits bei Zimmertemperatur und sind extrem giftig.<br />
In Deutschland ist von einer Hg-Aufnahme von<br />
8 bis 27 µg pro Tag über die Nahrung auszugehen,<br />
wobei der Konsum von Fisch und Fischprodukten<br />
die wichtigste Quelle darstellt. Organische Hg-Verbindungen<br />
(z.B. Methyl-Hg) werden im Magen-<br />
Darm-Trakt gut aufgenommen und über das Blut im<br />
Körper verteilt. Sie können die Plazentaschranke<br />
sowie die Blut-Hirnschranke problemlos passieren.<br />
In seiner Entwicklungsphase reagiert der Mensch<br />
um ein Vielfaches empfindlicher auf das toxische<br />
Schwermetall. Aus diesem Grund gelten Kinder<br />
und Schwangere als besonders gefährdet. Anorganische<br />
Hg-Verbindungen sind viel seltener und werden<br />
vom Körper auch schlechter resorbiert. Das<br />
Metall reichert sich in den Nieren, in der Leber,<br />
Schilddrüse, im Gehirn und Rückenmark sowie in<br />
den Hoden an. Eine weitere Belastungsquelle können<br />
Zahn-Amalgame darstellen; behandelte Personen<br />
nehmen zwischen 2,5 und 17,5 µg Hg pro Tag<br />
ebenso auf den besonderen physiko-chemischen<br />
Eigenschaften des Quecksilbers wie bestimmte<br />
Farbkompositionen (Zinnober). Die Verwendung in<br />
Bioziden, Anti-Fouling-Farben, Imprägnierungslösungen<br />
und der Wasseraufbereitung sind mittlerweile<br />
weitestgehend eingeschränkt (84).<br />
Natürliche und durch den Menschen verursachte<br />
Prozesse bringen Quecksilber in die Umwelt. Das<br />
Schwermetall wird beispielsweise bei vulkanischen<br />
Aktivitäten, bei der Kohle- und Heizölverbrennung,<br />
bei der Verhüttung und auch bei der Müllverbrennung<br />
freigesetzt. Die bedeutsamsten natürlichen<br />
29<br />
zusätzlich auf (76). Die Weltgesundheitsorganisation<br />
(WHO) gibt für Hg einen PTWI-Wert (Provisional<br />
Tolerable Weekly Intake) von 5 µg pro kg Körpergewicht<br />
an. Dieser Wert beschreibt die vorläufig<br />
duldbare wöchentliche Aufnahmemenge. Für<br />
Methyl-Hg liegt dieser Wert bei 3,3 µg pro kg Körpergewicht.<br />
Es wird allerdings von einem gemeinsamen<br />
Expertengremium (JECFA; Joint Expert<br />
Committee on Food Additives) der FAO (Ernährungs-<br />
und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten<br />
Nationen) und der WHO eine Senkung dieses<br />
Wertes auf 1,6 µg pro kg Körpergewicht gefordert<br />
(74).<br />
Wichtige Grenzwerte:<br />
Boden (25):<br />
• Prüfwerte für den Transferpfad Boden-Mensch-<br />
Direktaufnahme: Kinderspielflächen 10 mg/kg,<br />
Wohngebiete 20 mg/kg, Park- und Freizeitanlagen<br />
50 mg/kg, Industrie und Gewerbeflächen mg/kg<br />
• Prüfwerte für den Transferpfad Boden-Nutzpflanze<br />
bei Ackerbau und Nutzgärten im Hinblick<br />
auf die Pflanzenqualität: 5 mg/kg<br />
• Maßnahmenwert für den Transferpfad Boden-<br />
Nutzpflanze bei Grünlandnutzung im Hinblick<br />
auf die Pflanzenqualität: 2 mg/kg<br />
• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Grundwasser:<br />
1 µg/l<br />
Trinkwasser (40): 1 µg/l<br />
Futtermittel (52): Alleinfuttermittel 0,1 mg/kg<br />
Lebensmittel (160, 161): Muskelfleisch Süßwasserfische<br />
0,5 mg/kg, bei Aal, Hecht, Stör 1 mg/kg<br />
Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):<br />
Die Maximale-Arbeitsplatz-Konzentration (MAK-<br />
Wert) in Deutschland für gasförmiges Hg-Metall<br />
wurde mit 0,1 mg/m³ und der für organische Hg-<br />
Verbindungen mit 0,01 mg/m³ festgelegt.<br />
und zeitgleich anthropogen beeinflussten Quellen<br />
für das <strong>Elbe</strong>-Einzugsgebiet sind die ehemaligen<br />
Bergbauregionen und die Standorte der früheren<br />
Chloralkalielektrolyse an der Mulde und der Saale.<br />
Der zweite wesentliche Punkt bezüglich extremen<br />
Wasserspiegelanstiegs ist, dass auch weitere<br />
Schadstoffquellen, die von normalen bzw. mittleren<br />
Hochwässern gar nicht überflutet werden, aktiviert<br />
werden können. Dies war während des extremen<br />
<strong>Hochwasser</strong>s im Jahr <strong>2002</strong> für viele Wohn- und<br />
Industriegebiete der Fall. Ein Beispiel dafür stellen<br />
die erhöhten Gehalte an Mineralölkohlenwasser-
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 3SCHADSTOFFE IN DER HOCHWASSERWELLE<br />
stoffen (MKW) dar. Die Nutzung von Mineralölprodukte<br />
als Brenn-, Treib- und Schmierstoff ist heute<br />
auch in Auengebieten allgegenwärtig. Jeder Heizöltank,<br />
jede Tankstelle, jedes industrielle Tanklager<br />
stellt eine potenzielle Quelle für MKW dar. Dazu<br />
kommen ölverunreinigte Abfälle wie Bodenmaterial,<br />
Bohrschlämme, Baggergut, Bearbeitungsschlämme,<br />
Metallspäne, Öl- und Benzinabscheiderinhalte<br />
sowie Tankreinigungsrückstände. Mineralölkohlenwasserstoffe<br />
gehören zu den häufigsten<br />
Verunreinigungen auf Altlastenflächen von Industriestandorten.<br />
Für die Umweltanalytik ist u.a. eine Eigenschaft von<br />
ihnen bedeutsam: Sie sind nicht mit Wasser mischbar,<br />
lediglich in einem geringen Umfang löslich. Die<br />
Dichte der MKW liegt unter der des Wassers, weshalb<br />
sie aufschwimmen und im Schadensfall oft als<br />
"Ölschlieren" auf der Gewässeroberfläche schwimmen<br />
(Abb. 3-1, Abb. 3-2). Leichtflüchtige Bestandteile<br />
der MKW verdunsten in die Luft, so dass sie<br />
schon <strong>nach</strong> kurzer Zeit kein Problem mehr für die<br />
Gewässer darstellen.<br />
3.1 Wie werden Schadstoffe<br />
transportiert?<br />
Die Vielzahl der Schadstoffe, die zur Gewässerbelastung<br />
beitragen können, wurde im Abschnitt 2<br />
bereits vorgestellt. So groß wie die Anzahl der<br />
Schadstoffe, so vielfältig und komplex sind ihre<br />
chemischen Reaktionen und Bindungsmöglichkeiten.<br />
Zur Beurteilung einer Gewässerbelastung werden<br />
in der Regel nur die gelöst transportierten<br />
Stoffmengen von den partikulär transportierten<br />
unterschieden. Studien an der <strong>Elbe</strong> haben diesbe-<br />
Anteil in %<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
0<br />
Abb. 3-2 Große Öllachen treiben<br />
am 15.8.<strong>2002</strong> im schlammigen<br />
Wasser der <strong>Elbe</strong> nahe<br />
<strong>dem</strong> evakuierten Dresdner<br />
Stadtteil Laubegast. Das hier<br />
gezeigte Beispiel ist kein<br />
Heizöl, sondern eine illegale<br />
Lagerung großer Mengen<br />
Altöl.<br />
Probleme bereiteten die Mineralöle<br />
vor allem da, wo sie<br />
hochkonzentriert in das Mauerwerk<br />
von Innenräumen eindringen<br />
konnten. Zumeist<br />
betraf das die Besitzer der<br />
Ölheizungen selbst, die keine<br />
Vorsorge gegen das Aufschwimmen<br />
ihrer Öltanks<br />
getroffen hatten<br />
(Foto Ralf Hirschberger).<br />
gelöst partikulär<br />
Uran<br />
Antimon<br />
Arsen<br />
Wolfram<br />
Nickel<br />
Kupfer<br />
Zinn<br />
Cadmium<br />
Zink<br />
Quecksilber<br />
Chrom<br />
Blei<br />
Abb. 3-3 Anteile der gelösten und partikulären Fraktion<br />
von Schwermetallen und Arsen an ihren Gesamtgehalten<br />
in der Wasserphase (8).<br />
züglich für Schwermetalle typische Verhältnisse<br />
von gelösten Anteilen zu partikulären Anteilen herausgearbeitet.<br />
In Abb. 3-3 ist zu erkennen, dass<br />
beispielsweise Arsen und Uran zu überwiegenden<br />
Anteilen gelöst transportiert werden. Blei und<br />
Quecksilber dagegen, sind zu mehr als 80% am<br />
Schwebstoff gebunden (8).<br />
Es wurde in Abb. 3-5 am Beispiel des Quecksilbers<br />
bereits verdeutlicht, dass mit der Zunahme der partikulären<br />
Anteile in der Wasserphase auch die<br />
Schadstoffgehalte im Wasser zunehmen. Die höchsten<br />
Quecksilbergehalte wurden an der Messstelle<br />
in Magdeburg am 15.08.<strong>2002</strong> gemessen. Obwohl<br />
die <strong>Elbe</strong>pegel noch weiter stiegen, sank die Schad-<br />
30
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Mineralölkohlenwasserstoffe<br />
Mineralölkohlenwasserstoff (MKW) ist eine Sammelbezeichnung<br />
für organische Verbindungen aus<br />
Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen. MKW werden<br />
überwiegend durch Raffination als Fraktion unterschiedlicher<br />
Siedebereiche aus <strong>dem</strong> Erdöl isoliert.<br />
Die gewonnenen Fraktionen sind als Benzine,<br />
Kerosin, Dieselöle, Heizöle, Schmieröle, Paraffine<br />
und Ceresin im Handel. Die Kettenlänge bzw. die<br />
Anzahl der Kohlenstoffatome, d.h. die Größe der<br />
Kohlenwasserstoffmoleküle nimmt von den Benzinen<br />
über die Dieselöle zu den Paraffinen zu (23).<br />
Darüber hinaus kommen MKW in bituminösen Baustoffen,<br />
in dunklem Fußbodenestrich und Bodenplatten<br />
sowie vereinzelt in Holzschutzanstrichen<br />
vor. Sie dienen als Lösemittel in Farben, Lacken,<br />
Klebern und sind auch in Kunststoffen enthalten. Im<br />
reinen Zustand sind Kohlenwasserstoffe farblos.<br />
Die Palette der MKW reicht von leichtflüchtigen und<br />
gut abbaubaren Benzinkohlenwasserstoffen bis zu<br />
den schwerlöslichen, schwerflüchtigen und schwer<br />
abbaubaren hochmolekularen Verbindungen aus<br />
Schmierfetten und -ölen. Zu den biologisch nur<br />
sehr schwer abbaubaren MKW gehören beispielsweise<br />
die Maschinenöle.<br />
Wie schon erwähnt handelt es sich bei den MKW<br />
um eine Gruppenbezeichnung, der keine einheitliche<br />
Gefahrenkennzeichnung zugeordnet werden<br />
kann. Unter normalen Arbeitsbedingungen wurden<br />
am Menschen keine gesundheitlichen schadstoffbedingten<br />
Veränderungen festgestellt. Wenn auch<br />
keine akuten Toxizitäten bekannt sind, so können<br />
doch häufiger und langzeitiger Hautkontakt Reizun-<br />
stoffkonzentration, weil der maximal mobilisierbare<br />
schadstoffbehaftete Sedimentanteil zu diesem Zeitpunkt<br />
bereits stromabwärts transportiert war. Allerdings<br />
wurde das Schadstoffmaximum für partikuläres<br />
Blei (Abb. 3-6 auf Seite 34) und partikuläres<br />
Arsen erst am 16.08.<strong>2002</strong> gemessen. Dies ist als<br />
Indiz für die "Ankunft der Muldewelle" in Magdeburg<br />
zu interpretieren. Blei und Arsen gelten als<br />
typische "Muldeschadstoffe". Gleichzeitig ist in<br />
Abb. 3-7 auf Seite 34 zu erkennen, dass die höchsten<br />
Gehalte an gelöstem Arsen wiederum mit<br />
einem Tag Verzögerung Magdeburg passierten. Bei<br />
sinkenden Schwebstoffanteilen überwiegt schließlich<br />
der Arsentransport in der gelösten Form die<br />
partikuläre Fracht.<br />
Blei (Pb) ist mit einem durchschnittlichen Anteil von<br />
0,002 Gewichtsprozent ubiquitär in der Erdkruste<br />
verteilt. Als wichtigstes Erz zur Herstellung elementaren<br />
Bleis gilt Bleisulfid (Bleiglanz - PbS). Bleierze<br />
sind häufig mit anderen Metallen wie Zink, Kupfer<br />
31<br />
gen und Entzündungen hervorrufen (23). Im Allgemeinen<br />
kann von einer geringen toxikologische<br />
Relevanz der MKW ausgegangen werden. Für einzelne<br />
Substanzen, wie das nervenschädigende n-<br />
Hexan, sollte unter Umständen eine separate<br />
Bewertung durchgeführt werden. Bezüglich der<br />
Humantoxizität sind aromatische Begleitstoffe<br />
(Benzol, Toluol u.a.) in den Mineralölprodukten von<br />
größerer Bedeutung als die MKW selbst. Diese<br />
können beispielsweise in Benzin und Kerosin einen<br />
Anteil von bis zu 40% ausmachen.<br />
Wichtige Grenzwerte: Im Allgemeinen kann<br />
gesagt werden, dass ein Liter Öl eine Million Liter<br />
Grundwasser verseuchen kann. Gelöste oder<br />
emulgierte Kohlenwasserstoffe können <strong>dem</strong> Trinkwasser<br />
noch in sehr großer Verdünnung einen<br />
unangenehmen Geruch und Geschmack verleihen.<br />
Die alte Trinkwasserverordnung sah für MKW<br />
einen Grenzwert von 0,01 mg/l vor. Aber auch bei<br />
niedrigeren Gehalten kann ein Trinkwasser als<br />
ungenießbar gelten, wenn es <strong>nach</strong> Öl riecht. Deshalb<br />
sieht die aktuelle Trinkwasserverordnung keinen<br />
Grenzwert für MKW vor, da das Erkennen<br />
einer MKW-Belastung über den Geruchsschwellenwert<br />
und Geschmack ausreichend ist.<br />
Boden (25)<br />
• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Grundwasser:<br />
200 µg/l<br />
oder Antimon vergesellschaftet. In Deutschland<br />
spielt die Bleigewinnung aktuell eine untergeordnete<br />
Rolle, ehemals bedeutsame Regionen waren<br />
die Eifel, der Harz, das Erzgebirge und das Ruhrgebiet.<br />
Die Nutzung von Blei ist schon für die antike Welt<br />
belegt, beispielsweise in Form von Topfglasuren im<br />
vorchristlichen Ägypten sowie römischen Wasserleitungen<br />
und Tafelgeschirr. Darüber hinaus dienten<br />
Pb-Verbindungen als Arznei, Farbe und<br />
Bestandteil von Schminke. Später wurden die<br />
Dächer von Kirchen und Verwaltungsgebäuden mit<br />
Bleiplatten ausgestattet. Tetraethylblei wurde als<br />
Antiklopfmittel <strong>dem</strong> Ottokraftstoff zugesetzt und mit<br />
<strong>dem</strong> Straßenverkehr flächenhaft verbreitet. Die<br />
heute relevantesten Nutzungen sind Legierungen<br />
zur Herstellung von Akkumulatoren, Lagermetall in<br />
der Eisenbahnproduktion, Blei-Kupfer-Legierungen<br />
für Kabelummantelungen, Dichtungen, Isolierungen<br />
und Rohrleitungen. Des Weiteren werden
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 3SCHADSTOFFE IN DER HOCHWASSERWELLE<br />
Blei<br />
Die akute Toxizität von Blei scheint relativ gering.<br />
Vergiftungen sind überwiegend das Resultat chronischer<br />
Aufnahme und Akkumulation. Schon<br />
geringe Mengen können bei dauerhafter Aufnahme<br />
schädigend wirken. Insbesondere bleihaltige Industriestäube<br />
gelten als sehr giftig. Meist werden Blei<br />
und Bleisalze jedoch über Nahrungsmittel oder mit<br />
<strong>dem</strong> Trinkwasser (z.B. durch Bleirohre) aufgenommen.<br />
Je <strong>nach</strong> Produktions- und Transport- und<br />
Lagerungsgeschichte sind Nahrungsmittel indirekt<br />
durch Luftstäube (Obst, Gemüse) oder direkt über<br />
die Nahrungsketten (Fisch, Fleisch) belastet. Für<br />
erwachsene Personen geht man von einer Aufnahme<br />
über den Verdauungstrakt von ca. 10% des<br />
Schwermetalls aus, für Kinder werden bis zu 50%<br />
angenommen. Wie beim Quecksilber sind Ungeborene<br />
durch die mögliche Passage der Plazenta<br />
besonders bedroht. Das Schwermetall lagert sich<br />
vor allem in den als "Sammelstellen" erkannten<br />
Knochen und Zähnen ein. Zumindest für Knochen<br />
geht man von einer sehr langsamen Ausscheidung<br />
aus; die biologische Halbwertszeit (BHWZ), d.h. die<br />
Zeit, in der der Vorrat des Schadstoffes halbiert<br />
wird, beträgt im Mittel ca. 10 Jahre. Für Blut sind<br />
BHWZ von nur 20 - 30 Tagen bekannt, für den restlichen<br />
Organismus vermutet man einige Jahre. Von<br />
Bedeutung sind neben anorganisch gebundenem<br />
Blei auch organische Bleiverbindungen wie Tetraethylblei.<br />
Diese können auch über die Haut aufgenommen<br />
werden. Die Auswirkungen chronischer<br />
Bleivergiftungen sind noch unzureichend bekannt.<br />
Erwiesen scheint aber eine Beeinträchtigung des<br />
Gehirns bei einem Pb-Spiegel von mehr als 0,1 µg<br />
Pb/ml. Des Weiteren schädigt Pb vor allem das<br />
Nervensystem, die Nieren und beim Erwachsenen<br />
auch das Herz-Kreislaufsystem. Die Einlagerungen<br />
im Knochen führen zur Beeinträchtigung des blutbildenden<br />
Systems, Plazentakontaminationen können<br />
zu Früh-, Fehl- und Totgeburten führen. Eine<br />
krebserzeugende Wirkung wird vermutet. Die WHO<br />
gibt für Blei einen PTWI-Wert (Provisional Tolerable<br />
Bleischirme zur Absorption von Gamma- und Röntgenstrahlen<br />
verwendet. Als Material hoher Dichte<br />
findet Blei Verwendung als Beschwerung in der<br />
Fischerei und im Bootsbau sowie bei der<br />
Geschossherstellung von Munition. Hauptemittenten<br />
elementaren oder anorganisch gebundenen<br />
Bleis sind Bleihütten und Anlagen zur Bleiverarbeitung.<br />
Für das <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet sind insbesondere<br />
das Erzgebirge, das Mansfelder Land und der Harz<br />
als Quellen für geogenes oder durch Verhüttung<br />
gewonnenes Blei bekannt. Diese Gebiete entwässern<br />
hauptsächlich über die Nebenflüsse Mulde<br />
Weekly Intake) von 25 µg pro kg Körpergewicht<br />
und Woche an (91).<br />
Wichtige Grenzwerte:<br />
Boden (25):<br />
• Prüfwerte für den Transferpfad Boden-Mensch-<br />
Direktaufnahme: Kinderspielflächen 200 mg/kg,<br />
Wohngebiete 400 mg/kg, Park- und Freizeitanalgen<br />
1000 mg/kg, Industrie- und Gewerbegrundstücke<br />
2000 mg/kg.<br />
• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Nutzpflanze<br />
bei Ackerbau und Nutzgärten im Hinblick<br />
auf die Pflanzenqualität 0,1 mg/kg bei Ammoniumnitratextrakt.<br />
• Maßnahmenwert für den Transferpfad Boden-<br />
Nutzpflanze bei Grünlandnutzung im Hinblick<br />
auf die Pflanzenqualität 1200 mg/kg.<br />
• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Grundwasser<br />
25 m/l.<br />
Trinkwasser (40): 0,01 mg/l. Dieser Wert gilt seit<br />
Dezember 2003. Während einer Übergangsfrist bis<br />
zum Beginn des Jahres 2013 sind allerdings noch<br />
0,025 mg/l erlaubt. Große Probleme gibt es vor<br />
allem in Altbauten, in denen viele Wasserleitungen<br />
aus Blei bestehen. Hauseigentümer haben bis<br />
Ende 2012 Zeit, Bleileitungen gegen solche aus<br />
Kupfer, innenverzinntes Kupfer, Edelstahl, verzinkten<br />
Stahl sowie Kunststoffe und kunststoffbasierte<br />
Verbundmaterialien auszutauschen.<br />
Futtermittel (52): Alleinfuttermittel 5 mg/kg, Grünfutter<br />
40 mg/kg<br />
Lebensmittel (135, 160, 161): Milch 0,02 mg/kg;<br />
Fleisch 0,1 mg/kg; Fisch 0,2 mg/kg; bei Aal 0,4 mg/<br />
kg.<br />
Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):<br />
Der MAK-Wert in Deutschland für Blei in der Luft<br />
wurde mit 0,1 mg/m³ und der für Tetraethylblei mit<br />
0,075 mg/m³ festgelegt.<br />
(Erzgebirge), Saale (Mansfelder Land) und Bode<br />
(Harz) in die <strong>Elbe</strong>.<br />
Arsen (As) ist ein Halbmetall, es ist ubiquitär verbreitet<br />
und kann in der Luft, in Böden, Gewässern<br />
aber auch in Nahrungsmitteln, Futtermitteln oder<br />
Trinkwasser <strong>nach</strong>gewiesen werden. Vermutlich ist<br />
es für viele Tiere und den Menschen essenziell - im<br />
Blut nicht belasteter Menschen finden sich ca. 4 µg/<br />
kg As. In der Vergangenheit wurden arsenhaltige<br />
Substanzen breitgefächert und sehr freizügig angewendet.<br />
So wurden Arsenverbindungen als Arznei-<br />
32
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Arsen<br />
"Arsen und Spitzenhäubchen" ist vielen Lesern als<br />
Theatervorlage Joseph Kesselrings (1902-1967)<br />
bekannt. Tatsächlich jedoch gilt elementares Arsen<br />
(As) als ungiftig, kann aber leicht in toxische Verbindungen<br />
überführt werden. So war dann auch<br />
Arsentrioxid (Arsenik, As2O3 ) über Jahrhunderte<br />
ein beliebtes und nahezu nicht <strong>nach</strong>weisbares<br />
Mordgift. Die Kampfstoffe Phenarsazinchlorid und<br />
Diphenylarsinchlorid gehören zu den organischen<br />
Verbindungen. Besonders Meeresfrüchte enthalten<br />
andere organische As-Verbindungen (Arsenobetain,<br />
Arsenocholin), die allerdings ungiftig sind.<br />
As-Wasserstoff (Arsin, AsH3 ) ist ein farbloses,<br />
brennbares, explosives und unangenehm <strong>nach</strong><br />
Knoblauch riechendes Gas, welches noch bei starken<br />
Verdünnungen zu schwersten Vergiftungen<br />
führt. Der Geruch von As-Wasserstoff wird ab einer<br />
Konzentration in der Luft von 0,5 ppm (parts per<br />
million) wahrgenommen (90).<br />
As wird zumeist über Meeresfrüchte in der menschlichen<br />
Nahrungskette angereichert. Für fischfreien<br />
Verzehr werden tägliche As-Aufnahmemengen zwischen<br />
1 und 10 µg/Tag angegeben, während die<br />
Werte bei regelmäßigem Fischverzehr auf 100 bis<br />
300 µg/Tag ansteigen können. As-Vergiftungen führen<br />
zur Denaturierung von Proteinen. Vorwiegend<br />
sind lebenswichtige Enzymsysteme des Fett- und<br />
Kohlehydratstoffwechsel betroffen. Arsen verursacht<br />
wahrscheinlich keinen Krebs, unterstützt<br />
aber die mutagene Wirkung von Zigarettenrauch<br />
oder UV-Licht. Weitaus häufiger als eine akute, tritt<br />
die chronische Vergiftung ein. Beispielsweise wird<br />
in Teilen Südamerikas, der USA oder Südostasiens<br />
durch stark As-verunreinigtes Trinkwasser ein<br />
Großteil der Menschen in Mitleidenschaft gezogen.<br />
Wasserlösliche Arsenverbindungen (zum Beispiel<br />
Arsenik oder Natriumarsenit) werden oral, durch<br />
Einatmung oder über die Haut sehr gut aufgenommen.<br />
Im Körper findet eine Speicherung in Leber,<br />
mittel, als Tier- und Pflanzengifte, als Enthaarungsmittel<br />
(Gerbereien), Holzschutz- und Konservierungsmittel<br />
sowie als Wachstums- und<br />
Leistungsförderer eingesetzt. Heute noch werden<br />
Arsenverbindungen als Antiprotozoika beim Hund<br />
oder für die Warzenbehandlung beim Pferd<br />
genutzt.<br />
Industriell wird Arsen als Legierungsbestandteil zur<br />
Erhöhung der Härte z.B. von Bleilegierungen für<br />
Flintenschrot, von Kupfer-Zinn-Legierungen für<br />
Spiegel oder von Kupfer für Hochtemperatur-Beanspruchung<br />
eingesetzt. Hochreines Arsen dient zur<br />
Herstellung von Halbleitern. Als Hilfsstoffe in der<br />
33<br />
Niere und Darmwand statt. Aufgrund seiner Bindungsfähigkeit<br />
an Keratin kann As noch mehrere<br />
Wochen <strong>nach</strong> einer Exposition in Haut, Horn und<br />
Haaren <strong>nach</strong>gewiesen werden (75).<br />
Wichtige Grenzwerte:<br />
Boden (25):<br />
• Prüfwerte für den Transferpfad Boden-Mensch-<br />
Direktaufnahme: Kinderspielflächen 25 mg/kg,<br />
Wohngebiete 50 mg/kg, Park- und Freizeitanlagen<br />
125 mg/kg, Industrie- und Gewerbegrundstücke<br />
140 mg/kg.<br />
• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Nutzpflanze<br />
bei Ackerbau und Nutzgärten im Hinblick<br />
auf die Pflanzenqualität 200 mg/kg. Bei Böden mit<br />
zeitweise reduzierenden Bedingungen (z.B. Überflutungsböden)<br />
gilt ein Prüfwert von 50 mg/kg.<br />
• Maßnahmenwert für den Transferpfad Boden-<br />
Nutzpflanze bei Grünlandnutzung im Hinblick<br />
auf die Pflanzenqualität 50 mg/kg.<br />
• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Grundwasser<br />
10 µg/l.<br />
Trinkwasser (40): 10 µg/l.<br />
Futtermittel (52): Alleinfuttermittel 2 mg/kg<br />
Lebensmittel: keine Höchstmenge festgelegt<br />
Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):<br />
Der MAK-Wert in Deutschland für Arsensäure, ihre<br />
Salze sowie die arsenige Säure und ihre Salze in<br />
der Luft wurde mit 0,1 mg/m³ festgelegt. Für Arsentrioxid<br />
gelten die Biologischen Arbeitsplatztoleranzwerte<br />
(BAT-Werte) von 0,01 mg/m³ As in der Luft<br />
und 0,05 mg/l As im Urin bei Expositionsende (d.h.<br />
z.B. am Ende der Schicht), bzw. 0,05 mg/m³ in der<br />
Luft und 0,09 mg/l im Urin.<br />
Glasindustrie werden Arsenverbindungen z.B. zum<br />
Entfärben verwendet. Im Einzugsgebiet der <strong>Elbe</strong><br />
stellt u.a. das Erzgebirge eine sehr bedeutsame<br />
Quelle dar, wie bereits im Abschnitt 2.1.1 dargestellt<br />
wurde.<br />
Entsprechend der hohen Schwebstoffführung sind<br />
auch im tschechischen und sächsischen <strong>Elbe</strong>abschnitt<br />
sehr hohe Schadstoffgehalte ermittelt worden,<br />
wie ebenfalls am Beispiel von Arsen gezeigt<br />
werden kann (Abb. 3-8 und 3-9 auf Seite 35, 119).<br />
Auch hier wurden die höchsten Belastungen am<br />
16.08.<strong>2002</strong> ermittelt, vor Ankunft des <strong>Hochwasser</strong>scheitels.<br />
Der große Schwebstoffgehalt (mehr als
Durchfluss in m³/s<br />
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 3SCHADSTOFFE IN DER HOCHWASSERWELLE<br />
4500<br />
4000<br />
3500<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
0,18<br />
0,16<br />
0,14<br />
0,12<br />
0,10<br />
0,08<br />
0,06<br />
0,04<br />
0,02<br />
0,00<br />
Q<br />
AFS<br />
13.08.<strong>2002</strong><br />
14.08.<strong>2002</strong><br />
15.08.<strong>2002</strong><br />
16.08.<strong>2002</strong><br />
17.08.<strong>2002</strong><br />
18.08.<strong>2002</strong><br />
19.08.<strong>2002</strong><br />
20.08.<strong>2002</strong><br />
21.08.<strong>2002</strong><br />
22.08.<strong>2002</strong><br />
23.08.<strong>2002</strong><br />
Abb. 3-4 Ganglinie von Durchfluss und Konzentration<br />
der abfiltrierbaren Stoffe während des <strong>Hochwasser</strong>s <strong>2002</strong><br />
an der Messstelle in Magdeburg unterhalb der Einleitung<br />
von Fahlberg-List, km 321 (Daten 19).<br />
Quecksilber in µg/L<br />
13.08.<strong>2002</strong><br />
14.08.<strong>2002</strong><br />
15.08.<strong>2002</strong><br />
16.08.<strong>2002</strong><br />
17.08.<strong>2002</strong><br />
18.08.<strong>2002</strong><br />
19.08.<strong>2002</strong><br />
20.08.<strong>2002</strong><br />
21.08.<strong>2002</strong><br />
22.08.<strong>2002</strong><br />
23.08.<strong>2002</strong><br />
300 mg/l), der aus der Tschechischen Republik und<br />
<strong>dem</strong> sächsischen <strong>Elbe</strong>abschnitt stammte, ist allerdings<br />
gar nicht in Magdeburg angekommen, sondern<br />
größtenteils in den weitläufigen Auen der mittleren<br />
<strong>Elbe</strong> ausgesunken.<br />
Weiterhin ist Abb. 3-9 zu entnehmen, dass die<br />
hohe Belastung des Wasser zeitlich eng begrenzt<br />
war. Bereits im Oktober des <strong>Hochwasser</strong>jahres<br />
<strong>2002</strong> wurden Arsengehalte im Elbwasser ermittelt,<br />
die den geringen Konzentrationen der Vorjahre und<br />
<strong>dem</strong> Folgejahr entsprachen.<br />
3.2 Welche Bedeutung haben hohe<br />
Schadstoffgehalte in der<br />
<strong>Hochwasser</strong>welle?<br />
Hg<br />
AFS<br />
Abb. 3-5 Konzentration von abfiltrierbaren Stoffen (AFS)<br />
und Quecksilber (Hg) während des <strong>Hochwasser</strong>s <strong>2002</strong> in<br />
Magdeburg (Daten 19).<br />
Dass in der Welle Schadstoffe in erhöhten Konzentrationen<br />
vorlagen, wurde in Abschnitt 3.1 gezeigt.<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
Abfiltrierbare Stoffe in mg/L<br />
Abfiltrierbare Stoffe in mg/L<br />
Blei in µg/L<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
Pb<br />
AFS<br />
13.08.<strong>2002</strong><br />
14.08.<strong>2002</strong><br />
15.08.<strong>2002</strong><br />
16.08.<strong>2002</strong><br />
17.08.<strong>2002</strong><br />
18.08.<strong>2002</strong><br />
19.08.<strong>2002</strong><br />
20.08.<strong>2002</strong><br />
21.08.<strong>2002</strong><br />
22.08.<strong>2002</strong><br />
23.08.<strong>2002</strong><br />
Abb. 3-6 Konzentration von abfiltrierbaren Stoffen (AFS)<br />
und Blei (Pb) während des <strong>Hochwasser</strong>s <strong>2002</strong> in Magdeburg<br />
(Daten 19).<br />
Arsen in µg/L<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
As gel<br />
As part<br />
AFS<br />
13.08.<strong>2002</strong><br />
14.08.<strong>2002</strong><br />
15.08.<strong>2002</strong><br />
16.08.<strong>2002</strong><br />
17.08.<strong>2002</strong><br />
18.08.<strong>2002</strong><br />
19.08.<strong>2002</strong><br />
20.08.<strong>2002</strong><br />
21.08.<strong>2002</strong><br />
22.08.<strong>2002</strong><br />
23.08.<strong>2002</strong><br />
Abb. 3-7 Konzentration von abfiltrierbaren Stoffen (AFS)<br />
sowie partikulären und gelösten Arsens (As) während des<br />
<strong>Hochwasser</strong>s <strong>2002</strong> in Magdeburg (Daten 19).<br />
Entscheidend ist auch hier, dass nicht alle Schadstoffe<br />
in ihrer Wirkung und Bedeutung für die<br />
Umwelt gleichbedeutend sind. Am Beispiel des<br />
Arsens soll dies verdeutlicht werden.<br />
Die gemessenen Arsengehalte im Elbwasser bei<br />
"normaler" Wasserführung liegen beispielsweise<br />
unterhalb der Mindestanforderungen des DVGW<br />
für Trinkwasser von 10 µg/l (40) bzw. 50 µg/l (96).<br />
Die Mindestanforderung von 10 µg/l wird nur während<br />
des <strong>Hochwasser</strong>ereignisses selbst überschritten.<br />
Zu diesem Zeitpunkt liegt außer<strong>dem</strong> ein erheblicher<br />
Anteil in partikulärer (d.h. in weniger bioverfügbarer)<br />
Form vor. Darüber hinaus ist zu<br />
berücksichtigen, dass ein Trinkwassergrenzwert für<br />
Wässer gilt, die täglich, also für die dauerhafte und<br />
<strong>nach</strong>haltige Trinkwassernutzung zur Verfügung stehen.<br />
Der kurzzeitige Kontakt oder auch das Verschlucken<br />
von "belastetem" Wasser ist hinsichtlich<br />
der humantoxischen Wirkung eher unproblema-<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
90<br />
80<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
34<br />
Abfiltrierbare Stoffe in mg/L<br />
Abfiltrierbare Stoffe in mg/L
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Tab. 3-1 Zielvorgaben der IKSE für unterschiedliche Schutzgüter und durchschnittliche Schadstoffgehalte im Wasser an<br />
den ARGE-<strong>Elbe</strong> Messstationen in Schmilka und Magdeburg an der <strong>Elbe</strong> und in Dessau an der Mulde. Überschreitungen<br />
einzelner Zielvorgaben sind rot markiert, alle Angaben in µg/L.<br />
Stoff Zielvorgaben der IKSE Schmilka Dessau Magdeburg<br />
SPM in mg/L<br />
As in µg/L<br />
35<br />
350<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
-364 -200 0 200 400 600 800<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
Schutzgut<br />
„Trinkwasser, Berufsfischerei,<br />
Bewässerung“<br />
CZ | D<br />
<strong>Elbe</strong>-km<br />
01.09.1998<br />
16.08.<strong>2002</strong><br />
11.10.<strong>2002</strong><br />
11.08.2003<br />
0<br />
CZ | D<br />
-364 -200 0 200 400 600 800<br />
<strong>Elbe</strong>-km<br />
Schutzgut<br />
„Aquatische Lebensgemeinschaften“<br />
Abb. 3-8 Schwebstoffgehalte im August <strong>2002</strong> sowie in<br />
den Jahren 1998, <strong>2002</strong> und 2003 entlang der gesamten<br />
<strong>Elbe</strong> (Daten 119).<br />
01.09.1998<br />
16.08.<strong>2002</strong><br />
11.10.<strong>2002</strong><br />
11.08.2003<br />
Abb. 3-9 Arsengehalte im August <strong>2002</strong> sowie in den<br />
Jahren 1998, <strong>2002</strong> und 2003 entlang der gesamten <strong>Elbe</strong><br />
(Daten 119).<br />
Medianwerte Medianwerte Medianwerte<br />
2001 2003 2001 2003 2001 2003<br />
Arsen 50 1 2,8 3,3 6,2 9,3 2,6 2,9<br />
Blei 50 3,5 1,95 1,2 1,5 1,3 3,3 3,8<br />
Cadmium 1 0,07 0,08 0,08 0,3 0,4 0,2 0,3<br />
Chrom 50 10 2,4 1,6 0,6 0,7 1,7 1,8<br />
Kupfer 30 4 9,2 4,5 3,7 4,3 6,6 6,5<br />
Quecksilber 0,1 0,04 0,04 0,02
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 3SCHADSTOFFE IN DER HOCHWASSERWELLE<br />
Schadstoffe in Muttermilch - Reform der Chemikalienpolitik<br />
Nach einer Studie des BUND lassen sich in der<br />
Muttermilch über 300 synthetische Chemikalien<br />
<strong>nach</strong>weisen. Zwar sind die Belastungen mit giftigem<br />
PCB, DDT und Dioxinen aufgrund weit reichender<br />
Verbote rückläufig. Jedoch werden immer<br />
mehr neue gefährliche Stoffgruppen wie Weichmacher,<br />
Flammschutzmittel und Duftstoffe gefunden.<br />
Synthetische Chemikalien sind besonders für<br />
Säuglinge und Kleinkinder extrem gefährlich, da<br />
wichtige Entwicklungsphasen gestört werden können.<br />
Schädigungen des Immunsystems, Krebserkrankungen<br />
und sogar Beeinträchtigungen der<br />
Gehirnentwicklung können die Folge sein.<br />
Gegensteuern könnte die Gesellschaft mit Umsetzung<br />
des seit längerem diskutierten europäischen<br />
Chemikalienrechts mit <strong>dem</strong> Kürzel REACH (Registrierung,<br />
Evaluierung und Autorisierung von Chemikalien).<br />
Nur eine konsequent am Vorsorgeprinzip<br />
ausgerichtete Chemikalienpolitik kann dazu beitragen,<br />
dass Muttermilch künftig weniger belastet sein<br />
wird.<br />
Von den mehr als 100.000 in der EU hergestellten<br />
Chemikalien sind 97 Prozent niemals auf ihr Gefahrenpotenzial<br />
untersucht worden, weil sie bereits vor<br />
1981 in Verkehr kamen. Erst seit diesem Zeitpunkt<br />
trat ein Gesetz in Kraft, das eine Risiko-Bewertung<br />
neu entwickelter Substanzen verlangt. Alle zuvor in<br />
Verkehr gebrachten Substanzen mussten jedoch<br />
nie eine Risikoprüfung durchlaufen. Viele dieser<br />
Substanzen seien in Alltagsprodukten enthalten,<br />
dort nicht fest eingebunden und gelangten über<br />
Haut, Atmung und Nahrung in den Körper der<br />
Frauen.<br />
Mit REACH will die EU-Kommission erreichen,<br />
dass die Industrie bis 2017 etwa 30.000 bisher<br />
ungeprüfte Chemikalien auf ihr Gefährdungspotenzial<br />
untersucht. Nur unschädliche Substanzen sollen<br />
künftig noch eingesetzt werden dürfen. Für die<br />
weitere Nutzung bedenklicher Stoffe müssen Sondergenehmigungen<br />
beantragt werden. Bis zum<br />
Oktober 2005 muss das EU-Parlament über<br />
REACH entscheiden (Quelle: 37).<br />
36
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Abb. 4-1 In den Oberläufen der <strong>Elbe</strong> und ihren Nebenflüssen wurden gebietsweise zentimeterdicke feinkörnige Sedimentschichten<br />
flächenhaft abgelagert. Entlang des Mittel- und Unterlaufs der <strong>Elbe</strong> blieben die Sedimentablagerungen<br />
meist im Millimeterbereich oder darunter (Foto Dagmar Haase).<br />
4 Schadstoffe im Schlamm<br />
Frank Krüger<br />
4.1 Was ist Schlamm und wo kommt<br />
er her?<br />
Ist das Wasser <strong>nach</strong> einer Überschwemmung ins<br />
Flussbett zurückgekehrt, bleibt Schlamm zurück<br />
(Abb. 4-1).<br />
Schlämme oder Sedimente (ihre wissenschaftliche<br />
Bezeichnung) bestehen aus ausgesunkenen<br />
Schwebstoffen. Die Schwebstoffe sinken in Zonen<br />
geringer Fließgeschwindigkeit zu Boden und bilden<br />
am Gewässergrund eine Schicht frischen Sedimentes.<br />
Dies geschieht in den Stillwasserbereichen<br />
unserer Gewässer permanent. Typische Sedimentationszonen<br />
sind an Fließgewässern z.B. Altarme,<br />
Bracks, Wehle, aber natürlich auch Buhnen und<br />
Hafenbecken. Im <strong>Hochwasser</strong>fall sind die ausgedehnten<br />
Überflutungsbereiche die Zonen mit<br />
geringster Fließgeschwindigkeit.<br />
37<br />
Die Schlämme, die sich in diesen Zonen sammeln<br />
werden auch von Wissenschaftlern (z.B. Klös und<br />
Schoch, 98) das "Gedächtnis einer Industrieregion"<br />
genannt. Denn sämtliche am Schwebstoff haftenden<br />
Schadstoffe sinken in diesen Zonen geringer<br />
Fließgeschwindigkeit mit aus. Damit stellen sie<br />
quasi ein Archiv der Gewässerbelastung dar. Dies<br />
geschieht so lange, bis ein extremes Ereignis<br />
soviel Energie aufbringt, dass das gebildete Sediment<br />
aufgewirbelt und weiter stromabwärts transportiert<br />
wird. Im Falle des <strong>Hochwasser</strong>s im Jahre<br />
<strong>2002</strong> ist dies an vielen Stellen der Fall gewesen<br />
(140). Abb. 4-2 zeigt das Ausmaß einer belasteten<br />
Sedimentablagerung in einem Buhnenfeld bei<br />
Havelberg vor und <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong>. Die<br />
schlammbedeckte Fläche und das Volumen der<br />
Ablagerung gingen stark zurück<br />
Dies wiederum bedeutet, dass der vorgefundene<br />
Schlamm immer eine Mischung aus aktuell ins
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 4SCHADSTOFFE IM SCHLAMM<br />
40 m<br />
30 m<br />
20 m<br />
10 m<br />
0 m<br />
<strong>Elbe</strong><br />
Fläche: 972 m² Volumen: 337 m³<br />
0 m 10 m 20 m 30 m 40 m 50 m 60 m 70 m 80 m<br />
70 m<br />
60 m<br />
50 m<br />
40 m<br />
30 m<br />
20 m<br />
10 m<br />
0 m<br />
Abb. 4-2 Ausdehnung und Volumen des schwebstoffbürtigen Sedimentdepots im linksseitigen Buhnenfeld am Strom-km<br />
420,9 im Juli <strong>2002</strong> (links) und seine Veränderung durch Erosion während des Extremhochwassers <strong>2002</strong> (rechts, gemessen<br />
am 12.05.2003, 140).<br />
Gewässer eingetragen Schadstoffen und von<br />
Schadstoffen alter, remobilisierter Sedimente enthält.<br />
Dazu kommen während des <strong>Hochwasser</strong>s<br />
<strong>2002</strong> erhebliche Mengen wenig belasteten Bodenmaterials,<br />
welches vom strömenden Wasser vielerorts<br />
großflächig abgespült wurde und zu einer<br />
erheblichen Verdünnung des belasteten Materials<br />
geführt hat.<br />
Während des <strong>Hochwasser</strong>s sind von verschiedenen<br />
Institutionen Schwebstoffgehalte, also die<br />
Menge der im Wasser transportierten Partikel,<br />
quantifiziert worden. Die Ergebnisse sind den<br />
Abb. 3-4 und Abb. 3-8 zu entnehmen. Zu erkennen<br />
ist, dass die Schwebstoffmengen, die die sächsische<br />
<strong>Elbe</strong> noch passiert haben, in Magdeburg nur<br />
zu einem geringen Teil angekommen sind. Dies<br />
liegt daran, dass die <strong>Elbe</strong> beim Übergang vom<br />
Festgestein ins Tiefland unterstromig von Riesa<br />
ihren Fließquerschnitt im <strong>Hochwasser</strong>fall erheblich<br />
verbreitert. Das Wasser kann in die weiten Auen<br />
der mittleren <strong>Elbe</strong> ausweichen, verliert dabei erheblich<br />
an Fließgeschwindigkeit und läßt einen großen<br />
Teil der Schwebstoffe zurück.<br />
Als Folge des Extremhochwassers gab es in sächsischen<br />
Elbabschnitten und auch in einigen Nebenflussabschnitten<br />
mit geringem Fließquerschnitt teilweise<br />
Schlammmächtigkeiten von mehreren Zentimetern<br />
bis Dezimetern (Abb. 1-6 auf Seite 8,<br />
Abb. 4-1). Je mehr Schwebstoffe in den Auen liegenblieben,<br />
desto sauberer wurde das Wasser. Im<br />
Raum Magdeburg betrugen die Schlammablagerungen<br />
im Überflutungsbereich nur noch selten<br />
mehr als einen Millimeter, und an der unteren Mittelelbe<br />
bei Wittenberge blieb gerade noch ein<br />
schleierartiger Belag übrig, nur Bruchteile eines<br />
Millimeters mächtig (Abb. 4-3).<br />
40 m<br />
30 m<br />
20 m<br />
10 m<br />
<strong>Elbe</strong><br />
Fläche: 616 m² Volumen: 131 m³<br />
0 m<br />
0 m 10 m 20 m 30 m 40 m 50 m 60 m 70 m 80 m<br />
4.2 Welche Belastung tragen die<br />
Schlämme?<br />
70 m<br />
60 m<br />
50 m<br />
40 m<br />
30 m<br />
20 m<br />
10 m<br />
0 m<br />
Abb. 4-3 Schleierartige Schlammauflage im Auenvorland<br />
bei <strong>Elbe</strong>-Stromkilometer 435 (Foto Frank Krüger).<br />
Die Schlämme oder besser Sedimente sind abgesetzte<br />
Schwebstoffe und deshalb mit den gleichen<br />
Inhaltsstoffen behaftet. Die Bestimmung der Sedimentqualität<br />
lässt in vielen Fällen einen besseren<br />
Rückschluss auf den über längere Zeit integrierten<br />
Belastungszustand eines Gewässers zu, als Wasseranalysen,<br />
da Sedimente eine längere Entstehungs-<br />
und Verweilzeit im Gewässer haben.<br />
Zur Belastungssituation der <strong>Elbe</strong> ist zu betonen,<br />
dass es im Einzugsgebiet keine einheitliche Belastung<br />
gibt. Abb. 4-4 zeigt die Benzo(a)pyren- und<br />
38
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Fluoranthengehalte von Sedimenten im September<br />
des Jahres <strong>2002</strong> entlang der <strong>Elbe</strong> (148). Es sind<br />
typische Längsprofile für Polyzyklische Aromatische<br />
Kohlenwasserstoffe (PAK).<br />
PAK sind ringförmige Kohlenwasserstoff-Verbindungen,<br />
deren Molekülgerüst aus mehreren miteinander<br />
verbundenen Benzolringen besteht. Leitsubstanzen<br />
sind Benzo(a)pyren und Fluoranthen. Das<br />
bisher am besten untersuchte Benzo(a)pyren kann<br />
als Maßstab für die karzinogene Belastung durch<br />
die gesamte PAK-Gruppe angesehen werden.<br />
PAK sind meist Bestandteil von Kohle und Teer. Sie<br />
entstehen bei der unvollständigen Verbrennung<br />
von organischen Materialien oder auch bei der<br />
Abfallverbrennung. PAK werden in Tabakteer und<br />
Tabakrauch, ebenso in Autoabgasen (insbesondere<br />
Dieselruß), Kokereirohgasen, Räucher- und<br />
Grillrauch, den Abgasen von Kaminfeuern sowie in<br />
Schwelstoffen von Räucherkerzen oder Weihrauch<br />
gefunden. Je weniger Sauerstoff bei der Verbrennung<br />
vorhanden ist, um so mehr ist die PAK-Bildung<br />
begünstigt. Bei Untersuchungen der PAK-<br />
Belastung in Böden wurden <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong><br />
<strong>2002</strong> die allerhöchsten PAK-Belastungen in nicht<br />
überfluteten Gärten gefunden, in denen aber häufig<br />
gegrillt wurde (126).<br />
PAK werden hauptsächlich mit der Luft verbreitet.<br />
Aufgrund ihrer außerordentlich geringen Flüchtigkeit<br />
ist ihre Verbreitung an das Vorkommen von<br />
Partikeln wie Staub, Ruß und Pollen gebunden. Sie<br />
sind in der Umwelt weit verbreitet. Sie wurden in<br />
der Luft von Städten und Industriegebieten, im<br />
Abwasser, Klärschlamm und Kompost sowie in<br />
Oberflächengewässern, Bodenproben, Sedimenten<br />
und verschiedenen Nahrungsmitteln <strong>nach</strong>gewiesen.<br />
Es gibt vergleichsweise hohe PAK-Gehalte in den<br />
Sedimenten der Tschechischen Republik, die niedrigsten<br />
Gehalte treten in den Sedimenten der Tideelbe<br />
auf. Die höchsten Gehalte wurden in einem<br />
Sportboothafen bei Lostau ermittelt, wobei diese<br />
Konzentrationen von lokaler Bedeutung sind und<br />
möglicherweise durch alte Ablagerungen des<br />
Kokereistandortes Magdeburg-Rothensee, die<br />
durch das <strong>Hochwasser</strong> <strong>2002</strong> freigelegt wurden,<br />
bedingt sind. Die Darstellung der zeitlichen Belastungsentwicklung<br />
von Fluoranthen an den Messstellen<br />
in Schmilka (hier werden Schadstoffe<br />
gemessen, die aus der Tschechischen Republik<br />
stammen), der Mulde und Magdeburg erfolgt in<br />
Abb. 4-5. Es ist ersichtlich, dass im langjährigen<br />
Trend an den Messstellen vergleichbare Fluoranthengehalte<br />
auftreten. In den Jahren 2000 und 2001<br />
sind an der Mulde deutlich höhere Konzentrationen<br />
ermittelt worden als an den anderen Stationen. Im<br />
Jahr <strong>2002</strong> liegen allerdings die Gehalte an der<br />
Mulde deutlich unter denen bei Schmilka und Mag-<br />
39<br />
ausgewählte PAK, mg/kg<br />
50<br />
40<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
CZ | D<br />
Fluoranthen<br />
Benzo(a)pyren<br />
0<br />
-364 -200 0 200 400 600 800<br />
deburg. An der Staatsgrenze in Schmilka ist zu<br />
erkennen, dass <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> Extremereignis <strong>2002</strong><br />
(rote Linie in Abb. 4-4) deutlich höhere Fluoranthen-Gehalte<br />
aufgetreten sind als im langjährigen<br />
Trend (schwarze Linie in Abb. 4-5). Dies ist als<br />
Indiz dafür zu werten, dass das <strong>Hochwasser</strong> <strong>2002</strong><br />
kurzfristig zusätzliche PAK-Quellen mobilisiert hat.<br />
Ein anderes Längsprofil der Sedimentbelastung<br />
<strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong> <strong>2002</strong> ergibt sich bezüglich<br />
der Polychlorierten Biphenyle (PCB, Abb. 4-6 auf<br />
Seite 41). Hier wird die besondere Betroffenheit der<br />
Standorte in der Tschechischen Republik offenkundig.<br />
Dabei entspricht die vorgefundene Belastungshöhe<br />
während und <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong> im Jahr<br />
<strong>2002</strong>, sowohl an der Deutsch-Tschechischen<br />
Grenze (Messstation Schmilka) als auch an der<br />
Mulde und in Magdeburg der Belastungssituation<br />
im langjährigen Trend (Abb. 4-7).<br />
Mulde<br />
Lostau<br />
<strong>Elbe</strong>-km<br />
Abb. 4-4 Benzo(a)pyren und Fluoranthen in Oberflächensedimenten<br />
der <strong>Elbe</strong> im Längsprofil von der Tschechischen<br />
Republik bis zur Nordsee, September <strong>2002</strong><br />
(148).<br />
Fluoranthen, mg/kg<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Schmilka<br />
Dessau (Mulde)<br />
Magdeburg<br />
1996 1997 1998 1999 2000 2001 <strong>2002</strong> 2003<br />
Abb. 4-5 Zeitliche Belastungsentwicklung von Fluoranthen<br />
in der <strong>Elbe</strong> bei Schmilka und Magdeburg, und in<br />
der Mulde bei Dessau (Daten 18).
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 4SCHADSTOFFE IM SCHLAMM<br />
Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK)<br />
PAK sind als Dauergift weit verbreitet, sie sind<br />
schwer abbaubar und kaum in Wasser löslich. PAK<br />
besitzen einen dumpf-muffigen Geruch, der oftmals<br />
belästigend wirkt. Zahlreiche Verbindungen sind<br />
krebserzeugend.<br />
Die Aufnahme der Stoffe erfolgt durch die Atmung<br />
der belasteten Luft über die Lunge, wobei Autoabgase<br />
und Tabakrauch für die allgemeine Bevölkerung<br />
am bedeutendsten sind. Die Aufnahme kann<br />
aber auch durch die Nahrung und das Trinkwasser<br />
sowie durch die Haut geschehen. Die den kleinsten<br />
Rußteilchen in der Luft anhaftenden PAK können<br />
bis in die Alveolen der Lunge vordringen. Es<br />
besteht die Möglichkeit, dass sie über die Lunge in<br />
die Blutbahn und Lymphwege gelangen, und von<br />
dort zu weiteren Organen transportiert werden. In<br />
der Lunge selbst bzw. an anderen Orten im Körper<br />
können sie dann chemisch umgewandelt werden.<br />
Erst durch diese Umwandlung (Metabolisierung)<br />
entstehen aus den PAK die eigentlichen krebserzeugenden<br />
Stoffe (70).<br />
Bei einer durchschnittlichen inhalativen Aufnahme<br />
des Benzo(a)pyrens (der Leitsubstanz) von 9 ng<br />
bzw. 37 ng eines Nichtrauchers im ländlichen bzw.<br />
Ballungsgebiet ergibt sich ein Risiko von 1 : 25.000<br />
bzw. 1 : 6.000 an Bronchialkrebs oder Lungenkrebs<br />
zu erkranken. Bei einem Raucher, der 20 Zigaretten<br />
pro Tag verbraucht und somit etwa 400 ng des<br />
Schadstoffs zusätzlich aufnimmt, steigt das Krebsrisiko<br />
dramatisch an.<br />
Über die Luft und den Boden gelangen die Schadstoffe<br />
auf zahlreiche Lebensmittel, insbesondere<br />
auf Blattgemüse und Obst sowie ins Trinkwasser.<br />
Die höchsten PAK-Gehalte befinden sich jedoch in<br />
Räucherwaren (86) und ggf. auf Grillgut. Da man<br />
gewöhnlich mehr Gemüse als geräucherte Lebensmittel<br />
zu sich nimmt, kann die PAK-Aufnahme über<br />
Gemüse die größere Rolle spielen. Bei kontinuierlicher<br />
Aufnahme kann Benzo(a)pyren in bestimmter<br />
PCB stellen eine Gruppe von über 200 Organochlorverbindungen<br />
dar, die in ihrer Grundstruktur<br />
zwar sehr ähnlich sind, sich aber durch die Anzahl<br />
und Stellung der Chloratome am Biphenylring<br />
unterscheiden. Damit gehen sehr unterschiedliche<br />
Eigenschaften einher. So nimmt die Wasserlöslichkeit<br />
und die Reaktivität mit steigen<strong>dem</strong> Chlorierungsrad<br />
ab, während gleichzeitig die Fettlöslichkeit<br />
und die Anreicherungstendenz im Organismus<br />
zunimmt. Handelsprodukte stellten meist Gemische<br />
unterschiedlicher PCB dar, deren Chlorgehalt zwischen<br />
30-60% liegt (65).<br />
Dosis zu Magen-/Darmkrebs bzw. Blasenkrebs führen.<br />
Auch <strong>nach</strong> intensivem Hautkontakt mit PAK-Gemischen<br />
wurden beim Menschen kanzerogene Wirkungen<br />
beobachtet. So wird das stark krebserregende<br />
Benzo(a)pyren für verschiedene Berufskrankheiten<br />
wie den Hautkrebs bei<br />
Schornsteinfegern verantwortlich gemacht (85).<br />
Wichtige Grenzwerte:<br />
Boden (25)<br />
• Prüfwerte für Benzo(a)pyren für den Transferpfad<br />
Boden-Mensch-Direktaufnahme: Kinderspielflächen<br />
2 mg/kg, Wohngebiete 4 mg/kg, Park- und<br />
Freizeitanlagen 10 mg/kg, Industrie- und Gewerbegrundstücke<br />
12 mg/kg.<br />
• Prüfwert für Benzo(a)pyren für den Transferpfad<br />
Boden-Nutzpflanze bei Ackerbau und Nutzgärten<br />
im Hinblick auf die Pflanzenqualität 1 mg/kg.<br />
• Prüfwert für die Summe der PAK ohne Naphthalin<br />
und Methylnaphthalin für den Transferpfad<br />
Boden-Grundwasser 0,2 µg/l.<br />
Trinkwasser (40):<br />
Summe der PAK 0,1 µg/l; Benzo(a)pyren 0,01 µg/l.<br />
Futtermittel (52): -<br />
Lebensmittel (159): Höchstmengen für Benzo(a)pyren:<br />
Geräuchertes Fleisch 5 µg/kg; Muskelfleisch<br />
von geräuchertem Fisch 5 µg/kg, Muskelfleisch von<br />
anderem Fisch 2 µg/kg.<br />
Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):<br />
Der MAK-Wert in Deutschland für Benzo(a)pyren in<br />
der Luft wurde mit 0,005 mg/m³ für die Strangpechherstellung<br />
und den Ofenbereich von Kokereien<br />
sowie für übrige Arbeitsplätze mit 0,002 mg/m³ festgelegt.<br />
In der Bundesrepublik Deutschland wurden etwa<br />
seit 1930 rund 23.000 Tonnen Polychlorierte Biphenyle<br />
(PCB) in "offenen Systemen", d.h. umweltzugänglich,<br />
eingesetzt (Schmiermittel in Getriebeölen<br />
und Schraubenfetten, in Imprägnier- und<br />
Flammschutzmitteln, in Klebstoffen und als Weichmacher<br />
in Dichtungsmassen und Fugenkitten). Es<br />
ist davon auszugehen, dass diese größtenteils in<br />
die Umwelt entweichen konnten. Seit 1978<br />
beschränkt die Bundesrepublik Deutschland die<br />
PCB-Anwendung ausschließlich auf "geschlossene<br />
Systeme" wie Transformatoren, Hydrauliköle und<br />
40
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
PCB, µg/kg<br />
Kondensatoren. Seit 1983 ist die Herstellung von<br />
PCB in Deutschland vollständig eingestellt; seit<br />
1989 dürfen in Deutschland auch keine PCB-haltigen<br />
Stoffe mehr in den Verkehr gebracht oder verwendet<br />
werden.<br />
Trotz<strong>dem</strong> bleibt ein weiterer PCB-Eintrag nicht ausgeschlossen,<br />
da große Anteile der PCB in "offenen"<br />
und "geschlossenen Systemen" noch vorhanden<br />
sind und eine Emission aus diesen Quellen durch<br />
langsamen Zerfall und Freisetzung (Hausmüllverbrennung,<br />
Mülldeponien, nicht sachgemäße Entsorgung)<br />
nur schwer verhindert werden kann (69).<br />
Während die Darstellung der PAK und PCB-<br />
Gehalte von Schlämmen die besondere Belastungssituation<br />
in der Tschechischen Republik verdeutlichen,<br />
zeigt das Längsprofil der Organozinnverbindungen,<br />
dass die Mulde, insbesondere der<br />
41<br />
300<br />
250<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
Moldau<br />
CZ | D<br />
0<br />
-364 -200 0 200 400 600 800<br />
Mulde<br />
<strong>Elbe</strong>-km<br />
Abb. 4-6 Polychlorierte Biphenyle in Oberflächensedimenten<br />
der <strong>Elbe</strong> im Längsprofil von der Tschechischen<br />
Republik bis zur Nordsee (September <strong>2002</strong>, Summe<br />
aus 6 PCB; Daten 148).<br />
PCB, µg/kg<br />
900<br />
800<br />
700<br />
600<br />
500<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
0<br />
Schmilka<br />
Dessau (Mulde)<br />
Magdeburg<br />
1996 1997 1998 1999 2000 2001 <strong>2002</strong> 2003<br />
Abb. 4-7 Zeitliche Belastungsentwicklung von Polychlorierten<br />
Biphenylen in der <strong>Elbe</strong> bei Schmilka und Magdeburg,<br />
und in der Mulde bei Dessau (Summe aus 6 PCB,<br />
Daten 18).<br />
Organozinnverbindungen, µgSn/kg<br />
Dibutylzinn, µgSn/kg<br />
2600<br />
2400<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
-364 -200 0 200 400 600 800<br />
Abb. 4-8 Organozinnverbindungen in Oberflächensedimenten<br />
der <strong>Elbe</strong> im Längsprofil von der Tschechischen<br />
Republik bis zur Nordsee (September <strong>2002</strong>, MBT:<br />
Monobutylzinn, DBT: Dibutylzinn, TBT: Tributylzinn,<br />
TeBT: Tetrabutylzinn; Daten 148).<br />
1400<br />
1200<br />
1000<br />
800<br />
600<br />
400<br />
200<br />
0<br />
MBT<br />
DBT<br />
TBT<br />
TeBT<br />
CZ | D<br />
Bilina<br />
Schmilka<br />
Dessau (Mulde)<br />
Magdeburg<br />
1996 1997 1998 1999 2000 2001 <strong>2002</strong> 2003<br />
Abb. 4-9 Zeitliche Belastungsentwicklung von Dibutylzinn<br />
in der <strong>Elbe</strong> bei Schmilka und Magdeburg, und in<br />
der Mulde bei Dessau (Daten 18).<br />
Industriepark Bitterfeld-Wolfen und seine Altablagerungen,<br />
eine bedeutsame Schadstoffquelle für die<br />
<strong>Elbe</strong> darstellen. Darüber hinaus ist erkennbar, dass<br />
höchste Belastungen mit Tributylzinn (TBT) im<br />
Hamburger Hafen auftreten.<br />
Tributylzinn wird <strong>nach</strong> wie vor in Antifoulinganstrichen<br />
an Schiffsrümpfen aufgetragen. TBT unterbindet<br />
das Wachstum von Süß- und Seewasserorganismen<br />
auf der Schiffshaut und ermöglicht damit<br />
den Schiffen eine schnellere Fahrt. Monobutyl- und<br />
Dibutylzinnverbindungen sind u.a. Abbauprodukte<br />
des Tributylzinns. Tetrabutylzinn ist die Ausgangssubstanz<br />
für die Tributylzinnherstellung. Die hohen<br />
Gehalte in der mittleren <strong>Elbe</strong> unterstromig der Mul<strong>dem</strong>ündung<br />
stammen aus der ehemaligen Antifouling-Produktion<br />
in Bitterfeld-Wolfen, die bis heute in<br />
den Sedimenten von Mulde und <strong>Elbe</strong> <strong>nach</strong>weisbar<br />
ist (Abb. 4-8).<br />
Mulde<br />
<strong>Elbe</strong>-km<br />
HH-Hafen
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 4SCHADSTOFFE IM SCHLAMM<br />
Polychlorierte Biphenyle (PCB)<br />
Die Toxizität von PCB wurde erstmals 1968 bei<br />
einem Unglücksfall in Japan deutlich, bei <strong>dem</strong> PCB<br />
aus einer undichten Verarbeitungsanlage in Reisöl<br />
gelangten und Massenvergiftungen bei über 1500<br />
Menschen auslöste. Dieser Unglücksfall, der als<br />
"Yusho-Krankheit" in die Geschichte einging, rüttelte<br />
erstmals die Öffentlichkeit hinsichtlich der<br />
PCB-Problematik wach (88). Es wurden Symptome,<br />
wie Lidschwellungen, Chlorakne, Hautverfärbungen,<br />
Sehstörungen sowie Schwäche und<br />
Müdigkeit festgestellt. Im weiteren Verlauf kamen<br />
Blindheit, Gelbsucht, Diarrhoe, Veränderungen des<br />
Menstruationszyklus (92), Kopfschmerz und Haarausfall<br />
u.a. hinzu. Bei einer chronischen Belastung<br />
durch PCB stehen Enzyminduktion, reproduktions-,<br />
neuro- und immuntoxische Effekte im Vordergrund<br />
(82). Die WHO hält die Humankanzerogenität der<br />
PCB für begrenzt bewiesen und sieht die Kanzerogenität<br />
in Tieren als belegt an. Die Aufnahme<br />
erfolgt in erster Linie über die Nahrung. Der größte<br />
Anteil wird im Fettgewebe deponiert. PCB können<br />
darüber hinaus die Placenta-Schranke passieren,<br />
so dass der Fötus sowie der durch Muttermilch<br />
gestillte Säugling höher belastet sind als die Mutter.<br />
Hinsichtlich ihrer enzymatischen Wirkung spielen<br />
die koplanaren PCB eine besondere Rolle. Sie<br />
ähneln in ihrer Molekülstruktur <strong>dem</strong> "Seveso-<br />
Dioxin" und werden in der Infobox der Dioxine<br />
behandelt.<br />
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat eine<br />
Höchstmenge für die tägliche Aufnahme von PCB<br />
erarbeitet, den ADI-Wert (Acceptable Daily Intake).<br />
Dieser Wert wird mit Tierversuchen erarbeitet,<br />
in<strong>dem</strong> die maximale Schadstoffdosis, die das Tier<br />
ohne erkennbare Wirkung absorbieren kann, ermittelt<br />
wird. Dieser Wert heißt NOEL-Wert (No Observed<br />
Effect Level) und beträgt 16 µg/kg Körpergewicht<br />
(als Testorganismus dienten Rhesusaffen).<br />
Aus diesem Wert wurde unter der Annahme eines<br />
Sicherheitsfaktors von 16 ein ADI-Wert für den<br />
Menschen entwickelt, der bei 1 µg/kg Körpergewicht<br />
liegt (83). Die annehmbare Tagesdosis für<br />
einen 70 kg schweren Erwachsenen beträgt <strong>dem</strong><strong>nach</strong><br />
70 µg PCB. Bei maximalen PCB-Konzentrationen<br />
von über 200 µg/kg im Schlamm bedeutet<br />
dies, dass ca. 300 g Schlamm die annehmbare<br />
Tagesdosis enthielten.<br />
Wichtige Grenzwerte:<br />
Anmerkung: die hier aufgezeigten Werte gelten für<br />
sogenannte Leit-oder auch Indikatorkongenere der<br />
Polychlorierten Biphenyle (PCB), nicht für die<br />
dioxinähnlichen PCB.<br />
Boden (25):<br />
• Prüfwerte für PCB* für den Transferpfad Boden-<br />
Mensch-Direktaufnahme: Kinderspielflächen 0,4<br />
mg/kg, Wohngebiete 0,8 mg/kg, Park- und Freizeitanlagen<br />
2 mg/kg, Industrie- und Gewerbegrundstücke<br />
40 mg/kg.<br />
• Maßnahmenwert für PCB* für den Transferpfad<br />
Boden-Nutzpflanze bei Grünlandflächen im Hinblick<br />
auf die Pflanzenqualität 0,2 mg/kg.<br />
• Prüfwert für PCB gesamt für den Transferpfad<br />
Boden-Grundwasser 0,05 µg/l.<br />
*Werden PCB-Gesamtgehalte ermittelt, sind diese<br />
durch den Faktor 5 zu dividieren, da sich die Werte<br />
der Bodenschutzverordnung lediglich auf sechs<br />
spezifische PCB beziehen.<br />
Trinkwasser (40): -<br />
Futtermittel (52): -<br />
Lebensmittel (135): Für die PCB Nr. 28, 52, 101<br />
und 180 (IUPAC-Nummer, Systematische Nummerierung<br />
der PCB-Komponenten <strong>nach</strong> den Regeln<br />
der Internationalen Union für reine und angewandte<br />
Chemie) gelten: Fleisch (1) vom Kalb, Pferd,<br />
Kaninchen, Hähnchen, Puten und Federwild sowie<br />
Haarwild mit Ausnahme von Wildschweinen; sonstiges<br />
Fleisch von warmblütigen Schlachttieren und<br />
Wildschweinen mit einem Fettgehalt bis 10%:<br />
0,008 mg/kg. Fleisch (2) von warmblütigen<br />
Schlachttieren mit einem Fettgehalt von >10%:<br />
0,08 mg/kg, wobei sich die Höchstmenge auf die<br />
Analyse des Fettes bezieht. Süßwasserfisch: 0,2<br />
mg/kg, der Wert bezieht sich auf die essbaren<br />
Teile. Seefisch: 0,08 mg/kg. Milch: 0,04 mg/kg, der<br />
Wert gilt für das in der Milch enthaltene Fett. Eier:<br />
0,02 mg/kg. Der Wert gilt für Eier ohne Schale. Für<br />
die PCB 138 und 153 gelten folgende Werte:<br />
Fleisch (1): 0,01 mg/kg, Fleisch (2): 0,1 mg/kg,<br />
Süßwasserfisch: 0,3 mg/kg, Seefisch: 0,1 mg/kg,<br />
Milch: 0,05 mg/kg, Eier: 0,02 mg/kg.<br />
Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):<br />
Der MAK-Wert in Deutschland für PCB mit einem<br />
Chlorgehalt von bis zu 42% in der Luft wurde mit 1<br />
mg/m³ ,für PCB mit einem Chlorgehalt von bis zu<br />
54% mit 0,5 mg/m³ festgelegt.<br />
42
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Organozinnverbindungen<br />
Tributylzinn (TBT) gilt als Leitverbindung der Organozinnverbindungen.<br />
Tierexperimentelle Untersuchungen<br />
zeigten Wirkungen von TBT auf Leber,<br />
Nieren, Nerven- und Blutsystem. Außer<strong>dem</strong> gilt es<br />
als endokrin wirksame Substanz, d.h. sie kann das<br />
Hormonsystem beeinflussen. Sie ist die einzige<br />
Substanz, die androgen, d.h. vermännlichend wirkt<br />
(72). Beim Menschen stehen allerdings die Wirkungen<br />
auf das Immunsystem im Vordergrund. Der<br />
diesbezügliche NOEL-Wert (no observed effect<br />
level), also die Schadstoffmenge, die noch keine<br />
Wirkung im Organismus zeigt (ermittelt an Ratten),<br />
liegt bei 0,025 mg/kg Körpergewicht (71). Von der<br />
Weltgesundheitsorganisation wurde eine tolerierbare<br />
tägliche Aufnahme (TDI, Tolerable Daily<br />
Intake) von 0,00025 mg/kg (=0,25 µg/kg) Körpergewicht<br />
formuliert. Für ein 30 kg schweres Kind<br />
bedeutet dies eine tolerierbare tägliche Aufnahme<br />
von 7,5 µg Tributylzinn bzw. 3 µg Zinn aus<br />
TBT.<br />
TBT wird im Menschen (und anderen Säugetieren)<br />
zu Dibutyl- und Monobutylzinn-Verbindungen<br />
umgewandelt. Dibutylzinn wird eine <strong>dem</strong> Tributylzinn<br />
ähnliche Wirkung <strong>nach</strong>gesagt, bei Monobutylzinn<br />
spielt die Immuntoxizität nur eine untergeordnete<br />
Rolle.<br />
Bei Konzentrationen von über 500 µg/kg Zinn aus<br />
Tri- und Monobutylzinn, wie sie beispielsweise<br />
gleich <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong> an der Mulde und der<br />
unterstromigen <strong>Elbe</strong> auftraten, enthalten ca. 5 g<br />
Schlamm (also ca. ein kräftiger Schluck) die täglich<br />
tolerierbare Organozinnmenge. Bei dermaler Aufnahme<br />
werden TBT-Verbindungen als nur moderat<br />
toxisch eingestuft. Bei Dockarbeitern wurden <strong>nach</strong><br />
Exposition mit TBT- haltigen Dämpfen und Stäuben<br />
Hautirritationen, Schwindel, Atemschwierigkeiten<br />
und grippeähnliche Symptome beobachtet. Augenund<br />
nasale Schleimhautreizungen können ebenfalls<br />
auftreten.<br />
Rund 80 Prozent der weltweiten Produktion von<br />
TBT wird in Schiffsanstrichen verwendet. Allein in<br />
der Nordsee werden jährlich durch die Schifffahrt<br />
90 bis 100 Tonnen TBT freigesetzt, das sich besonders<br />
in Sedimenten anreichert. Für Boote unter<br />
25 m Länge ist die Anwendung in Deutschland seit<br />
1989 verboten. EU weit ist seit 2003 der Verkauf<br />
und die Anwendung von TBT untersagt.<br />
Darüber hinaus dienen Organozinnverbindungen in<br />
steigen<strong>dem</strong> Maße als Stabilisatoren für Kunststoffe.<br />
Sie werden außer<strong>dem</strong> in textilen Produkten wie<br />
Teppichen und Kleidung eingesetzt, in denen die<br />
43<br />
Die androgene Wirkung des TBT wurde bereits<br />
angesprochen. Sie wurde vor allem an Wasserschnecken<br />
beobachtet und erforscht (5). Die Wirkungsweise<br />
des TBT basiert auf einer Blockierung<br />
der Östrogen- und einer Erhöhung der Testosteronproduktion,<br />
was bei vielen Tierarten zu Missbildungen<br />
führt und das Aussterben von ganzen Populationen<br />
mit noch unvorhersehbaren Konsequenzen<br />
für das Ökosystem zur Folge haben kann. Entlang<br />
der Schiffsrouten der Nordsee starben Meeresschnecken<br />
aus, da nur noch Tiere mit männlichen<br />
Geschlechtsmerkmalen vorkamen. Im Kieler Olympiahafen<br />
sind laut einer Studie der Universität Münster<br />
mittlerweile fast alle Weibchen der dort lebenden<br />
Strandschnecke unfruchtbar (72).<br />
Beim Nachweis von Schädigungen steht die Forschung<br />
zum großen Teil noch am Anfang, bei Wasserlebewesen<br />
allerdings wurden bereits deutliche<br />
Veränderungen <strong>nach</strong>gewiesen. Um den derzeitigen<br />
Wissensstand zusammenzufassen, erstellte das<br />
Institut für Toxikologie der Christian-Albrechts-Universität<br />
Kiel im Auftrag des Umweltbundesamtes<br />
eine Literaturstudie über "Substanzen mit endokriner<br />
Wirkung in Oberflächengewässern". Diese Studie<br />
kann auch beim Umweltbundesamt bestellt<br />
werden (www.uba.de).<br />
Wichtige Grenzwerte:<br />
Boden (25): -<br />
Trinkwasser (40): -<br />
Futtermittel (52): -<br />
Lebensmittel: -<br />
Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):<br />
Der MAK-Wert in Deutschland für Tributylzinn in<br />
der Luft wurde mit 0,05 mg/m³ festgelegt.<br />
Chemikalien durch ihre "antibakteriellen Eigenschaften"<br />
der Geruchsbildung entgegen wirken sollen.<br />
Außer<strong>dem</strong> wird TBT als Desinfektions- und<br />
pilzabtötendes Mittel in Leder, Papier und Holz verwendet.<br />
Auch in industriellen Wassersystemen wie<br />
Kühltürmen wird TBT verwendet. Das TBT-ähnliche<br />
Triphenylzinn (TPhT) ist zu<strong>dem</strong> Bestandteil in einigen<br />
Bioziden.<br />
Aber zurück zur <strong>Elbe</strong>: Auch die Betrachtung der<br />
zeitlichen Belastungsentwicklung, hier am Beispiel<br />
des Dibutylzinns (Abb. 4-9), verdeutlicht die herausragende<br />
Bedeutung der Mulde für die Bela-
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 4SCHADSTOFFE IM SCHLAMM<br />
Dioxine/Furane, WHO-TEQ, ng/kg<br />
160<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
Safe Sediment Value<br />
CZ | D<br />
Bilina<br />
0<br />
-364 -200 0 200<br />
<strong>Elbe</strong>-km<br />
400 600 800<br />
Abb. 4-10 Verteilung der Dioxin- und Furan-Toxizitätsäquivalente<br />
in Oberflächensedimenten der <strong>Elbe</strong> im Längsprofil<br />
von der Tschechischen Republik bis zur Nordsee<br />
(September <strong>2002</strong>; Daten 148).<br />
stung der Elbsedimente. Die Entwicklung der Sedimentqualität<br />
in der Mulde, wirkt sich unterstromig<br />
auch in Magdeburg aus, in<strong>dem</strong> die Dibutylzinngehalte<br />
seit den 1990er Jahren sinken. Die Gehalte in<br />
den <strong>Elbe</strong>sedimenten sind erwartungsgemäß niedriger<br />
als in der Mulde, werden sie ja durch nahezu<br />
organozinnfreie Schwebstoffe aus <strong>dem</strong> oberstromigen<br />
Elbabschnitt verdünnt (Ausnahme Hamburger<br />
Hafen).<br />
Die hohen Organozinnbefunde in den Schlämmen<br />
des Augusthochwassers <strong>2002</strong> finden jedoch nicht<br />
ihren Niederschlag in den Befunden der langjährigen<br />
Trendentwicklung (Abb. 4-9).<br />
Ein den Organozinnverbindungen vergleichbares<br />
Längsprofil zeigen die Dioxinbelastungen (Abb. 4-<br />
10). Bei der Darstellung der Dioxinbelastung werden<br />
nicht, wie bei anderen Schadstoffen, normale<br />
Konzentrationsangaben vorgenommen. Die Belastung<br />
wird in Toxizitätsäquivalenten ausgedrückt<br />
(siehe Box Dioxine, Furane und dioxinähnliche<br />
PCBs).<br />
Das Längsprofil zeigt eindeutig die Mulde als<br />
bedeutende Quelle für die <strong>Elbe</strong>. Dabei ist bekannt,<br />
dass auch in der Tschechischen Republik potenzielle<br />
Emittenten für Dioxine oder dioxinähnliche<br />
Substanzen vorhanden sind. In den Medien wurde<br />
während des <strong>Hochwasser</strong>s z.B. die Spolchemie in<br />
Neratovice als gefährlicher Ort bewertet. Diese<br />
Dioxine sind jedoch während des Extremhochwassers<br />
entweder in einem sehr hohen Maße durch<br />
unbelastetes Sediment verdünnt worden, oder sie<br />
haben, eher wahrscheinlich, das Betriebsgelände<br />
gar nicht erst verlassen. Messungen ergaben keine<br />
erhöhten Werte in der Oberen <strong>Elbe</strong>.<br />
Mulde<br />
Leider sind für Dioxine keine lückenlosen Zeitreihen<br />
aus der jüngeren Vergangenheit (10 Jahre)<br />
verfügbar, aus denen ein Trend ablesbar wäre. Es<br />
ist aber bekannt, dass die Dioxinbelastungen in der<br />
<strong>Elbe</strong> vor ca. 50 Jahren um ein Vielfaches höher<br />
gelegen haben müssen (49). Dies ist allerdings<br />
kein Grund zur Entwarnung, denn unterstromig des<br />
Muldezuflusses wird, mit Ausnahme der durch<br />
marine Sedimente beeinflussten <strong>Elbe</strong>mündung in<br />
die Nordsee, der Safe Sediment Value (46) für<br />
Fische und Seevögel überschritten.<br />
4.3 Welche Bedeutung haben die<br />
Belastungen im Schlamm für Mensch<br />
und Tier?<br />
Im vorhergehenden Abschnitt 4.2 wurde dargestellt,<br />
dass es keine einheitlich Belastung des<br />
Schlammes gibt, weder räumlich noch zeitlich. Darüber<br />
hinaus steht fest, dass es keine verbindlichen<br />
Grenzwerte für Schadstoffe im Hinblick auf den<br />
Transferpfad "Hautkontakt im <strong>Hochwasser</strong>fall" mit<br />
belasteten Schlämmen gibt. In diesem Zusammenhang<br />
muss angemerkt werden, dass es während<br />
des <strong>Hochwasser</strong>s nicht in je<strong>dem</strong> Fall zu einer Erhöhung<br />
der Schadstoffgehalte im Schwebstoff und<br />
Schlamm gekommen ist. In Magdeburg wurden in<br />
der zweiten Augusthälfte <strong>2002</strong> Verdünnungseffekte,<br />
also niedrigere Schadstoffgehalte beispielsweise<br />
für Quecksilber, PAKs und PCBs gemessen.<br />
Höhere Stoffkonzentrationen wurden dagegen für<br />
Arsen, Blei und HCH-Verbindungen gefunden (7).<br />
Es ist davon auszugehen, dass der kurzzeitige<br />
Kontakt mit belastetem Schlamm keine <strong>nach</strong>haltigen<br />
Folgen hat. Anders sieht es beispielsweise mit<br />
Organismen aus, deren Lebensraum vom<br />
Schlamm geprägt ist, bzw. deren Lebensraum mit<br />
<strong>dem</strong> Schlamm im Stoffaustausch steht.<br />
Daher gibt es auch von der Internationalen Kommission<br />
zum Schutz der <strong>Elbe</strong> (IKSE) Zielvorgaben<br />
zur Beurteilung der Gewässergüte hinsichtlich der<br />
in ihnen vorkommenden Lebensgemeinschaften.<br />
Des Weiteren wurden Zielvorgaben für Sedimente<br />
formuliert, die eine landwirtschaftliche Verwendung<br />
finden können. Tab. 4-1 enthält die Zielvorgaben<br />
der IKSE für Sedimente bezüglich der Schutzgüter<br />
"Aquatische Lebensgemeinschaft" und "Landwirtschaftliche<br />
Verwertung" und stellt sie den gemessenen<br />
Sedimentqualitäten der Jahre 2001 und 2003<br />
an den ARGE-<strong>Elbe</strong> Messstationen Schmilka, Dessau<br />
(Mulde) und Magdeburg gegenüber.<br />
Aus Tab. 4-1 wird ersichtlich, dass die Sedimentqualität<br />
auch bei "normaler" Wasserführung als<br />
äußerst unbefriedigend einzustufen ist. Sowohl hinsichtlich<br />
des Schutzgutes "Aquatische Lebensgemeinschaft"<br />
als auch hinsichtlich der "landwirtschaftlichen<br />
Verwertung" ist die Sedimentbelastung<br />
44
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Dioxine, Furane und dioxinähnliche PCBs<br />
Herkunft und Verbreitung: Dioxine und Furane,<br />
genauer gesagt, die polychlorierten Dibenzo-pdioxine<br />
(PCDD) und Dibenzofurane (PCDF) stellen<br />
eine Substanzgruppe dar, die aus 75 bzw. 135 Einzelverbindungen<br />
bestehen. Es handelt sich um<br />
farb- und geruchlose organische Verbindungen, die<br />
aus Kohlenstoff, Chlor und Wasserstoff aufgebaut<br />
sind. Dioxine sind niemals vorsätzlich erzeugt worden,<br />
sondern sie stellen Nebenprodukte chemischer<br />
Reaktionen dar. Dioxine und Furane, der Einfachheit<br />
halber werden sie im Folgenden nur noch<br />
Dioxine genannt, entstehen bei der Herstellung von<br />
Chemikalien, Pestiziden, Anstrichfarben, beim Bleichen<br />
von Zellstoff und Papier mit Hilfe von Chlor<br />
oder auch bei Müllverbrennungsprozessen. Eine<br />
natürliche Quelle sind Waldbrände. Temperaturen<br />
über 300°C und die Anwesenheit von Chlor führen<br />
zur Entstehung von Dioxinen. Bei Temperaturen ab<br />
900°C werden sie wieder zerstört (87). Dioxine liegen<br />
immer als Gemische von Einzelverbindungen<br />
(Kongenere) mit unterschiedlicher Zusammensetzung<br />
vor. Von den insgesamt 210 Dioxinen sind<br />
allerdings nur 17 toxikologisch relevant. Die Leitsubstanz<br />
stellt das "Seveso-Dioxin", das 2,3,7,8<br />
Tetrachlor-Dibenzo-p-Dioxin (2,3,7,8 TCDD) dar,<br />
das 1976 bei einem Chemieunfall in der oberitalienischen<br />
Stadt Seveso in die Umwelt gelangte.<br />
Lediglich 135 g des starken Giftes entwichen und<br />
töteten zahlreiche Tiere, 193 Menschen erlitten<br />
Hautverletzungen. Die 17 toxischen Verbindungen<br />
setzten sich aus 7 Dioxinen und 10 Furanen<br />
zusammen. Nur diese werden zur Beurteilung der<br />
Toxizität herangezogen. Dabei wird die giftige Wirkung<br />
als Toxizitätsäquivalent (TEQ) im Verhältnis<br />
zu der von 2,3,7,8 TCDD ausgedrückt.<br />
Problematisch ist, dass unterschiedliche Faktoren<br />
zur Berechnung der Toxizitätsäquivalente (TEQ)<br />
herangezogen werden. In der Folge gibt es unter-<br />
45<br />
2,3,7,8 Tetrachlor-Dibenzo-p-Dioxin<br />
8<br />
7<br />
Cl<br />
Cl<br />
9<br />
6<br />
O<br />
O<br />
1<br />
4<br />
Cl<br />
Cl<br />
2,3,7,8 Tetrachlor-Dibenzofuran<br />
8<br />
7<br />
Cl<br />
Cl<br />
O<br />
1<br />
4<br />
Cl<br />
Cl<br />
Abb. 4-11 Strukturformel von Dioxinen und Furanen<br />
2<br />
3<br />
2<br />
3<br />
schiedliche Bewertungen für die gleichen Substanzen.<br />
Es gibt die I-TEQ, die international akzeptiert<br />
sind und die auch in der 17. BImSchV und der TA<br />
Luft sowie der BBodSchV verwendet werden. Sie<br />
wurden von der North Atlantic Treaty Organization,<br />
Committee on Challenges of modern Society<br />
(NATO/CCMS) eingeführt. Von diesen weichen die<br />
WHO-TEQ, die Toxizitätsäquivalente der Weltgesundheitsorganisation,<br />
etwas ab. Prinzipiell wurde<br />
in beiden Systemen der giftigsten Substanz, <strong>dem</strong><br />
2,3,7,8 TCDD der Toxizitätsfaktor 1 zugewiesen,<br />
allen anderen Dioxinen, entsprechend ihrer toxikologischen<br />
Bedeutung ein Faktor kleiner als 1. Laut<br />
Umweltbundesamt (87) haben sich die Dioxinemissionen<br />
in die Luft zwischen 1990 und 2000 von<br />
1200 g I-TEQ pro Jahr auf weniger als 70 g I-TEQ<br />
reduziert. Die Metallverarbeitung und die Müllverbrennung<br />
stellen da<strong>nach</strong> die größten Emissionsbereiche<br />
dar. Lahl (2005), aus <strong>dem</strong> Bundesministerium<br />
für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit,<br />
veröffentlicht dagegen für die Jahre 1985 bis<br />
1990 rund 1000 g I-TEQ höhere luftseitige Dioxinemissionen,<br />
die durch die Herstellung chemischer<br />
Produkte begründet sind. Darüber hinaus<br />
beschreibt Lahl, dass im gleichen Zeitraum die gleiche<br />
Größenordnung an Dioxinen in die Gewässer<br />
emittiert worden sind (102).<br />
Im Gegensatz zu den Dioxinen, sind die Polychlorierten<br />
Biphenyle synthetisierte, d.h. absichtlich<br />
hergestellte Produkte (siehe Infobox PCBs). Sie<br />
wurden durch die Chlorierung von Biphenylen hergestellt<br />
und einige von ihnen, die dioxinähnlichen<br />
PCB, sind besonders giftig. Von den insgesamt 209<br />
PCB sind es 12, die mit <strong>dem</strong> Dioxin vergleichbare<br />
Eigenschaften aufweisen. Auch ihnen wurden von<br />
der WHO Toxizitätsfaktoren zugeordnet (22).<br />
Die in den Feinsedimenten der <strong>Elbe</strong> vorgefundenen<br />
Dioxine und Furane zeigen ein typisches Kongenerenmuster<br />
der metallverarbeitenden Industrie. Götz<br />
et al. (56) verweisen auf die Ähnlichkeit der Kongenerenzusammensetzung<br />
zum Kieselrot, einer Altlast<br />
der Kupfergewinnung und der Magnesiumproduktion,<br />
wie sie im Bitterfelder Raum und in Staßfurt<br />
an der Bode erfolgte.<br />
4´<br />
Cl<br />
2,4,4` Trichlorbiphenyl<br />
3´<br />
5´<br />
2´<br />
6´<br />
2<br />
Cl<br />
6<br />
3<br />
5<br />
Cl<br />
Abb. 4-12 Strukturformel eines Polychlorierten Biphenyls<br />
4
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 4SCHADSTOFFE IM SCHLAMM<br />
Aufnahme und humantoxische Wirkweise:<br />
Dioxine sind praktisch wasserunlöslich, jedoch sehr<br />
gut fettlöslich. Dies wiederum bedeutet, dass sie<br />
mit <strong>dem</strong> Sediment und mit organischen Stoffen in<br />
der Umwelt Bindungen eingehen und im tierischen<br />
und menschlichen Fettgewebe angereichert werden.<br />
Die Bioakkumulation der PCB übersteigt dabei<br />
diejenige der Dioxine. Da sie in der Umwelt nur<br />
sehr langsam abgebaut werden (sie gehören zu<br />
den POPs: Persistent Organic Pollutants), reichern<br />
sie sich in der Nahrungskette an.<br />
Die Aufnahme der Dioxine geschieht im Wesentlichen<br />
über den Verzehr von dioxinhaltigen Lebensmitteln.<br />
Die größten Dioxinmengen nehmen wir<br />
über den Verzehr von Fleisch und Milch zu uns.<br />
Auch wenn die Konzentrationen in fetthaltigen<br />
Fischen deutlich höher sind, Fischprodukte werden<br />
in Deutschland im Allgemeinen weniger konsumiert.<br />
Die Halbwertszeit des 2,3,7,8 TCDD beträgt<br />
im menschlichen Fettgewebe 7 Jahre, andere<br />
Dioxine werden wesentlich langsamer abgebaut<br />
(längste Halbwertszeit: 20 Jahre bei 2,3,4,7,8 Pentachlordibenzofuran).<br />
Da Dioxine die Plazentaschranke<br />
überwinden, ist bereits der Fötus <strong>dem</strong><br />
Schadstoff ausgesetzt. Auch das Stillen von Säuglingen<br />
mit fettreicher Muttermilch führt zu einer<br />
bedeutenden Dioxinaufnahme des Kindes. Nach<br />
wie vor wird aber das Stillen auch von der Weltgesundheitsorganisation<br />
aufgrund der überwiegenden<br />
positiven Wirkungen empfohlen. Aufgrund<br />
unterschiedlicher Essgewohnheiten nehmen Kinder,<br />
sie konsumieren z.B. deutlich mehr Milchprodukte,<br />
mehr Dioxine auf als Erwachsene.<br />
Ein Erwachsener nimmt in Deutschland täglich<br />
durch Dioxine und dioxinähnliche PCBs ca. 2 pg<br />
(ein Pikogramm = ein Billionstel Gramm) WHO-<br />
TEQ pro Kilogramm Körpergewicht auf (87). Die<br />
von der WHO formulierte tolerierbare tägliche Aufnahme<br />
liegt zwischen 1 bis 4 pg WHO-TEQ pro<br />
Kilogramm Körpergewicht, wobei aus Vorsorgegründen<br />
ein Wert unter 1 pg WHO-TEQ angestrebt<br />
werden soll.<br />
Bei einer durchschnittlichen Dioxinbelastung von<br />
50 ng/kg WHO-TEQ = 50.000 pg/kg WHO-TEQ des<br />
Sedimentes, wäre bereits in 1 Gramm Schlamm die<br />
täglich akzeptable Dioxinmenge für einen 70 kg<br />
schweren Erwachsenen enthalten.<br />
Eine akute Toxizität ist nur bei sehr hoher Schadstoffaufnahme,<br />
wie im Vergiftungsfall, zu erwarten.<br />
Die humankarzinogene Wirkung von 2,3,7,8 TCDD<br />
ist bekannt. Bei Tierversuchen wurden auch fruchtschädigende,<br />
Entwicklungs- und neurologisch<br />
bedingte Verhaltensstörungen, Wirkungen auf Entwicklung,<br />
Reproduktion, den Enzymhaushalt sowie<br />
immunotoxische Reaktionen beobachtet. Außer<strong>dem</strong><br />
können Dioxine Chlorakne verursachen.<br />
In Seveso hat sich <strong>nach</strong> der Katastrophe das<br />
Geschlechterverhältnis bei den Geburten verschoben.<br />
Männer, die zum Zeitpunkt der Dioxinkatastrophe<br />
noch jung waren, zeugten mehr Mädchen (87).<br />
Wichtige Grenzwerte:<br />
Boden (25):<br />
• Maßnahmenwerte für Dioxine/Furane in I-TEQ<br />
(<strong>nach</strong> NATO/CCMS) für den Transferpfad Boden-<br />
Mensch-Direktaufnahme: Kinderspielflächen<br />
100 ng/kg, Wohngebiete 1.000 ng/kg, Park- und<br />
Freizeitanlagen 1.000 ng/kg, Industrie- und<br />
Gewerbegrundstücke 10.000 ng/kg. Anmerkung:<br />
Beim Vorliegen dioxinhaltiger Laugenrückstände<br />
aus Kupferschiefer (Kieselrot) erfolgt eine Anwendung<br />
der Maßnahmenwerte aufgrund der geringen<br />
Resorption im menschlichen Organismus<br />
nicht unmittelbar zum Schutz der menschlichen<br />
Gesundheit, als vielmehr zum Zweck der <strong>nach</strong>haltigen<br />
Gefahrenabwehr.<br />
Die Bund/Länder Arbeitsgruppe Dioxine hat in<br />
ihrem 2. Bericht 1993 Richtwerte und Handlungsempfehlungen<br />
zur Bodennutzung vorgeschlagen,<br />
wobei bei mehr als 40 ng/kg I-TEQ, Einschränkungen<br />
der landwirtschaftlichen und gärtnerischen Nutzung<br />
empfohlen werden.<br />
Trinkwasser (40): -<br />
Futtermittel (129): Höchstmengen, ausgedrückt<br />
als Summen WHO-TEQ für PCDD/F: 0,75 ng/kg für<br />
sämtliche Einzelfuttermittel pflanzlichen Ursprungs.<br />
Lebensmittel (162): Höchstmengen, ausgedrückt<br />
als Summen WHO-TEQ in Fett für PCDD/F:<br />
Fleisch: Wiederkäuer 3 ng/kg, Geflügel und Zuchtwild<br />
2 ng/kg, Schweine 1 ng/kg; Fisch 4 ng/kg;<br />
Milch 3 ng/kg; Eier 3 ng/kg.<br />
Die vorliegenden Höchstmengen als rechtsverbindliche<br />
Grundlage zur Beurteilung von Lebensmitteln<br />
unterliegen momentan einem dynamischen Wandel.<br />
Beispielsweise wird bereits in geltenden EU-<br />
Verordnungen (EG) Nr. 2375/2001 die Festlegung<br />
neuer Höchstmengen bis zum 31.12.2006 vorausgesetzt.<br />
Außer<strong>dem</strong> sollen zukünftig die Toxizitäten<br />
der dioxinähnlichen PCB Berücksichtigung finden<br />
(<strong>2002</strong>/201/EG; EG-Amtsblatt Nr. L 67 S. 69).<br />
Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):<br />
Der MAK-Wert in Deutschland für Dibenzodioxine<br />
und -furane in der Luft wurde mit 50 pg/m³ festgelegt.<br />
46
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Tab. 4-1 Zielvorgaben der IKSE für unterschiedliche Schutzgüter und durchschnittliche Schadstoffgehalte in schwebstoffbürtigen<br />
Sedimenten an den ARGE-<strong>Elbe</strong> Messstationen in Schmilka, in Dessau (Mulde) und in Magdeburg. Überschreitungen<br />
einzelner Zielvorgaben sind rot markiert.<br />
Stoff Zielvorgaben der IKSE Schmilka Dessau (Mulde) Magdeburg<br />
bei einzelnen Stoffen zu hoch. Und zwar an allen<br />
drei ausgewählten Messstellen. Die Belastung des<br />
Sedimentes bezüglich der Arsen-, Blei- und Cadmium-,<br />
HCH- und Tributylzinngehalte bei Dessau<br />
an der Mulde übersteigt die Konzentrationen an der<br />
Deutsch-Tschechischen Grenze und in Magdeburg<br />
um ein Mehrfaches. Die Hexachlorbenzengehalte<br />
im Sediment bei Schmilka sowie die Quecksilberund<br />
AOX-Gehalte bei Magdeburg sind jedoch<br />
immer noch "herausragend". Somit gibt es kein<br />
unbelastetes Sediment, wohl aber deutliche regionale<br />
Unterschiede, wie sie auch in Abb. 4-10, Verteilung<br />
der Dioxin-Toxizitätsäquivalente (TEQ) <strong>nach</strong><br />
<strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong> <strong>2002</strong>, zu erkennen sind. Insbesondere<br />
bei den Dioxinen ist unterstromig der<br />
Mulde bis unterhalb Hamburg an sämtlichen Standorten<br />
mit einer Überschreitung des "Safe Sediment<br />
Value" von 20 TEQ ng/kg mit Folgen für die<br />
47<br />
Schutzgut<br />
„Landwirtschaftliche<br />
Verwertung“<br />
Schutzgut<br />
„Aquatische Lebensgemeinschaften“<br />
Medianwerte Medianwerte Medianwerte<br />
2001 2003 2001 2003 2001 2003<br />
Anorganische Schadstoffe, Fraktion < 20 µm, alle Angaben in mg/kg<br />
Arsen 30 40 24 27 188 252 27,2 27<br />
Blei 100 100 90 83 249 307 124 93<br />
Cadmium 1,5 1,2 3,2 3,7 27 18 6,0 5,2<br />
Chrom 150 320 99 87 90 109 105 84<br />
Kupfer 80 80 87 82 113 111 106 87<br />
Quecksilber 0,8 0,8 1,8 1,6 2,4 2,7 3,6 3,2<br />
Nickel 60 120 58 48 142 119 54 47<br />
Zink 200 400 895 1250 2355 1915 1135 1090<br />
Organische Schadstoffe, Gesamtprobe, alle Angaben in µg/kg<br />
γ-HCH 10
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 5WELCHES SIND DIE LANGFRISTIGEN FOLGEN DER GEWÄSSERBELASTUNG?<br />
5 Welches sind die langfristigen Folgen der Gewässerbelastung?<br />
In den vorangegangenen Kapiteln wurde über das<br />
Vorkommen, die Herkunft und den Transport von<br />
ausgewählten Schadstoffen und ihren Konzentrationen<br />
im Wasser und Schlamm der <strong>Elbe</strong> und<br />
Mulde berichtet. Dabei wurde deutlich, dass die<br />
kurzzeitigen Belastungsschwankungen sowohl für<br />
den Mensch als auch für die Tiere im Gewässersystem<br />
von untergeordneter Bedeutung sind. Das gilt<br />
auch für die <strong>Hochwasser</strong>situation im August <strong>2002</strong>.<br />
Viel bedeutender ist in diesem Ökosystem die langfristige<br />
Belastung mit einer Vielzahl von anorganischen<br />
und organischen Schadstoffen, deren<br />
Zusammenwirken noch weitgehend unbekannt ist.<br />
Hierbei stehen toxische Langzeiteffekte (z.B.<br />
androgene Wirkung von Tributylzinn, hormonelle<br />
Wirkung von Polychlorierten Biphenylen, immuntoxische<br />
Effekte von Dioxinen) oder aber auch die<br />
Anreicherung von Schadstoffen in der Nahrungskette<br />
und die <strong>nach</strong>haltige Beeinträchtigung des<br />
Grundwassers im Vordergrund.<br />
5.1 Welche Transferpfade für Schadstoffe<br />
sind für den Menschen von Bedeutung?<br />
Es gibt mehrere Pfade über die der Mensch mit<br />
Schadstoffen belastet werden kann. Beispielsweise<br />
ist es möglich, gasförmige Stoffe mit der Atemluft<br />
aufzunehmen, genauso wie es möglich ist, über<br />
den direkten Hautkontakt mit Umweltkontaminanten<br />
belastet zu werden. Im Allgemeinen ist aber für<br />
den Menschen die Schadstoffaufnahme mit der<br />
täglichen Nahrung am bedeutungsvollsten, weshalb<br />
der Transfer der einzelnen Kontaminanten in<br />
die Nahrungskette möglichst vermieden werden<br />
sollte.<br />
Der Schadstofftransfer in die Nahrungskette ist<br />
kompliziert. Im Falle eines Flussökosystems stehen<br />
zwei Transferpfade im Vordergrund: Die Anreicherung<br />
toxischer Substanzen in Fischen, sowie die<br />
Anreicherung toxischer Substanzen im Nutztier und<br />
Wild bzw. deren Produkten, wie z.B. Fleisch und<br />
Milch. Diese Lebensmittel sind betroffen, da Schadstoffe<br />
im <strong>Hochwasser</strong>fall auch in den Auen sedimentieren,<br />
die ihrerseits Lebensraum für bestimmte<br />
Nutz- und Wildtiere darstellen. Die Abb. 5-1 und 5-2<br />
verdeutlichen die unterschiedlichen Transferpfade.<br />
Kompliziert wird es dadurch, dass viele Schadstoffe<br />
mit unterschiedlichen chemischen und physikalischen<br />
Eigenschaften zu berücksichtigen sind. Kontaminanten<br />
werden von verschiedenen Organismen<br />
in unterschiedlicher Art und Weise aufgenommen<br />
und angereichert (Direktaufnahme aus <strong>dem</strong><br />
Schlamm/Sediment, Aufnahme über die Nahrung,<br />
Aufnahme über die Haut sowie die Kiemen oder<br />
Lungen, unterschiedliche Anreicherungsraten in<br />
Zooplankton<br />
Phytoplankton<br />
Wasser<br />
Sediment<br />
Raubfisch<br />
Mensch<br />
Friedfisch<br />
Abb. 5-1 Aquatische Schadstoff-Transferpfade.<br />
Das Wasser und das Sediment stehen in einem<br />
(schad)stofflichen Austausch. Dabei werden von den<br />
Fischen gelöste und partikulär transportierte Schadstoffe<br />
über die Kiemen und beim Schlucken direkt aufgenommen.<br />
Vor allem bei grundlebenden Arten ist auch eine<br />
direkte Beeinflussung aus <strong>dem</strong> Sediment vorhanden.<br />
Dazu kommt die Anreicherung von Schadstoffen im Nahrungsgeflecht<br />
der Gewässerbiozönose. Denn auch die<br />
planktisch bzw. am Gewässergrund lebenden Tiere und<br />
Pflanzen sowie die abgestorbene organische Materie,<br />
die zusammen die Ernährungsgrundlage für Fried- und<br />
Raubfische darstellen, sind mit Schadstoffen belastet.<br />
Geweben). Darüber hinaus muss zur Darstellung<br />
des Beziehungsgeflechtes zwischen den Lebewesen<br />
im Flussökosystem eigentlich von einem Nahrungsnetz<br />
gesprochen werden, denn die Fressbeziehungen<br />
sind vielfältig.<br />
5.1.1 Der aquatische Transferpfad - Wie hoch<br />
sind Elbfische belastet?<br />
Die Schadstoffaufnahme von Fischen kann, wie in<br />
Abb. 5-1 dargestellt, über mehrere Pfade erfolgen.<br />
Zum einen ist die Aufnahme über die Nahrung<br />
(planktische Lebenwesen oder kleinere Fische und<br />
Krebse) möglich. Zum anderen kann es zu einer<br />
Direktaufnahme von Kontaminanten aus <strong>dem</strong> Wasser<br />
über die Haut bzw. über die Kiemen bei der<br />
Atmung kommen. Letzterer Pfad kann sogar der<br />
bedeutsamere sein.<br />
Die ARGE-<strong>Elbe</strong> und das Umweltbundesamt betreiben<br />
schon seit mehreren Jahrzehnten ein umfassendes<br />
Schadstoffmonitoring mit verschiedenen<br />
Fischarten aus der <strong>Elbe</strong> (www.arge-elbe.de,<br />
www.umweltprobenbank.de; 6, 9, 14) und einigen<br />
48
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Nebenflüssen (13, 12, 16). Als besonders für ein<br />
Monitoring geeigneter Fisch hat sich der Brassen<br />
(Abramis brama L.) erwiesen, da er im Gegensatz<br />
zu den Wanderfischen (Meerforelle, Aal u.a.) als<br />
standorttreu gilt (11). Darüber hinaus gibt es Untersuchungsbefunde<br />
von Zandern und Aalen. Diese<br />
Fischarten weisen unterschiedliche Nahrungsspektren<br />
auf. Der Brassen ist ein Friedfisch und lebt<br />
vom Benthos am Gewässergrund. Der Aal dagegen<br />
lebt sowohl als Friedfisch als auch in älteren<br />
Entwicklungsstadien als Raubfisch. Der Zander lebt<br />
rein räuberisch. Außer<strong>dem</strong> unterscheiden sich die<br />
Arten im Fettgehalt ihrer Muskulatur, wobei der Aal<br />
mit 35 bis 50% die höchsten Fettanteile besitzt.<br />
Dies ist insofern bedeutsam, da eine Vielzahl lipophiler<br />
(fettliebender, organischer) Schadstoffe im<br />
Fettgewebe angereichert werden. Brassen haben<br />
Fettgehalte bis maximal 10%. Zander sind mit Fettgehalten<br />
unter 1% mager und insbesondere für das<br />
Monitoring von Schwermetallen im Fischgewebe<br />
geeignet.<br />
5.1.1.1 Schwermetalle in Fischen<br />
Von den untersuchten Schwermetallen Blei, Cadmium,<br />
Kupfer und Quecksilber wird Quecksilber am<br />
stärksten im Muskelfleisch des Brassen angereichert.<br />
Anorganisches Quecksilber wird am stärksten<br />
über die Kiemen aufgenommen, organisches<br />
Quecksilber dagegen über die Nahrung angerei-<br />
49<br />
1<br />
3<br />
Fluss 2 Boden<br />
Mensch<br />
Brack<br />
Abb. 5-2 Terrestrische Schadstoff-Transferpfade,<br />
1: bei <strong>Hochwasser</strong> sedimentieren Schadstoffe auf Böden<br />
und Pflanzen; 2: Pflanzen können Schadstoffe über ihre<br />
Wurzeln aufnehmen; 3: Pflanzen können mit schadstoffhaltigen<br />
Stäuben oder auch mit Ausgasungen aus <strong>dem</strong><br />
Boden kontaminiert werden; 4: Weidevieh kann durch die<br />
belastete Vegetation Schadstoffe aufnehmen; 5: Weidevieh<br />
kann beim Äsen Stäube inhalieren oder beim Abreißen<br />
der Pflanzen anhaftende Bodenpartikel fressen; 6:<br />
Weidevieh kann über das Tränken in Altarmen, Buhnenfeldern<br />
und Bracks Schadstoffe aufnehmen.<br />
4<br />
5<br />
6<br />
chert (9). Die Anreicherung von Methylquecksilber<br />
erfolgt aufgrund dessen lipophiler Eigenschaft<br />
ebenfalls vor allem im Fettgewebe der Fische.<br />
Leider kann bezüglich der Belastungssituation der<br />
Fische mit Schwermetallen in der <strong>Elbe</strong> noch keine<br />
Entwarnung gegeben werden, auch wenn sich die<br />
Gesamtsituation, abgeleitet vom Datenbestand<br />
1999, gegenüber den Vorjahren verbessert hat.<br />
Abb. 5-3 zeigt die mittleren Quecksilbergehalte von<br />
Brassen an Fangplätzen entlang der deutschen<br />
<strong>Elbe</strong> von den Jahren 1994 und 1999. Zu erkennen<br />
ist, dass im Jahr 1999 im Mittel von 15 Fischen pro<br />
Fangplatz keine Beanstandungen bezüglich der<br />
EG-Verordnung 466/2001 (161) festzustellen sind.<br />
Bei alleiniger Betrachtung der Spannbreite der Einzelergebnisse<br />
muss allerdings vor einem unkontrollierten<br />
Verzehr gewarnt werden, da doch immerhin<br />
insgesamt 27% der Einzelbefunde an Brassen die<br />
Höchstgehalte an Schwermetallen der EG-Verordnung<br />
466/2001 (161) überschritten.<br />
Viel ungünstiger sieht die Situation bei Zandern<br />
aus. Im Bereich der oberen und mittleren <strong>Elbe</strong> (km<br />
13 - Prossen bis km 492 - Gorleben) wurden die<br />
Höchstmengen an Quecksilber an 80 bis 100%<br />
aller Individuen überschritten. Deutlich weniger<br />
Höchstgehaltsüberschreitungen gab es in den<br />
unterstromigen Flussbereichen. Dabei ist bei Zandern<br />
eine gewichts- und größenabhängige Belastung<br />
mit Quecksilber festzustellen. Allgemein gilt:<br />
Je größer und schwerer der Zander ist, desto mehr<br />
Quecksilber findet sich in seinem Muskelfleisch.<br />
“Pauschal kann gesagt werden, dass Zander ab<br />
einer Länge von rund >=50 cm und einem Gewicht<br />
von rund 1.500 g über der Höchstmenge von<br />
0,5 mgHg/kg Frischgewicht liegen (10).<br />
Hg in mg/kg Frischgewicht<br />
1,0<br />
0,8<br />
0,6<br />
0,4<br />
0,2<br />
1994<br />
1999<br />
0,0<br />
0 100 200 300 400 500 600 700<br />
deutsche <strong>Elbe</strong>-km<br />
Abb. 5-3 Durchschnittliche Quecksilbergehalte in Brassen<br />
entlang der <strong>Elbe</strong> in den Jahren 1999 (grün senkrecht:<br />
Spannbreite der Einzelergebnisse 1999, rot gestrichelt:<br />
Höchstgehalte in Süßwasserfischen <strong>nach</strong> EG<br />
Verordnung 466/2001). Zum Vergleich sind zusätzlich die<br />
Daten von 1994 dargestellt. Man beachte die starke<br />
Streuung der Messergebnisse.
Hg in mg/kg Frischgewicht<br />
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 5WELCHES SIND DIE LANGFRISTIGEN FOLGEN DER GEWÄSSERBELASTUNG?<br />
2,5<br />
2,0<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0,0<br />
Brassen 1997<br />
Brassen <strong>2002</strong><br />
Zander 1997<br />
Zander <strong>2002</strong><br />
Aal 1997<br />
Fischart und Beprobungsjahr<br />
Auch in einzelnen Nebenflüssen der <strong>Elbe</strong> wurden<br />
Brassen, Aale und Zander auf ihre Schadstoffgehalte<br />
untersucht (13, 12, 16). Dabei stellte sich für<br />
die Sude, die Havel und den Aland heraus, dass<br />
organische Kontaminaten in keinem Fall die zulässigen<br />
Höchstwerte überschritten. Lediglich die Zanderbefunde<br />
aus <strong>dem</strong> unteren Aland, zwischen der<br />
Mündung und der Ortschaft Wanzer, belegen eine<br />
Belastung mit Quecksilber.<br />
Die Wiederholungsbeprobungen von Fischen der<br />
Jahre 1997 und <strong>2002</strong> an der Schwarzen Elster, der<br />
Mulde und der Saale zeigen, dass es kaum Veränderungen<br />
im Belastungszustand der Fische gegeben<br />
hat. Abb. 5-4 belegt am Beispiel der Quecksilberbelastung<br />
von Brassen, Aalen und Zandern in<br />
der unteren Saale der Jahre 1997 und <strong>2002</strong> die<br />
<strong>nach</strong>haltige Beeinträchtigung von Fischen als Nahrungsmittel<br />
in dieser Region. Hingewiesen werden<br />
muss darauf, dass als Bewertungsgrundlage stets<br />
die gemittelten Ergebnisse herangezogen werden<br />
müssen. Bezogen auf Abb. 5-4 bedeutet dies:<br />
Brassen und Aale wären aufgrund der Quecksilberbefunde<br />
vermarktungsfähig; Zander jedoch nicht.<br />
Beachtenswert ist auch, dass einzelne Individuen<br />
der Probenserien über den Höchstmengen von 0,5<br />
mg/kg beim Brassen und Zander sowie 1 mg/kg bei<br />
Aal liegen.<br />
5.1.1.2 Organische Schadstoffe in Fischen<br />
Aal <strong>2002</strong><br />
Abb. 5-4 Quecksilberbefunde in Brassen, Zandern und<br />
Aalen der unteren Saale aus den Jahren 1997 und April/<br />
Mai <strong>2002</strong> (Daten der ARGE-<strong>Elbe</strong>, 13, grün senkrecht:<br />
Spannbreite der Einzelergebnisse, rot gestrichelt:<br />
Höchstgehalte in Süßwasserfischen <strong>nach</strong> EG Verordnung<br />
466/2001).<br />
Fische können in der gesamten <strong>Elbe</strong> mit organischen<br />
Schadstoffen belastet sein. Das Ausmaß der<br />
�-HCH, µg/kg Frischgewicht<br />
Belastung ist je <strong>nach</strong> Schadstoff und Fischart regional<br />
und zeitlich sehr unterschiedlich.<br />
Jüngste Messergebnisse des Umweltbundesamtes<br />
(UBA) zeigen z.B. eine starke Steigerung der<br />
HCH-Gehalte in Fleisch von Fischen in der unteren<br />
Mulde. Nach Jahren stetigen Rückgangs der HCH-<br />
Belastung wurde ein Jahr <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong><br />
doppelt so viel β-HCH gefunden, im Jahr 2004<br />
bereits 18 mal soviel wie im Jahr <strong>2002</strong> (Abb. 5-5).<br />
Diese Erhöhung wird als direkte Folge des <strong>Hochwasser</strong>s<br />
<strong>2002</strong> interpretiert (157, 66).<br />
Es ist bekannt, dass durch Verklappung von Lindan-Produktionsrückständen<br />
im Bitterfelder Raum<br />
in der Vergangenheit Boden und Grundwasser in<br />
großem Ausmaß HCH-belastet wurden (vgl.<br />
Seite 25). Die Schadstoffe werden über Grund- und<br />
Oberflächenwasser, insbesondere das Spittelwasser,<br />
in die Mulde transportiert. Nach <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong><br />
<strong>2002</strong> war die HCH-Belastung des Wassers in<br />
Mulde (unterhalb der Spittelwassermündung) und<br />
<strong>Elbe</strong> (unterhalb der Mul<strong>dem</strong>ündung) zeitweise stark<br />
erhöht (17).<br />
Die hohe HCH-Belastung findet sich 2004 erstmals<br />
auch in Brassen der <strong>Elbe</strong> wieder, wie die Untersuchungsbefunde<br />
bei Barby zeigen. In den fettreicheren<br />
Aalen wurden auch in den Vorjahren (1999)<br />
entlang der gesamten <strong>Elbe</strong> Höchstmengen-Überschreitungen<br />
festgestellt; insbesondere bei Hexachlorbenzol<br />
und β-HCH und DDT (10), wobei sich<br />
die DDT-Belastungen in Aalen auf den Festgesteinsabschnitt<br />
der <strong>Elbe</strong> beschränkten.<br />
Ein weiteres Besorgnis erregendes Detail ergibt<br />
sich aus den Befunden über die Dioxin- und dioxinähnlichen<br />
PCB-Gehalte in Aalen an der Mittelelbe<br />
(Abb. 5-6; 147). Es wurden im September <strong>nach</strong> der<br />
Flut <strong>2002</strong> bei Gorleben 24 Aale gefangen und hinsichtlich<br />
ihrer Belastung analysiert. Das Ergebnis<br />
war, dass in 13 untersuchten Individuen die<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
Dessau (Mulde)<br />
Barby (<strong>Elbe</strong>)<br />
<strong>Hochwasser</strong> August <strong>2002</strong><br />
1995<br />
1996<br />
1997<br />
1998<br />
1999<br />
2000<br />
2001<br />
<strong>2002</strong><br />
2003<br />
2004<br />
Abb. 5-5 Rückstände der Lindanproduktion (β-HCH) in<br />
Brassen der unteren Mulde und bei Barby an der <strong>Elbe</strong><br />
zwischen 1995 und 2004 (157).<br />
50
WHO-TEQ ng/kg<br />
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Höchstmenge von WHO-TEQ 4 ng/kg für Dioxine<br />
und Furane aus der EG Verordnung 2375/2001<br />
überschritten wurde. Unter Berücksichtigung der<br />
Toxizitätsäquivalente der dioxinähnlichen PCB<br />
(Polychlorierten Biphenyle), wie von der EU<br />
geplant, ergäbe sich ein noch schlechteres Bild:<br />
Der WHO-TEQ steigt in diesem Fall auf Werte zwischen<br />
11 und 56 ng/kg. Dabei muss berücksichtigt<br />
werden, dass Aale wandernde Fische sind. Dies<br />
bedeutet, dass die Anreicherung der Schadstoffe<br />
nicht zwangsläufig allein am Fangort stattgefunden<br />
hat. Die Tatsache jedoch, dass die PCB-Kongenere<br />
stärker akkumuliert werden als Dioxine, lässt vermuten,<br />
dass zukünftig wesentlich mehr Höchstgehalts-Überschreitungen<br />
auftreten werden als bisher.<br />
Die ARGE-<strong>Elbe</strong> (11) stellt aufgrund der mehrfachen<br />
Höchstmengenüberschreitungen für <strong>Elbe</strong>fische<br />
fest, dass diese nicht in vollem Umfang vermarktungsfähig<br />
sind. Sie geht aber aufgrund der vorgefundenen<br />
Belastungshöhe der untersuchten und<br />
geregelten Schadstoffe bei gelegentlichem Verzehr<br />
von 1 - 2 kg <strong>Elbe</strong>fisch pro Monat nicht von unmittelbaren<br />
Gesundheitsbeeinträchtigungen aus.<br />
5.1.2 Der terrestrische Transferpfad - Wie<br />
hoch sind Fleisch und Milch belastet?<br />
5.1.2.1 Wie hoch ist der aktuelle<br />
Schadstoffeintrag in die Auen?<br />
Wie bereits im Abschnitt 4.1 über die Mobilisierung<br />
von Sedimenten berichtet wurde, ist das <strong>Hochwasser</strong>geschehen<br />
der Motor bzw. die antreibende Kraft<br />
für den Schadstoffeintrag in die Auen. Sie werden<br />
51<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
WHO-PCB<br />
WHO-PCDD/F<br />
0<br />
0 3 6 9 12 15 18 21 24<br />
Individuen - Aale<br />
Abb. 5-6 Toxizitätsäquivalente von Dioxinen und Furanen<br />
sowie dioxinähnlichen PCB in Aalen bei Gorleben<br />
im September <strong>2002</strong>. *: Der Höchstgehalt <strong>nach</strong> der Verordnung<br />
(EG) 2375/2001 für Dioxine und Furane liegt bei<br />
4 WHO-TEQ ng/kg Frischgewicht (rot).<br />
überwiegend als Grünland genutzt, also letztlich für<br />
die Ernährung der Nutztiere, die später auf unserem<br />
Teller landen. Heutzutage sind ca. zwei Drittel<br />
der aktuell überflutbaren Elbaue zwischen der<br />
Deutsch-Tschechischen Grenze und <strong>dem</strong> Wehr in<br />
Geesthacht Grünland. Abb. 5-7 zeigt einen typischen<br />
Landschaftsausschnitt mit einer Mäanderschleife<br />
an der <strong>Elbe</strong> zwischen den Stromkilometern<br />
435 und 440, zwischen den Ortschaften Havelberg<br />
und Wittenberge.<br />
In der in Abb. 5-7 präsentierten Landschaft wird<br />
vom Umweltforschungszentrum Leipzig Halle seit<br />
1997 in <strong>Hochwasser</strong>phasen der partikuläre Schadstoffeintrag<br />
gemessen. Dabei wird die Sedimentfracht<br />
mit Hilfe von Kunstrasenfallen ermittelt<br />
(Abb. 5-8). Diese Fallen werden an typischen Positionen<br />
im Überschwemmungsbereich vor einem<br />
<strong>Hochwasser</strong> ausgelegt. Solche typischen Positionen<br />
sind Flutrinnen, Plateauflächen, abflusslose<br />
Senken bzw. Uferrandbereiche. Natürlich hat auch<br />
der lokale Bewuchs einen Einfluß auf die Sedimentation<br />
(Abb. 5-9). Es wurde festgestellt, dass die<br />
Belastung der eingetragenen Sedimente nicht<br />
mehr so hoch ist, wie noch vor 25 Jahren. Im Hinblick<br />
auf die geltende Rechtsvorschrift für die Nutzung<br />
von Grünlandböden, in diesem Fall die Bundes-Bodenschutzverordnung,<br />
sind die Konzentrationen<br />
im Sediment jedoch immer noch zu hoch.<br />
Mit einer relevanten Bodenverbesserung durch<br />
Aufsedimentation von weniger belastetem Material<br />
kann zumindest an der mittleren <strong>Elbe</strong> in den kommenden<br />
Jahren nicht gerechnet werden. Tab. 5-1<br />
zeigt am Beispiel von Quecksilber die Belastungsentwicklung<br />
der Hochflutsedimente zwischen den<br />
Stromkilometern 435 und 440 seit 1997.<br />
5.1.2.2 Wie hoch ist die Bodenbelastung?<br />
Die Belastung der Elbauenböden mit Schwermetallen<br />
ist seit vielen Jahren bekannt. Erste Veröffentlichungen<br />
stammen aus den Jahren 1983 (114) und<br />
1985 (99). Auch zahlreiche <strong>nach</strong>folgende Untersu-<br />
Tab. 5-1 Quecksilbergehalte von Hochflutsedimenten<br />
aus Kunstrasenfallen (100). *Maßnahmenwert der Bundesbodenschutz-<br />
und Altlastenverordnung für die Grünlandnutzung<br />
(25).<br />
Standort 1997<br />
1998/<br />
1999 <strong>2002</strong> 2003<br />
Buhnenfeldrand 3,9 4,4 4,2 3,8<br />
Flutrinne 4,9 5,6 6,8 6,3<br />
Senke 6,2 4,5 4,6 3,7<br />
Plateau Kein<br />
Eintrag<br />
Kein<br />
Eintrag<br />
6,8 Kein<br />
Eintrag<br />
BBodSchV* ----------------- 2 -----------------
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 5WELCHES SIND DIE LANGFRISTIGEN FOLGEN DER GEWÄSSERBELASTUNG?<br />
Abb. 5-7 Regelmäßig überschwemmte Auenlandschaft an der Mittelelbe zwischen den Stromkilometern 435 und 440.<br />
Der größte Teil der Fläche wird als Grünland genutzt. Baumgruppen und zahlreiche Bracks (Altwässer) bieten<br />
abwechslungsreiche Habitate (Foto Olaf Büttner, <strong>UFZ</strong>).<br />
Abb. 5-8 Kunstrasenfalle zur Gewinnung von Sedimenten<br />
bei <strong>Hochwasser</strong>, hier vor <strong>dem</strong> Februarhochwasser<br />
2005 (Foto Frank Krüger, ELANA).<br />
Abb. 5-9 Überströmte Aue. Der Bewuchs verstärkt<br />
sehr effektiv die Sedimentation der Schwebstoffe aus<br />
<strong>dem</strong> Wasser (Foto Michael Böhme, <strong>UFZ</strong>).<br />
52
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
chungen belegten die deutliche Belastung der<br />
Überflutungsböden mit Schwermetallen und organischen<br />
Schadstoffen. Die einzelnen Untersuchungen<br />
waren jedoch nicht dahingehend angelegt worden,<br />
die Belastungverteilung der Böden entlang der<br />
gesamten <strong>Elbe</strong> zwischen der deutsch-tschechischen<br />
Grenze und Geesthacht zu vergleichen. Entweder<br />
wurden unterschiedliche morphologische<br />
Einheiten verglichen oder es wurden spezifische<br />
Messwerte erhoben, die an anderen Standorten<br />
nicht zum Vergleich vorlagen. Um diesen<br />
Missstand zu beheben, wurde im Rahmen des<br />
Adhoc-<strong>Hochwasser</strong>projektes ein einheitliches<br />
Monitoringprogramm für Böden entlang der <strong>Elbe</strong><br />
organisiert (100). Dieses Bodenmonitoring berücksichtigt<br />
die unterschiedliche Überflutungshäufigkeit<br />
(und damit die Häufigkeit des Schadstoffeintrags)<br />
morphologischer Einheiten ebenso, wie die unterschiedlichen<br />
Belastungsquellen entlang des Flusses.<br />
So wurden von Sachsen bis <strong>nach</strong> Niedersachsen<br />
an 18 Orten Böden in unterschiedlicher Entfernung<br />
zum Fluss und mit unterschiedlicher<br />
Überflutungshäufigkeit mit einheitlichen Methoden<br />
untersucht. Beispielhaft wird die Lage der Untersuchungsstandorte<br />
im Vorland von Glinde (km 301) in<br />
Abb. 5-10 vorgestellt.<br />
Als Ergebnis zeigt sich, dass entlang der gesamten<br />
<strong>Elbe</strong>strecke Schwermetallbelastungen festgestellt<br />
wurden. Eine ähnliche Spannweite der Belastung<br />
wurde auch vom Landesamt für Umweltschutz<br />
Sachsen-Anhalt festgestellt (104). Die Schwerpunkte<br />
befinden sich unterstromig von Mulde und<br />
Saale, wie am Beispiel von Quecksilber (Abb. 5-11)<br />
und Cadmium (Abb. 5-12) gezeigt werden kann.<br />
53<br />
<strong>Elbe</strong><br />
1760 m<br />
G r ü n l a n d<br />
Uferwall Flutrinne Plateau Flutrinne<br />
289 m<br />
NW SO<br />
N<br />
Schlamm<br />
Schluffe und -tone<br />
Lehme<br />
Sande und Kiese<br />
Hg in mg/kg<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
Abb. 5-10 Lage der Untersuchungsstandorte<br />
auf der Untersuchungsfläche<br />
Glinde bei km<br />
301.<br />
Mulde<br />
Saale<br />
0<br />
0 100 200 300 400 500<br />
deutsche <strong>Elbe</strong>-km<br />
Abb. 5-11 Quecksilberbelastung von Böden entlang der<br />
deutschen <strong>Elbe</strong> (rot gestrichelt: Maßnahmewert <strong>nach</strong><br />
Bodenschutzverordnung, 2mg/kg). Unterhalb von<br />
Mulde- und Saalemündung steigt die Belastung der<br />
Böden in den Elbauen sprunghaft an.<br />
Auffällig ist, dass die Streuung der Cadmiumbelastung<br />
der Böden im Verlauf der Fließstrecke der<br />
<strong>Elbe</strong> mehr oder weniger gleichmäßig zunimmt. Im<br />
Gegensatz dazu steigt die Quecksilberbelastung<br />
der Böden unterstromig der Saale sprunghaft an,<br />
womit die Saale, zumindest historisch betrachtet,<br />
eine größere Quecksilberquelle für die <strong>Elbe</strong> darstellte,<br />
als andere oberstromige Nebenflüsse. Vermutet<br />
wird als Quelle für die historische Quecksilberbelastung<br />
die industrielle Chloralkalielektrolyse,<br />
z.B. in Aschersleben und Schkopau (BUNA).<br />
Dass der Einfluss der Mulde auf die Schwermetallqualität<br />
der Böden an der <strong>Elbe</strong> von untergeordneter
Cd in mg/kg<br />
Pb in mg/kg<br />
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 5WELCHES SIND DIE LANGFRISTIGEN FOLGEN DER GEWÄSSERBELASTUNG?<br />
15<br />
10<br />
5<br />
Mulde<br />
Saale<br />
0<br />
0 100 200 300 400 500<br />
deutsche <strong>Elbe</strong>-km<br />
Abb. 5-12 Cadmiumbelastung von Böden entlang der<br />
deutschen <strong>Elbe</strong>. Auch hier finden sich die höchsten Konzentrationen<br />
unterhalb von Mulde und Saale.<br />
Bedeutung ist, kann auch durch den Vergleich von<br />
flusstypischen Elementverhältnissen gezeigt werden<br />
(Abb. 5-13). Erkennbar ist, dass sich das Elementverhältnis<br />
von Blei zu Zink in den Elbauenböden<br />
unterstromig des Muldezuflusses nicht wesentlich<br />
aufweitet, obwohl die Muldesedimente und<br />
Böden deutlich höher mit Blei belastet sind als Elbsedimente<br />
und Böden (Abb. 5-14). Der Grund<br />
dafür, dass sich das Mul<strong>dem</strong>uster nicht in den<br />
Elbauenböden durchpaust, liegt in der relativ geringen<br />
Schadstofffracht im Vergleich zur <strong>Elbe</strong> und<br />
auch zur Saale (diese führt z.B. eine zehnfach<br />
höhere Schwebstofffracht als die Mulde, 30), deren<br />
Quecksilberfrachten deutlich das Schadstoffmuster<br />
der Elbauenböden geprägt haben.<br />
Die Quecksilberbelastung der Elbauenböden ist<br />
aktuell noch derartig hoch, dass auf 40% aller<br />
Untersuchungsflächen der Maßnahmenwert für<br />
6000<br />
5000<br />
4000<br />
3000<br />
2000<br />
1000<br />
Moldau<br />
Blei entlang der Mulde ( Altdaten vor 08/<strong>2002</strong>)<br />
Blei entlang der <strong>Elbe</strong><br />
Freiberg<br />
Maßnahmewert BBodSchVO<br />
Siebenlehn<br />
uh Rosswein<br />
Eilenburg<br />
Grünland von 2 mg/kg überschritten wird. Unterstromig<br />
der Mulde wird der Maßnahmenwert für<br />
Quecksilber an 85% aller beprobten Messflächen<br />
nicht eingehalten. Dies bedeutet, dass solange die<br />
Qualität der frischen Sedimente, die bei <strong>Hochwasser</strong><br />
eingetragen werden, nicht wesentlich besser<br />
wird, mit einer nennenswerten Verbesserung der<br />
Bodenqualität nicht zu rechnen ist. Auch für Arsen<br />
wurden in den Böden der <strong>Elbe</strong> Überschreitungen<br />
des Maßnahmenwertes der BBodSchV von 50 mg/<br />
kg an 50% der Standorte überschritten.<br />
Ganz anders sieht es für Cadmium aus. Hier wird<br />
entlang der gesamten <strong>Elbe</strong> keine einzige Überschreitung<br />
der Maßnahmewerte ermittelt. Doch<br />
dies ist leider noch kein Grund zur Entwarnung,<br />
denn Cadmium stellt unter den Schwermetallen<br />
0<br />
-200 -100 0 100 200 300 400 500<br />
<strong>Elbe</strong>-km<br />
270 200 100 0 Mulde-km<br />
Quelle<br />
Pb-Konzentration in mg/kg<br />
Mulde<br />
Mündung<br />
Saale<br />
400<br />
300<br />
200<br />
100<br />
<strong>Elbe</strong> oh Mulde<br />
<strong>Elbe</strong> uh Mulde<br />
Mulde<br />
0<br />
0 500 1000 1500<br />
Zn-Konzentration in mg/kg<br />
Abb. 5-13 Flusstypische Elementverhältnisse. Während<br />
das Verhältnis von Blei zu Zink entlang der <strong>Elbe</strong><br />
annähernd gleich bleibt, ist die spezifische Bleibelastung<br />
in Muldesedimenten stark erhöht.<br />
Havel<br />
Abb. 5-14 Blei-Konzentration<br />
in vom<br />
<strong>Hochwasser</strong> abgelagerten<br />
Sedimenten<br />
im <strong>Elbe</strong>- und Mulde-<br />
Längsschnitt. Die<br />
Altdaten sind Untersuchungsergebnisse<br />
von Aueböden<br />
(Daten Povodí Labe,<br />
LFUG Sachsen und<br />
LAU LSA, Freiberger<br />
und Vereinigte<br />
Mulde).<br />
54
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
und Arsen den mobilsten Schadstoff dar und eine<br />
Anreicherung in der Vegetation ist trotz Einhaltung<br />
der Maßnahmenwerte der BBodSchV möglich<br />
(100).<br />
Folgende Reihe der abnehmenden Mobilität von<br />
Spurenmetallen wurde an Überflutungsböden der<br />
<strong>Elbe</strong> gefunden (100):<br />
Cadmium >> Zink > Kupfer > Blei und Arsen.<br />
Dabei stellt der pH-Wert des Bodens die entscheidende<br />
Steuergröße zur Mobilisierung von Cadmium<br />
dar. Die Abbildung Abb. 5-15 verdeutlicht,<br />
dass mit zunehmender Versauerung des Bodens<br />
(bei sinken<strong>dem</strong> pH-Wert; < 6,0) mit einer Zunahme<br />
der Verfügbarkeit des Schadstoffes gerechnet werden<br />
kann. Gerade hochgelegene Standorte in<br />
Auen, die nicht in je<strong>dem</strong> Jahr überflutet werden,<br />
bzw., die keinen nennenswerten basisch wirkenden<br />
Stoffeintrag erfahren, können Standorte mit hoher<br />
Cadmium-Anlieferung für die Vegetation darstellen,<br />
auch wenn sie nicht hochgradig belastet sind.<br />
Im Rahmen des Adhoc-<strong>Hochwasser</strong>projektes wurden<br />
umfangreiche Untersuchungen zur Dioxinbelastung<br />
von Böden entlang der <strong>Elbe</strong> und an ausgewählten<br />
Standorten der Mulde durchgeführt<br />
(Abb. 5-16). Der Vergleich von Böden und Sedimenten<br />
hinsichtlich ihrer Dioxinkonzentrationen<br />
zeigt, dass Böden bei weitem höher kontaminiert<br />
sind als Sedimente (vgl. Abschnitt 2.2). Dies ist ein<br />
Indiz für lange zurückliegende Dioxinemissionen,<br />
die zwar heute nicht mehr in diesem Ausmaß in frischen<br />
Sedimenten vorkommen, aber noch in den<br />
Böden <strong>nach</strong>weisbar sind. Erkennbar ist auch, dass<br />
55<br />
Pflanzenverfügb. Cd-Anteil in %<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
4,0 4,5 5,0 5,5 6,0 6,5 7,0<br />
Bodenreaktion pH (CaCl 2 )<br />
Abb. 5-15 Cadmiummobilität von Auenböden in Abhängigkeit<br />
der Bodenreaktion. Bei hohen pH-Werten ist das<br />
Cadmium im Boden kaum pflanzenverfügbar. Sinkt der<br />
pH-Wert, z.B. durch Auswaschen von Basen oder durch<br />
Einwirkung sauren Regens, dann kann viel Cadmium<br />
von den Pflanzen aufgenommen werden.<br />
PCDD/F-WHO-TEQ in ng/kg<br />
10000<br />
1000<br />
100<br />
40*<br />
10<br />
5*<br />
<strong>Elbe</strong>-Vorland<br />
Mulde-Vorland<br />
<strong>Elbe</strong>-Sediment<br />
Mulde-Sediment<br />
Deichbruchstellen<br />
Mulde<br />
Saale<br />
1<br />
0 100 200 300 400 500 600<br />
deutsche <strong>Elbe</strong>-km<br />
Abb. 5-16 Dioxine in den Böden und Sedimenten der<br />
<strong>Elbe</strong> und den Böden der unteren Mulde. 5*: Die Bund-<br />
Länder Arbeitsgruppe DIOXINE hat 1992 Richtwerte für<br />
die Nutzung von Böden empfohlen. Unter 5 I-TEQ ng/kg<br />
sei eine unbeschränkte Nutzung möglich, zwischen 5<br />
und 40** I-TEQ ng/kg sei eine eingeschränkte landwirtschaftliche<br />
Nutzung möglich. Über 40** I-TEQ ng/kg<br />
sollte die landwirtschaftliche Nutzung nur zulässig sein,<br />
wenn ein bewiesenermaßen ver<strong>nach</strong>lässigbarer Dioxintransfer<br />
stattfindet.<br />
die einmalig überfluteten Böden hinter Deichbruchstellen,<br />
bzw. mit Elbwasser gefluteten Poldern<br />
usw., sowohl ober- als auch unterstromig der<br />
Mulde, als nicht belastet einzustufen sind. Wie<br />
schon die Dioxinbefunde in den Sedimenten vermuten<br />
ließen, sind auch die Böden unterstromig<br />
der Mulde und der Saale in viel stärkerem Maße<br />
beeinträchtigt, als die Böden aus <strong>dem</strong> oberstromigen<br />
Elbtal. Diese Befunde decken sich mit Untersuchungsergebnissen<br />
des Landesumweltamtes Brandenburgs<br />
(105). Dabei wird in der Muldeaue (die<br />
Saaleauen wurden bis dato nicht derartig untersucht)<br />
und den Elbauen der Bund-Länder Richtwert<br />
von 40 I-TEQ ng/kg (36) an den meisten Standorten<br />
überschritten, so dass eine Prüfung des Dioxintransfers<br />
in die Futter- und produzierten Nahrungsmittel<br />
geboten erscheint.<br />
5.1.2.3 Wie sieht es mit <strong>dem</strong> Schadstofftransfer<br />
in die Vegetation aus?<br />
Der Schwermetalltransfer ins Pflanzengewebe<br />
kann vielfältiger Natur sein (Abb. 5-2). Er hängt<br />
maßgeblich von den Eigenschaften der Metalle<br />
selbst ab. Dabei gelten Quecksilber, Blei und Arsen<br />
als sehr immobil, d.h. die Aufnahme über die Wurzeln<br />
kann ver<strong>nach</strong>lässigt werden. Im Gegensatz<br />
dazu stehen Cadmium und Zink, sowie mit Einschränkung<br />
noch Nickel und Kupfer, die leicht über<br />
das Wurzelsystem in die Pflanze gelangen können.<br />
Nach der Futtermittelverordnung (52) sind insbe-
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 5WELCHES SIND DIE LANGFRISTIGEN FOLGEN DER GEWÄSSERBELASTUNG?<br />
Abb. 5-17 Sedimentschleier auf der Vegetation <strong>nach</strong><br />
<strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong> im März/April 2005 bei <strong>Elbe</strong>kilometer<br />
435 (Foto Frank Krüger).<br />
sondere die Gehalte in den Pflanzen von Arsen,<br />
Blei, Cadmium und Quecksilber gesetzlich geregelt.<br />
Die Untersuchungsergebnisse aus <strong>dem</strong> Jahr<br />
2003 haben aber gezeigt, dass Futtermittelüberschreitungen<br />
sowohl für immobile (Beispiel Quecksilber)<br />
als auch für mobile (Beispiel Cadmium)<br />
Schadstoffe auftreten können.<br />
Woran liegt das?<br />
Der Haupt-Aufnahmepfad bezüglich der Elemente<br />
Quecksilber und Cadmium ist unterschiedlich. Es<br />
kann angenommen werden, dass Quecksilber in<br />
Form von anhaftenden Partikeln durch das Sediment<br />
oder Staub die Pflanze belastet. Auch die<br />
Ausgasung von organischem Quecksilber und die<br />
Anhaftung an lipophiler Pflanzenoberfläche ist<br />
denkbar. Abb. 5-17 zeigt das Überflutungsgebiet<br />
bei Stromkilometer 435 (zwischen Havelberg und<br />
Wittenberge). Deutlich sind die schleierartigen<br />
sedimentären Überzüge an der Vegetation <strong>nach</strong><br />
<strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong> im Frühjahr 2005 zu erkennen.<br />
Für den partikulären Schadstofftransfer spricht,<br />
dass Quecksilberbelastungen an der Vegetation<br />
hauptsächlich im ersten Erntedurchgang des Jahres<br />
2003 auftraten (Abb. 5-18). Gleiches gilt für<br />
Arsen.<br />
Dagegen ist die Cadmiumbelastung der Pflanzen<br />
während des zweiten Erntetermins durchschnittlich<br />
höher. Die Ursache hierfür ist die höhere Mobilität<br />
des Cadmiums im Vergleich zu Quecksilber (siehe<br />
Box Cadmium). Cadmium wird von den Pflanzen<br />
überwiegend über den Wurzelpfad aufgenommen.<br />
Dabei wird das Schwermetall offensichtlich um so<br />
leichter für die Pflanze verfügbar, je trockener der<br />
Boden ist. Denn bei der Austrocknung des Bodens<br />
erhöht sich die Ionenkonzentration in der verbliebenen<br />
Bodenlösung. Der Schadstoff wird sozusagen<br />
eingedampft. Das für die Auswertung zugrunde<br />
gelegte Jahr 2003 war ungewöhnlich trocken.<br />
Hg-Konzentration in mg/kg<br />
0,6<br />
0,5<br />
0,4<br />
0,3<br />
0,2<br />
0,1<br />
1. Schnitt<br />
2. Schnitt<br />
Mulde<br />
Saale<br />
0,0<br />
0 100 200 300 400 500 600<br />
deutsche <strong>Elbe</strong>-km<br />
Abb. 5-18 Quecksilberbelastung der Grünlandvegetation<br />
entlang der <strong>Elbe</strong> im Frühling und im Sommer 2003.<br />
Gleichzeitig geht Cadmium vorzugsweise mit Chlor<br />
eine mobile Verbindung ein, es bilden sich sogenannte<br />
Chlorokomplexe. Darüber hinaus weisen<br />
gerade weniger belastete Böden (z.B. von hochgelegenen<br />
und weniger überfluteten Plateauflächen)<br />
derart niedrige pH-Werte auf, dass Cadmium hochgradig<br />
pflanzenverfügbar ist. Dies alles kann dazu<br />
führen, dass die Pflanzen Cadmium in einem Ausmaß<br />
anreichern, dass Futtermittelwertüberschreitungen<br />
auftreten, obwohl die diesbezüglichen Maßnahmenwerte<br />
der BBodSchV für den Wirkungspfad<br />
Boden-Nutzpflanze eingehalten werden. An einem<br />
Probenahmepunkt lagen saisonal unterschiedliche<br />
Metallanreicherungen vor. Sowohl während des<br />
ersten Mahdtermins im Mai, als auch zum zweiten<br />
Erntezeitpunkt im Juli waren jeweils ca. 50% der<br />
Proben futtermittelkritisch zu bewerten (52).<br />
Aufgrund der offensichtlich durch Verschmutzung<br />
bedingten Belastung der Futtermittel <strong>nach</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>Hochwasser</strong> im Jahre <strong>2002</strong> wurden in Sachsen<br />
Anhalt für zahlreiche Landwirte Weideverbote im<br />
Überflutungsbereich der Flussauen ausgesprochen<br />
und ein <strong>Hochwasser</strong>-Futtermittel-Monitoringprogramm<br />
durchgeführt (3, Seite 10):<br />
“Im Rahmen von 5 Landessonderprogrammen wurden<br />
• 310 Futtermittelproben aus den <strong>Hochwasser</strong>-/<br />
Überflutungsgebieten des Jahres <strong>2002</strong> auf das<br />
Vorhandensein relevanter unerwünschter Stoffe<br />
gem. Anlage 5 der Futtermittelverordnung,<br />
• 60/84 Proben auf Dioxine/PCBs,<br />
und vieles mehr untersucht.<br />
Anhand des flächendeckenden Futtermittelmonitorings<br />
2003 wurde in den vom <strong>Hochwasser</strong> betroffenen<br />
Regionen gegenüber <strong>2002</strong> ein deutlicher<br />
Rückgang der Belastung (quantitativ und qualitativ)<br />
56
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Cadmium<br />
Cadmiumemissionen stammen aus <strong>dem</strong> Altbergbau,<br />
der metallverarbeitenden, der chemischenund<br />
pharmazeutischen Industrie, <strong>dem</strong> KfZ-Verkehr<br />
(Reifenabrieb und Verbrennungsrückstände vom<br />
Dieselöl), werden aber auch über phosphorhaltige<br />
Dünger in der Umwelt verbreitet. Des weiteren findet<br />
Cadmium in Batterien (Ni-Cd-Batterien) Verwendung.<br />
Vor <strong>dem</strong> Inkrafttreten der Klärschlammverordnung<br />
wurden auch Cd-reiche Schlämme zu<br />
Düngungszwecken ausgebracht, die auch heute<br />
noch als diffuse Quellen wirken.<br />
Cadmium ist ein für Tier und Mensch bereits in sehr<br />
geringen Konzentrationen toxischer Schadstoff.<br />
Bekannt wurde zwischen 1947 bis 1965 die sogenannte<br />
Itai-Itai Krankheit, bei der durch Cadmiumaufnahme,<br />
wahrscheinlich in Kombination mit<br />
Eiweiß- und Calziummangel, Knochendeformationen<br />
und Skelettschrumpfungen auftraten. Bei<br />
erhöhter Aufnahme mit der Atemluft können auch<br />
Lungenemphyseme entstehen, darüber hinaus gibt<br />
es Hinweise auf eine canzerogene Wirkung (136).<br />
Für den Menschen ist heute im Allgemeinen die<br />
Cadmiumaufnahme mit der Nahrung von Bedeutung.<br />
Zwischen 3 bis 8% der aufgenommenen Cadmiummenge<br />
werden beim Menschen resorbiert<br />
und vor allem in Leber und Nieren angereichert. In<br />
diesen Organen werden ca. 50% des gesamten im<br />
Körper gespeicherten Cadmiums eingelagert. Beim<br />
Überschreiten einen kritischen Gehaltes von 200<br />
µg/g Frischgewicht in der Nierenrinde kann es zu<br />
Proteinurie kommen. Die biologische Halbwertszeit<br />
von Cadmium im Menschen ist sehr hoch (19-38<br />
Jahre), weshalb die Belastung von Leber und Niere<br />
mit <strong>dem</strong> Alter des Menschen zunimmt und cadmiuminduzierte<br />
Nierenstörungen hauptsächlich bei<br />
über Fünfzigjährigen auftreten (136).<br />
mit den unerwünschten Stoffen Blei, Quecksilber,<br />
Arsen und ß-HCH festgestellt.<br />
Im Ergebnis dessen konnten die <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong>ereignis<br />
<strong>2002</strong> angeordneten Weideverbote<br />
wieder aufgehoben werden. Das <strong>Hochwasser</strong>-Futtermittelmonitoring<br />
wurde 2003 beendet. Ab 2004<br />
folgte ein unbefristetes Flussauen-Futtermittel-<br />
Monitoringprogramm.<br />
57<br />
Wichtige Grenzwerte:<br />
Boden (25):<br />
• Prüfwertefür den Transferpfad Boden-Mensch-<br />
Direktaufnahme: Kinderspielflächen 10 mg/kg (in<br />
Haus- und Kleingärten 2 mg/kg), Wohngebiete 20<br />
mg/kg (in Haus- und Kleingärten 2 mg/kg) , Parkund<br />
Freizeitanlagen 50 mg/kg, Industrie und<br />
Gewerbeflächen 60 mg/kg<br />
• Maßnahmenwert für den Transferpfad Boden-<br />
Nutzpflanze bei Ackerbau und Nutzgärten im<br />
Hinblick auf die Pflanzenqualität: 0,04 mg/kg<br />
(Ammoniumnitratextrakt; Flächen mit Brotweizenanbau<br />
bzw. stark anreichernder Gemüsearten),<br />
ansonsten 0,1 mg/kg (Ammoniumnitratextrakt).<br />
• Maßnahmenwert für den Transferpfad Boden-<br />
Nutzpflanze bei Grünlandnutzung im Hinblick<br />
auf die Pflanzenqualität: 20 mg/kg<br />
• Prüfwert für den Transferpfad Boden-Grundwasser:<br />
5 µg/l<br />
Trinkwasser (40): 5 µg/l<br />
Futtermittel (52): Alleinfuttermittel 1 mg/kg<br />
Lebensmittel (135, 160, 161): Fleisch von Rindern,<br />
Schafen, Schweinen und Geflügel 0,05 mg/<br />
kg, Pferdefleisch 0,2 mg/kg, Leber von Rindern,<br />
Schafen, Schweinen und Geflügel 0,5 mg/kg, Nieren<br />
von Rindern, Schafen, Schweinen und Geflügel<br />
1 mg/kg; Fisch: 0,05 mg/kg, bei Aal 0,1 mg/kg;<br />
Getreide (außer Kleie, Keime, Weizengetreide und<br />
Reis: 0,2 mg/kg) 0,1 mg/kg.<br />
Gefahrstoffe am Arbeitsplatz (150):<br />
Die Maximale-Arbeitsplatz-Konzentration (MAK-<br />
Wert) in Deutschland für Cadmium in Stäuben und<br />
Aerosolen wurde bei der Batterieherstellung, thermische<br />
Zink-, Blei- und Kupfergewinnung und für<br />
das schweißen cadmiumhaltiger Legierungen mit<br />
0,03 mg/m³ und der für die übrigen Arbeitsplätze<br />
mit 0,015 mg/m³ festgelegt. Die Angaben gelten für<br />
den einatembaren Anteil der Luft des Arbeitsbereiches.<br />
Bei den Untersuchungen auf Dioxine/PCB lagen<br />
Nachweise von Dioxinen vor, wobei die zulässigen<br />
Höchstgehalte für Futtermittel nicht überschritten<br />
wurden. Die 84 Untersuchungen auf PCB verliefen<br />
ohne deren Nachweis ....".
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 5WELCHES SIND DIE LANGFRISTIGEN FOLGEN DER GEWÄSSERBELASTUNG?<br />
Abb. 5-19 Weidevieh im Restwasser einer Flutrinne an<br />
der Mittelelbe (Foto Frank Krüger).<br />
5.1.2.4 Wie verhält es sich mit der<br />
Schadstoffanreicherung im Weidevieh?<br />
Aufgrund der besorgniserregenden Befunde über<br />
die Belastung des Bodens in den Überflutungsflächen<br />
wurde von der Tierärztlichen Hochschule<br />
Hannover an der niedersächsischen <strong>Elbe</strong> bei Sassendorf<br />
eine detaillierte und systematische Untersuchung<br />
über den Transfer von Dioxinen in die<br />
menschliche Nahrungskette durchgeführt (138,<br />
139).<br />
Auch in dieser Studie wird angemerkt, dass die Aufnahme<br />
von Schadstoffen nicht alleine über die<br />
Vegetation erfolgt, die Kühe fressen vielmehr auch<br />
Boden (113, 152), der an den Pflanzenteilen anhaftet<br />
(bis zu 1,5 kg am Tag). Sie inhalieren aber auch<br />
belastete Stäube und sie saufen aus belasteten Altgewässern<br />
(Abb. 5-19). In der niedersächsischen<br />
Studie wird belegt, dass es auf Böden mit Dioxingehalten<br />
weit über den Richtlinien der AG "Dioxine"<br />
(siehe Abschnitt 5.1.2.2 und Abb. 5-16) zu Höchstmengenüberschreitungen<br />
<strong>nach</strong> Futtermittelverordnung<br />
kommen kann (138, 139). Dabei ist anzumerken,<br />
dass auch die angewandten Erntetechniken<br />
zu einer Belastung beitragen können, wenn sie zu<br />
einer Verschmutzung der Vegetation führen.<br />
Außer<strong>dem</strong> wird gezeigt, dass mit zunehmender<br />
Beweidungsdauer auch die Dioxingehalte in der<br />
Milch ansteigen, und Höchstgehaltsüberschreitungen<br />
auftreten. Abb. 5-20 zeigt den Verlauf der<br />
Dioxingehalte in der Milch während des Versuchszeitraumes.<br />
Die Rinder waren vor <strong>dem</strong> Versuch<br />
unbelastet und nur während des Versuchszeitraums<br />
der Dioxinbelastung ausgesetzt.<br />
Die Ergebnisse belegen aber auch, dass die<br />
Dioxinbelastung der Milch rückläufig ist, wenn die<br />
Tiere in einer Stallungsperiode mit unbelastetem<br />
Futter gefüttert werden. Auch die Messergebnisse<br />
ng WHO-PCDD/F-TEQ/kg Fett<br />
ng WHO-PCDD/F-TEQ/kg Fett<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
Weideauftrieb<br />
Start<br />
Woche 1<br />
Woche 4<br />
Trockenwetterperiode<br />
Woche 8<br />
Beweidungsende/<br />
Beginn der Stallhaltung<br />
Woche 10<br />
Woche 11<br />
Woche 14<br />
Woche 18<br />
Woche 20<br />
Versuchslaufzeit<br />
Abb. 5-20 Dioxingehalte in der Milch von Weidevieh aus<br />
den Elbauen. Nach 10 Wochen wurden die Kühe ausschließlich<br />
mit unbelastetem Futter gefüttert. Daten von<br />
Schulz et al. (139); es handelt sich um Ergebnisse aus<br />
Milchmischproben sowie um Mittelwertbildungen aus drei<br />
Einzelergebnissen.<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
-1<br />
Beginn der Fütterung<br />
mit belasteter Silage<br />
Start<br />
Kalbung, da<strong>nach</strong><br />
unbelastetes Futter<br />
Erstmilch<br />
Tag 3<br />
Tag 6 <strong>nach</strong> der Kalbung:<br />
Beginn des Verkaufs<br />
von Milch<br />
Tag 21<br />
Kraftfutterentzug zur<br />
Fettmobilisierung<br />
Tag 40/43/58<br />
Tag 3 <strong>nach</strong> KFR*<br />
<strong>nach</strong> der Schlachtung zeigten keine Belastung von<br />
Leber, Muskel und Fettgewebe.<br />
In einem weiteren Versuch wurden trächtige Kühe<br />
während der Trockenstellungsperiode, genau vier<br />
Wochen vor <strong>dem</strong> berechneten Kalbungstermin, mit<br />
Grassilage aus <strong>dem</strong> Überflutungsbereich der <strong>Elbe</strong><br />
gefüttert. Nach der Kalbung bekamen die Kühe<br />
wieder unbelastetes Futter, sowie Kraftfutterzugaben.<br />
Erwartungsgemäß war die Erstmilch hochgradig<br />
belastet. Aber schon <strong>nach</strong> drei Tagen erreichten<br />
die Dioxinkonzentrationen ein Niveau unterhalb der<br />
zulässigen Höchstgehalte (Abb. 5-21). Damit ist<br />
man auf der sicheren Seite, wenn Milch bis zu fünf<br />
Tagen <strong>nach</strong> der Kalbung nicht in den Verkehr<br />
gebracht werden darf. Die Reduktion der Kraftfutterzugabe<br />
zwischen der 6. und der 8. Woche <strong>nach</strong><br />
Schlachtung<br />
Kuh 21<br />
Kuh 22<br />
Kuh 23<br />
Schlachtung<br />
Tag 7 KFR*<br />
Versuchslaufzeit<br />
Abb. 5-21 Verlauf der Dioxingehalte in der Milch <strong>nach</strong><br />
der Kalbung. KFR*: Kraftfutterreduktion (<strong>nach</strong> 139).<br />
58
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
der Kalbung, durchgeführt zur Fettmobilisierung,<br />
führte nicht zu einer weiteren Schadstofferhöhung<br />
in der Milch. Auch die Belastung von Leber, Muskel<br />
und Fettgewebe dieser Tiere war unterhalb der<br />
zulässigen Höchstgehalte <strong>nach</strong> der Verordnung<br />
(EG) 2375/2001 (139).<br />
Beide Versuche legen nahe, dass die Nutzung des<br />
Vorlandes als Grünland aus Gründen der Belastung<br />
und Schadstoffanreicherung in der Nahrungskette<br />
nicht unterbleiben muss. Aber ein Nutzungsmanagement<br />
scheint unerlässlich. Beruhigend<br />
wäre auch, wenn gleichartige Versuche über<br />
die gesamte bzw. mehrere Beweidungsperioden<br />
durchgeführt werden, wenn die Anreicherung in<br />
männlichen Tieren, die die Schadstoffe ja nicht mit<br />
der Milch ausscheiden können, getestet werden.<br />
Darüber hinaus muss die Übertragbarkeit dieser<br />
Ergebnisse auf andere Regionen an der <strong>Elbe</strong> überprüft<br />
werden.<br />
Zahlreiche Maßnahmen zur Minimierung des<br />
Schadstofftransfers von den Überflutungsflächen in<br />
die menschliche Nahrungskette wurden von Ritschel<br />
und Dinkelberg bereits 2003 formuliert (130).<br />
Mögliche Maßnahmen sind u.a.:<br />
• Ausgrenzung von Senken (Bereich höchster Belastung)<br />
und Wasserlöchern (Tränkstellen),<br />
• Auftrieb erst <strong>nach</strong> niederschlagsbedingter Abwaschung<br />
von Sedimentpartikeln vom Aufwuchs,<br />
• Auftrieb bei hohem Bewuchs, geringe Viehdichte,<br />
• Kurze Beweidungszeiten<br />
• Zufütterung von "unbedenklichem" Futter bei<br />
Stallhaltung<br />
• Wiesen- statt Weidenutzung,<br />
• Geeignete Erntetechnik zur Verringerung der Verschmutzung,<br />
• Vermarktung nur <strong>nach</strong> analytischem Unbedenklichkeits<strong>nach</strong>weis,<br />
59<br />
• Nur Nutzung von Pflanzen mit bekanntem geringen<br />
Schadstoff-Transfer, kein Anbau bodennah<br />
wachsender Feldfrüchte<br />
Dabei soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass es<br />
insbesondere in den Muldeauen hochgradig belastete<br />
Bereiche gibt, die zur Vermeidung des Schadstofftransfers<br />
in die Nahrungskette bereits 1994 aus<br />
der Nutzung genommen wurden (116). Auch die<br />
Anreicherung von Schadstoffen in Wildtieren kann<br />
problematisch sein, insbesondere bei bodenbrechen<strong>dem</strong><br />
Schwarzwild.<br />
5.1.3 Ist das Trinkwasser belastet?<br />
Trinkwasser ist ein gut untersuchtes und überwachtes<br />
Medium. Trinkwasser ist ja auch lebenswichtig<br />
und weltweit werden die Ressourcen knapper.<br />
Daher scheint rechtzeitige Vorsorge geboten.<br />
Umfangreiche Untersuchungen, auch aus <strong>dem</strong><br />
Adhoc-<strong>Hochwasser</strong>projekt belegen für die historisch<br />
belastete Region Wolfen-Bitterfeld eine deutliche<br />
Belastung des Grundwassers mit vielen Substanzen,<br />
wie Chlorbenzole, leichtflüchtigen Chlorkohlenwasserstoffen,<br />
Nitrochlorbenzene, Benzen<br />
u.v.m.. Aber dieses Grundwasser wird ja auch nicht<br />
für die Trinkwassergewinnung genutzt, es wird<br />
intensiv überwacht und es gibt Versuche, diese Altlasten<br />
zu sanieren.<br />
Ein weiteres Risikopotenzial wird für das oberflächennahe<br />
Grundwasser der Auen gesehen. Die<br />
teilweise hohe Mobilisierbarkeit von Schwermetallen<br />
und Arsen führte an mehreren Messstellen zur<br />
Überschreitung der Prüfwerte für den Transferpfad<br />
Boden-Grundwasser der BBodSchV (25). Und das<br />
sowohl in den Elb- als auch in den Muldeauen. Die<br />
Überschreitung der Prüfwerte sind als Auftrag für<br />
weitere Untersuchungen zu verstehen, um eine<br />
<strong>nach</strong>haltige Sicherung des Trinkwassers zu<br />
gewährleisten. Dabei müssen aber zunächst die<br />
Grundwasserfließrichtungen geklärt und das<br />
gesamte Mobilisierungspotenzial von Schadstoffen<br />
in den Auen aufgeklärt werden.
WOLF-RAINER ABRAHAM, HEIKE PETZOLDT UND GERHARD STRAUCH ABSCHNITT 6INFEKTIONSRISIKEN DURCH MIKROORGANISMEN IM FLUTWASSER<br />
Abb. 6-1 Mikroskopische Abbildung von Biofilm bildenden Bakterien aus Trinkwasser.<br />
Aufnahmen mit <strong>dem</strong> Rasterkraftmikroskop, Tapping Mode. Dieses kann in einer Aufnahme durch unterschiedliche Signalverarbeitung<br />
mehrere Bilder gleichzeitig liefern. Links Höhensignal (hier können Strukturen in drei Richtungen vermessen<br />
werden), rechts das Amplitudensignal. Hier wurde die beginnende Biofilmbildung auf unterschiedlichen<br />
Materialoberflächen untersucht. AFM-Untersuchungen sind besonders für sehr frühe Stadien der Biofilmbildung geeignet<br />
(Foto Brigitte Garske).<br />
6 Infektionsrisiken durch Mikroorganismen im Flutwasser<br />
Wolf-Rainer Abraham, Heike Petzoldt und Gerhard Strauch<br />
Mikroorgansimen sind vorwiegend einzellige, niedere<br />
Organismen, die gewöhnlich nicht mit bloßem<br />
Auge sichtbar sind. Im engeren Sinne zählen dazu<br />
vor allem Bakterien, aber auch Pilze, niedere Algen<br />
und Protozoen. Einige Vertreter dieser Organismengruppen<br />
sind infektiös und/oder können Gifte<br />
produzieren.<br />
6.1 Bakterien und Pilze in Flüssen und deren<br />
Funktionen<br />
Es gibt fast keinen Platz auf der Erde, der nicht von<br />
Bakterien besiedelt werden kann. Einige Spezialisten<br />
können bei -20°C oder 106°C, in gesättigten<br />
Salzlösungen, bei pH 0 (also in extrem saurem<br />
Milieu) oder pH 12 (in einem extrem alkalischen<br />
Umfeld), aber auch unter der starken radioaktiven<br />
Strahlung von Abklingbecken in Kernkraftwerken<br />
wachsen. Viele können Sauerstoff zur Atmung<br />
benutzen. Wenn der aber fehlt, müssen sie nicht,<br />
wie wir, ersticken. Sie sind in der Lage, ihren Stoffwechsel<br />
umzustellen. Sie nutzen dann eine Reihe<br />
anderer Oxidationsmittel wie Nitrat, Sulfat oder<br />
auch Eisen-(III).<br />
In unseren Flüssen sind Mikroorganismen allgegenwärtig.<br />
Oft wird man ihrer sogar mit <strong>dem</strong> bloßen<br />
Auge gewahr, wenn sie als schleimige Biofilme auf<br />
Steinen oder Holzstücken wachsen und mancher<br />
von uns ist schon auf solchen schleimigen Steinen<br />
beim Baden ausgerutscht. Mikroorganismen erfüllen<br />
im ’Stoffwechsel’ der Gewässer eine wichtige<br />
Rolle, in <strong>dem</strong> sie organische Stoffe abbauen, die<br />
vorher vom Land in die Gewässer gespült oder von<br />
den Algen und Wasserpflanzen im Gewässer selbst<br />
produziert wurden. Einige Bakterien setzen den<br />
Stickstoff aus organischen Verbindungen frei, stellen<br />
ihn damit anderen Organismen zur Verfügung<br />
oder verringern die Nährstoffbelastung des Gewässers,<br />
wenn im Zuge der Denitrifikation am Ende<br />
molekularer Stickstoff an die Luft ausgast. Nicht<br />
zuletzt bauen sie eine Fülle von Schadstoffen ab,<br />
die wir unbedacht in die Umwelt entlassen. So gibt<br />
es einige Bakterienstämme, die beispielsweise<br />
Pestizide, Dieselöl oder Waschmittel abbauen können.<br />
In diesem Zusammenhang sprechen wir von<br />
der ’Selbstreinigung’ der Gewässer. Die Masse der<br />
Mikroorganismen in den Flüssen sind also generell<br />
etwas Natürliches und von großem Nutzen für den<br />
Haushalt der Natur und unsere industrialisierte<br />
Gesellschaft.<br />
60
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
6.2 Mikroorganismen als Krankheitserreger<br />
Aus eigener, manchmal leidvoller, Erfahrung wissen<br />
wir, dass eine Reihe von Mikroorganismen<br />
auch Krankheitserreger sein können. In der Regel<br />
ist unser Körper auf den Kontakt mit Mikroorganismen<br />
eingerichtet und wehrt sich auf sehr unterschiedliche<br />
Weise.<br />
Die meisten Bakterien sind harmlos, werden vom<br />
Immunsystem in der Regel in Schach gehalten<br />
oder haben im oder auf <strong>dem</strong> Körper Nischen gefunden,<br />
wo sie uns nicht schaden oder unter Umständen<br />
sogar nützlich werden (Hautflora, Darmflora).<br />
Pathogene Bakterien, Pilze, Protozoen, Würmer<br />
und Viren sind dagegen darauf spezialisiert, sich<br />
als Parasiten im Menschen oder verwandten Arten<br />
zu entwickeln. Oft entbrennt sozusagen ein Kampf<br />
zwischen angreifenden Mikroorganismen und <strong>dem</strong><br />
Immunsystem des Menschen. Viele Pathogene<br />
haben spezielle Mechanismen entwickelt, das<br />
Immunsystem auszutricksen und können sich dann<br />
zunächst relativ ungestört vermehren. Geschwächt<br />
wird der Körper nicht nur durch heftige Immunreaktionen,<br />
sondern auch durch die Zerstörung (Lyse)<br />
von Zellen in menschlichen Geweben und von giftigen<br />
Stoffwechselprodukten der Krankheitserreger.<br />
Abb. 6-2 Kadaver als Infektionsquelle. In <strong>dem</strong> seit<br />
fünf Tagen von den Wassermassen eingeschlossen<br />
Ort Seegrehna bei Wittenberg zog am 22.8.<strong>2002</strong> der<br />
62-jährige Dieter Krüger in seinem Garten einen toten<br />
Hahn aus <strong>dem</strong> Wasser. Rund 180 Menschen lebten<br />
damals in diesem Ort, der wie eine Insel rundum von<br />
Wasser bedroht war. Die <strong>Elbe</strong> hatte hier am 20.8.<strong>2002</strong><br />
einen Damm durchbrochen und mehrere Orte überflutet<br />
(Foto Waltraud Grubitzsch).<br />
61<br />
Wenn sich der Körper einem Angriff durch pathogene<br />
Mikroorganismen zu erwehren hat oder<br />
anderweitig, beispielsweise durch Operationen,<br />
Stress oder Verletzungen (Brandwunden),<br />
geschwächt ist, so kann diese Situation von weiteren<br />
Mikroorganismen als Chance genutzt werden.<br />
Diese Anderen stellen für uns im Alltag normalerweise<br />
keine nennenswerte Gefahr dar. Aber im<br />
Moment unserer Schwächung, und nur dann, sind<br />
sie gefährlich. Wir nennen solche Bakterien fakultativ<br />
pathogen, weil sie nur zusammen mit anderen,<br />
für uns ungünstigen Bedingungen gefährlich<br />
werden können.<br />
6.3 Wie kommen pathogene<br />
Mikroorganismen in die Flüsse?<br />
Pathogene und auch fakultativ pathogene Mikroorganismen<br />
gelangen regelmäßig in Gewässer. Die<br />
Quellen dafür sind vielfältig: Ausscheidungen von<br />
Tier und Mensch, Kadaver (Abb. 6-2) oder Übertragung<br />
durch andere Tiere (Zwischenwirte). Entlang<br />
der <strong>Elbe</strong> bilden Viehweiden in der Aue als auch<br />
(ungeklärte) menschliche Abwässer die Hauptquellen.<br />
Nach der Verbesserung der Reinigungsleistung<br />
vieler Kläranlagen entlang der <strong>Elbe</strong> seit Mitte<br />
der 1990er Jahre ist die Konzentration der pathogenen<br />
Mikroorganismen gewöhnlich nicht groß<br />
genug, bei Hautkontakt Infektionen auszulösen.<br />
Wir können also normalerweise unbesorgt in der<br />
<strong>Elbe</strong> baden, wenn dabei kein Wasser verschluckt<br />
wird. Unangenehm ist dagegen der durch das<br />
starke Algenwachstum oft extrem hohe pH-Wert,<br />
der die Haut und Augen reizt.<br />
Diese Situation ändert sich grundlegend, wenn sich<br />
ein <strong>Hochwasser</strong> anbahnt. Der starke Regen spült in<br />
großem Maße Erdreich und obere Bodenschichten<br />
in die Flüsse. Teilweise wird damit die Schutzwirkung<br />
des Bodens für den Grundwasserleiter vermindert.<br />
Ausscheidungen von Weidetieren (Abb. 6-<br />
3) sowie bereits ausgebrachter Mist und Gülle aus<br />
Großviehhaltungen werden in die Gräben und Vorfluter<br />
gespült, von denen aus sie auch die großen<br />
Flüsse erreichen. Wenn die Fluten landwirtschaftliche<br />
Betrieben überschwemmen, können zusätzlich<br />
Misthaufen und Jauche- und Güllegruben, die<br />
höchste Keimzahlen enthalten, ins Wasser gelangen.<br />
Nun sind aber die Bakterien meist hochgradig spezialisiert.<br />
Arten, die im Kot der Tiere vorkommen<br />
sind nicht unbedingt gefährlich für den Menschen.<br />
Werden aber auch Kläranlagen überschwemmt,<br />
können Krankheitserreger ins Flusswasser gelangen,<br />
die direkt aus <strong>dem</strong> menschlichen Darm stammen<br />
und die daher unmittelbar wieder auf den<br />
Menschen übergehen können. Sie stellen eine<br />
potenziell hochgradige Gefahr für Menschen dar,
Clostridium perfringens (n/g TS)<br />
WOLF-RAINER ABRAHAM, HEIKE PETZOLDT UND GERHARD STRAUCH ABSCHNITT 6INFEKTIONSRISIKEN DURCH MIKROORGANISMEN IM FLUTWASSER<br />
10 4<br />
10 3<br />
10 2<br />
Vorland, jährlich überflutet<br />
Hinterland, einmalig überflutet hinter Deichbruch<br />
Hinterland, nie überflutet<br />
10<br />
0 100 200 300 400 500 600<br />
1<br />
deutsche Strom-km<br />
Abb. 6-3 Anzahl (n) des Bakteriums Clostridium perfringens<br />
in Bodenproben entlang der <strong>Elbe</strong>. Im jährlich überfluteten<br />
Vorland vor den Deichen sind entlang des<br />
gesamten Stromes hohe Bakterienzahlen vorhanden.<br />
Das Vorland wird regelmäßig zur Viehweide genutzt.<br />
Auf den nur einmal, im Sommer <strong>2002</strong> überfluteten Flächen<br />
sind die Clostridium-Zahlen geringer. Aber auch in<br />
niemals überfluteten Böden kommen diese Bakterien<br />
vor.<br />
die mit ihnen in Kontakt kommen. Das gilt für alle<br />
Bereiche, die von den Fluten betroffen werden:<br />
landwirtschaftlich und gärtnerisch genutzte Flächen<br />
ebenso wie Häuser und deren Einrichtungen.<br />
6.4 Überleben pathogene Mikroorganismen<br />
im Wasser der Flut?<br />
Vorteilhaft ist für uns die Spezialisierung der pathogenen<br />
Mikroorganismen, also die hochgradige<br />
Anpassung an ihre Wirtsorganismen. Die meisten<br />
Krankheitserreger können nicht lange im Flusswasser,<br />
in dieser für sie ungewohnten Umgebung,<br />
überleben. Wo der Mensch ihnen 37°C bietet und<br />
im menschlichen Darm Nährstoffe im Überfluss zur<br />
Verfügung stehen, hat der Fluss je <strong>nach</strong> Jahreszeit<br />
nur maximal um die 20°C und auch das Angebot an<br />
Nährstoffen ist um viele Größenordnungen geringer.<br />
Die Folge ist, dass die meisten Fäkal-Bakterien<br />
in recht kurzer Zeit absterben. So konnte man während<br />
der großen Augustflut im Jahre <strong>2002</strong> zwar<br />
hohe Konzentrationen an Escherichia coli Bakterien<br />
(Abb. 6-4) unmittelbar flussabwärts von überfluteten<br />
Klärwerken <strong>nach</strong>weisen, aber bereits 50<br />
km weiter waren diese hohen Bakterienkonzentrationen<br />
verschwunden (Abb. 6-5). Andere Bakterien<br />
aber, insbesondere fakultativ pathogene Bakterien,<br />
sind nicht so empfindlich und können durchaus länger<br />
im Fluss überleben und damit auch eine Gefahr<br />
für den Menschen darstellen.<br />
Abb. 6-4 Escherichia coli, das Darmbakterium.im<br />
Trinkwasser. Die Breite des Ausschnitts beträgt 10 µm<br />
(Foto Brigitte Garske).<br />
E. coli ist nicht immer nur harmloser Fäkalindikator,<br />
sondern kann manchmal auch selber ein gefährlicher<br />
Krankheitserreger sein. Wochenlang hielt eine Epi<strong>dem</strong>ie<br />
im Jahr 2000 die kanadische Gemeinde Walkerton<br />
in Atem. Nach heftigen Regenfällen (134 mm in 4<br />
Tagen) wurde eine Trinkwasserfassung mit Gülle aus<br />
einen Viehzuchtbetrieb verunreinigt. 2300 der 4800<br />
Einwohner erkrankten. Rund 1000 Opfer wurden ambulant,<br />
68 mussten stationär im Krankenhaus behandelt<br />
werden, und 7 Menschen starben an den Folgen der<br />
Infektion. E. coli O157:H7 (das ist die Bezeichnung des<br />
Stammes) und ein weiteres Bakterium, Campylobacter<br />
jejuni, verursachten i.d.R. Magenschmerzen, später oft<br />
blutigen Durchfall und manchmal heftige Unterleibsschmerzen.<br />
Für Kinder unter fünf Jahren und ältere<br />
Menschen können Infektionen mit E. coli O157:H7<br />
ernsthafte Folgen haben. Sie können <strong>nach</strong> fünf bis<br />
zehn Tagen der Infektion das Hämolytische uremische<br />
Syndrom (HUS, 68) verursachen, welches zu Anämie,<br />
verminderter Thrombozytenzahl, akutem Nierenversagen,<br />
und in manchen Fällen zum Tode führt (67).<br />
Was bedeutet dies nun für die Trinkwasserversorgung<br />
durch die ufernahen Wasserwerke? Als während<br />
der Augustflut einige Wasserwerke samt<br />
deren Brunnen überflutet wurden, bestand unmittelbar<br />
die Gefahr, dass pathogene Bakterien in die<br />
Trinkwasseraufbereitung gelangen konnten. Sie<br />
wurden daher sofort vorbeugend abgeschaltet. Für<br />
Wasserwerke, deren Brunnen noch arbeiteten, die<br />
aber aus einem mit pathogenen Keimen belasteten<br />
Fluss versorgt wurden, bestand mittelfristig die<br />
Gefahr einer Kontamination über die Uferpassage<br />
und durch Versickerung durch die Bodenzone.<br />
Unsere Untersuchungen an überfluteten Wasserschutzzonen<br />
von <strong>Elbe</strong> und Mulde haben gezeigt,<br />
dass es beispielsweise <strong>dem</strong> Darmbakterium E. coli<br />
nicht gelingt, den Boden zu durchqueren und in die<br />
62
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Wittenberg<br />
Dresden-Kaditz<br />
Brunnen zu gelangen. Die Uferfiltration und die<br />
Wirksamkeit der Bodenabdeckung als vertikaler Filter<br />
funktionierten also auch bei dieser schweren<br />
Flut noch reibungslos.<br />
6.5 Sind Pathogene eine Gefahr im<br />
Flutwasser und wie kann man sie<br />
bekämpfen?<br />
Welche Gefahr stellen nun die pathogenen Bakterien<br />
im Flutwasser wirklich dar? Wir haben gesehen,<br />
dass die massenhaft eingeschwemmten<br />
gewöhnlichen Darmbakterien (Coliforme) im Fluss<br />
innerhalb kurzer Zeit absterben. Ähnlich verhält es<br />
sich mit <strong>dem</strong> Teil der Coliformen, der mit Flutwasser<br />
und -schlamm auf landwirtschaftlich und gärtnerisch<br />
genutzte Flächen und die darauf vorhandene<br />
Vegetation (Obst, Gemüse, Getreide und<br />
Viehfutter) eingetragen wird. Langfristig, also über<br />
Monate bis Jahre gesehen, bilden sie keine bleibende<br />
Gefahr für die Menschen.<br />
63<br />
Wörlitz<br />
Torgau<br />
Riesa<br />
Pirna<br />
Wasser:<br />
Sediment:<br />
E. coli Coliforme<br />
100 1000 10000 100000 1000000<br />
MPN/g TM<br />
Abb. 6-5 Verteilung von Coliformen/E-Coli in der <strong>Elbe</strong><br />
ca. eine Woche <strong>nach</strong> Durchgang des Flutscheitels. Die<br />
Bakterienzahlen sind im Oberen Elbtal (Pirna) sehr hoch<br />
und nehmen durch die während des <strong>Hochwasser</strong>s <strong>2002</strong><br />
ungeklärt eingeleiteten Abwässer des Ballungsraumes<br />
Dresden noch stark zu (beachte die logarithmische Darstellung).<br />
Unterhalb von Riesa ist dagegen eine starke<br />
Abnahme der Koloniezahlen erkennbar. In Wörlitz konnten<br />
keine E. coli mehr <strong>nach</strong>gewiesen werden, und die<br />
Zahl der Coliformen nahm im Vergleich zu Riesa um<br />
99,8% ab.<br />
Funktion der Uferfiltration<br />
In vielen Trinkwasserwerken entlang der <strong>Elbe</strong> wird die<br />
Uferfiltration erfolgreich zur Vorreinigung des Elbwassers<br />
eingesetzt.<br />
Das Wasser fließt aus <strong>dem</strong> Fluss unterirdisch als<br />
Grundwasser durch den Grundwasserleiter zu den<br />
Brunnen, die in einigen dutzend bis hundert Metern<br />
vom Flussufer entfernt gesetzt wurden. Das ist quasi<br />
der entgegengesetzte Weg, den das Wasser natürlicherweise<br />
nehmen würde (vgl. Abb. 2-8).<br />
Im Grundwasserleiter, der meist aus feinen bis groben<br />
Sanden und Kiesen besteht, reinigt sich das infiltrierte<br />
Flusswasser mechanisch von groben Verunreinigungen.<br />
Mikroorganismen setzen einen großen Teil der<br />
Schadstoffe um. Dabei vermindern sie die Schadstoffkonzentration<br />
derart drastisch, dass das Flusswasser<br />
<strong>nach</strong> der gesetzlich geforderter Mindestfließzeit von<br />
50 Tagen im Grundwasserleiter den Förderbrunnen in<br />
ausreichender Rohwasserqualität erreicht.<br />
Das Umfeld um die Brunnenfassungen wird durch<br />
Ausweisung als Wasserschutzgebiet besonders<br />
geschützt. Hier dürfen beispielsweise keine Chemikalien<br />
oder andere Gefahrenstoffe sowie bakteriologisches<br />
Material, von welchem eine mikrobielle<br />
Kontamination ausgehen könnte, gelagert, ausgebracht<br />
oder gehandelt werden. Der Boden muss auch<br />
von oben her als Abdichtung einen Schutz für den<br />
Grundwasserleiter gewähren.<br />
Natürlich sollte Flusswasser, aus <strong>dem</strong> Uferfiltrat<br />
gewonnen werden soll, nur gering von Schadstoffen<br />
belastet sein. Elbwasser ist jedoch seit Jahrzehnten<br />
sehr stark verschmutzt gewesen. Die Belastung mit<br />
infektiösen Keimen (Bakterien, Viren und Wurmeiern)<br />
war extrem hoch, da viele Kläranlagen in der ČSSR<br />
und DDR keine biologische Reinigungsstufe aufwiesen<br />
oder Abwässer gar direkt ungeklärt in den Fluss<br />
eingeleitet wurden. Dass diese Keime ihren Weg bis<br />
ins Trinkwasser fanden, zeigen diese Zahlen: Dresden<br />
wies in den 1980er Jahren eine 3mal höhere Häufigkeit<br />
von Magen-Darm-Infektionen auf als der Durchschnitt<br />
der DDR. Die Stadt bezog etwa die Hälfte ihres<br />
Trinkwassers aus Uferfiltrat aus der <strong>Elbe</strong> (die andere<br />
Hälfte aus sauberem Talsperrenwasser). Meißen,<br />
wenige Kilometer stromab, hatte eine 7mal höhere<br />
Infektionsrate und bezog sein gesamtes Trinkwasser<br />
aus der Uferfiltration von Elbwasser (Daten R. Walter).<br />
Seit Anfang der 1990er Jahre hat sich die Wasserqualität<br />
der <strong>Elbe</strong> bereits drastisch verbessert. Während<br />
des <strong>Hochwasser</strong>s wiesen zwar einige Meßgrößen<br />
deutlich erhöhte Konzentrationen auf, jedoch wurde<br />
das hohe Niveau von vor 1990 bei weitem nicht<br />
erreicht. Die Qualität der Trinkwasseraufbereitung aus<br />
Uferfiltrat ist ebenfalls stark gestiegen. Zu<strong>dem</strong> wird<br />
Dresden nur noch zu 20% mit Uferfiltrat aus der <strong>Elbe</strong><br />
versorgt.
WOLF-RAINER ABRAHAM, HEIKE PETZOLDT UND GERHARD STRAUCH ABSCHNITT 6INFEKTIONSRISIKEN DURCH MIKROORGANISMEN IM FLUTWASSER<br />
Flut-Isolate <strong>Elbe</strong>-Isolate Oker-Isolate<br />
Resistent Grenzfall Sensibel<br />
Abb. 6-6 Antibiotika-Resistenz von Bakterienstämmen<br />
vom <strong>Hochwasser</strong> <strong>2002</strong>. Untersucht wurden Flut-Isolate<br />
aus Kellern in Bitterfeld und Hitzacker, <strong>Elbe</strong>-Isolate aus<br />
<strong>dem</strong> Fluss bei Hitzacker ein Jahr <strong>nach</strong> der Flut, und Isolate<br />
aus der Oker zum Vergleich. Die vier Ringe stehen<br />
für folgende Antibiotika (von außen <strong>nach</strong> innen):<br />
1. Ampicillin, 2. Erythromycin, 3. Gentamycin,<br />
4. Multiresistenz gegen alle drei Antibiotika.<br />
Jedoch sind die Coliformen nur ein leicht zu analysierender<br />
Indikator für Fäkalbelastung und nur<br />
fakultativ pathogen. Tatsächlich pathogene Bakterien<br />
sind im Flutwasser viel seltener und dazu oft<br />
schwieriger analytisch zu bestimmen.<br />
Untersuchungen in während der August-Flut überschwemmten<br />
Kellern haben gezeigt, dass hier<br />
durchaus längere Zeit Pathogene <strong>nach</strong>weisbar<br />
waren (Abb. 6-6). Alarmierend waren hier besonders<br />
die Ergebnisse zur Resistenz der Bakterien<br />
gegen handelsübliche Antibiotika. Bakterielle Infektionen<br />
werden seit Ende des 2. Weltkrieges mit<br />
Antibiotika bekämpft. Heutzutage gibt es eine<br />
Reihe hochwirksamer und oft auch recht spezifischer<br />
Antibiotika, die in der Medizin und in großem<br />
Ausmaß auch in der Viehmast eingesetzt werden.<br />
Und genau gegen diese Antibiotika waren viele der<br />
Bakterienstämme aus den überfluteten Kellern<br />
immun. Das heißt, die Antibiotika wirkten nicht<br />
mehr keimtötend.<br />
Abb. 6-7 Verschlammter Obstgarten bei <strong>Elbe</strong>-Strom-km 97. Das verschlammmte Fallobst kann nur noch auf den<br />
Kompost (Althirschstein, Foto René Schwartz).<br />
64
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Resistenzen von Bakterien gegenüber Antibiotika<br />
sind seit langem bekannt. Die Mikroorganismen<br />
haben Mechanismen entwickelt, sich der Wirkung<br />
der Antibiotika zu entziehen. Diese Mechanismen<br />
werden vererbt. Teile des Erbguts können zwischen<br />
verschiedenen Bakterienarten übertragen werden.<br />
So kann sich eine Resistenz gegen ein bestimmtes<br />
Antibiotikum recht schnell unter verschiedenen<br />
Bakterien verbreiten. Man entgegnet <strong>dem</strong> in der<br />
Medizin mit <strong>dem</strong> Einsatz immer neuer, für die meisten<br />
Bakterien bisher unbekannter Antibiotika.<br />
Auch werden zunehmend Kombinationen verschiedener<br />
Antibiotika verabreicht. Seit einigen Jahren<br />
ist allerdings in Krankenhäusern festzustellen, dass<br />
Bakterien Multiresistenzen aufweisen, also gegen<br />
verschiedene antibakterielle Wirkstoffe immun sind.<br />
Darunter gibt es Bakterienstämme, die sich mit keinem<br />
der heute verwendeten Antibiotika mehr<br />
bekämpfen lassen. Im Falle einer Erkrankung steht<br />
der Arzt ohne wirksame Medikamente da.<br />
Überraschend war nun, dass solche Multiresistenz<br />
auch bei Bakterien beobachtet wurde, die aus<br />
überfluteten Kellern isoliert wurden. Nun lässt sich<br />
nicht mit Sicherheit sagen, ob diese Bakterien<br />
schon vor der Flut in den Kellern waren und gar<br />
nicht aus <strong>dem</strong> Flutwasser stammen. Einiges spricht<br />
jedoch dafür, dass sie mit der Flut in die Keller<br />
gebracht wurden. Ein Jahr <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong><br />
von <strong>2002</strong> konnten solch hohe Anteile resistenter<br />
Bakterien im Elbwasser selbst nicht mehr <strong>nach</strong>gewiesen<br />
werden.<br />
65<br />
Was aber ist die Quelle für den hohen Anteil resistenter<br />
Bakterien? Wir vermuten sie in den während<br />
des <strong>Hochwasser</strong>s zerstörten Klärwerken,<br />
wodurch wochenlang der größte Teil der Abwässer<br />
z.B. des Dresdener Raumes ungeklärt in die <strong>Elbe</strong><br />
gelangten, und den Abschwemmungen von landwirtschaftlichen<br />
Betrieben. Die meisten Antibiotika<br />
werden nicht etwa in der Medizin, sondern in der<br />
landwirtschaftlichen Tierproduktion eingesetzt<br />
(172). Hier können sich bevorzugt Multiresistenzen<br />
entwickeln und schnell unter den Bakterien verbreiten.<br />
Das ist ein allgemeines Problem, welches nicht<br />
unmittelbar mit der Flut zu tun hat, das aber, wie<br />
gezeigt, eine zusätzliche Gefahr für die Menschen<br />
in den Flutgebieten darstellt. Das extreme <strong>Hochwasser</strong><br />
hat zu einer stärkeren Verbreitung dieser<br />
Gefahr beigetragen. Der Pfad, über den die Krankheitserreger<br />
das Gewässer erreichten, wurde<br />
bereits in Abschnitt 6.3 beschrieben.<br />
6.6 Wie kann man sich gegen die<br />
pathogenen Keime schützen?<br />
Abb. 6-8 Schimmelbildung<br />
<strong>nach</strong><br />
<strong>dem</strong> Rückgang<br />
des Wassers. Die<br />
Nährstoffe aus<br />
<strong>dem</strong> verschmutzten<br />
Wasser und<br />
der Polsterung,<br />
das gute Wasserhaltevermögen<br />
und die hohen<br />
Temperaturen lassen<br />
auf diesem<br />
Sofa eine ausgedehnteSchimmelkolonie<br />
gedeihen<br />
(Foto Wolf-Rainer<br />
Abraham).<br />
Der wirksamste Schutz gegen bakterielle Krankheitserreger<br />
ist die Einhaltung von einfachen<br />
Regeln der Hygiene. So sollte man während der<br />
Hilfseinsätze oder auch beim Baden kein Flusswasser<br />
und schon gar kein Flutwasser schlucken.<br />
Haut, Nahrungsmittel wie Obst (Abb. 6-7) und manche<br />
Gemüsesorten mit fester Schale, sowie andere<br />
Gegenstände, die mit Flutwasser oder Schlamm in<br />
Berührung waren, sollten selbstverständlich gründ-
WOLF-RAINER ABRAHAM, HEIKE PETZOLDT UND GERHARD STRAUCH ABSCHNITT 6INFEKTIONSRISIKEN DURCH MIKROORGANISMEN IM FLUTWASSER<br />
lich gewaschen werden. Andere Nahrungsmittel,<br />
wie Getreide, Kohl u.a., die sich nicht gründlich<br />
waschen lassen, können nur noch kompostiert werden.<br />
Ein großes Ärgernis war <strong>nach</strong> Rückgang des <strong>Hochwasser</strong>s<br />
die Schimmelbildung an Wänden und<br />
Hausrat. Die Schimmelbildung ist nahezu unvermeidbar,<br />
wenn im Sommer hohe Temperaturen und<br />
durch das <strong>Hochwasser</strong> die allgegenwärtige, tiefsitzende<br />
Feuchtigkeit und Nährstoffversorgung<br />
(Schlamm) zusammentreffen. Viele Möbel, Matratzen<br />
und Parkett konnten nur noch entsorgt werden,<br />
wenn sie durch Schlamm und Flutwasser verschmutzt<br />
worden waren (Abb. 6-8).<br />
Andere Gegenstände müssen gründlich gereinigt<br />
und ggf. desinfiziert werden. Dafür gibt es je <strong>nach</strong><br />
Anwendung und zu behandeln<strong>dem</strong> Material sehr<br />
verschiedene Präparate. Kann man beispielsweise<br />
eine Kellerwand bedenkenlos mit Chlorbleiche desinfizieren,<br />
sollte Möbeln aber besser mit milderen<br />
Desinfektionsmitteln behandeln. Oft reicht auch ein<br />
gründliches Abseifen aus, um Belastungen durch<br />
pathogene Bakterien zu beseitigen.<br />
Zusammenfassend kann man sagen, dass unsere<br />
Untersuchungen hohe Belastungen an fakultativ<br />
pathogenen Bakterien im Flutwasser gezeigt<br />
haben. Diese gingen im Fluss aber schnell zurück<br />
und gefährdeten nicht das Trinkwasser, das über<br />
die Uferfiltration gewonnen wurde. In den überfluteten<br />
Kellern überlebten die Keime länger und es<br />
wurden zu<strong>dem</strong> hohe Resistenzen gegen Antibiotika<br />
gefunden, die eine Behandlung von Erkrankungen<br />
erschweren würden. Die Ursache hierfür liegt allerdings<br />
nicht in der Flut selbst, sondern in <strong>dem</strong> massenhaften<br />
Einsatz von Antibiotika in Deutschland.<br />
Glücklicherweise ist die Gefahr einer Erkrankung<br />
auch dank des umsichtigen Handelns der Betroffenen<br />
nur klein, denn während des Augusthochwassers<br />
<strong>2002</strong> wurden nirgends auffällig hohe Zahlen<br />
an Durchfall- oder anderen Infektionserkrankungen<br />
gemeldet.<br />
Sind Trinkwasser Epi<strong>dem</strong>ien <strong>nach</strong><br />
<strong>Hochwasser</strong> heute überhaupt noch<br />
ein Thema?<br />
Während und <strong>nach</strong> den großen Hochwässern an<br />
Oder, Weichsel und <strong>Elbe</strong> ist nichts über gehäufte<br />
Infektionen bekannt geworden. Trotz<strong>dem</strong> birgt<br />
<strong>Hochwasser</strong> überall auf der Welt ein potenzielles<br />
Infektionsrisiko, so dass im <strong>Hochwasser</strong>fall immer<br />
erhöhte Vorsicht geboten ist. Die Trinkwasserversorgung<br />
arbeitet nicht immer und überall perfekt,<br />
wenn die Wasserfassungen von <strong>Hochwasser</strong><br />
überspült werden.<br />
Viele Beispiele (alle aus 169) sind aus (Süd-)<br />
Asien und Südamerika bekannt. In Indien<br />
erkrankten z.B. 1955 während einer weltweit aufsehenerregenden<br />
Epi<strong>dem</strong>ie in Neu Dehli 30.000<br />
Menschen an Hepatitis, als der stark abwasserbelastete<br />
Jamuna River bei <strong>Hochwasser</strong> die Wasserfassungen<br />
überspülte. Zeitweilig sollen 50%<br />
des geförderten Trinkwassers aus Abwasser<br />
bestanden haben. 73 Personen starben daran.<br />
Aber auch in Ländern mit hoch entwickeltem<br />
Hygiene-Bewusstsein können die Systeme versagen<br />
und <strong>nach</strong> Hochwässern Epi<strong>dem</strong>ien auftreten.<br />
Innerhalb einer Woche im April 1994 erkrankten<br />
z.B. 1500-3000 der 6300 Einwohner von Noormakku<br />
(Norwegen), als <strong>nach</strong> einem Rekordhochwasser<br />
fäkalkontaminiertes Flusswasser in die<br />
Förderbrunnen gelangte. Bis zu 30% aller Schulkinder<br />
der Gemeinde blieben krank zu Hause.<br />
Nachgewiesen wurde Fäkalbakterien, Adenoviren,<br />
Rotaviren und der Norwalk-Virus, der wahrscheinliche<br />
Ursache für die meisten Infektionen<br />
war.<br />
Ein letztes Beispiel aus der DDR: Zur Jahreswende<br />
1981/82 überschwemmte eine <strong>Hochwasser</strong><br />
die Trinkwasserfassungen des Wasserwerks<br />
Beesen, welches zu 90% Uferfiltrat aus der Saale<br />
zog. Eine Woche <strong>nach</strong> Beginn der Überflutung<br />
erkrankten insgesamt 10.511 Einwohner der südlichen<br />
Stadtbezirke von Halle-Neustadt und Halle<br />
an Durchfall und Erbrechen. Im Wasser der überschwemmten<br />
Brunnengalerie wurden enterale<br />
Viren <strong>nach</strong>gewiesen.<br />
Es sollte also klar sein: es besteht eine reale<br />
Infektionsgefahr beim Umgang mit Flußwasser.<br />
Diese steigt im <strong>Hochwasser</strong>fall stark an. Neben<br />
den oben erwähnten viralen Erkrankungen<br />
besteht das Risiko von bakteriellen und Wurminfektionen.<br />
Besonders erwähnenswert sind Hepatitis<br />
A, Typhus und Bakterielle Ruhr.<br />
66
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
7 Probleme mit <strong>dem</strong> Sauerstoff<br />
Michael Böhme<br />
7.1 Warum ist Sauerstoff wichtig?<br />
Alle aeroben Organismen benötigen Sauerstoff<br />
zum Leben. An der Luft wird Sauerstoff selten<br />
knapp, gewöhnlich sind 21% des Luftvolumens reiner<br />
Sauerstoff (O2 ). Wasser, also das Molekül H2O, besteht zwar an sich zu 94 Masse-% aus Sauerstoff,<br />
aber dieser ist im Wassermolekül chemisch<br />
gebunden und kann nicht für die Atmung verwendet<br />
werden. Wasserorganismen benötigen den<br />
Sauerstoff, der sich im Wasser physikalisch löst,<br />
ähnlich wie sich Salz im Wasser löst.<br />
Der Sauerstoff aus der Luft diffundiert über die<br />
Wasseroberfläche so lange ins Wasser, bis ein<br />
Gleichgewicht erreicht ist. Dann ist das Wasser<br />
“sauerstoffgesättigt”. Die Sättigungskonzentration<br />
ist abhängig von Wassertemperatur, Luftdruck, und<br />
der Konzentration anderer im Wasser gelöster<br />
Stoffe, z.B. Salzen. Am wichtigsten, weil, unter<br />
natürlichen Bedingungen am stärksten schwan-<br />
67<br />
Abb. 7-1 Überschwemmter Getreideacker bei Dessau am 20.8.<strong>2002</strong>. Die Strohballen treiben auf schwarzem Wasser,<br />
das völlig sauerstoffrei ist und entsprechend stinkt (Foto Ralf Hirschberger).<br />
Abb. 7-2 Probenahme des <strong>UFZ</strong> am 29.08.02. Die<br />
schillernde Oberfläche ist kein Ölfilm, sondern eine<br />
Kahmhaut aus Bakterien, die hier an der Grenzfläche<br />
zwischen Luft und sauerstofffreiem, aber nährstoffreichem<br />
Wasser beste Lebensbedingungen vorfinden<br />
(Foto André Künzelmann, <strong>UFZ</strong>).
MICHAEL BÖHME ABSCHNITT 7PROBLEME MIT DEM SAUERSTOFF<br />
O 2 in mg/l<br />
16<br />
14<br />
12<br />
10<br />
gemessene Sauerstoff-Konzentration<br />
Sättigungskonzentration<br />
8<br />
00:00 06:00 12:00 18:00 00:00 06:00 12:00 18:00 00:00<br />
kend, ist davon die Wassertemperatur. So lösen<br />
sich in 0°C kaltem Wasser 14 mg O2 pro Liter Wasser.<br />
In 25°C warmen Wasser lösen sich dagegen<br />
nur noch 8 mg/l (121). Das ist ziemlich wenig. Verschärft<br />
wird die Situation von der Tatsache, dass<br />
alle Wasserlebewesen (außer Vögel und Säugetiere)<br />
bei hoher Wassertemperatur auch noch deutlich<br />
mehr Sauerstoff verbrauchen. Pro 10 Grad<br />
Temperaturzunahme verbrauchen sie in derselben<br />
Zeit etwa doppelt soviel Sauerstoff.<br />
Wenn viele Wasserlebewesen in einem gegebenen<br />
Wasservolumen leben, können sie den gelösten<br />
Sauerstoff innerhalb weniger Stunden aufzehren.<br />
Nur zwei Prozesse können verhindern, dass die<br />
Wasserlebewesen an Sauerstoffmangel eingehen:<br />
1. die ständige Nachlieferung aus der Luft, und 2.<br />
die Freisetzung von Sauerstoff bei der Photosynthese<br />
der Algen.<br />
Als Resultat der ’Belüftung’ aus der Atmosphäre<br />
und durch die Photosynthese der Algen sowie<br />
durch den Sauerstoffverbrauch der Wasserorganismen<br />
stellt sich ein Sauerstoffgehalt ein, der auch<br />
natürlicherweise meist unterhalb der Sättigungskonzentration<br />
liegt.<br />
Problematisch wird es nur, wenn die Sauerstoff-<br />
Konzentration unter bestimmte Schwellenwerte<br />
absinkt. Die verschiedenen Tierarten reagieren<br />
unterschiedlich. Bachforellen vertragen zum Beispiel<br />
nur Minima bis 6 mg/l, während die meisten<br />
Elbfische bis zu 3 mg/l kurzzeitig ertragen können.<br />
Bei geringerer Sauerstoffkonzentration kommt es<br />
zum Fischsterben.<br />
Die größten Sauerstoff-Konsumenten sind die Bakterien<br />
im Wasser und im Boden. Sie verbrauchen<br />
auch weiter intensiv Sauerstoff, wenn die Konzentration<br />
unter 3 mg/l sinkt. Wenn der gelöste Sauerstoff<br />
im Wasser vollständig verbraucht ist, sterben<br />
die meisten aeroben Organismen. Wenige, vor<br />
allem Mikroorganismen, können in Überdauerungsformen<br />
überleben. Anaerobe Bakterien übernehmen<br />
sämtliche Stoffwechsel. Diese hinterlassen<br />
Abb. 7-3 Tagesgang der Sauerstoff-<br />
Konzentration während der Tage 09.<br />
und 10.08.<strong>2002</strong> vor <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong><br />
an der Station Schnackenburg,<br />
Nachtstunden grau. Das starke<br />
Algenwachstum führt in der <strong>Elbe</strong> bei<br />
geringer bis mittlerer Wasserführung<br />
gewöhnlich zu sehr hoher Sauerstoffübersättigung<br />
(Daten NLKW Lüneburg).<br />
aber beim Abbau von organischen Stoffen, im<br />
Gegensatz zu den aeroben Bakterien, nicht mehr<br />
nur Kohlendioxid und Wasser, sondern unterschiedlichste<br />
Stoffwechselendprodukte, darunter<br />
Schwefelwasserstoff, organische Säuren, Alkohole<br />
u.a.. Die Brühe sieht dann oft grau oder schwarz<br />
aus und beginnt zu stinken (Abb. 7-1, Abb. 7-2).<br />
7.2 Wie hoch ist der Sauerstoffgehalt<br />
normalerweise?<br />
Bei geringer bis normaler Wasserführung gibt es<br />
während der Vegetationsperiode in der <strong>Elbe</strong> meist<br />
ein starkes Phytoplankton-Wachstum. Da die Algen<br />
nur am Tage Sauerstoff freisetzen, kommt es zu<br />
deutlichen Tagesschwankungen der O2-Konzentra tion. Am Morgen sind die O2-Gehalte am geringsten,<br />
steigen den ganzen Tag über an und sinken<br />
erst ab der Abenddämmerung und in der Nacht<br />
wieder ab (Abb. 7-3).<br />
In der Regel wachsen die Algen schon im tschechischen<br />
Elblauf und vermehren sich weiter über den<br />
gesamten deutschen Längsverlauf. Das Algenwachstum<br />
ist so stark, dass das Wasser im Sommer<br />
gewöhnlich stark mit Sauerstoff übersättigt<br />
ist! Erst am Ende der freifließenden <strong>Elbe</strong>, unterhalb<br />
von Wittenberge, spätestens aber im Raum Hamburg,<br />
gehen die Algen wieder ein (35).<br />
Die extrem hohe O2-Konzentration im Unterlauf<br />
und die hohen Tagesschwankungen sind gut<br />
erkennbar in Abb. 7-4 während der Tage vom 1.-<br />
12.8.<strong>2002</strong> in Schnackenburg.<br />
7.3 Wie reagierte der Sauerstoffgehalt<br />
während des <strong>Hochwasser</strong>s?<br />
Vom Himmel herunter regnet Wasser, welches<br />
etwa zu 100% mit Sauerstoff gesättigt ist. Sobald<br />
es über Boden fließt, lösen sich Mineralien und<br />
organische Stoffe aus der (abgestorbenen) Vegeta-<br />
68
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
O 2 in mg/l<br />
tion und aus <strong>dem</strong> Boden im Wasser. Zu Beginn des<br />
<strong>Hochwasser</strong>s erodierten die Wassermassen<br />
zu<strong>dem</strong> in den betroffenen Mittelgebirgs- und Hügelländern<br />
allerorten die Böden und transportierten<br />
große Mengen Feststoffe fein verteilt in die Flüsse,<br />
darunter natürlich auch viele Boden- und Gewässerbakterien<br />
sowie andere Mikroorganismen. Diese<br />
fangen an, den Sauerstoff im Wasser zu veratmen.<br />
Während die so zerstörerischen Strömungshochwässer<br />
in den Gebirgstälern auch schnell wieder<br />
abflossen, wurden die Auengebiete in den Tiefländern<br />
langsam überflutet und blieben für längere<br />
Zeit unter Wasser. Die gesamte überflutete Fläche<br />
betrug entlang der <strong>Elbe</strong> mehrere hundert km²<br />
(Abb. 7-5).<br />
Auf den überfluteten Aueflächen ernähren sich die<br />
Mikroorganismen von den organischen Stoffen im<br />
Wasser, an den Schwebstoffen und vor allem im<br />
Boden. Sie wachsen gut und verbrauchen Sauerstoff.<br />
Ein großer Teil der Mikroorganismen sinkt mit<br />
den Schwebstoffen auf den Grund und zehrt weiterhin<br />
viel Sauerstoff, vor allem in langsam durchströmten<br />
Überflutungsgebieten, wo sich Schlammschichten<br />
absetzen.<br />
Am stärksten zehren überströmte Ackerflächen<br />
(Abb. 7-1). Ackerflächen sind durch regelmäßige<br />
69<br />
15<br />
10<br />
5<br />
Wittenberg Schnackenburg<br />
Magdeburg Bunthaus<br />
O 2 -Sättigungskonz.<br />
minimaler O 2 -Gehalt auf überfluteten Flächen<br />
Grenzwert für Fische<br />
0<br />
1 Aug 8 Aug 15 Aug 22 Aug 29 Aug 5 Sep 12 Sep 19 Sep 26 Sep 3 Okt<br />
Abb. 7-4 Sauerstoff-Konzentration an Meßstationen entlang der <strong>Elbe</strong>. Die Kreise bezeichnen Zeitpunkt und O 2 -Konzentration<br />
während des Flutscheitels. Im Verlaufe des <strong>Hochwasser</strong>s sammelte sich das Wasser aus <strong>dem</strong> Einzugsgebiet<br />
zunächst mit einem O 2 -Gehalt nahe der Sättigungskonzentration in der <strong>Elbe</strong>. Im Fließverlauf nahm der Sauerstoffgehalt<br />
ab. In Sachsen war noch kein ausgeprägtes Sauerstoff-Defizit vorhanden. In Wittenberg und Magdeburg ist ein O 2 -Minimum<br />
kurz <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong>scheitel erkennbar. Dieses verstärkt sich stromab. In Schnackenburg lag das O 2 -Minimum<br />
im Hauptstrom über mehrere Tage unter 3 mg/l und damit bereits im fischkritischen Bereich! Im weiteren Verlauf der<br />
Fließstrecke erholte sich der Sauerstoffhaushalt wieder etwas, so dass in Bunthaus kurz oberhalb von Hamburg (deutsche<br />
<strong>Elbe</strong>-km 610) keine fischkritischen Werte mehr unterschritten wurden (Daten LAU LSA, NLKW Lüneburg, BUG HH).<br />
Düngung besonders reich an organischen Nährstoffen,<br />
sie tragen keine schützende Vegetation<br />
und die Bodenfauna ist im Gegensatz zu den regelmäßig<br />
überschwemmten Aueflächen nicht an längere<br />
Zeit überstehendes Wasser angepasst. So<br />
kommt es in der Sommerhitze innerhalb kurzer Zeit<br />
zu einem Massensterben der Bodenorganismen.<br />
Milliarden von Bakterien zersetzen die tote Biomasse<br />
und tragen zu sehr hoher Sauerstoffzehrung<br />
bei.<br />
Sobald der Sauerstoffgehalt unter etwa 3 mg/l<br />
gesunken war, suchten die Fische, soweit sie noch<br />
dazu in der Lage waren, Bereiche mit besserer<br />
Sauerstoffversorgung auf oder begannen <strong>nach</strong> Luft<br />
zu schnappen. Augenzeuge Matthias Freude: „Dieses<br />
„Luft schnappen“ abertausender Fische bleibt<br />
eines der beeindruckendsten Erlebnisse auf <strong>dem</strong><br />
Deich, vor allem, wenn das Wasser knapp unter<br />
der Deichkrone steht” (50).<br />
Darüber hinaus kam es an verschiedenen Orten<br />
zur völligen Ausstickung von Auengewässern.<br />
Tagelang stand eine teils graue, teils schwarze stinkende<br />
Brühe in den Senken, die sich mit zurückgehen<strong>dem</strong><br />
Wasserstand nur langsam leerten. Fische<br />
und viele Kleintiere erstickten und trieben zu tausenden<br />
an der Wasseroberfläche (Abb. 7-6).
MICHAEL BÖHME ABSCHNITT 7PROBLEME MIT DEM SAUERSTOFF<br />
7.4 Fallbeispiel Havelpolder<br />
20 km<br />
Abb. 7-5 Die überschwemmten Gebiete entlang der<br />
<strong>Elbe</strong> zwischen Belgern (rechts unten) und Wörlitz<br />
(links oben) umfassten am 20.8.<strong>2002</strong> mehrere hundert<br />
km². Sie entsprechen fast schon den natürlichen<br />
Überschwemmungsflächen, wie sie vor der Ausdeichung<br />
existierten. Links unten ist die Muldeaue zu<br />
erkennen, aus der das Wasser jedoch bereits weitgehend<br />
abgeflossen ist. Die Wasserflächen am Ende<br />
des sichtbaren Muldeabschnitts sind der Muldestausee<br />
und das <strong>nach</strong> Deichbruch während des <strong>Hochwasser</strong>s<br />
aufgefüllte Tagebaurestloch Goitzsche (Quelle<br />
Landsat, DLR).<br />
Das Beispiel ’Ausstickung der Havelpolder’ ist<br />
bemerkenswert zum einen wegen seiner interessanten<br />
Vorgeschichte, zum zweiten durch das ausgezeichnete<br />
gewollte Ergebnis der Flutung, die<br />
erfolgreiche Wasserstandsabsenkung am Unterlauf<br />
der <strong>Elbe</strong>, und zum dritten durch das enorme Ausmaß<br />
des (ungewollten) Fischsterbens während der<br />
anschließenden Trockenlegung der Polder.<br />
Abb. 7-6 Tote Fische im ausgestickten Wasser der<br />
überfluteten Aue bei Dessau (Foto am 3.9.<strong>2002</strong> von<br />
Waltraud Grubitzsch).<br />
Im Bereich der Havelmündung wurde seit den<br />
1930er Jahren ein System aus Wehren und Poldern<br />
aufgebaut, welches bei <strong>Hochwasser</strong> der <strong>Elbe</strong><br />
den Einstrom von Elbwasser in die Havel verhindert<br />
und bei Extremhochwassern zur Kappung des<br />
Flutscheitels eingesetzt werden kann.<br />
Am 18.08.<strong>2002</strong> wurden, wie bei je<strong>dem</strong> größeren<br />
<strong>Elbe</strong>hochwasser, die Wehre bei Quitzöbel<br />
geschlossen. So konnte kein Elbwasser in die<br />
Havelniederung einströmen. Das Havelwasser<br />
staute sich natürlich hinter <strong>dem</strong> Wehr. Zusätzlich<br />
wurden im Oberlauf von Spree und Havel Maßnahmen<br />
ergriffen, die den Abfluss drosselten.<br />
Am 20.08.<strong>2002</strong>, einen Tag vor Erreichen des prognostizierten<br />
Flutscheitels, wurden die Wehre<br />
geöffnet. Bis zu 660 m³/s strömten aus der <strong>Elbe</strong> in<br />
die Havel. Zum ersten mal seit <strong>dem</strong> Bau in den<br />
1950er Jahren wurden auch die Polder geflutet.<br />
Nur wenige verfügten über ein Einlaufbauwerk.<br />
Andere Polder werden aufgegraben oder an den<br />
Abb. 7-7 Sprengung am Polder "Flöthgraben" am 22.08.02. Die Bohrlöcher auf der Deichkrone werden mit Sprengstoff<br />
gefüllt (links). Der Deich wird 18:45 Uhr auf einer Länge von 50 Metern gesprengt (mitte). Mit der Flutung erodiert<br />
die verbliebene Bodenrippe des Deiches (Fotos LUA Brandenburg).<br />
70
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Abb. 7-8 Flutung der Havelpolder am 21.08.<strong>2002</strong>. Die Schlitze wurden zunächst in den Deich gesprengt und anschließend<br />
erweitert. Den Rest erledigten die Wassermassen, die mit hoher Fließgeschwindigkeit in das Poldergebiet strömten<br />
(Foto Marc Zebisch, TUB/PIK).<br />
beiden darauf folgenden Tagen durch Sprengungen<br />
geöffnet (Abb. 7-7).<br />
Der <strong>Elbe</strong>pegel reagierte sofort und der Pegel an<br />
der unterhalb gelegenen Stadt Wittenberge fing an<br />
zu fallen. Ohne die Flutung der Havelpolder wäre<br />
der Wasserstand in Wittenberge noch um einen<br />
halben Meter gestiegen. Das hätte an verschiedenen<br />
Stellen stromab zu Deichbrüchen führen können,<br />
die aber so zum Glück ausblieben.<br />
Der Öffnungszeitpunkt wurde optimal gewählt, was<br />
an <strong>dem</strong> leicht abfallenden bis ideal geraden Scheitelverlauf<br />
an den Pegeln unterhalb von Gnevsdorf<br />
in Abb. 1-3 auf Seite 6 erkennbar ist. So weit der<br />
positive Teil der Geschichte.<br />
Am Morgen des 23.08. wurden die Wehre wieder<br />
geschlossen. Insgesamt wurden in der Havelniederung<br />
75 Mio. m³ Elbwasser zurückgehalten. Der<br />
Rückstau reichte mittlererweile 60 km stromauf bis<br />
Rathenow.<br />
71<br />
Bereits am Nachmittag des selben Tages wurde<br />
das Wehr Quitzöbel geöffnet, um Havelwasser wieder<br />
in die <strong>Elbe</strong> zu entlassen, die jetzt, bei fallen<strong>dem</strong><br />
Wasserstand, bereits tiefer lag als der Wasserstand<br />
in der voll gefluteten Havelniederung.<br />
Eine sehr schöne Übersicht über das Ausmaß der<br />
Überflutungsflächen im zeitlichen Ablauf ist mit<br />
Satelliten- und Luftbildern vom Potsdam-Institut für<br />
Klimafolgenforschung, <strong>dem</strong> Institut für Geoökologie<br />
der Universität Potsdam und <strong>dem</strong> Naturpark Westhavelland<br />
dokumentiert worden (77, Abb. 7-8 und<br />
Abb. 7-9).<br />
In den folgenden warmen Tagen wurde der Sauerstoff<br />
im stagnierenden Wasser auf den Polderflächen<br />
schnell aufgezehrt. Als dieses Wasser dann in<br />
die Havel zurückfloss, kam es zu den größten<br />
Fischsterben in Deutschland seit der Sandoz-Katastrophe<br />
am Rhein 1986. Der Naturschutzbund<br />
Deutschland (NABU) schätzte am 6. September,<br />
dass in der Havel unterhalb von Rathenow minde-
MICHAEL BÖHME ABSCHNITT 7PROBLEME MIT DEM SAUERSTOFF<br />
Abb. 7-9 Ausmaß der Wasserflächen an der Havelmündung<br />
vor <strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong> (oben, 11.08.02), zum<br />
Beginn der Polderflutung (mitte, 20.08.02) und während<br />
des höchsten Füllstandes (unten, am 27.08.02)<br />
(Bilder DLR, Sensor Enhanced Thematic Mapper ETM+<br />
auf Satellit Landsat 7).<br />
stens 2 Millionen Fische und zahlreiche andere<br />
Wasserorganismen an Sauerstoffmangel verendet<br />
sind. “Der Grund für das Sterben [lag] im fehlerhaften<br />
<strong>Hochwasser</strong>management und in der falschen<br />
Rücksichtnahme auf die Interessen weniger Agrarunternehmen”<br />
schrieb NABU-Bundesgeschäftsführer<br />
Gerd Billen (81). Am 9. September mussten die<br />
Schätzungen auf 10 Millionen Fische korrigiert werden.<br />
“Es könne zehn Jahre dauern, bis sich der<br />
ehemalige Fischreichtum dieser Gewässer wieder<br />
einstellt. Viele ortsansässige Fischer seien in ihrer<br />
Existenz bedroht. Mit der falschen Rücksichtnahme<br />
auf wenige Agrarbetriebe muß endlich Schluss<br />
sein, so Billen. “Der ökologische und volkswirtschaftliche<br />
Schaden beträgt ein Vielfaches von<br />
<strong>dem</strong>, was agrarindustriell hier erzeugt wird” (81).<br />
7.5 Wie könnte man das Fischsterben<br />
verhindern?<br />
Die hohe Sauerstoffzehrung ist Folge des rasanten<br />
Bakterienwachstums auf den überfluteten Flächen.<br />
Die dafür verantwortlichen Bakterienarten sind<br />
zunächst praktisch überall vorhanden, in je<strong>dem</strong><br />
Oberflächengewässer, in je<strong>dem</strong> Boden. Die Animpfung<br />
des Wassers mit Bakterien ist also unvermeidbar.<br />
Des weiteren sind die physikalisch bestimmten<br />
Lebensbedingungen für das Wachstum dieser Bakterien<br />
bedeutsam. Sie lassen sich jedoch auch nur<br />
begrenzt beeinflussen. So hat z.B. die Wassertemperatur<br />
einen starken Einfluß auf das Bakterienwachstum.<br />
Die Wachstumsrate verdoppelt sich<br />
i.d.R. je 10 Grad Temperaturzunahme. So ist es<br />
nicht verwunderlich, dass im Sommer das Risiko<br />
der Ausstickung viel höher ist als im Winter. Im<br />
Winter kann es höchstens unter einer geschlossenen<br />
Eisdecke mit viel Schnee zur Ausstickung<br />
kommen, da dadurch der Eintrag von Sauerstoff<br />
aus der Atmosphäre und die biologische Sauerstoff-Freisetzung<br />
bei der Photosynthese der Pflanzen<br />
unterbunden sind. Im Sommer reichen bei<br />
hohem Nährstoffangebot schon wenige Tage stehendes<br />
Wasser, um den Sauerstoff restlos auszuzehren.<br />
Das Stichwort ’Nährstoffangebot’ führt uns zum einzigen<br />
Punkt in der gesamten Reaktionskette, der<br />
durch entsprechende Maßnahmen wirkungsvoll<br />
beeinflusst werden kann. Die Bakterien benötigen<br />
organische Substrate für die Energiegewinnung<br />
und zum Wachsen. Diese organischen Stoffe sind<br />
auf den verschiedenen Böden ungleich verteilt bzw.<br />
ungleich verfügbar. Humusreiche Ackerböden sind<br />
besonders reich an organischen Stoffen und<br />
zugleich sind diese Stoffe wegen der fehlenden<br />
Vegetation besonders leicht verfügbar. Hier ver-<br />
72
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Abb. 7-10 Massenhaftes Fischsterben <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Elbe</strong>hochwasser im Havelgebiet, hier am 6.9.<strong>2002</strong> am Nordufer des<br />
Gülper Sees (Foto Gerd Schumann).<br />
mehren sich die sauerstoffzehrenden Bakterien<br />
äusserst rasch.<br />
Das Gegenteil wären sandige, humusarme Böden,<br />
z.B. Dünen oder Sandbänke, wie sie entlang von<br />
Flachlandflüssen mit naturnaher Morphologie und<br />
hoher Sedimentdynamik häufig zu finden sind.<br />
Relativ geringe Zehrungsraten findet man auch auf<br />
den regelmäßig von <strong>Hochwasser</strong>n überströmten<br />
Grünlandflächen. Hier ist der Boden zwar wie auf<br />
den Ackerflächen humusreich, aber durch die<br />
Vegetation gegen Erosion während des Ein- und<br />
Ausströmens geschützt. Zum andern wird die<br />
Bodenfauna von Arten dominiert, die besser an das<br />
Regime regelmäßiger Überflutung angepasst sind<br />
und so nicht gleich absterben, wenn es zum Überstau<br />
kommt.<br />
Will man die katastrophalen Sauerstoff-Mangelsituationen<br />
und die Fischsterben in Zukunft vermei-<br />
73<br />
den, ist die Konsequenz aus diesen Erkenntnissen,<br />
in (potenziellen) Überflutungsgebieten den Ackerbau<br />
zurückzufahren und auf Grünlandnutzung<br />
umzustellen.<br />
Das Ausmaß und die genauen Umstände des massenhaften<br />
Fischsterbens sind nicht systematisch<br />
wissenschaftlich untersucht worden. In der Situation,<br />
wie sie Anfang September im Bereich der<br />
Havelmündung vorzufinden war, hätte es wahrscheinlich<br />
ausgereicht, den Rückfluss des ausgestickten<br />
Wassers von den Polderflächen in die<br />
Havel so weit zu vermindern, dass der Sauerstoffgehalt<br />
in der Havel nicht unter 3 mg/l O2 fällt. Stattdessen<br />
wollte man aber die landwirtschaftlich<br />
genutzten Flächen so schnell wie möglich trocken<br />
legen und nahm dafür das Massensterben der<br />
Fische in Kauf.
UWE GRÜNEWALD ABSCHNITT 8HOCHWASSER ALS NATUR-, SCHADENS- UND POLITIKEREIGNIS<br />
Abb. 8-1 Wisconsin River, USA. So oder ähnlich sieht ein morphologisch naturnaher Fluss aus, der bezüglich hydraulischem<br />
Regime und der Charakteristik des Einzugsgebietes mit <strong>dem</strong> Mittel- und Unterlauf der <strong>Elbe</strong> vergleichbar ist. Die<br />
Überschwemmung der Auwälder bei <strong>Hochwasser</strong> hinterlässt keinen Schaden, sondern ist einfach Teil des natürlichen<br />
Geschehens. Die Pflanzen und Tiere in der Aue sind an die wechselnden Wasserstände angepasst<br />
(Foto Emily Stanley).<br />
8 <strong>Hochwasser</strong> als Natur-, Schadens- und Politikereignis<br />
Uwe Grünewald<br />
8.1 <strong>Hochwasser</strong> - was ist das?<br />
<strong>Hochwasser</strong> – auch extremer Art – waren und sind<br />
- wie Niedrigwasser übrigens auch – Teil des natürlichen<br />
Kreislaufes. An natürlichen Fließgewässern<br />
lässt sich das Wechselspiel von (Niedrig-) Wasserständen<br />
und mehr oder minder regelmäßigen hochwasserverursachten<br />
Überschwemmungen erkennen.<br />
Vor allem die Kraft des scheinbar ungebremst<br />
strömenden Wassers formte und formt Flussläufe,<br />
-täler und -auen. Die natürlichen Flussauen zählen<br />
zu den artenreichsten Lebensräumen Mitteleuropas,<br />
weil die periodisch auftretenden Überschwemmungen<br />
nicht unwesentlich zur Ausbildung einer<br />
großen Strukturvielfalt entlang eines Fließgewässers<br />
mit seinen aquatischen, amphibischen und terrestrischen<br />
Zonen beitragen (Abb. 8-1).<br />
Allgemein wird "<strong>Hochwasser</strong>" definiert als "zeitlich<br />
begrenzte Anschwellung des Wasserstandes und<br />
des Durchflusses ..., die eine für jeden Durchflussquerschnitt<br />
aus der Statistik oder den örtlichen<br />
Gegebenheiten zu bestimmende Grenze (z.B. Ausuferungsdurchfluss)<br />
überschreitet" (z.B. 43).<br />
Gemessen werden <strong>Hochwasser</strong> an "Pegeln" vor<br />
allem durch die kontinuierliche Aufzeichnung des<br />
Wasserstandes. An sogenannten Schreibpegeln ist<br />
ein Schwimmer- bzw. Pegelschacht mit <strong>dem</strong> Fließgewässer<br />
hydraulisch verbunden (Abb. 8-2, Abb. 8-<br />
3). Der steigende bzw. fallende Wasserstand im<br />
Pegelschacht lässt einen Schwimmkörper, der mit<br />
einem Aufzeichnungsgerät im Pegelhaus mechanisch<br />
verbunden ist, <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> Prinzip der kommunizierenden<br />
Röhren auf- und absteigen.<br />
74
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Der Schreiber zeichnet eine Ganglinie des Wasserstandes<br />
über einer genau ausgemessenen<br />
Bezugshöhe ("Pegelnull") auf (Abb. 8-4).<br />
Die Wasserstands-Ganglinie ist über eine für jeden<br />
Pegelstandort spezifische Beziehung zwischen<br />
Wasserstand und Durchfluss ("Schlüsselkurven")<br />
umrechenbar in Durchflussganglinien.<br />
Wasserstände verschiedener Pegel lassen sich nur<br />
begrenzt vergleichen, weil sie auf unterschiedliche<br />
Pegelnull-Werte bezogen sind und weil die unterschiedlichen<br />
Querprofile an den Pegeln unterschiedliche<br />
"Schlüsselkurven" zur Folge haben. Die<br />
"Schlüsselkurven" können sich z.B. <strong>nach</strong> großen<br />
Hochwässern verändern, vor allem wenn die<br />
75<br />
HHW<br />
MW<br />
NNW<br />
Datenübertragung<br />
Pegelhäuschen<br />
Schwimmerschacht<br />
126<br />
Verbindungsleitung<br />
Schlammfang<br />
Abb. 8-2 Aufbau eines Schreibpegels.<br />
Messgerät<br />
Gegengewicht<br />
Schwimmer<br />
Abb. 8-3 Pegel am Wehr Neuwerben bei Havelberg,<br />
kurz vor <strong>dem</strong> Anschlag (Foto Nestor Bachmann).<br />
Wasserstand Pegel Dresden in m<br />
10<br />
9<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
0,0 0,5 1,0 1,5 2,0 2,5 3,0 3,5 4,0 4,5 5,0 5,5<br />
Durchfluss in 1000 m³/s<br />
bis 25.10.98<br />
bis 01.11.03<br />
seit 31.10.03<br />
Abb. 8-4 Schlüsselkurven für den Pegel Dresden.<br />
Die Schlüsselkurve ändert sich durch Veränderungen<br />
im Pegelprofil (z.B. Auflandungen) und durch Verwendung<br />
neuerer Meßergebnisse und besserer Auswertemethoden<br />
(Quelle: WSA Dresden).<br />
Gewässerprofile durch Sohlabtrag oder -auflandungen,<br />
Seitenerosion o.ä. immer wieder verändert<br />
werden (Abb. 8-4). Die stete Pflege der Pegel<br />
kostet viel Aufwand an Mitteln und Personal, so<br />
dass in der Praxis leider immer wieder große Probleme<br />
bei der sachgerechten kontinuierlichen<br />
Ermittlung der Wasserstände und der dazugehörigen<br />
Durchflüsse, vor allem bei extremen Hochwässern<br />
auftreten.<br />
Vergleichsweise wenige <strong>Hochwasser</strong>ereignisse<br />
sind technisch bedingt, wie z.B. Dammbrüche oder<br />
Erdrutsche (hinein) in Talsperren, welche die Wassermassen<br />
abrupt über das Sperrbauwerk herausdrücken.<br />
Gewöhnlich sind (Extrem-) Hochwässer<br />
ein zufallsbehaftetes Ergebnis der Überlagerung<br />
verschiedenartiger hydrometeorologischer Ereignisse<br />
(wie z.B. großflächige Starkniederschläge<br />
oder kleinräumige Unwetter gebunden an<br />
bestimmte Wetterlagen) mit verschiedenartigen<br />
hydrologischen Zuständen der Einzugsgebiete, wie<br />
z.B. Wassersättigung des Bodens durch vorherige<br />
Niederschläge oder Gefrornis des Bodens durch<br />
Dauerfrost. Fehlt eine der Vorbedingungen, kommt<br />
es bei teilweise sonst ähnlichen Entwicklungen<br />
nicht zu extremen Hochwässern.<br />
Besonders bedeutsam für die Bildung von Hochwässern<br />
ist die Niederschlagsintensität und ihr Verhältnis<br />
zur Versickerungsintensität. Ist letztere<br />
durch "Quasiversiegelung" der Einzugsgebietsoberflächen<br />
durch Frost oder große Vorfeuchte<br />
nahe Null, sorgen z.B. langanhaltende<br />
großflächige Dauerregen mit nicht unbedingt extremen<br />
Niederschlagsintensitäten zu hohen<br />
Abflussspenden. Diese können in den vielen, weit-
UWE GRÜNEWALD ABSCHNITT 8HOCHWASSER ALS NATUR-, SCHADENS- UND POLITIKEREIGNIS<br />
Abb. 8-5 Große Überschwemmungen gibt es jedes Jahr auf fast allen Kontinenten, hier als Beispiel das Jahr <strong>2002</strong> (73).<br />
verzweigten Flusstälern hin zu den Hauptflüssen<br />
wie Rhein, Donau, <strong>Elbe</strong> oder Oder, zu großvolumigen<br />
Abflusswellen zusammenlaufen.<br />
8.2 Hochwässer - wie häufig treten<br />
sie auf?<br />
Hochwässer treten fast überall auf der Welt auf<br />
(Abb. 8-5). In unseren Klimabereichen können sie<br />
zu jeder Jahreszeit auftreten (Abb. 8-14). Sommerhochwässer<br />
traten z.B. im Oder- und <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />
am häufigsten in den Monaten Juni und Juli<br />
auf. Winterhochwässer sind meist durch Schneeschmelze<br />
sowie oftmals gleichzeitige großflächige<br />
Regenereignisse verursacht. Am Rhein z.B. sind<br />
das häufig die Monate Dezember und Januar, die<br />
von solchen Extremhochwässern geprägt werden.<br />
Um Aussagen abzuleiten, wie häufig Hochwässer<br />
an einer Pegelstelle auftreten, bedient man sich der<br />
mathematischen Statistik. Im einfachsten Fall wird<br />
dazu aus der Beobachtungsreihe der jeweils höchste<br />
Abflusswert des Jahres verwendet. In<strong>dem</strong> man<br />
diese Werte der Größe <strong>nach</strong> (vom größten zum<br />
kleinsten Wert) ordnet, ergeben sich entsprechende<br />
Rangzahlen, die man durch die Anzahl der<br />
Beobachtungsjahre (aus methodischen Gründen<br />
erhöht um eins) dividiert. Diese so erhaltene "empirische<br />
Überschreitungswahrscheinlichkeit" P ü ist<br />
eine um so bessere Schätzung für die "wahre", uns<br />
letztlich immer unbekannt bleibende, Wahrscheinlichkeit<br />
des Naturprozesses "<strong>Hochwasser</strong>", je<br />
"repräsentativer" (also z.B. auch lang genug) die<br />
Beobachtungsreihe ist.<br />
Da die Angabe einer Überschreitungswahrscheinlichkeit<br />
z.B. von P ü =0,01 oder "ein Prozent"<br />
zunächst wenig Aussagekraft hat, ist es üblich, den<br />
Kehrwert 1/ P ü =T zu bilden. Er erhielt die Bezeichnung<br />
"Wiederkehrintervall" und würde im Fall<br />
P ü =0,01 bedeuten, dass die Wahrscheinlichkeit 1<br />
Prozent beträgt, dass ein <strong>Hochwasser</strong> mit einem<br />
Wiederkehrintervall von T=100 Jahren in einem<br />
beliebigen Jahr einer Beobachtungsreihe im statistischen<br />
Mittel einmal überschritten wird. Keineswegs<br />
tritt es <strong>dem</strong><strong>nach</strong> "alle 100 Jahre" auf oder<br />
"mindestens einmal in hundert Jahren" o.ä., wie<br />
allzu häufig in den Medien zu hören und zu lesen<br />
ist (Abb. 8-6). Problematisch ist die Ermittlung des<br />
Wiederkehrintervalls eines bestimmten Ereignisses<br />
vor allem, wenn unterschiedlich lange Beobachtungsreihen<br />
Verwendung finden. Die so definierte<br />
Maßzahl für die Wahrscheinlichkeit eines <strong>Hochwasser</strong>s<br />
bezieht sich auf ein Jahr und suggeriert<br />
teilweise geringe Gefahrenpotenziale für das Auftreten<br />
eines <strong>Hochwasser</strong>s. Aus den Gesetzen der<br />
Statistik lässt sich aber auch die Wahrscheinlichkeit<br />
des Auftretens eines <strong>Hochwasser</strong>s in einem<br />
bestimmten Zeitraum Z von mehreren zusammenhängenden<br />
Jahren ableiten. So ergibt sich z.B. für<br />
ein Wiederkehrintervall von T=100 Jahren und<br />
einen Zeitraum von Z=30a – ein Bereich, der sich<br />
wesentlich besser in ein menschliches Leben einordnen<br />
lässt – eine Wahrscheinlichkeit von W=0,26<br />
(oder 26 Prozent), dass ein bestimmter "<strong>Hochwasser</strong>-Scheitelabfluss"<br />
mindestens einmal in diesen<br />
30 Jahren überschritten wird. Da diese Betrachtung<br />
für jedes Flussgebiet getrennt vorzunehmen ist,<br />
wird deutlich, dass wir in unserem Leben eine sehr<br />
große Wahrscheinlichkeit haben, quasi als Zeit-<br />
76
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
zeuge verschiedene Jahrhunderthochwässer zu<br />
erleben.<br />
Problematisch ist die Angabe von Wahrscheinlichkeiten<br />
oder Wiederkehrintervallen vor allem bei<br />
sehr seltenen Ereignissen, da unsere Durchflussbeobachtungsreihen<br />
meist zu kurz sind, um<br />
(z.B. vom Gesetzgeber geforderte) Extrapolationen<br />
im Bereich zum Beispiel von Tausenden von Jahren<br />
vornehmen zu können. Daher ist es außerordentlich<br />
wichtig, sich zu erinnern, dass Hochwässer<br />
auch früher, also "zu allen Zeiten" auftraten und<br />
solche "historischen Hochwässer" in die statistische<br />
Analyse einzubeziehen.<br />
Unterschreitungswahrscheinlichkeit in %<br />
absolute Anzahl<br />
77<br />
99,5<br />
98<br />
90<br />
70<br />
50<br />
30<br />
10<br />
2<br />
0,5<br />
0,01<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
0<br />
100<br />
100<br />
200<br />
200<br />
300<br />
300<br />
400<br />
500<br />
600<br />
700<br />
800<br />
900<br />
1000<br />
400<br />
500<br />
600<br />
700<br />
800<br />
900<br />
1000<br />
2000<br />
2000<br />
3000<br />
3000<br />
Durchfluss-Klassierung in m³/s<br />
4000<br />
5000<br />
6000<br />
4000<br />
5000<br />
6000<br />
7000<br />
8000<br />
9000<br />
10000<br />
7000<br />
8000<br />
9000<br />
10000<br />
Abb. 8-6 Häufigkeit der maximalen jährlichen Durchflüsse<br />
am Pegel Dresden (von 1851 bis 2003, Daten<br />
wie in Abb. 8-14 ohne die Einzelereignisse vor 1851.<br />
Die Überschreitungswahrscheinlichkeit läßt sich an der<br />
roten Gerade ablesen (gestrichelt: Extrapolation). Ein<br />
100-jährliches <strong>Hochwasser</strong> tritt innerhalb eines Jahres<br />
mit 1% Überschreitungswahrscheinlichkeit (=99%<br />
Unterschreitungswahrscheinlichkeit) auf und hätte bei<br />
dieser einfachen Berechnungsmethode einen Spitzendurchfluss<br />
von ca. 5.565 m³/s (bei Annahme einer<br />
Gaußschen Normalverteilung der logarithmierten<br />
Werte). Normalerweise werden diese Wahrscheinlichkeiten<br />
auf der Basis von Extremwertverteilungsfunktionen<br />
ermittelt (vgl. Abb. 8-7).<br />
14.06.2004 - Wissenschaft.de - Klima und Wetter<br />
Forscher: Gefahr durch Überschwemmungen<br />
wächst<br />
Nach neuer Schätzung sind immer mehr Menschen<br />
durch Fluten bedroht<br />
Bis zum Jahr 2050 wird sich die Anzahl der von<br />
Überschwemmungen bedrohten Menschen mehr<br />
als verdoppeln: Während heute etwa eine Milliarde<br />
Menschen in Gebieten leben, die von Überschwemmungen<br />
bedroht sind, wird sich diese Zahl innerhalb<br />
von nur zwei Generationen auf mehr als zwei<br />
Milliarden erhöhen. Das schätzt ein internationales<br />
Wissenschaftlerteam der Universität der Vereinten<br />
Nationen. Gründe für diese starke Zunahme sind<br />
<strong>nach</strong> Ansicht der Wissenschaftler die Klimaerwärmung<br />
und der damit verbundene ansteigende Meeresspiegel<br />
und die zunehmende Bevölkerungsdichte<br />
in flutgefährdeten Gebieten. Die Wissenschaftler<br />
veröffentlichten ihre Schätzung im<br />
Zusammenhang mit der Eröffnung des Instituts für<br />
Umwelt und menschliche Sicherheit UNU-EHS in<br />
Bonn.<br />
Momentan seien weltweit jedes Jahr mehr als 520 Millionen<br />
Menschen direkt von den Folgen von Überschwemmungen<br />
betroffen, berichten die Forscher. Bis<br />
zu 25.000 Menschen sterben jedes Jahr durch die Fluten,<br />
viele werden obdachlos, die Bedrohung durch<br />
Seuchen wächst und ganze Ernten und Viehbestände<br />
werden vernichtet. Besonders gefährdet ist Asien: Zwischen<br />
1987 und 1997 war der Kontinent von 44 Prozent<br />
aller Flutkatastrophen betroffen und hatte 93<br />
Prozent aller Todesopfer zu beklagen.<br />
Nach Ansicht der Wissenschaftler wird sich die Situation<br />
in den nächsten Jahren deutlich verschärfen: Die<br />
zunehmende Häufigkeit extremer Wetterphänomene<br />
und die globale Erwärmung des Klimas wird die Meeresspiegel<br />
ansteigen lassen, wodurch mehr Gebiete<br />
von Überschwemmungen bedroht werden als heute.<br />
Gleichzeitig wächst wegen der ansteigenden Weltbevölkerung<br />
der Druck, auch flutgefährdete Landstriche<br />
zu besiedeln, da diese häufig fruchtbaren Boden, hervorragende<br />
Wasserversorgung und guten Zugang zu<br />
Transportwegen bieten.<br />
"Das Interesse an Forschung auf <strong>dem</strong> Gebiet der<br />
Naturkatastrophen hat sich daher intensiviert", sagt<br />
Janos Bogardi, der Gründungsrektor des neuen Bonner<br />
Instituts. Das sei auch nötig, da heute zwar bereitwillig<br />
Geld für Opfer von Katastrophen gespendet<br />
würde, die nötigen Mittel für eine Verbesserung der<br />
Vorhersage jedoch fehlen. Das neue Bonner Institut<br />
soll daher schwerpunktmäßig Überschwemmungsebenen<br />
und Flussdeltas, besonders im Zusammenhang<br />
mit Großstädten, untersuchen. Weitere Forschungsinteressen<br />
werden auch Dürreperioden und ihre Folgen,<br />
die Klimaveränderung und die Veränderung von Rohstoffqualität<br />
und -verfügbarkeit sein.<br />
ddp/wissenschaft.de Ilka Lehnen-Beyel
Abfluß in m³/s<br />
UWE GRÜNEWALD ABSCHNITT 8HOCHWASSER ALS NATUR-, SCHADENS- UND POLITIKEREIGNIS<br />
7000<br />
6000<br />
5000<br />
4000<br />
3000<br />
2000<br />
1879-<strong>2002</strong> 1879-2001<br />
1901-<strong>2002</strong> 1901-2001<br />
1936-<strong>2002</strong> 1936-2001<br />
HW <strong>2002</strong><br />
1000<br />
1 10 100 1000<br />
Jährlichkeit T in Jahren<br />
Abb. 8-7 Wiederkehrintervall (T) der Scheitelabflüsse<br />
am Pegel Dresden, ermittelt für unterschiedlich lange<br />
hydrologische Reihen, darunter jeweils mit und ohne Einschluß<br />
des <strong>Hochwasser</strong>s <strong>2002</strong>. Man sieht sofort, wie<br />
sensibel eine Angabe eines z.B. 100-jährlichen <strong>Hochwasser</strong>s<br />
auf nur wenig unterschiedliche Ausgangsdaten<br />
reagiert (Quelle BfG in 95).<br />
8.3 <strong>Hochwasser</strong> an Oder, Morava,<br />
Weichsel, Moldau, <strong>Elbe</strong> – immer<br />
häufiger, immer heftiger?<br />
Wirft man einen Blick auf die physische Übersichtskarte<br />
Zentraleuropas, so fällt im zentraleuropäischen<br />
Raum eine Ballung von Quellgebieten bzw.<br />
oberen Einzugsgebietslagen verschiedener größerer<br />
Flüsse wie z.B. der Oder, der <strong>Elbe</strong>, der Moldau,<br />
der Weichsel und der Morava (March) – als linksseitiger<br />
Donaunebenfluss – auf.<br />
Schaut man darüber hinaus in entsprechende fachspezifische<br />
meteorologische Übersichten – wie z.B.<br />
in den "Katalog der Großwetterlagen Europas<br />
(1881 - 1998)" (53) – so erfährt man andererseits,<br />
dass diese Mittelgebirgszüge nordöstlich der Alpen<br />
immer wieder von spezifischen sommerlichen Tiefdruckwetterlagen<br />
betroffen sind. Insbesondere sind<br />
es die Großwetterlagen TM "Tief Mitteleuropa" und<br />
TRM "Trog Mitteleuropa" die feuchtereiche, subtropische<br />
Warmluft aus <strong>dem</strong> Mittelmeerraum auf die<br />
Mittelgebirgszüge z.B. des Erzgebirges, der Sudeten,<br />
der Beskiden oder eingelagerter Kaltluftberge<br />
aufgleiten lassen (53).<br />
Eine gewisse Berühmtheit hat dabei die sogenannte<br />
"Vb-Wetterlage" erreicht. Gemäß ihrer Zugstraße<br />
wird sie auch als "Adriatief" oder "Genuatief"<br />
bezeichnet (Abb. 8-8).<br />
Im Ergebnis dieser Großwetterlagen entstehen<br />
langanhaltende und starke Flächenniederschläge,<br />
die im Laufe der Geschichte immer wieder extreme<br />
Hochwässer in den jeweils schwerpunktmäßig<br />
Abb. 8-8 Zugbahn des Vb-Tiefs<br />
“Ilse” vom 8.-12. Aug. <strong>2002</strong>.<br />
78
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Relative Häufigkeit in %<br />
betroffenen Flussgebieten hervorbrachten (z.B.<br />
145, 153).<br />
Die Häufigkeit solcher hochwasserträchtigen Großwetterlagen<br />
(TRM und TM) ist dabei zwar gerade in<br />
den Monaten Juni bis September relativ gering<br />
(Abb. 8-9), aber wenn sie in diesen Monaten auftreten,<br />
kommt es zu teilweise großräumigen und verheerenden<br />
Überschwemmungen. Die Ausprägung<br />
und Wirkung dieser Überschwemmungen variiert je<br />
<strong>nach</strong> räumlicher und zeitlicher Ausprägung der Niederschläge,<br />
deren vielfältiger Verknüpfung mit<br />
hydrologischen Gebietszuständen und der im<br />
Laufe der menschlichen Zivilisation sich entwikkelnden<br />
Siedlungs- und Landnutzungsstrukturen<br />
sowie Landschaftsbeeinflussungen.<br />
So führten Anfang Juli 1997 riesige Überschwemmungen<br />
an der Oder und der Morava zu schweren<br />
Schäden (u.a. 114 Tote in Polen und Tschechien).<br />
Im Zeitraum von Ende Juli bis Anfang August 2001<br />
kam es an der Weichsel zu großräumigen Überschwemmungen.<br />
Auch hier traten schwere Schäden<br />
auf (u.a. 27 Tote). Und wie bekannt, führten<br />
Anfang August <strong>2002</strong> Überschwemmungen an der<br />
<strong>Elbe</strong> und in den Flusstälern des Osterzgebirges<br />
und des mittleren Erzgebirges zu hohen Schäden<br />
(21 Tote in Deutschland).<br />
Relativ großräumige Hochwässer z.B. in den oberen<br />
Einzugsgebieten der <strong>Elbe</strong> traten darüber hinaus<br />
z.B. Anfang September 1890, im August 1897,<br />
im Juni 1926, im Juli 1954, im Juli 1981 auf.<br />
Das Einzugsgebiet der Mulde war neben <strong>dem</strong><br />
August 1897 und <strong>dem</strong> Juli 1954 beispielsweise<br />
auch im Juli 1958 stark betroffen usw. usf.<br />
Diese Aufzählung und Zuordnung ließe sich vielfältig<br />
erweitern (siehe 145). Immer wieder gaben<br />
diese Ereignisse mit oft katastrophalen Folgen für<br />
die betroffenen Anlieger Grund zu detaillierten Ana-<br />
79<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
0<br />
10<br />
8<br />
6<br />
4<br />
2<br />
Tief Mitteleuropa (TM)<br />
Trog Mitteleuropa (TRM)<br />
0<br />
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12<br />
Monate<br />
Abb. 8-9 Relative Häufigkeiten ausgewählter<br />
Großwetterlagen in Europa<br />
(Zeitraum 1881-1997, Daten 53).<br />
lysen und Auswertungen. Für "Das Sommerhochwasser<br />
der <strong>Elbe</strong> im Juli 1954" lieferten dies W.<br />
Böer, H. Schubert und O. Wilser 1959 (34) sehr<br />
gründlich.<br />
Außerordentlich aufschlussreich ist ihre "Auswertung<br />
der Niederschlagsbeobachtungen ab 1901 für<br />
alle Messstellen im Gebiet der DDR", für die als<br />
Schwelle 200 mm pro Monat zugrunde gelegt<br />
wurde.<br />
"Fast in je<strong>dem</strong> dritten Jahr ist also in einem der<br />
Sommermonate mit extrem hohen Monatssummen<br />
des Niederschlags ... zu rechnen. In je<strong>dem</strong> zehnten<br />
Jahr sind sogar zwei der Sommermonate durch<br />
solche hohen Niederschläge ausgezeichnet".<br />
Als im Juli 1997 <strong>nach</strong> über 10 Tagen Laufzeit eine<br />
<strong>Hochwasser</strong>welle den Bereich der deutsch/polnischen<br />
Grenzoder erreichte, brachte sich <strong>nach</strong> einer<br />
ruhigen, relativ hochwasserfreien Zeit seit 1985 die<br />
Oder <strong>nach</strong>drücklich im nun vereinigten Deutschland<br />
in Erinnerung – in einer Zeit, in der aus der<br />
Sicht der Öffentlichkeit Hochwässer nur am Rhein<br />
oder an der Mosel aufzutreten schienen.<br />
Extreme Niederschläge als Folge der skizzierten<br />
Wetterlage betrafen diesmal die oberen Einzugsgebiete<br />
der Oder und der Morava in Polen und Tschechien.<br />
Die meteorologische und hydrologische<br />
Betroffenheit war außerordentlich. In den Oberläufen<br />
der Flüsse stellten sich die höchsten jemals im<br />
20. Jahrhundert beobachteten Abflüsse ein.<br />
Aber auch die Schadensbetroffenheit mit 114 Toten<br />
und ca. 3,7 Mio. Euro Schaden in Tschechien und<br />
Polen war groß D.h. in beiden Ländern prägte sich<br />
das "Naturereignis <strong>Hochwasser</strong> zu einer "Naturkatastrophe<br />
<strong>Hochwasser</strong>" aus. Sind doch "Hochwässer<br />
an sich" zunächst keine Katastrophe. Zu dieser<br />
werden sie erst, wenn sie sich in ihren Merkmalen<br />
(z.B. Scheiteldurchfluss, Scheitelwasserstand,
UWE GRÜNEWALD ABSCHNITT 8HOCHWASSER ALS NATUR-, SCHADENS- UND POLITIKEREIGNIS<br />
Abfluss [m³/s]<br />
6000<br />
5000<br />
4000<br />
3000<br />
2000<br />
1000<br />
0<br />
90<br />
1.7 7.7 13.7 19.7 25.7 31.7 6.8 12.8 18.8 24.8 30.8<br />
Zeit [Tage]<br />
<strong>Hochwasser</strong>dauer) so zu einem Ereignis im Raum<br />
konzentrieren, bei <strong>dem</strong> eine Gesellschaft "einer<br />
schweren Gefährdung unterzogen" wird (123).<br />
"Dabei treten derartige Verluste an Menschenleben<br />
oder materielle Schäden ein, dass die lokale gesellschaftliche<br />
Struktur versagt und alle oder einige<br />
wesentliche Funktionen der Gesellschaft nicht<br />
mehr erfüllt werden" (ebenda). Dem Schweizer<br />
Schriftsteller und Philosophen Max Frisch wird in<br />
diesem Zusammenhang immer wieder die Formulierung<br />
zugesprochen: "Katastrophen kennt allein<br />
der Mensch, sofern er sie überlebt. Die Natur kennt<br />
keine Katastrophen" (51).<br />
Deutschland kam damals recht glimpflich davon.<br />
Es gab keine Toten, die Gesamtschäden hielten<br />
sich mit ca. 330 Mio. € in Grenzen und "nur" ca.<br />
6.500 Menschen mussten evakuiert werden (die<br />
zehnfache Menge an Menschen war aber auf die<br />
Evakuierung vorbereitet). Das "Oderhochwasser<br />
1997" nahm in Deutschland keinesfalls katastrophale<br />
Ausmaße an. Zweifellos trugen dazu der<br />
unermüdlich Einsatz einer Vielzahl von Helfern und<br />
einer Masse an Material und Technik dazu bei, die<br />
Schäden in Deutschland einzugrenzen.<br />
Bei aller Würdigung dieses personellen, materiellen,<br />
technischen und menschlichen Einsatzes<br />
muss jedoch nüchtern festgestellt werden, dass die<br />
eigentlichen Ursachen für die vergleichsweise<br />
geringen Schäden in Brandenburg in der großen<br />
Anzahl von Deichbrüchen in Polen lagen. 672.000<br />
ha Land wurden dadurch in Polen überflutet. Die<br />
modellmäßige Rekonstruktion der <strong>Hochwasser</strong>welle<br />
ohne Deichbrüche für den polnischen Oderpegel<br />
Gozdowice im Bereich der deutsch-polnischen<br />
Grenzoder unterhalb der Mündung der<br />
Warta liefert zwei ausgeprägte steile <strong>Hochwasser</strong>scheitel,<br />
welchen zwei abgeflachte, relativ nahe<br />
0<br />
15<br />
30<br />
45<br />
60<br />
75<br />
Niederschlag [mm/d]<br />
Abb. 8-10 Gegenüberstellung gemessener<br />
und mittels des Modelles SEROS simulierter<br />
Durchflussganglinien für den Oderpegel<br />
Gozdowice für das große Oder-<br />
<strong>Hochwasser</strong> 1997 (verändert <strong>nach</strong> 132),<br />
durchgezogene Linie = gemessen; gepunktete<br />
Linie = simuliert (ohne Deichbrüche).<br />
Die Retention des Wassers in den durch die<br />
Deichbrüche wiedergewonnenen Auegebieten<br />
hatte den Spitzenabfluß bereits vor der<br />
deutschen Grenze um mehr als ein Drittel<br />
vermindert!<br />
beieinander liegende gemessene Scheitel gegenüberstehen<br />
(Abb. 8-10, 132). Nicht auszudenken,<br />
was z.B. im mit über 20.000 Menschen besiedelten<br />
Oderbruch passiert wäre, wenn sich ein solcher,<br />
glücklicherweise nur simulierter, Scheitelwert von<br />
über 5.000 m³/s anstatt der gemessenen ca. 3.000<br />
m³/s eingestellt hätte. Dann hätten wir zweifellos<br />
auch in Deutschland eine "<strong>Hochwasser</strong>katastrophe"<br />
gehabt.<br />
Die "Weichselflut 2001" trat zu exakt <strong>dem</strong> gleichen<br />
Monatszeitraum wie das Oderhochwasser 1997<br />
auf. Betroffen waren diesmal Gebiete in Südostpolen<br />
im Einzugsgebiet der Weichsel, in denen es<br />
tagelang intensiv regnete. Sie fließt in ihrem Verlauf<br />
durch Zentralpolen, eine Region, die überwiegend<br />
landwirtschaftlich genutzt wird. Auch hier brach<br />
eine Vielzahl von Deichen, wurden Brücken und<br />
Infrastruktur erheblich beschädigt. Mehr als 50.000<br />
Menschen waren direkt betroffen. 27 Toten waren<br />
zu beklagen und der Schaden in den agrarisch<br />
geprägten Woiwodschaften hielt sich mit 680 Millionen<br />
Euro in Grenzen.<br />
Die "Augustfluten im <strong>Elbe</strong>gebiet <strong>2002</strong>" sowie die<br />
vorherigen Fluten z.B. in Bayern und Österreich<br />
gehen ebenfalls auf die Großwetterlage TRM bzw.<br />
den skizzierten "Wetterlagen-Typ V b" zurück. Vom<br />
06. bis 08.08.<strong>2002</strong> fielen dabei die Extremniederschläge<br />
zunächst an den Oberläufen der Flüsse<br />
nördlich von Salzburg und südlich von Prag insbesondere<br />
im Einzugsgebiet der Moldau. Wenige<br />
Tage später, vom 09.08. bis 13.08.<strong>2002</strong>, kamen<br />
Extremniederschläge mit bis zu 312 mm in 24 Stunden<br />
im Osterzgebirge herunter (Messstelle des<br />
Deutschen Wetterdienstes (DWD) Station Zinnwald/<br />
Georgenfeld). An den Stauanlagen der Landestalsperrenverwaltung<br />
des Freistaates Sachsen<br />
wurden daneben Niederschlagsmengen registriert,<br />
80
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Durchfluss in m³/s<br />
die im Raum Altenberg die DWD-Messwerte noch<br />
übersteigen und den sogenannten "Maximierten<br />
Gebietsniederschlagshöhen Deutschlands" (41)<br />
sehr nahe kommen.<br />
Im sächsischen Osterzgebirge, im Einzugsgebiet<br />
der Mulde und an der <strong>Elbe</strong> im Raum Dresden prägten<br />
sich im Resultat dieser extremen Niederschlags-<br />
und Abflussverhältnisse außergewöhnliche<br />
<strong>Hochwasser</strong>situationen aus. Innerhalb weniger<br />
Stunden verursachten die riesigen Abflüsse der<br />
Elb-Nebenflüsse in den betroffenen Erzgebirgstälern<br />
katastrophale Verhältnisse. Insbesondere die<br />
in ihr altes Flussbett durchbrechende Vereinigte<br />
Weißeritz verheerte neben Orten wie Freital erhebliche<br />
Teile der sächsischen Landeshauptstadt Dresden<br />
bereits ab <strong>dem</strong> 12.08.<strong>2002</strong> abends. Neben<br />
<strong>dem</strong> Dresdner Hauptbahnhof waren in den Folgetagen<br />
ca. 15 Prozent des Stadtgebietes von den<br />
Wassermassen der Weißeritz und der <strong>Elbe</strong> überflutet.<br />
Diesmal kamen 21 Menschen zu Tode und<br />
allein in Dresden mussten 35.000 Menschen evakuiert<br />
werden.<br />
In Tschechien war die personelle – mit 17 Toten –<br />
sowie die materielle und politische Betroffenheit<br />
ebenfalls sehr hoch (101). Politisch ist besonders<br />
brisant, dass alle drei Metrolinien – die für den Verteidigungsfall<br />
als atombombensichere Bunkeranlagen<br />
vorbereitet waren – schwer beschädigt wurden.<br />
Am Elbpegel Dresden wurde mit einem Wasserstand<br />
von 940 cm am 17.08.<strong>2002</strong> der bisher angegebene<br />
<strong>Hochwasser</strong>-Höchststand von 877 cm vom<br />
31.03.1845 erheblich überschritten. Die Wasserstands-Durchfluss(W-Q)-Beziehung<br />
war für diesen<br />
Pegel in diesem Bereich nicht belegt. Die Landesanstalt<br />
für Umwelt und Geologie (LfUG) des Freistaates<br />
Sachsen gab Durchflusswerte an, die auf<br />
der bestehenden W-Q-Beziehung beruhten und bei<br />
81<br />
5000<br />
4500<br />
4000<br />
3500<br />
3000<br />
2500<br />
2000<br />
1500<br />
1000<br />
500<br />
0<br />
1490<br />
1480<br />
1450<br />
1380<br />
1310<br />
1370<br />
1650<br />
1950<br />
2210<br />
2550<br />
2570<br />
2480<br />
2370<br />
2360<br />
2440<br />
2660<br />
3010<br />
3619<br />
4020<br />
4404<br />
4792<br />
4758<br />
keine<br />
Angaben<br />
vorhanden<br />
4298<br />
3722<br />
3290<br />
2970<br />
2690<br />
2430<br />
2170<br />
1940<br />
1760<br />
1550<br />
1410<br />
1290<br />
1200<br />
1130<br />
1070<br />
11.08. 12.08. 13.08. 14.08. 15.08. 16.08. 17.08. 18.08. 19.08. 20.08. 21.08. 22.08.<br />
955<br />
Abb. 8-11 Pegel Dresden/<strong>Elbe</strong><br />
Durchfluss vom 11.08.02 - 7.00 Uhr<br />
bis 22.08.02 - 7.00 Uhr (LfUG<br />
Sachsen, Internetangaben)<br />
einem Wasserstand von 913 cm und einem Durchfluss<br />
von 4.792 m³/s endeten. Sie gaben Anlass zu<br />
Spekulationen über Scheitelabflusswerte um 7.000<br />
m³/s (Abb. 8-11, vgl. auch Abb. 8-4).<br />
Die Bundesanstalt für Gewässerkunde Koblenz<br />
(31) gibt dagegen als am "Blauen Wunder" gemessenen<br />
Scheiteldurchfluss Q=4.700 m³/s an, was<br />
1000 m³/s weniger als beim <strong>Hochwasser</strong> vom<br />
31.03.1845 bei einem Wasserstand von 8,77 m in<br />
Dresden wäre. Inzwischen bestätigt sich dieser<br />
zunächst hinsichtlich der angewandten Messverfahren<br />
und deren Genauigkeit angezweifelte Wert<br />
immer mehr und es wird <strong>dem</strong> Scheiteldurchfluss in<br />
Dresden im August <strong>2002</strong> "nur noch" ein Wiederkehrintervall<br />
von 150 bis 200 Jahren zugeordnet<br />
(155). Damit ordnen sich zumindest die Durchflüsse<br />
vernünftig in das "Längsprofil von Prag,<br />
Dečin und Usti <strong>nach</strong> Dresden" ein. Der Wasserstand<br />
von 9,40 m dagegen bleibt scheinbar ein Rätsel,<br />
zumal kurz oberhalb des Stadtgebietes von<br />
Dresden im August <strong>2002</strong> fast die gleichen Wasserstände<br />
wie an den historischen <strong>Hochwasser</strong>marken<br />
des Pillnitzer Schlosses vom März 1845 noch<br />
immer ablesbar sind (Abb. 8-12). Hier gibt es nur<br />
eine Erklärung: das <strong>Hochwasser</strong>abführungspotenzial<br />
im Stadtgebiet von Dresden ist offensichtlich in<br />
den letzten Jahrzehnten drastisch vermindert worden.<br />
Sich immer stärker bestätigende Ursachen<br />
sind starke Auflandungen - die Bundesanstalt für<br />
Wasserbau (BAW) nennt Zahlen von "1 m Höhe<br />
über mehr als 50 m Breite" im Bereich der Carola-,<br />
Augustus- und Marienbrücke - sowie "strömungsverändernde<br />
Wirkungen des Bewuchses, die<br />
neben der Widerstandserhöhung zu zusätzlichen<br />
Wasserspiegelaufhöhungen und Strömungsbelastungen<br />
führen" (21). Luftbilder während des <strong>Hochwasser</strong>s<br />
aus <strong>dem</strong> Bereich der Ostraflutrinne und<br />
der Marienbrücke bestätigen dies eindringlich und<br />
weisen darüber hinaus auf die negativen Wirkun-
UWE GRÜNEWALD ABSCHNITT 8HOCHWASSER ALS NATUR-, SCHADENS- UND POLITIKEREIGNIS<br />
Abb. 8-13 Die Flutrinnen Ostragehege (links) und<br />
Kaditz (rechts oben) in Dresden am 16.08.<strong>2002</strong>, einen<br />
Tag vor <strong>dem</strong> Flutscheitel der <strong>Elbe</strong>. 1969 wurde die Eissporthalle<br />
mitten in die Flutrinne gesetzt<br />
(Foto Andreas Prange, GKSS).<br />
gen von Bauwerken in den zur <strong>Hochwasser</strong>entlastung<br />
angelegten Flutrinnen hin (Abb. 8-13).<br />
Dem<strong>nach</strong> haben wir es also keinesfalls mit einem<br />
<strong>Hochwasser</strong> nie dagewesenen Ausmaßes in der<br />
<strong>Elbe</strong> zu tun, sondern die Überflutung war diesmal<br />
heftiger als jemals vorher, weil zu Ungunsten der<br />
<strong>Hochwasser</strong>vorsorge z.B. für Mensch, Kulturgüter<br />
und Infrastruktur andere Prioritätensetzungen, z.B.<br />
für Naturschutzbelange, Naherholung und Sport<br />
erfolgten bzw. über Jahrzehnte fehlende finanzielle<br />
Mittel eine hochwassermindernde Gewässerunterhaltung<br />
nicht zuließen.<br />
8.4 "Einstellen auf <strong>Hochwasser</strong>" ist nötig<br />
und möglich – verhindern kann man<br />
<strong>Hochwasser</strong> nicht!<br />
Sowohl <strong>nach</strong> der "Oderflut 1997" und der "Weichselflut<br />
2001", als auch den "Augustfluten <strong>2002</strong> im<br />
<strong>Elbe</strong>gebiet", gab es auffällig viele monokausale<br />
Erklärungsversuche, welche diese Hochwässer<br />
z.B. auf Zunahme der Flächenversiegelung, des<br />
Flussausbaus, des Waldsterbens oder auf anthropogen<br />
verursachte Klimaänderungen zurückführten.<br />
Ohne Zweifel lassen sich die Wirkungen veränderter<br />
Klimabedingungen am vielhundertjährigen<br />
<strong>Hochwasser</strong>geschehen des Pegels Dresden z.B.<br />
beim Vergleich des Auftretens von Sommer- und<br />
Winterhochwasser - in der Verlängerung der kontinuierlichen<br />
Reihe der Jahreshöchstabflüsse seit<br />
1851 um historische Hochwässer bis zum Jahr<br />
1501 - erkennen (Abb. 8-14). Vor allem in der Periode<br />
der kleinen Eiszeit im 18. und 19. Jahrhundert<br />
überwiegen extreme Winterhochwässer. In der<br />
Periode einer relativ kurzen Zwischenerwärmung<br />
Ende des 19. Jahrhunderts treten häufig extreme<br />
Sommerhochwässer auf, die sich im 20. Jahrhundert<br />
fortzusetzen scheinen.<br />
Ohne Zweifel befindet sich unser Klima in einem<br />
permanenten Änderungsprozess (z.B. 122). Untersuchungen<br />
des Deutschen Wetterdienstes an den<br />
Werten der DWD-Station Hohenpeißenberg in Bayern<br />
zeigen z.B. auf, dass sich der Erwartungswert<br />
der Anzahl der Tage mit mehr als 30 mm Niederschlag<br />
von 2,8 Tagen pro Jahr im Jahre 1880 auf<br />
5,2 Tage pro Jahr im Jahr 2000 erhöht hat. Ein<br />
Grund ist sicherlich die Erhöhung der Mitteltemperatur<br />
in Deutschland im letzten Jahrhundert um<br />
etwa 0,6°C. Prognostiziert wird für das bevorstehende<br />
Jahrhundert eine solche von 1,5°C – 5°C<br />
(42). Demzufolge wäre eine wärmere Atmosphäre,<br />
die mehr Energie zum Wasserumsatz zur Verfügung<br />
hätte und <strong>dem</strong>zufolge auch stärkere<br />
(Extrem-) Niederschläge liefern könnte, zu erwarten.<br />
Diese Entwicklung gilt es nüchtern und sachlich<br />
zu verfolgen und umsichtig durch notwendiges<br />
globales und regionales Handeln entgegenzuwirken.<br />
Der scheinbar weitsichtige Ansatz "<strong>Hochwasser</strong>schutz<br />
heißt Klimaschutz" z.B. in Platzeck und<br />
Abb. 8-12 <strong>Hochwasser</strong>marken der <strong>Elbe</strong> in der Sächsischen Schweiz. Während der Flutscheitel in Bad Schandau (linkes<br />
Bild) 30 cm höher war als 1845, war das in der 15 km stromab gelegenen Stadt Wehlen (mitte) genau umgekehrt. In Pillnitz<br />
lagen beide Höchststände auf gleicher Höhe (rechts). In Dresden lag der Wasserstand <strong>2002</strong> gar 63 cm über <strong>dem</strong> von<br />
1845. Ursache sind unterschiedliche Ablagerungen und Bewuchs in den Auen und Gebäude, die seit 1845 neu in die Aue<br />
gebaut wurden (Fotos Grundmann, Lehrstuhl Hydrologie TU Dresden, rechts Uwe Grünewald, BTU Cottbus).<br />
82
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Roßberg (124, 131) scheint plakativ, aber letztlich<br />
kurzsichtig und sogar gefährlich. Er vermittelt einerseits<br />
das Alibi des "Verursachtseins durch höhere<br />
Gewalt" und enthält dadurch Aspekte einer "Generalamnestie"<br />
für jahrzehntelanges nicht erfolgtes<br />
Handeln. Insbesondere entlässt er Entscheidungsträger<br />
all zu schnell aus der Verantwortung für<br />
zukünftige Maßnahmen zum "<strong>Hochwasser</strong>schutz"<br />
bereits bei "unverändertem und veränderten<br />
Klima". "Nüchtern und sachlich" sollten die erkannten<br />
Defizite bei der <strong>Hochwasser</strong>vorsorge, von der<br />
Informationsvorsorge, über die Verhaltensvorsorge,<br />
die Raum- und Bauvorsorge bis hin zur Risikovorsorge<br />
- die ja alle sehr konsequent und richtig in<br />
(Jahres-) HQ in m³/s<br />
83<br />
6000<br />
5000<br />
4000<br />
3000<br />
2000<br />
1000<br />
0<br />
1501 1698 1821<br />
1531 1784 1824<br />
1651 1785 1827<br />
1655 1799 1830<br />
1682 1814 1845<br />
ausgewählte<br />
ältere HQ<br />
(106) aufgelistet sind - umgesetzt werden. Hochwässer,<br />
insbesondere Extremhochwässer, lassen<br />
sich nicht verhindern. Wir können und müssen uns<br />
aber besser durch Vorsorgemaßnahmen auf sie<br />
einstellen. Insbesondere gilt es, wesentlich stärker<br />
und konsequenter als bisher Wasserressourcenund<br />
Landressourcenbewirtschaftung gemeinsam<br />
zu bewältigen (58).<br />
Betrachtet man z.B. den Verlauf der <strong>Hochwasser</strong>welle<br />
vom Pegel Außig (Usti) über Dresden, Torgau,<br />
Wittenberg, Aken, Barby, Tangermünde und<br />
Wittenberge <strong>nach</strong> Neu-Darchau (siehe 31 und vgl.<br />
Abb. 1-3), so fallen zwei Tatsachen besonders auf:<br />
1501<br />
1698<br />
1821<br />
1855<br />
1860<br />
1865<br />
1870<br />
1875<br />
1880<br />
1885<br />
1890<br />
1895<br />
1900<br />
1905<br />
1910<br />
1915<br />
1920<br />
1925<br />
1930<br />
1935<br />
1940<br />
1945<br />
1950<br />
1955<br />
1960<br />
1965<br />
1970<br />
1975<br />
1980<br />
1985<br />
1990<br />
1995<br />
2000<br />
2005<br />
Jahr<br />
Abb. 8-15 Ein Fernseh-Team bereitet<br />
sich am 20.08.<strong>2002</strong> im Überschwemmungsgebiet<br />
bei Klein Gübs unweit<br />
von Magdeburg auf eine Direktsendung<br />
vor. Über Nacht mussten die Bewohner<br />
des Ortes in wenigen Minuten ihre<br />
Häuser verlassen, da bei Heyrothsberge<br />
ein Deich gebrochen war und<br />
das Wasser aus <strong>dem</strong> <strong>Elbe</strong>-Umflutkanal<br />
das Dorf überflutet hat<br />
(Foto Peter Förster).<br />
Abb. 8-14 Jahres-Höchstabflüsse am Pegel Dresden/<strong>Elbe</strong>. HQ ab <strong>dem</strong> Abflussjahr 1851 kontinuierlich, ergänzt um<br />
einige historische Hochwässer (grau hinterlegt). Sommerhochwasser rot, Winter blau.<br />
<strong>2002</strong>
UWE GRÜNEWALD ABSCHNITT 8HOCHWASSER ALS NATUR-, SCHADENS- UND POLITIKEREIGNIS<br />
Neben den Oberläufen in Tschechien ist es nur die<br />
Vereinigte Mulde, die zu einem drastischen Anstieg<br />
des Durchflusses in der <strong>Elbe</strong> beiträgt.<br />
Im Bereich der Havel ist eine drastische Durchflussminderung<br />
durch Polderflutung zu beobachten.<br />
Letzteres dürfte nicht zuletzt auf eine entscheidende<br />
Erfahrung aus der "Oderflut 1997"<br />
zurückzuführen sein, wo 672.000 ha Überflutungsflächen<br />
in Polen auf Grund einer Unzahl von (meist<br />
ungewollten) Deichbrüchen zu einer deutlichen<br />
Abflachung der <strong>Hochwasser</strong>welle insbesondere im<br />
Bereich der deutsch-polnischen Grenzoder führten<br />
(Abb. 8-10). Die gezielte Nutzung der "Flutungspolder<br />
Havelniederung" im August <strong>2002</strong> lieferte eine<br />
Kappung der <strong>Hochwasser</strong>welle an der Stadt Wittenberge<br />
um mehr als 0,5 Meter, wodurch dort<br />
praktisch keine <strong>Hochwasser</strong>schäden auftraten<br />
(siehe Pfeil 6 in Abb. 1-3). Problematisch stellte<br />
sich dagegen die Situation beim Rücklauf der gefluteten<br />
Polder dar, da es durch hohe Sauerstoffzehrung<br />
auf den landwirtschaftlich intensiv genutzten<br />
Polderflächen zu massenhaftem Fischsterben kam<br />
(vgl. Abschnitt 7.4 ’Flutung der Havelpolder’ ab<br />
Seite 70).<br />
8.5 <strong>Hochwasser</strong> in Medien und Politik<br />
<strong>Hochwasser</strong> sind neben Naturereignissen auch<br />
“Politik- und Medienereignisse”. Während im Jahr<br />
1997 der hohe Einsatz an Menschen und Material<br />
an der deutschen Grenzoder das "Gefühl des<br />
gesamtdeutschen Zusammenwachsens in der<br />
Stunde der Gefahr", die "neue Verbundenheit der<br />
Bevölkerung mit ihren Soldaten" usw. von über 500<br />
Journalisten von 12 TV-Stationen, 35 Radiosendern,<br />
76 Printmedien und 12 Agenturen in den<br />
Medien vermittelt wurde, wird die <strong>Hochwasser</strong>katastrophe<br />
im <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet im August <strong>2002</strong> nicht<br />
unwesentlich im Zusammenhang mit <strong>dem</strong> Wahlerfolg<br />
des damals erneut kandidierenden Bundeskanzlers<br />
in Verbindung gebracht. Weil das so ist,<br />
sollte aber konsequenter als bisher die Integration<br />
der "Politikbereiche <strong>Hochwasser</strong>vorsorge und der<br />
<strong>Hochwasser</strong>abwehr" in die anderen Politikbereiche<br />
wie Verkehrswesen, Städte-, Regional- und Raumplanung<br />
sowie insbesondere den Naturschutz - und<br />
umgekehrt - betrieben werden (Abb. 8-15).<br />
Im Rahmen der Diskussion um die Umsetzung der<br />
Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (45) werden<br />
die europäischen Länder, also auch die deutsche<br />
Bundesregierung, aber auch die deutschen Bundesländer,<br />
die ja <strong>nach</strong> deutscher Gesetzgebung für<br />
den <strong>Hochwasser</strong>schutz zuständig sind, nicht darum<br />
herum kommen, den <strong>Hochwasser</strong>schutz, die <strong>Hochwasser</strong>vorsorge<br />
und die <strong>Hochwasser</strong>abwehr in<br />
diese direkt einzubinden. Insbesondere in Deutschland<br />
müssen wir uns dazu stärker und konsequen-<br />
ter als bisher fragen, ob es sinnvoll und richtig ist,<br />
die Zersplitterung in der Zuständigkeit für <strong>Hochwasser</strong>fragen<br />
in verschiedensten Ländern und<br />
Behörden bzw. Verantwortungsbereichen (z.B. von<br />
den Wasserbehörden, den Umweltbehörden, über<br />
die Schifffahrtsbehörden bis zu den Planungsbehörden)<br />
in einem Flussgebiet weiter (argwöhnisch)<br />
zu pflegen oder ob diese zu Gunsten einer länderübergreifenden,<br />
integrativen und interdisziplinären<br />
Wasserbewirtschaftung im Flussgebietsmaßstab<br />
verändert wird.<br />
8.6 <strong>Hochwasser</strong>risikomanagement statt<br />
schnelles Verdrängen und Vergessen!<br />
Das für viele Menschen und Medien "überraschende<br />
<strong>Hochwasser</strong>" im Sommer <strong>2002</strong> im <strong>Elbe</strong>gebiet<br />
hat einen deutlichen Verlust an "historischem<br />
<strong>Hochwasser</strong>bewusstsein" in den meisten<br />
betroffenen Regionen offenbart. Scheinbar bedenkenlos<br />
wurden in hochwassergefährdeten Gebieten<br />
z.B. Häuser und Gewerbegebiete gebaut und (Verkehrs-)<br />
Infrastruktur hineingetragen (vgl. Abb. 1-4).<br />
Trotz vielfältiger Mahnungen und Lehren z.B. (57)<br />
aus der "Oderflut 1997" wurde nicht in die Entwicklung<br />
leistungsfähiger <strong>Hochwasser</strong>frühwarnsysteme<br />
<strong>nach</strong> modernem Stand von Wissenschaft<br />
und Technik investiert. Das Bewusstsein um die<br />
<strong>Hochwasser</strong>gefahren und den eingeschränkten<br />
Abfluss bei Verbauung bzw. sonstiger Verkleinerung<br />
der vorhandenen <strong>Hochwasser</strong>-Abflussprofile<br />
und der Retentionsräume war zwar bei den Fachleuten<br />
vorhanden. Offensichtlich stand es aber<br />
z.B. der politisch gewollten Entwicklung von Wirtschaftsstandorten<br />
und der Umsetzung von Tourismus-<br />
oder Naturschutzkonzepten hilflos gegenüber.<br />
Schnell wurden <strong>dem</strong>zufolge noch während<br />
der Katastrophe Klimawandel, Waldsterben oder<br />
Landnutzungswandel als eigentliche Ursachen<br />
ausgemacht.<br />
In den <strong>nach</strong> der "<strong>Elbe</strong>flut <strong>2002</strong>" inzwischen auf vielfältigen<br />
Ebenen und in unterschiedlichen Gremien<br />
erarbeiteten Analysen (z.B. 165, 95, 107, 154)<br />
zeichnen sich wesentlich sachlichere und nüchternere<br />
Schlussfolgerungen ab: Was in Deutschland<br />
gebraucht wird, ist ein <strong>Hochwasser</strong>risikomanagement,<br />
das alle Aspekte der <strong>Hochwasser</strong>vorsorge<br />
und -bewältigung einzugsgebietsbezogen umfasst.<br />
Dies wird insbesondere in einer Studie des Deutschen<br />
Komitees für Katastrophenvorsorge e.V.<br />
(DKKV) ausführlich dargestellt.<br />
Ziel der Studie (58) war es herauszuarbeiten, was<br />
es in Zukunft bei der <strong>Hochwasser</strong>vorsorge und<br />
der <strong>Hochwasser</strong>bewältigung in Deutschland endlich<br />
zu beherzigen gilt.<br />
Die Facetten der Aussagen sind vielfältig. Sie<br />
beginnen beim Nachweis, dass weder bei der<br />
84
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
<strong>Hochwasser</strong>vorsorge noch bei der Bewältigung von<br />
<strong>Hochwasser</strong>katastrophen in Deutschland das erforderliche<br />
Maß an Kooperation, Kommunikation und<br />
Führung vorhanden ist. Bei beiden mangelt es an<br />
ausreichen<strong>dem</strong> Zusammenwirken über Fach- und<br />
Raumgrenzen sowie insbesondere über Bundesländergrenzen<br />
hinweg.<br />
Anstatt "<strong>Hochwasser</strong>schutz" zu versprechen,<br />
sollte eine bewusste Auseinandersetzung und ein<br />
bewusster "Umgang mit den <strong>Hochwasser</strong>risiken"<br />
erfolgen. Grundlage dafür sind beispielsweise die<br />
Offenlegungen von Gefahren und Verletzlichkeiten,<br />
aber auch von Warn- und Schutzmöglichkeiten.<br />
Letztlich gilt es, in Deutschland stärker als bisher<br />
die Möglichkeiten der privaten Eigenvorsorge als<br />
Bestandteil der <strong>Hochwasser</strong>vorsorge systematisch<br />
zu entwickeln. Deutlich wird, dass ein solches<br />
"<strong>Hochwasser</strong>risikomanagement" eine Querschnittaufgabe<br />
ist, die nicht sektoral bewältigt werden<br />
kann.<br />
Es ist als Kreislauf zu sehen, so dass der Wiederaufbau<br />
<strong>nach</strong> der <strong>Hochwasser</strong>katastrophe bereits<br />
die Ansätze für eine verbesserte Vorsorge enthalten<br />
muss (Abb. 8-16).<br />
Kritisch wird weiterhin der Stellenwert der einzelnen<br />
Vorsorgemaßnahmen bezüglich der Minderung von<br />
(häufigen, seltenen und sehr seltenen) Hochwässern<br />
hinterfragt und z.B. die häufig unkritische<br />
Überbewertung der Erhöhung des natürlichen<br />
Wasserrückhaltes und die häufige Unterbewertung<br />
von Maßnahmen des technischen <strong>Hochwasser</strong>schutzes<br />
gegenüber der Wirkung extremer<br />
<strong>Hochwasser</strong>ereignisse thematisiert (Tab. 8-1).<br />
85<br />
Wiederaufbau<br />
Aufbauhilfe<br />
Hilfe für die<br />
Betroffenen<br />
Flächenvorsorge<br />
Bewältigung<br />
Katastrophenabwehr<br />
<strong>Hochwasser</strong><br />
Bauvorsorge<br />
Vorsorge<br />
Verhaltensvorsorge<br />
Technischer<br />
<strong>Hochwasser</strong>schutz<br />
Informationsvorsorge<br />
Erhöhung des<br />
natürlichen<br />
Wasserrückhalts<br />
in den<br />
Einzugsgebieten<br />
Abb. 8-16 <strong>Hochwasser</strong>risikomanagement<br />
- eine<br />
Querschnittsaufgabe, die<br />
nicht sektoral bewältigt werden<br />
kann.<br />
Demgegenüber kann die "Flächenvorsorge", als<br />
wirksamstes Instrument zur Reduktion des Schadenpotenzials<br />
in den überflutungsgefährdeten Räumen<br />
entlang der Flüsse, <strong>nach</strong> wie vor nicht umgesetzt<br />
werden. Sie ist ein "starkes Instrument in<br />
schwachen Händen", weil z.B. die Akteure und Entscheidungsträger<br />
zur Flächenvorsorge vor allem<br />
auf regionaler und kommunaler Ebene angesiedelt<br />
sind. Dort ist <strong>Hochwasser</strong>schutz "ein Punkt unter<br />
vielen" und ihm wird im politischen und ökonomischen<br />
Abwägungsprozess meist eine geringe Priorität<br />
eingeräumt. Insofern tendiert die auf kommunaler<br />
Ebene zu bewältigende Bauleitplanung unter<br />
den Gesichtspunkten von <strong>Hochwasser</strong>vorsorge<br />
und -bewältigung eher zur "Bauleidplanung". Ähnliches<br />
gilt national bei den Bundesländern ("jeder<br />
macht seins") und auf internationaler Ebene z.B.<br />
bei den internationalen Flusskommissionen ("gute<br />
Arbeit doch kaum Wirkung"), weil ihre zweifellos<br />
vielfältigen Initiativen nur empfehlenden bzw. beratenden<br />
Charakter haben.<br />
Das am 02. Juli 2004 im Bundestag verabschiedete<br />
"<strong>Hochwasser</strong>schutzgesetz" liefert die Chance zur<br />
verbesserten Raumplanung, in<strong>dem</strong> Ansätze gefördert<br />
werden, überschwemmungsgefährdete<br />
Gebiete <strong>nach</strong> bundeseinheitlichen Kriterien auszuweisen.<br />
Andererseits "überzieht" es bei einigen<br />
Forderungen wie "<strong>nach</strong> generellem Ackerverbot in<br />
Überschwemmungsgebieten", offensichtlich aus<br />
Naturschutzgründen zum Teil erheblich, so dass<br />
am 24. September 2004 der Bundesrat das Gesetz<br />
zur "Nachbesserung in den Vermittlungsausschuss"<br />
(24) verwiesen hat. Anstatt dazu einen<br />
"föderalen Konsens" bezüglich der Beschränkung
UWE GRÜNEWALD ABSCHNITT 8HOCHWASSER ALS NATUR-, SCHADENS- UND POLITIKEREIGNIS<br />
Kartengrundlage:<br />
Länderarbeitsgemeinschaft<br />
Wasser (LAWA)<br />
Ministerium für Umwelt der<br />
tschechischen Republik,<br />
Umweltbundesamt (A)<br />
Bundesamt für Kartographie<br />
und Geodäsie<br />
Abb. 8-17 Das Einzugsgebiet der <strong>Elbe</strong> wird in sogenannte Koordinierungsräume unterteilt, denen je ein (Bundes-) Land<br />
federführend zugeordnet ist. Was im föderalen System der Bundesrepublik noch chancenlos war, erreicht der Druck der<br />
EU-Wasserrahmenrichtlinie. Erstmals werden fließgewässerbezogene verwaltungstechnische Einheiten nicht mehr an<br />
Staats- oder Landesgrenzen, sondern an den natürlichen Einzugsgebietsgrenzen orientiert (Grafik UBA).<br />
86
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Tab. 8-1 Beispiele für differenzierte Maßnahmen zur<br />
<strong>Hochwasser</strong>vorsorge bei unterschiedlichen <strong>Hochwasser</strong>-<br />
Wiederkehrintervallen (T in Jahren, 38, verändert).<br />
häufige Überschwemmungen<br />
(T < 10 a)<br />
seltene Überschwemmungen<br />
(T=10 - 200 a)<br />
sehr seltene Überschwemmungen<br />
(T > 200 a)<br />
des Ackerverbotes nur auf einen "Überschwemmungskernbereich<br />
mit den Ausgangskriterien<br />
HQ(10)" – wie z.B. im Bundesland Baden-Württemberg<br />
im dortigen neuen Landeswassergesetz<br />
umgesetzt – anzustreben, zeichnete sich zunächst<br />
eher eine Blockade zwischen der Bundesregierung<br />
und den Ländern ab.<br />
Inzwischen ist am 09.05.2005 das modifizierte<br />
"Gesetz zur Verbesserung des vorbeugenden<br />
<strong>Hochwasser</strong>schutzes" (54) verkündet und in Kraft<br />
getreten. In Form eines sogenannten "Artikelgesetzes"<br />
werden Änderungen des "Wasserhaushaltsgesetzes<br />
(Artikel 1)", des "Baugesetzbuches (Artikel<br />
2)", des "Raumordnungsgesetzes (Artikel 3)", des<br />
"Bundeswasserstraßengesetzes (Artikel 4)", des<br />
"DWD-Gesetzes (Artikel 5)" mit DWD-Deutscher<br />
Wetterdienst, des "Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung<br />
(Artikel 6)" und des "Kraft-<br />
Wärme-Kopplungsgesetzes (Artikel 7)" vorgenommen.<br />
So müssen z.B. Überschwemmungsgebiete<br />
(auf der Basis eines 100-jährlichen <strong>Hochwasser</strong>s)<br />
und überschwemmungsgefährdete Gebiete zukünftig<br />
auch in den Raumordnungsplänen, den Flächennutzungsplänen<br />
und in den Bebauungsplänen<br />
gekennzeichnet werden. Die Zusammenarbeit der<br />
(Bundes-) Länder beim <strong>Hochwasser</strong> wird zukünftig<br />
auf der Basis sogenannter "Flussgebietseinheiten"<br />
der betroffenen Länder erfolgen (Abb. 8-17). Dort<br />
87<br />
"weiche", strukturelle Maßnahmen<br />
• Renaturierung<br />
• verbesserte Infiltration,<br />
Entsiegelung<br />
• dezentraler Rückhalt<br />
• Deichrückverlegung,<br />
Querschnittsaufweitung<br />
• Deiche<br />
technische Maßnahmen<br />
• Rückhaltebecken, -flächen<br />
• Deiche<br />
• Polder<br />
• Deichrückverlegung,<br />
Querschnittsaufweitung<br />
organisatorische Maßnahmen<br />
• Notentlastungen<br />
• Katastrophenbewältigung<br />
• finanzielle Vorsorge<br />
sollen vor allem die bis spätestens zum 10. Mai<br />
2009 aufzustellenden <strong>Hochwasser</strong>schutzpläne einzugsgebietsbezogen<br />
abgestimmt werden.<br />
Dort, wo bereits Siedlungen usw. in überschwemmungsgefährdeten<br />
Bereichen bestehen, bietet die<br />
Bauvorsorge die größte Chance, das bereits vorhandene<br />
Schadenpotenzial kurzfristig und <strong>nach</strong>haltig<br />
zu verringern. Gerade in der Phase der Katastrophenbewältigung,<br />
insbesondere <strong>dem</strong><br />
Wiederaufbau, bestand hier in den z.T. schwer<br />
geschädigten Teilregionen der <strong>Elbe</strong> die Chance,<br />
<strong>nach</strong>haltige Lösungen zu erreichen. Dass dies nur<br />
in wenigen Fällen gelang und gelingt, hat mit Mängeln<br />
bei der Verhaltensvorsorge auf allen Ebenen -<br />
von den Behörden über die Kommunen bis hin zu<br />
den potenziell betroffenen Anwohnern - zu tun. Um<br />
diese zu fördern, gilt es, <strong>Hochwasser</strong>gefahren<br />
glaubhaft und erfahrungsnah zu vermitteln. Das<br />
beginnt z.B. bereits beim Anbringen neuer und <strong>dem</strong><br />
Vervollständigen alter <strong>Hochwasser</strong>marken und<br />
reicht bis zur Vorbereitung von konkreten Zielgruppen<br />
durch Checklisten und Handlungsempfehlungen<br />
für den Überschwemmungsfall.<br />
Einen größeren Raum als bisher muss in Deutschland<br />
die Risikovorsorge gegenüber Überschwemmungen<br />
einnehmen. Umfangreiche Analysen und<br />
Befragungen dazu zeigten, dass durch die Versicherungen<br />
Verhaltens- oder (private) Bauvorsorge<br />
zur Schadensminderung zu wenig honoriert bzw.<br />
stimuliert werden. Erforderlich ist auch in Deutschland<br />
ein Konzept einer dauerhaften Risikovorsorge<br />
in Form einer Pflichtversicherung.<br />
Die Vorbeugung von Extremabflüssen und -überflutungen<br />
durch natürlichen Rückhalt und technischen<br />
Rückhalt verlangt eine stärkere Abstimmung und<br />
Ausgewogenheit ("natürlicher Raum für Flüsse -<br />
ein Runder Tisch des <strong>Hochwasser</strong>schutzes"). Stärker<br />
als bisher gilt es, die Möglichkeiten und Grenzen<br />
der einzelnen Maßnahmen nüchtern herauszustellen<br />
("Sicherheit durch Deiche - ein brüchiger<br />
Bund"). Insgesamt darf die griffige und programmatische<br />
Formel "Mehr Raum für Flüsse" nicht zur<br />
Parole für unterschiedliche Klientel konkurrierender<br />
Politikfelder degenerieren.<br />
Der erhebliche Nachholbedarf bezüglich der Informationsvorsorge<br />
wurde nicht nur bei den aus<br />
unterschiedlichen Gründen mangelhaften <strong>Hochwasser</strong>vorhersagen<br />
direkt an der <strong>Elbe</strong>, sondern im<br />
August <strong>2002</strong> vor allem auch bei der rechtzeitigen<br />
Warnung und deren Weiterleitung an die Bevölkerung<br />
z.B. in den Erzgebirgstälern deutlich. Ob die<br />
Warnung erfolgreich ist, hängt in hohem Maße von<br />
der Reaktion der Gewarnten ab. Hierfür ist wiederum<br />
entscheidend, inwieweit bei den Betroffenen<br />
Risikowahrnehmung und Verhaltensvorsorge ausgebildet<br />
sind.
UWE GRÜNEWALD ABSCHNITT 8HOCHWASSER ALS NATUR-, SCHADENS- UND POLITIKEREIGNIS<br />
re 2 Occurrence rates of heavy floods (magnitude classes 2–3) in central Europe.<br />
<strong>Elbe</strong>, winter; c, d, <strong>Elbe</strong>, summer; e, f, Oder, winter; g, h, Oder, summer. Flood data<br />
Weikinn’s sources10 (Supplementary Information) (b, d, f, h) were analysed using a<br />
sian kernel, a bandwidth of 35 yr and bootstrap simulations (see Methods). This<br />
ed (a, c, e, g) occurrence rates (solid lines) and 90% confidence bands (grey);<br />
rrence rates using data from CLIMDAT16 Abb. 8-18 Auftrittshäufigkeit von schweren Hochwässern an <strong>Elbe</strong> 1799 are und shown Oder. as dashed lines. Records before 1500 are probably not homogenous<br />
a, b, <strong>Elbe</strong>, Winter; c, d, <strong>Elbe</strong>, Sommer; e, f, Oder, Winter; g, h, Oder, confidence Sommer. bands drawn). <strong>Hochwasser</strong>daten Arrows indicate the results aus 171. (downward/no Dargestellt trend) from sind the<br />
Auftrittswahrscheinlichkeiten (durchgezogene Linie) und 90% statistical Vertrauensintervalle test (90% level) for trend (grau); in the flood Auftrittswahrscheinlichkeiten<br />
occurrence rate (<strong>Elbe</strong>, 1852–<strong>2002</strong>; O<br />
mit Daten von CLIMDAT16 für 1500–1799 sind gestrichelt dargestellt. 1850–1920Aufzeichnungen and 1920–<strong>2002</strong>); results vor for 1500 uncorrected sind wahrscheinlich and reservoir-size-corrected nicht d<br />
homogen (keine Verrtauensbänder dargestellt). Die Pfeile zeigen are identical. Ergebnisse For occurrence (Abwärts- rates and oder trends kein including Trend) data on von minor statistischen<br />
floods (class 1),<br />
Tests (90% Wahrscheinlichkeit) (Supplementary für den Trend Information) der for Auftrittswahrscheinlichkeiten 1500– Supplementary Information. (<strong>Elbe</strong>, 1852–<strong>2002</strong>; Oder, 1850–1920 und<br />
1920–<strong>2002</strong>); Ergebnisse für nicht korrigierte und reservoir-size-corrected Daten sind identisch (aus 117).<br />
URE | VOL 425 | 11 SEPTEMBER 2003 | www.nature.com/nature © 2003 Nature Publishing Group<br />
1<br />
Überschreitet das Ereignis eine kritische Größenordnung,<br />
beginnt die Katastrophenabwehr als<br />
erstes Element der Katastrophenbewältigung.<br />
In der Studie erfolgte eine "Analyse der Katastrophenabwehr<br />
als Netzwerk und der Kommunikation".<br />
Zunächst wurde dazu diskutiert, was eigentlich<br />
"die Lektion ist, und was, wie von wem, wann<br />
und warum (nicht) gelernt wurde". Schlussfolgerungen<br />
wie:<br />
• im System "Katastrophenschutz" haben sich Verfassungswirklichkeit<br />
und Verfahrenswirklichkeit<br />
entkoppelt;..."<br />
• das wirkliche Funktionsprinzip des bestehenden<br />
Katastrophenschutzes heißt "kleiner Dienstweg";"<br />
• das größte Problem des bestehenden Katastrophenschutzes<br />
ist seine Insulation in Meidungsgruppen"<br />
machen die Brisanz der Problematik deutlich.<br />
Schließlich erfolgte unter diesen Gesichtspunkten<br />
eine Analyse der positionalen Sichtweisen der verschiedenen<br />
Akteursberichte zur <strong>Elbe</strong>flut sowie der<br />
Struktur der Gefahrenabwehr in Deutschland. Im<br />
Ergebnis dessen wurden vier strukturelle Defizite<br />
herausgearbeitet:<br />
• “mangelnde Verbundenheit von kooperativen<br />
Katastrophenabwehrakteuren",<br />
• “Selbstbezogenheit und mangelnde Orientierung<br />
am Ganzen",<br />
• “Schwäche der wertsetzenden Instanzen der<br />
Katastrophenabwehr" und<br />
• “strukturelle Zentralität des operativ-taktischen<br />
Subsystems".<br />
Aus naturwissenschaftlicher Sicht ist in diesem<br />
Zusammenhang auf (117) in der englischen Fachzeitschrift<br />
NATURE (Bd. 425, S. 166 ff.) zu verweisen.<br />
Dort wird herausgearbeitet, dass die Häufigkeit<br />
großer <strong>Hochwasser</strong>durchflüsse an <strong>Elbe</strong> und<br />
Oder nicht zugenommen hat, auch wenn die "Jahrhundertfluten"<br />
an diesen Flüssen in den vergangenen<br />
Jahren das Gegenteil zu zeigen scheinen. Im<br />
Sommer nimmt sie nicht zu und im Winter gehen<br />
Zahl und Ausmaß großer Fluten sogar zurück<br />
(Abb. 8-18).<br />
Die Autoren unterscheiden bei der Auswertung der<br />
Berichte, die bis in das 11. Jahrhundert zurückreichen,<br />
Fluten im Sommer, die durch starken Regen<br />
verursacht werden, und Überschwemmungen im<br />
Winter, zu denen hauptsächlich die Schneeschmelze<br />
aber auch Eishochwasser beitragen.<br />
88
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Da<strong>nach</strong> traten weder an der <strong>Elbe</strong> noch an der Oder<br />
während der vergangenen achtzig bis einhundertfünfzig<br />
Jahre häufiger extreme Abflüsse als in den<br />
Jahrhunderten zuvor auf. Im Winter sind solche<br />
Überschwemmungen heute sogar seltener als<br />
noch vor etwa einhundert Jahren. Diese Abnahme<br />
erklärt sich u.a. mit der Zunahme milder Winter<br />
<strong>nach</strong> der sogenannten "kleinen Eiszeit" Ende des<br />
18. Jahrhunderts (siehe z.B. 55; 122), in denen sich<br />
die gefährlichen Eisbarrieren in den Flüssen nur<br />
sehr selten oder gar nicht ausbilden.<br />
Bezüglich der vor allem in den Medien und von<br />
Politikern verbreiteten These "Klimaschutz ist<br />
<strong>Hochwasser</strong>schutz" heißt das, dass die vergangenen<br />
extremen Hochwässer an <strong>Elbe</strong> und Oder kaum<br />
"Resultat eines Klimawandels" sind. Insbesondere<br />
zeigt sich aber, dass die vielfältigen Defizite bei der<br />
<strong>Hochwasser</strong>vorsorge und bei der Bewältigung von<br />
<strong>Hochwasser</strong>katastrophen eindeutig nicht "klimabedingt"<br />
sind. Vielmehr gilt es, die z.B. in der DKKV-<br />
Studie "<strong>Hochwasser</strong>vorsorge in Deutschland - Lernen<br />
aus der Katastrophe <strong>2002</strong> im <strong>Elbe</strong>gebiet" (38)<br />
dargestellten Handlungserfordernisse und Empfehlungen<br />
umzusetzen und unter <strong>dem</strong> Gesichtspunkt<br />
des sich zweifellos abzeichnenden Klimawandels<br />
mit noch nicht absehbaren Konsequenzen für das<br />
Extremabflussverhalten in unseren Flüssen noch<br />
zu erweitern.<br />
Mehr als bisher gilt es daher aber, vom "<strong>Hochwasser</strong>schutzdenken<br />
und -versprechen" weg zum<br />
nüchternen und sachlichen "Umgang mit <strong>dem</strong><br />
Risiko" überzuleiten. Denn nur so gibt es eine<br />
Chance gegen das bekannte schnelle "Verdrängen<br />
und Vergessen" von Naturgefahren wie Extremhochwässern<br />
anzukommen. Sehr ausführlich<br />
haben das auch die "Wasserdirektoren der Europäischen<br />
Union" – erweitert um Vertreter aus Nor-<br />
89<br />
wegen, der Schweiz und einigen damaligen Beitrittsländern<br />
bereits im November <strong>2002</strong> in<br />
Kopenhagen – diskutiert und im Jahr 2004 ein<br />
"Best Practices on Flood Prevention, Protection<br />
and Mitigation" Dokument veröffentlicht. Darin wird<br />
eindeutig u.a. betont, dass wir "endlich lernen müssen,<br />
mit extremen Hochwässern zu leben". Dies<br />
kann aber nur auf interdisziplinärer Basis erreicht<br />
werden. Dazu erforderlich ist u.a. die Erstellung<br />
von <strong>Hochwasser</strong>risiko-Bewältigungs-Plänen für<br />
jedes (auch grenzüberschreitende) Fluss-Einzugsgebiet.<br />
Solche Pläne müssen integrativer Art sein,<br />
d.h. sie müssen möglichst alle Aspekte der Wasserbewirtschaftung,<br />
der Raumplanung, der Landnutzung,<br />
der Landwirtschaft, der Infrastrukturentwicklung,<br />
des Naturschutzes usw. auf<br />
internationaler, nationaler, regionaler und lokaler<br />
Ebene umfassen. Auch sollten sie Politiker, Entscheidungsträger<br />
und Betroffene auf all diesen<br />
gesellschaftlichen Ebenen einbinden, um beispielsweise<br />
nicht lokale und regionale Überwachungsprobleme<br />
dadurch zu lösen, dass man das Problem<br />
– entgegen <strong>dem</strong> geforderten Solidarprinzip – einfach<br />
nur auf die Unterlieger im Flusseinzugsgebiet<br />
verlagert.<br />
Wie schwierig das umzusetzen ist, zeigt sich im<br />
föderalen Deutschland beim langen Weg, die<br />
<strong>Hochwasser</strong>gesetzgebung bundesweit auf eine<br />
gewässereinzugsgebietsbezogene Gesetzesgrundlage<br />
zu stellen. Die sachgerechte Umsetzung<br />
dieses Artikelgesetzes bedarf großer Anstrengungen<br />
u.a. bei der Entwicklung eines <strong>nach</strong>haltigen<br />
<strong>Hochwasser</strong>bewusstseins, eines Konsens über<br />
entsprechende (Schutz-, Versorgungs- und Bewältigungs-)<br />
Ziele, des sachgerechten Umgangs mit<br />
unseren Gewässern usw. in allen Ebenen unserer<br />
Gesellschaft (siehe z.B. 122).
FRANK KRÜGER ABSCHNITT 9WIE KANN MAN SICH VOR HOCHWASSERBEDINGTEN BELASTUNGEN SCHÜTZEN?<br />
9 Wie kann man sich vor hochwasserbedingten Belastungen schützen?<br />
Der Schutz vor den hochwasserbedingten Belastungen<br />
ist facettenreich. Die Maßnahmen reichen<br />
von der Beachtung einfacher Regeln der Hygiene<br />
im <strong>Hochwasser</strong>fall selbst bis zum langfristigen Nutzungsmanagement<br />
belasteter Auen und zur vorbeugenden<br />
Sicherung und Vermeidung von potenziellen<br />
Schadstoffquellen im Überschwemmungsbereich.<br />
Das zukünftige <strong>Hochwasser</strong>geschehen ist naturgemäß<br />
nicht hundertprozentig vorhersagbar. Bei<br />
je<strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong>ereignis wird es erneut zur<br />
Remobilisierung von Schadstoffen kommen, die<br />
allerdings mit Ausnahme der Keimbelastungen<br />
keine akute Gefahr darstellen.<br />
Maßnahmen zur akuten Gefahrenabwehr<br />
• Der einzig wirksame Schutz vor schlammbesiedelnden<br />
Keimen ist das "normale" Waschen der<br />
Hände und der Kleidung <strong>nach</strong> ungewollter Kontaktnahme.<br />
Bei bewusster Kontaktnahme ist das<br />
Tragen von Schutzhandschuhen und die Verwendung<br />
von Desinfektionsmitteln zur Reinigung verschmutzter<br />
Gegenstände anzuraten.<br />
Grundsätzlich sollen natürlich auch Obst und<br />
Gemüse vor <strong>dem</strong> Verzehr gründlich gewaschen,<br />
bzw. geschält werden, dies gilt <strong>nach</strong> einem <strong>Hochwasser</strong>ereignis<br />
um so mehr. Für <strong>Hochwasser</strong>helfer<br />
wird darüber hinaus vorsorglich eine<br />
Immunisierung gegen Hepatitis A empfohlen.<br />
• Die einmalige oder erstmalige Überflutung von<br />
Haus- oder Kleingärten hat <strong>nach</strong>gewiesenermaßen<br />
zu keinem nennenswerten Schadstoffeintrag<br />
geführt. Wohl aber sind kurzfristige Keimbelastungen<br />
aufgetreten. Das Umgraben und Belüften des<br />
Bodens hat geholfen, Keime absterben zu lassen<br />
und die <strong>nach</strong>haltige Infektionsgefahr zu eleminieren.<br />
Das Umgraben des Bodens führt darüber hinaus<br />
zu einer Verdünnung der<br />
Oberbodenbelastung.<br />
Maßnahmen zur Vermeidung des Schadstofftransfers<br />
in die menschliche Nahrungskette<br />
• Die hochwasserbedingten Belastungen, bedingt<br />
durch jahrhundertelangen Schadstoffeintrag in die<br />
Überflutungsbereiche der Flüsse, werden <strong>nach</strong>haltig<br />
wirken. Für die größten Abschnitte der <strong>Elbe</strong><br />
und Mulde kann gesagt werden, dass sich die<br />
Belastungssituation der Auen durch das <strong>Hochwasser</strong><br />
<strong>2002</strong> nicht verändert hat. Ein gezieltes<br />
Management der Auenbewirtschaftung kann helfen,<br />
den Schadstofftransfer zu minimieren.<br />
• Die <strong>Schadstoffbelastung</strong> in Fischen kann <strong>nach</strong><br />
wie vor nicht ausgeschlossen werden. Insbesondere<br />
fettreiche Fische wie Aale oder aber räuberische<br />
Fische wie Zander, reichern immer noch so<br />
viele Schadstoffe an, dass nur zu einem gelegent-<br />
lichen Verzehr geraten werden kann. Es wird<br />
empfohlen, nicht mehr als 1 - 2 kg Elbfisch pro<br />
Frau/Mann und Monat zu verzehren.<br />
Maßnahmen zur Vermeidung von Schadstoffquellen<br />
im Überflutungsbereich<br />
• Vorbeugend sollten Bebauungen im potenziellen<br />
Überflutungsbereich der Flüsse zukünftig unterbleiben.<br />
Das schützt das Eigentum auf der einen<br />
Seite, auf der anderen Seite können Retentionsflächen<br />
bereit gehalten werden. Diese helfen,<br />
<strong>Hochwasser</strong>scheitel zu kappen und die Gefahr<br />
von ungewollten Deichbrüchen zu minimieren.<br />
• Ist die Bebauung im Überschwemmungsbereich<br />
bereits erfolgt, so müssen die wichtigsten "Versorgungseinheiten",<br />
wie Hauswasseranlage, Heizung,<br />
Öl- und Gastanks hochwassersicher<br />
installiert werden. Insbesondere bei Hauswasseranlagen<br />
sollte die Keimbelastung des gewonnenen<br />
Trinkwassers regelmäßig vorbeugend<br />
untersucht werden.<br />
Zahlreiche Berichte zu Ursachen, Verlauf, Katastrophenmanagment,<br />
sozioökonomischen Auswirkungen<br />
und politischen Konsequenzen des <strong>Hochwasser</strong>s<br />
an der <strong>Elbe</strong> und ihren Nebenflüssen sind darüber<br />
hinaus frei verfügbar. Für die weitere intensive<br />
Auseinandersetzung können die folgenden empfohlen<br />
werden:<br />
• die Dokumentation des <strong>Hochwasser</strong>s vom August<br />
<strong>2002</strong> im Einzugsgebiet der <strong>Elbe</strong> (95),<br />
• der Bericht des Deutschen Komitees für Katastrophenvorsorge<br />
(38),<br />
• der "Kirchbach"-Bericht der sächsischen Staatsregierung<br />
(165),<br />
sowie die <strong>Hochwasser</strong>berichte:<br />
• der Sächsischen Staatsregierung (134),<br />
• des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-<br />
Anhalt und des Ministeriums für Landwirtschaft<br />
und Umwelt (103, 104, 116),<br />
• der Arbeitsgemeinschaft zur Reinhaltung der <strong>Elbe</strong><br />
(7),<br />
• der Bundesanstalt für Gewässerkunde in Koblenz<br />
(31),<br />
sowie die Darstellung von Mudelsee u.a. im Fach-<br />
Magazin "Nature" (117).<br />
90
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Literaturverzeichnis<br />
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107 S.<br />
[7] ARGE-<strong>Elbe</strong> (2003): <strong>Hochwasser</strong> August <strong>2002</strong>. Bericht der<br />
Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung der <strong>Elbe</strong>, 80 S.<br />
http://www.arge-elbe.de/wge/Download/Berichte/<br />
HWAug02.pdf<br />
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für die Reinhaltung der <strong>Elbe</strong>, 92 S. http://argeelbe.de/wge/Download/Berichte/Multielement.pdf<br />
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und Vermarktungsfähigkeit. Arbeitsgemeinschaft für<br />
die Reinhaltung der <strong>Elbe</strong>, 120 S.<br />
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Download/Berichte/00SchadstFi.pdf<br />
[11] ARGE-<strong>Elbe</strong> (2000): Schadstoffüberwachung der <strong>Elbe</strong> mit<br />
der Fischart Brassen – Ein Klassifizierungssystem. Arbeitsgemeinschaft<br />
für die Reinhaltung der <strong>Elbe</strong>, 34 S.<br />
http://arge-elbe.de/wge/Download/Berichte/KlassBrassen.pdf<br />
[12] ARGE-<strong>Elbe</strong> (1998): Schwarze Elster, Mulde und Saale –<br />
Fischartenspektrum und <strong>Schadstoffbelastung</strong> von Brassen,<br />
Aal und Zander in den Unterläufen der <strong>Elbe</strong>nebenflüsse.<br />
Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung der <strong>Elbe</strong>,<br />
94 S. http://arge-elbe.de/wge/Download/Berichte/<br />
98SMS.pdf<br />
[13] ARGE-<strong>Elbe</strong> (2003): Schwarze Elster, Mulde und Saale –<br />
Fischereibiologische Untersuchungen sowie <strong>Schadstoffbelastung</strong><br />
von Brassen, Aal und Zander in den Unterläufen<br />
der <strong>Elbe</strong>nebenflüsse. Arbeitsgemeinschaft für die<br />
Reinhaltung der <strong>Elbe</strong>, 118 S. http://www.arge-elbe.de/<br />
wge/Download/Berichte/03SMS.pdf<br />
[14] ARGE-<strong>Elbe</strong> (1980): Schwermetalldaten der <strong>Elbe</strong> von<br />
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für die Reinhaltung der <strong>Elbe</strong>, 66 S.<br />
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1998), 233 S. (http://www.arge-elbe.de/wge/Download/<br />
Berichte/00Hubschr.pdf)<br />
[16] ARGE-<strong>Elbe</strong> (2001): Sude, Aland und Havel – Fischbestandskundliche<br />
Untersuchungen sowie <strong>Schadstoffbelastung</strong><br />
von Brassen, Aal und Zander in den Unterläufen der<br />
<strong>Elbe</strong>nebenflüsse. Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung<br />
der <strong>Elbe</strong>, 118 S. http://www.arge-elbe.de/wge/Download/<br />
Berichte/BefischSAH.pdf<br />
[17] ARGE-<strong>Elbe</strong> (2004): Zahlentafeln (in Vorber.) Arbeitsgemeinschaft<br />
für die Reinhaltung der <strong>Elbe</strong><br />
91<br />
[18] ARGE-<strong>Elbe</strong> (1984-2003): Zahlentafeln. Arbeitsgemeinschaft<br />
für die Reinhaltung der <strong>Elbe</strong>. http://arge-elbe.de/<br />
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[21] BAW (<strong>2002</strong>): Bundesanstalt für Wasserbau: Stellungnahme<br />
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[23] Bayerisches Landesamt für Umweltschutz (2004): Mineralölkohlenwasserstoffe<br />
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[24] Bayerisches Staatsministerium für Umwelt, Gesundheit<br />
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Verbundprojektes "Schadstoffelastung <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Elbe</strong><br />
- <strong>Hochwasser</strong>" <strong>UFZ</strong> Leipzig - Halle ISBN 3-00-01315-0, S.<br />
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HWEndAP310Franke.pdf<br />
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99, 53 S.<br />
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[76] http://www.gapinfo.de/gesundheitsamt/alle/umwelt/chemie/met/hg/infobl.htm<br />
[77] http://www.gfz-potsdam.de/pb1/pg5/research/projects/havel/Folie_1.html<br />
[78] http://www.guh-cms.de/guw/blickpunkt/32-2003.html<br />
[79] http://www.lausitzweb.de/article.php?sid=393<br />
[80] http://www.mdr.de/brisant/brisantbrilliant/411003-hintergrund-405854.html<br />
[81] http://www.nabu.de/m06/m06_03/00662.html<br />
[82] http://www.pcb-elterninitiative-duisburg.de/PCB-Information/arguk-Aufsatz.htm<br />
[83] http://www.pcb-ratgeber.de/s129.html<br />
[84] http://www.tafelwerk24.de/chemie/elemente/pse/<br />
e080.htm<br />
[85] http://www.umad.de/infos/wirkungen/PAK.htm<br />
[86] http://www.umad.de/infos/wirkungen/rauchwa.htm<br />
[87] http://www.umweltbundesamt.de/uba-info-daten/daten/dioxine.htm<br />
[88] http://www.umweltlexikon-online.de/fp/archiv/RUBgesundheitarbeitsplatz/YushoKrankheit.php<br />
[89] http://www.uniterra.de/rutherford/ele080.htm<br />
[90] http://www.vetpharm.unizh.ch/clinitox/toxdb/KLT_035.htm<br />
[91] http://www.vis-ernaehrung.bayern.de/de/left/fachinformationen/verbraucherschutz/unerwuenschte_stoffe/schwermetalle.htm<br />
[92] http://www.wissenschaft.de/wissen/news/250427.html<br />
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[101]Kubat J (<strong>2002</strong>): Das <strong>Hochwasser</strong> im August <strong>2002</strong> im<br />
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Gewässerschutzseminar, 22.-26.10.<strong>2002</strong>,<br />
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application/pdf/beitrag_lahl_muellmagazin01_2005.pdf<br />
[103]Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (2003): Das<br />
<strong>Hochwasser</strong> von <strong>Elbe</strong> und Mulde im August <strong>2002</strong> im Land<br />
Sachsen-Anhalt. 58 S.<br />
[104]Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (<strong>2002</strong>):<br />
<strong>Schadstoffbelastung</strong> in <strong>Hochwasser</strong>sedimenten. Schlussbericht<br />
des Dezernats Bodenschutz/Altlasten, 10 S., http:/<br />
/www.mu.sachsen-anhalt.de/start/fachbereich02/bodenschutz/files/schlussbericht.pdf<br />
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Vordeichsbereichen der <strong>Elbe</strong>. Im Auftrag des MLUR. 27<br />
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[106]LAWA (1995): Länderarbeitsgemeinschaft Wasser: Leitlinien<br />
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<strong>2002</strong> in den Osterzgebirgsflüssen. Dresden, 188 S. http://<br />
www.umwelt.sachsen.de/de/wu/umwelt/lfug/lfug-internet/<br />
veroeffentlichungen/verzeichnis/Wasser/<br />
Ereignisanalyse_neu.pdf<br />
[108]Liehmann G (1996): Braunkohlenrevier Bitterfeld - eine<br />
Standortbeschreibung. Beiträge zur Bitterfeld - Wolfener<br />
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[109]Liehmann G (1993): Der Braunkohlenbergbau im Bitterfelder<br />
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1: 25-33.<br />
[110] Liehmann G (1998): Entstehung und Entwicklung des Bitterfelder<br />
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Bitterfelder Bergleute e.V. (Hrsg.): Chronik des Braunkohlenbergbaus<br />
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- eine Bilanz aus fachlicher Sicht. - Altlastenspektrum<br />
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[112] Martinetz D (1996): Vom Giftpfeil zum Chemiewaffenverbot:<br />
zur Geschichte der chemischen Kampfmittel. 1. Auflage,<br />
Deutsch-Verlag, Thun, 266 S..<br />
[113] Mayland HF, Florence AR, Rosenau RC, Lazar VA, Turner<br />
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[116] MLU (<strong>2002</strong>): Empfehlungen zum Umgang mit überfluteten<br />
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Sachsen-Anhalt, 12 S., http://www.hochwasserschutzelbe-mulde.de/Downloads/pdf54418.pdf<br />
[117] Mudelsee M, Börngen M, Tetzlaff G, Grünewald U (2003):<br />
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S. 166-169. http://www.uni-leipzig.de/~meteo/MUDEL-<br />
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auf die Wasser- und Sedimentqualität der <strong>Elbe</strong>. In: Geller<br />
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<strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Elbe</strong>-<strong>Hochwasser</strong> <strong>2002</strong>. Endbericht<br />
des Ad-hoc-Verbundprojektes, S. 82-100. http://<br />
www.ufz.de/hochwasser/bericht/e/HWEndAP32GKSS.pdf<br />
[120]Peter H, Großmann J, Schulz, Terflot G (1995): Rahmensanierungskonzept<br />
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In: Lühr H-P (Hrsg.): Kongress<br />
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ESV, Berlin, S.123-138.<br />
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[122]Pfister C (Hrsg., <strong>2002</strong>): Am Tag da<strong>nach</strong>. Zur Bewältigung<br />
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Stuttgart, Wien: Verlag Haupt, 263 S.<br />
[123]Plate E J, Merz B (Hrsg., <strong>2002</strong>): Naturkatastrophen. Ursachen<br />
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Verlagsbuchhandlung, Stuttgart, 475 S.<br />
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verstärkt werden kann. Der Städtetag. Zeitschrift<br />
für Kommunale Politik und Praxis. 56. Jhg, Nr. 2/<br />
2003, S. 6-8.<br />
[125]Plumpe G (1990): Die I.G.-Farbenindustrie-AG: Wirtschaft,<br />
Technik und Politik 1904 - 1945. Duncker und<br />
Humbolt, Berlin,784 S..<br />
[126]Popp P, von Tümpling W, Freyer K, Geyer W, Lincke M,<br />
Schreiber M, Treutler H-Ch, Wennrich R (2004): Schadstoffe<br />
und Radionuklide in urbanen Räumen des <strong>Elbe</strong>-<br />
und Muldeeinzugsgebietes. In: Geller W, Ockenfeld K,<br />
Böhme M, Knöchel A (Hrsg.): <strong>Schadstoffbelastung</strong> <strong>nach</strong><br />
<strong>dem</strong> <strong>Elbe</strong>-<strong>Hochwasser</strong> <strong>2002</strong>. Endbericht des Ad-hoc-Verbundprojektes,<br />
S. 70-81. http://www.ufz.de/hochwasser/<br />
bericht/e/HWEndAP31vT.pdf<br />
[127]Rank G, Kardel K, Pälchen W, Greif A (2003): Schadstoffelastung<br />
im Mulde- und <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> Augusthochwasser.<br />
Tagungsband zum ad-hoc Seminar<br />
Schadstoffelastung im Mulde- und <strong>Elbe</strong>einzugsgebiet<br />
<strong>nach</strong> <strong>dem</strong> Augusthochwasser <strong>2002</strong>, 114-120, <strong>UFZ</strong> Leipzig-Halle<br />
GmbH, <strong>2002</strong> http://www.ufz.de/data/<br />
Tagungsband555.pdf<br />
[128]Rank G, Kardel K, Pälchen W, Weidensdörfer H (2000):<br />
Bodenatlas des Freistaates Sachsen, Teil 3: Bodenmeßnetz<br />
Raster 4 x 4 km. Materialien zum Bodenschutz. CD-<br />
ROM Ausgabe, Sächsisches Landesamt für Umwelt und<br />
Geologie, Dresden http://www.umwelt.sachsen.de/de/wu/<br />
umwelt/lfug/lfug-internet/veroeffentlichungen/verzeichnis/<br />
Boden-Geologie/Materialien/Boden_kurz/data.html<br />
[129]Richtlinie 2003/57/EG der Kommission vom 17. Juni 2003<br />
zur Änderung der Richtlinie <strong>2002</strong>/32/EG des Europäischen<br />
Parlaments und des Rates vom 7. Mai <strong>2002</strong> über<br />
unerwünschte Stoffe in der Tierernährung. Amtsblatt der<br />
EU L 151/38-41. http://www.umweltbundesamt.de/ubainfo-daten/archiv/Futtermittel-EC2003-57de.pdf<br />
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[131]Roßberg I (2003): Nach der Flut ist vor der Flut. Dresden<br />
wappnet sich gegen Rekordpegelstände. Der Städtetag.<br />
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mit <strong>dem</strong> Ziel einer ökologisch verträglichen Sanierung. -<br />
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[134]Sächsische Staatsregierung (2003a): Bericht der sächsischen<br />
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August <strong>2002</strong>. Dresden, Februar 2003, Teil 1 Bericht des<br />
SMI, 72 S. http://www.sachsen.de/de/bf/staatsregierung/<br />
ministerien/smi/smi/upload/hochwasserbericht_teil1.pdf<br />
und teil2.pdf<br />
[135]Schadstoff-Höchstmengenverordnung SHmV (2003): Verordnung<br />
über Höchstmengen an Schadstoffen in Lebensmitteln<br />
vom 19. Dez. 2003. BGBl I Nr. 63 vom 23.12.2003,<br />
S. 2755. http://bundesrecht.juris.de/bundesrecht/<br />
shmv_2003/gesamt.pdf<br />
[136]Scheffer/Schachtschabel (1992): Lehrbuch der Bodenkunde.<br />
Enke-Verlag, Stuttgart<br />
[137]Schneckenburger A (1988): Die Geschichte des I.G. - Farbenkonzerns.<br />
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[138]Schulz AJ, Wiesmüller T, Appuhn H, Stehr D, Severin K,<br />
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[139]Schulz AJ, Wiesmüller T, Appuhn H, Stehr D, Severin K,<br />
Landmann D, Kamphues J (2004): Dioxin concentration in<br />
milk, faeces and tissues of cows related to feed contamination.<br />
Organohalogen compounds, Vol 66, pp 2027-<br />
2034.<br />
[140]Schwartz R & Kozerski HP (2004): Bestimmung des Gefahrenpotentials<br />
feinkörniger Buhnenfeldsedimente für die<br />
Wasser und Schwebstoffqualität der <strong>Elbe</strong> sowie den Stoffeintrag<br />
in Auen. In: Geller W, Ockenfeld K, Böhme M,<br />
Knöchel A (Hrsg.): <strong>Schadstoffbelastung</strong> <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> <strong>Elbe</strong>-<br />
<strong>Hochwasser</strong> <strong>2002</strong>. Endbericht des Ad-hoc-Verbundprojektes,<br />
S. 258-274. http://www.ufz.de/hochwasser/bericht/<br />
e/HWEndAP42Rene.pdf<br />
[141]Schwartz R, Gerth J, Neumann-Hensel H, Walkow F,<br />
Förstner U (2004): Geochemisch-ökotoxikologische Charakterisierung<br />
und Bewertung der <strong>Schadstoffbelastung</strong> in<br />
der Spittelwasserniederung bei Jeßnitz als Grundlage zur<br />
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[142]Schwarzbauer J, Ricking M, Franke S, Francke W (2001):<br />
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[143]Simon M (1994). <strong>Hochwasser</strong>schutz im Einzugsgebiet der<br />
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[144]SLUG (2004): Ereignisanalyse <strong>Hochwasser</strong> August <strong>2002</strong><br />
in den Osterzgebirgsflüssen - L II-1/27 07/2004 Managementreport<br />
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94
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[145]SMUL (<strong>2002</strong>): Sächsisches Staatsministerium für Umwelt<br />
und Landwirtschaft: <strong>Hochwasser</strong>schutz in Sachsen. Materialien<br />
zur Wasserwirtschaft. Dresden, 46 S.<br />
[146]Spott D, Guhr H (1996): The dynamics of suspended solids<br />
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[147]Stachel B, Götz R, Herrmann T, Krüger F, Knoth W, Päpke<br />
O, Rauhut U, Reincke H, Schwartz R, Steeg E, Uhlig S<br />
(2004): The <strong>Elbe</strong> flood in August <strong>2002</strong> – occurence of polychlorinated<br />
dibenzo-p-dioxins, polychlorinated dibenzofurans<br />
(PCDD/F) and dioxin-like PCB in suspended<br />
particulate matter (SPM), sediment and fish. Water Science<br />
and Technology, Vol 50, No 5, pp 309-316.<br />
[148]Stachel B, Jantzen E, Knoth W, Krüger F, Lepom P, Oetken<br />
M, Reincke H, Sawal G, Schwartz R, Uhlig S (2005):<br />
The <strong>Elbe</strong> Flood in August <strong>2002</strong>-Organic Contaminants in<br />
Sediment Samples Taken after the Flood Event. JESH,<br />
A40:265-287.<br />
[149]Tammen H (1978): Die I.G. Farbenindustrie Aktiengesellschaft<br />
(1925 - 1933): Ein Chemiekonzern in der Weimarer<br />
Republik. Verlag Helmuth Tammen, Berlin, 468 S..<br />
[150]Technische Regeln für Gefahrstoffe, TRGS 900 (1996):<br />
Grenzwerte in der Luft am Arbeitsplatz, zuletzt geändert<br />
BArbBl. Heft 2/2000. http://www.baua.de/prax/ags/<br />
trgs900.pdf<br />
[151]Thieken AH (2001): Schadstoffmuster in der regionalen<br />
Grundwasserkontamination der mitteldeutschen Industrieund<br />
Bergbauregion Bitterfeld-Wolfen. Dissertation. Martin-<br />
Luther-Universität Halle-Wittenberg. 154 S., http://<br />
sundoc.bibliothek.uni-halle.de/diss-online/01/02H175/index.htm<br />
[152]Thornton J, Abrahams P (1983): Soil Ingestion - A major<br />
pathway of heavy metals into livestock grazing contaminated<br />
land. The Science of the Total Environment 28, pp.<br />
287-294.<br />
[153]TMLNU (<strong>2002</strong>): Thüringer Ministerium für Landwirtschaft,<br />
Naturschutz und Umwelt/Thüringer Landesanstalt für Umwelt<br />
und Geologie (Hrsg.): <strong>Hochwasser</strong>ereignisse in Thüringen.<br />
Schriftreihe der TLUG Nr. 63, Jena, 99 S.<br />
[154]Umweltamt Dresden (2004): Bericht der Projektgruppe<br />
<strong>Hochwasser</strong>vorsorge zum Stand der Beseitigung der<br />
<strong>Hochwasser</strong>schäden an den Fließgewässern und der Abwasserkanalisation<br />
und zu Stand und weiterem Vorgehen<br />
bei der Planung, Finanzierung und Umsetzung von Sofortmaßnahmen<br />
zur Verbesserung des <strong>Hochwasser</strong>schutzes<br />
(Plan <strong>Hochwasser</strong>vorsorge Dresden), Dresden, 09.<br />
März 2004, 38 S.<br />
[155]Umweltatlas (<strong>2002</strong>): Vorläufiges, fachlich ermitteltes Überschwemmungsgebiet<br />
der <strong>Elbe</strong> für ein <strong>Hochwasser</strong>, das<br />
statistisch einmal in 100 Jahren auftritt, einschließlich des<br />
Abflussbereiches. Sonderdruck Umweltatlas Dresden<br />
<strong>2002</strong>, 3 S.<br />
[156]Umweltbundesamt (<strong>2002</strong>): Schwermetalleinträge in die<br />
Oberflächengewässer Deutschlands. UBA-Texte 54/02.<br />
http://osiris.uba.de/gisudienste/Herata/hmetal/<br />
[157]Umweltbundesamt (2005): www.umweltprobenbank.de<br />
[158]van Embden ICM (1991): Thesen zu Chlororganika -<br />
Überlegungen aus Sicht der Chemischen Industrie. In:<br />
Steger, U. (Hrsg.): Chemie und Umwelt. ESV, Berlin, S.<br />
49-56.<br />
[159]Verordnung (EG) Nr. 208/2005 der Kommission vom 4.<br />
Februar 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 466/<br />
2001 im Hinblick auf polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe.<br />
Amtsblatt der EU L 34/3-5. http://europa.eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/site/de/oj/2005/l_034/<br />
l_03420050208de00030005.pdf<br />
95<br />
[160]Verordnung (EG) Nr. 78/2005 der Kommission vom 19.<br />
Januar 2005 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 466/<br />
2001 hinsichtlich Schwermetallen. Amtsblatt der EU L 16/<br />
43-45. http://europa.eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/site/de/<br />
oj/2005/l_016/l_01620050120de00430045.pdf<br />
[161]Verordnung (EG) Nr. 466/2001 der Kommission vom 8.<br />
März 2001 zur Festsetzung der Höchstgehalte für bestimmte<br />
Kontaminanten in Lebensmitteln. Amtsblatt der<br />
EU L 77/1-13. http://europa.eu.int/eur-lex/pri/de/oj/dat/<br />
2001/l_077/l_07720010316de00010013.pdf<br />
[162]Verordnung (EG) Nr. 2375/2001 des Rates vom 29. November<br />
2001 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 466/<br />
2001 der Kommission zur Festsetzung der Höchstgehalte<br />
für bestimmte Kontaminanten in Lebensmitteln. Amtsblatt<br />
der EU L 321/1-7. http://www.umweltbundesamt.de/ubainfo-daten/archiv/Lebensmittel-Hoechstgehalte-EU-2375-<br />
2001de.pdf<br />
[163]Voland B, Kuge A, Schlenker U, Hoppe Th, Metzner I,<br />
Klemm W, Bombach G (1994): Einschätzung der Schwermetallbelastung<br />
der Böden im Freiberger Raum. In: Beurteilung<br />
von Schwermetallen in Böden von<br />
Ballungsgebieten, DECHEMA, 79-104, ISBN 3-926959-<br />
50-9<br />
[164]Voland B, Metzner I, Kluge A, Hoppe Th, Schlenker U,<br />
Klemm W, Bombach G (1990): Umweltgeochemische Untersuchungen<br />
an ausgewählten Böden Sachsens. Bergaka<strong>dem</strong>ie<br />
Freiberg, Institut für Mineralogie, Geochemie<br />
und Lagerstätenlehre<br />
[165]von Kirchbach H-P, Franke S, Biele H, Minnich L, Epple<br />
M, Schäfer F, Unnasch F, Schuster M (<strong>2002</strong>): Bericht der<br />
Unabhängigen Kommission der Sächsischen Staatsregierung<br />
Flutkatastrophe <strong>2002</strong>. Dresden, 250 S. http://home.arcor.de/schlaudi/Kirchbachbericht.pdf<br />
[166]von Osten W (1991): Chlororganika - Überlegungen aus<br />
Sicht der Umweltpolitik. In: Steger, U. (Hrsg.): Chemie und<br />
Umwelt. ESV, Berlin, S. 57-73.<br />
[167]Wagenbreth O, Wächtler E (Hrsg., 1986) Bergbau im Erzgebirge.<br />
Technische Denkmale und Geschichte. VEB<br />
Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig<br />
[168]Wagenbreth O, Wächtler E (Hrsg., 1990): Der Freiberger<br />
Bergbau. Technische Denkmale und Geschichte. VEB<br />
Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie Leipzig<br />
[169]Walter R (Hrsg, 2000): Umweltvirologie. Vieren in Wasser<br />
und Boden. Springer-Verlag Wien, New York, 266 S.,<br />
ISBN 3-211-83345<br />
[170]Wasserhaushaltsgesetz (1996): Gesetz zur Ordnung des<br />
Wasserhaushalts (WHG) in der Fassung der Bekanntmachung<br />
vom 12. November 1996 (BGBl. I Nr. 58 vom<br />
18.11.1996 S. 1695), http://www.umweltdaten.de/down-d/<br />
whg.pdf<br />
[171]Weikinn C (1958-<strong>2002</strong>): Quellentexte zur Witterungsgeschichte<br />
Europas von der Zeitwende bis zum Jahre 1850:<br />
Hydrographie, Teile 1–4 (Aka<strong>dem</strong>ie, Berlin, 1958–1963);<br />
Parts 5–6 (Hrg. Börngen M, Tetzlaff G) (Gebrüder Borntraeger,<br />
Berlin, 2000–<strong>2002</strong>).<br />
[172]WHO (2004): Joint FAO/OIE/WHO Expert Workshop on<br />
Non-Human Antimicrobial Usage and Antimicrobial Resistance:<br />
Scientific assessment, Geneva, December 1 – 5,<br />
2003 http://whqlibdoc.who.int/hq/2004/<br />
WHO_CDS_CPE_ZFK_2004.7.pdf<br />
[173]Zerling L, Müller A, Jendryschek K, Hanisch Chr, Arnold A<br />
(2001): Der Bitterfelder Muldenstausee als Schadstoffsenke.<br />
Entwicklung der Schwermetallbelastung von 1992 bis<br />
1997. Abh. Sächs. Akad. d. Wiss. zu Leipzig 59,4: 69S.
Glossar und Abkürzungsverzeichnis<br />
a Jahr<br />
µg Mikrogramm<br />
µl, µL Mikroliter<br />
µm Mikrometer<br />
m Meter<br />
km Kilometer<br />
kg Kilogramm, 1 kg enthält<br />
1.000 g<br />
1.000.000 mg<br />
1.000.000.000 µg<br />
1.000.000.000.000 ng<br />
L Liter, 1 L enthält<br />
1.000 ml<br />
1.000.000 µl<br />
Acetale Molekülgruppe in der organischen Chemie, die sich<br />
durch zwei Alkoxylgruppen auszeichnet, die sich an<br />
einem Kohlenstoff-Atom befinden<br />
ADI-Wert Acceptable Daily Intake, tolerierbare tägliche Aufnahme<br />
aerob Sauerstoff zum Leben brauchend, sauerstoffhaltig<br />
Aerosol in der Luft fein verteilte feste und flüssige Teilchen<br />
AFS abfiltrierbare Stoffe<br />
Ag Silber<br />
AGFA Aktiengesellschaft für Anilinfarben<br />
akkumulieren anhäufen, anreichern, speichern<br />
Al Aluminium<br />
Alveole Lungenbläßchen<br />
anaerob ohne Sauerstoff auskommend, sauerstofffrei<br />
androgen männliche Geschlechtsmerkmale hervorrufend<br />
anthropogen durch den Menschen verursacht, das Gegenteil<br />
von geogen (durch die natürliche Zusammensetzung<br />
der Erdoberfläche/Gesteine verursacht)<br />
AOX Adsorbierbare organisch gebundene Halogene,<br />
also der Chlor-, Brom- und Jodverbindungen<br />
ARGE <strong>Elbe</strong> Arbeitsgemeinschaft für die Reinhaltung der <strong>Elbe</strong><br />
Aromaten Ringförmige organische Kohlenwasserstoffe mit einer<br />
spezifischen elektrochemischen Struktur<br />
As Arsen<br />
Asgel Arsen gelöst<br />
Aspart Arsen partikulär<br />
assoziiert zusammengesetzt, beigemischt<br />
ATV-DVWK Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser<br />
und Abfall e.V., Hennef<br />
Au Gold<br />
BBodSchV Bundes- Bodenschutz und Altlastenverordnung<br />
Ba Barium<br />
BA Bergaka<strong>dem</strong>ie<br />
BfG Bundesanstalt für Gewässerkunde<br />
BfS Bundesamt für Strahlenschutz<br />
Bi Bismut<br />
Biozide sind Gifte gegen bestimmte Organismengruppen,<br />
z.B. Fungizide gegen Pilze, Herbizide gegen ausgewählte<br />
Pflanzengruppen; oft werden Biozide als<br />
’Pflanzenschutzmittel’ bezeichnet, wenn sie die (eine)<br />
Nutzpflanze überleben lassen, darumherum<br />
aber Konkurrenten, Parasiten oder Frassfeinde niederhalten<br />
BImSchV Bundes-Immissionsschutzverordnung<br />
BMBF Bundesministerium für Bildung und Forschung<br />
BMU Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und<br />
Reaktorsicherheit<br />
BTU Brandenburgische Technische Universität<br />
BUG Behörde für Umwelt und Gesundheit<br />
BVV Bitterfelder Vermögensverwaltung Chemie GmbH<br />
bzw. beziehungsweise<br />
c Konzentration<br />
C Kohlenstoff<br />
__<br />
C Mittelwert der Konzentration<br />
GLOSSAR UND ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS<br />
Ca Calcium<br />
CCMS Committee on Challenges of modern Society<br />
Cd Cadmium<br />
CFGE Chemische Fabrik Griesheim-Electron<br />
Chlor-Alkali-Elektrolyse Elektrochemischer Prozess zur Herstellung<br />
von Chlor und Natronlauge aus Steinsalz<br />
Cl Chlor<br />
CKB Chemiekombinat Bitterfeld<br />
cmax Maximumwert der Konzentration<br />
cmin Minimumwert der Konzentration<br />
Co Kobalt<br />
Cr Chrom<br />
Cu Kupfer<br />
CZ Tschechische Republik<br />
D Deutschland<br />
DDT 1,1,1-Trichlor-2,2-bis(2 bzw. 4-chlorphenyl)ethan<br />
(Dichlor-Diphenyl-Trichlorethan)<br />
Denitrifikation bakterieller Abbau des Nitrates unter Abwesenheit<br />
von Sauerstoff. Produkt der Denitrifikation sind<br />
gasförmiger Stickstoff und Wasser<br />
Denaturierung Irreversible Veränderung<br />
Deposition Niederschlag<br />
Diarrhoe Durchfall<br />
DKKV Deutsches Komitee für Katastrophenvorsorge<br />
DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt<br />
DVGW Deutsche Vereinigung d. Gas- und Wasserfaches<br />
DWD Deutscher Wetterdienst<br />
EG Europäische Gemeinschaft<br />
EKB Elektrochemisches Kombinat Bitterfeld<br />
ELANA Firma ELANA Wasser Boden Monitoring<br />
Emission das Ausstoßen, Austragen z.B. von Schadstoffen<br />
in die Umwelt<br />
Emphysem Luftansammlung im Gewebe<br />
emulgieren einen unlösbaren Stoff in einer Flüssigkeit verteilen<br />
(z.B. Öl in Wasser)<br />
EN Europäische Norm<br />
endokrin mit innerer Sekretion verbunden, endokrine Hormondrüsen<br />
geben ihr Sekret direkt ons Blut ab, verfügen<br />
über keinen " Ausgang " z.B. Hoden,<br />
Eierstöcke, Schilddrüse<br />
Enzym organische Verbindungen, die in der Zelle gebildet<br />
werden und den Stoffwechsel steuern<br />
EU Europäische Union<br />
Eutrophierung Anstieg der Nährstoffzufuhr in Gewässer, verbunden<br />
mit verstärktem Algenwachstum<br />
Exposition Gefährdung für den Organismus<br />
Extrapolation Hochrechnung<br />
F Fluor<br />
fakultativ beinhaltet die Möglichkeit, die Eventualität; fakultativ<br />
pathogen: unter entsprechenden Umständen pathogen<br />
Fe Eisen<br />
Fötus heranwachsendes Kind im Mutterleib (ab <strong>dem</strong> 3.<br />
Monat)<br />
g Gramm<br />
GBF Gesellschaft für Biotechnologische Forschung mbH<br />
GC-MS Gaschromatographische Massenspectrometrie<br />
(chemische Analysenmethode)<br />
GKSS GKSS (ursprünglich abgeleitet aus Gesellschaft für<br />
Kernenergieverwertung in Schifffahrt und Schiffbau)<br />
-Forschungszentrum Geesthacht GmbH<br />
h hour, Stunde<br />
HCB Hexachlorbenzol, Hexachlorbenzen<br />
HCH Hexachlorcyclohexan, die Grundverbindung des Insektizids<br />
Lindan<br />
heterotroph griech.: sich von anderen ernährend (z.B. Tiere<br />
und Pilze), im Gegensatz zu autotroph (sich selbst<br />
ernährend, wie z.B. Pflanzen)<br />
96
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Hg Quecksilber<br />
HH Hansestadt Hamburg<br />
HHW Höchstes gemessenes <strong>Hochwasser</strong><br />
HKW Halogenkohlenwasserstoffe<br />
HQ(10) <strong>Hochwasser</strong>abfluss mit zehnjähriger Wiederkehrwahrscheinlichkeit<br />
Igeo Geoindex <strong>nach</strong> Müller (118)<br />
IG Farben Interessengemeinschaft Farbenindustrie Aktiengesellschaft<br />
IKSE Internationale Kommission zum Schutz der <strong>Elbe</strong><br />
Immission das Einwirken, Einleiten<br />
Induzieren auslösen<br />
In-situ in der natürlichen Umgebung<br />
Isolat Abgetrennte, isolierte Bakterienstämme<br />
Isomere Chemische Verbindungen mit gleicher chemischer<br />
Summenformel aber unterschiedlicher Struktur<br />
I-TEQ Internationale Toxizitätsäquivalente<br />
IUPAC International Union of Pure and Applied Chemistry,<br />
Internationale Union für reine und angewandte<br />
Chemie<br />
Kanzerogenität Fähigkeit, Krebs zu verursachen<br />
karzinogen krebserregend<br />
Keratin Hornstoff, schwefelhaltiger Eiweißkörper in Haut,<br />
Haar und Nägeln<br />
kg Kilogramm<br />
Kongenere chemische Verbindungen mit einer ähnlichen<br />
Grundstruktur, die meistens als Gemische auftreten<br />
km Kilometer<br />
km² Quadratkilometer<br />
l, L Liter<br />
LAF Landesamt für Altlastenfreistellung Sachsen-Anhalt<br />
LAU Landesamt für Umweltschutz<br />
LAWA Länderarbeitsgemeinschaft Wasser<br />
LfUG Landesamt für Umwelt und Geologie des Freistaats<br />
Sachsen, Dresden<br />
LHKW leichtflüchtige halogenierte Kohlenwasserstoffe<br />
LHW Landesbetrieb für <strong>Hochwasser</strong>schutz und Wasserwirtschaft<br />
Sachsen-Anhalt<br />
lipophil griech. für fettliebend<br />
LSA Land Sachsen-Anhalt<br />
LUA Landes Umweltamt<br />
m Meter<br />
m³ Kubikmeter<br />
Medianwert Zentralwert einer Messreihe, eine Hälfte aller<br />
Messwerte ist kleiner, die andere Hälfte aller Messwerte<br />
ist größer als der Median<br />
mg Milligramm<br />
Mg Magnesium<br />
MHW mittleres <strong>Hochwasser</strong><br />
Mio. Millionen<br />
MKW Mineralöl-Kohlenwasserstoffe<br />
ml, mL Milliliter<br />
mm Millimeter<br />
Mn Mangan<br />
Mo Molybdän<br />
monokausal auf nur einen Grund zurückgehend<br />
MQ(a) mittlerer Jahresdurchflusswert<br />
mutagen Mutationen auslösend<br />
n Anzahl<br />
N Stickstoff<br />
n.b. nicht bestimmt<br />
Na Natrium<br />
NABU Naturschutzbund<br />
NATO North Atlantic Treaty Organisation<br />
ng Nanogramm<br />
Ni Nickel<br />
NLKW Niedersächsischer Landesbetrieb für Wasserwirtschaft<br />
und Küstenschutz<br />
NOEL-Wert No Observed Effect Level, Schadstoffdosis, bis zu<br />
der keine erkennbare Wirkung auftritt<br />
No. Number<br />
97<br />
O, O2 Sauerstoff, Sauerstoffmolekül<br />
Oxidation Chemische Reaktion unter Abgabe von Elektronen,<br />
immer in Verbindung mit einer Reduktion (Aufnahme<br />
von Elektronen)<br />
PAK Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe<br />
Pathogene Krankheitserreger<br />
Pb Blei<br />
PCB Polychlorierte Biphenyle<br />
PCDD/F Polychlorierte Dibenzo-para-dioxine/-furane<br />
pg Picogramm<br />
Phytoplankton kleine, im Wasser schwebende Algen<br />
PIK Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung<br />
Plazenta Mutterkuchen<br />
POP Persistent Organic Pollutant, schwer abbaubare organische<br />
Schadstoffe<br />
Präzipitat chemischer Niederschlag<br />
Protein Eiweiß<br />
Proteinurie krankhafte Anreicherung von Eiweißen im Harn<br />
Protozoa Einzellige, mobile, heterotrophe Lebenwesen (Tiere),<br />
die keine Zellwand, aber einen Zellkern besitzen.<br />
Nach neuerer Auffassung nicht mehr <strong>dem</strong><br />
Tierreich zuzuordnen, sondern <strong>dem</strong> Reich der Protista<br />
(Einzeller mit Zellkern).<br />
PTWI-Wert Provisional Tolerable Weekly Intake, vorläufige tolerierbare<br />
wöchentliche Aufnahme<br />
PVC Polivinylchlorid<br />
Q Durchfluss<br />
Ra Radium<br />
Resorption Aufnahme in die Blutbahn<br />
s Sekunde<br />
SAFIRA Sanierungsforschung in regional kontaminierten<br />
Aquiferen<br />
Sb Antimon<br />
Sn Zinn<br />
Styrol heißt auch Phenylethen und ist eine farblose, viskose,<br />
süßlich riechende Flüssigkeit, die vor allem<br />
zur Herstellung von Kunststoffen dient<br />
sulfidisch zweiwertige Verbindung mit Schwefel, stabil unter<br />
Abwesenheit von Sauerstoff<br />
t Tonne<br />
TA Luft Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft, eine<br />
Verwaltungsvorschrift zum Bundes-Immissionsschutzgesetz<br />
Tailing schlammartige Rückstände der Erzaufbereitung<br />
TBT Tributylzinn<br />
TDI =ADI, Tolerable Daily Intake<br />
TEQ Toxizitätsäquivalent<br />
Ti Titan<br />
Tl Thallium<br />
TPhT Triphenylzinn<br />
TRM Trog Mitteleuropa<br />
TU Technische Universität<br />
TUB Technische Universität Berlin<br />
TVO Trinkwasserverordnung<br />
TZW Technologiezentrum Wasser<br />
U Uran<br />
UBA Umweltbundesamt, www.uba.de<br />
ubiquitär überall verbreitet<br />
<strong>UFZ</strong> Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH,<br />
www.ufz.de<br />
UV Ultraviolett<br />
V Vanadium<br />
VEB Volkseigener Betrieb<br />
W Wolfram<br />
WHG Wasserhaushaltsgesetz<br />
WHO Weltgesundheitsorganisation, World Health Organisation<br />
WSA Wasser- und Schifffahrtsamt<br />
WZW Wissenschaftszentrum Weihenstephan<br />
Zn Zink
Verzeichnis der Abbildungen<br />
Abb. 1-1 Die Müglitz rauscht als Sturzflut durch<br />
Weesenstein ........................................................4<br />
Abb. 1-2 Wasserstandsmarken an der Großmühle im<br />
Einstrombereich zur Altstadt von Grimma ...........5<br />
Abb. 1-3 Wasserstände von 37 Schreibpegeln<br />
entlang der deutschen <strong>Elbe</strong>. ................................6<br />
Abb. 1-4 Neubaugebiet in der überfluteten Aue<br />
von Dresden-Cossebaude. ..................................7<br />
Abb. 1-5 Sperrmüll in Pirna.............................................7<br />
Abb. 1-6 Getrockneter Schlamm auf den Elbwiesen<br />
in Dresden ...........................................................8<br />
Abb. 1-7 Ausgelaufene Öltanks in einem Keller in<br />
Röderau-Süd. ......................................................8<br />
Abb. 1-8 Herausgerissene Öltanks in der Landschaft.....9<br />
Abb. 2-1 Abwassereinleitung in die <strong>Elbe</strong> bei Pirna/<br />
Heidenau 1984 ..................................................10<br />
Abb. 2-2 Zeitliche Entwicklung der Quecksilbergehalte<br />
in Gewässersedimenten der <strong>Elbe</strong>......................12<br />
Abb. 2-3 Zeitliche Entwicklung der Cadmiumgehalte<br />
in Gewässersedimenten der <strong>Elbe</strong>......................12<br />
Abb. 2-4 Übersicht über Mineralisationen, Bergbaureviere<br />
und deren umweltrelevanten Elementinhalte<br />
im Erzgebirge.....................................................13<br />
Abb. 2-5 Konzentrationsänderungen von Arsen und<br />
Schwermetallen in Hochflutsedimenten.............14<br />
Abb. 2-6 Schlackenhalden aus hunderten Jahren<br />
Bergbau in Muldenhütten bei Freiberg ..............16<br />
Abb. 2-7 Vergleich der Arsen-Belastung im Sediment<br />
der Mulde für 1992 und 2003.............................17<br />
Abb. 2-8 Eintragspfade und Eintragszeiträume für<br />
Schadstoffe in Gewässer...................................19<br />
Abb. 2-9 Zeitliche Entwicklung der ß-Hexachlorcyclohexangehalte<br />
in Gewässersedimenten der <strong>Elbe</strong><br />
bei Schnackenburg und Magdeburg..................19<br />
Abb. 2-10 Wolfen-Ost im Jahre 1970, etwa zu der<br />
Zeit maximaler Emissionen................................20<br />
Abb. 2-11 Braunkohlenförderung im Bitterfelder Revier ...<br />
......................................................................20<br />
Abb. 2-12 Altdeponien und Altbergbau im Raum<br />
Bitterfeld.............................................................22<br />
Abb. 2-13 Produktion von technischem HCH und Lindan<br />
im Chemiekombinat Bitterfeld (CKB) und in<br />
der DDR insgesamt ...........................................24<br />
Abb. 2-14 Die Spittelwasserniederung bei Jeßnitz .......25<br />
Abb. 2-15 Bitterfelder Revier heute: Industriebrachen,<br />
Sanierungsgebiete und neue Produktionsanlagen<br />
......................................................................25<br />
Abb. 3-1 Ölschlieren auf der <strong>Elbe</strong> bei Pilnitz während<br />
des <strong>Hochwasser</strong>s am 16.08.<strong>2002</strong> .....................28<br />
VERZEICHNIS DER ABBILDUNGEN<br />
Abb. 3-2 Große Öllachen treiben am 15.8.<strong>2002</strong> im<br />
schlammigen Wasser der <strong>Elbe</strong> nahe <strong>dem</strong><br />
evakuierten Dresdner Stadtteil Laubegast.........30<br />
Abb. 3-3 Anteile der gelösten und partikulären Fraktion<br />
von Schwermetallen und Arsen an ihren<br />
Gesamtgehalten in der Wasserphase ...............30<br />
Abb. 3-4 Ganglinie von Durchfluss und Konzentration der<br />
abfiltrierbaren Stoffe während des <strong>Hochwasser</strong>s<br />
<strong>2002</strong> an der Messstelle in Magdeburg...............34<br />
Abb. 3-5 Konzentration von abfiltrierbaren Stoffen und<br />
Quecksilber während des <strong>Hochwasser</strong>s <strong>2002</strong><br />
in Magdeburg.....................................................34<br />
Abb. 3-6 Konzentration von abfiltrierbaren Stoffen und<br />
Blei (Pb) während des <strong>Hochwasser</strong>s <strong>2002</strong> in<br />
Magdeburg ........................................................34<br />
Abb. 3-7 Konzentration von abfiltrierbaren Stoffen sowie<br />
partikulären und gelösten Arsens während des<br />
<strong>Hochwasser</strong>s <strong>2002</strong> in Magdeburg .....................34<br />
Abb. 3-8 Schwebstoffgehalte im August <strong>2002</strong> sowie in<br />
den Jahren 1998, <strong>2002</strong> und 2003 entlang<br />
der gesamten <strong>Elbe</strong> ............................................35<br />
Abb. 3-9 Arsengehalte im August <strong>2002</strong> sowie in den<br />
Jahren 1998, <strong>2002</strong> und 2003 entlang der<br />
gesamten <strong>Elbe</strong>...................................................35<br />
Abb. 4-1 In den Oberläufen der <strong>Elbe</strong> und ihren Nebenflüssen<br />
wurden gebietsweise zentimeterdicke<br />
feinkörnige Sedimentschichten flächenhaft<br />
abgelagert..........................................................37<br />
Abb. 4-2 Ausdehnung und Volumen des schwebstoffbürtigen<br />
Sedimentdepots............................38<br />
Abb. 4-3 Schleierartige Schlammauflage im Auenvorland<br />
bei <strong>Elbe</strong>-Stromkilometer 435.................38<br />
Abb. 4-4 Benzo(a)pyren und Fluoranthen in Oberflächensedimenten<br />
der <strong>Elbe</strong> im Längsprofil.......39<br />
Abb. 4-5 Zeitliche Belastungsentwicklung von<br />
Fluoranthen .......................................................39<br />
Abb. 4-6 Polychlorierte Biphenyle in Oberflächensedimenten<br />
der <strong>Elbe</strong> im Längsprofil ..................41<br />
Abb. 4-7 Zeitliche Belastungsentwicklung von<br />
Polychlorierten Biphenylen ................................41<br />
Abb. 4-8 Organozinnverbindungen in Oberflächensedimenten<br />
der <strong>Elbe</strong> im Längsprofil ..................41<br />
Abb. 4-9 Zeitliche Belastungsentwicklung von Dibutylzinn<br />
.......................................................................41<br />
Abb. 4-10 Verteilung der Dioxin- und Furan-Toxizitätsäquivalente<br />
in Oberflächensedimenten der<br />
<strong>Elbe</strong> im Längsprofil ............................................44<br />
Abb. 4-11 Strukturformel von Dioxinen und Furanen....45<br />
Abb. 4-12 Strukturformel eines Polychlorierten Biphenyls<br />
.....................................................................45<br />
Abb. 5-1 Aquatische Schadstoff-Transferpfade ............48<br />
Abb. 5-2 Terrestrische Schadstoff-Transferpfade.........49<br />
98
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Abb. 5-3 Durchschnittliche Quecksilbergehalte in Brassen<br />
entlang der <strong>Elbe</strong> in den Jahren 1999 ................ 49<br />
Abb. 5-4 Quecksilberbefunde in Brassen, Zandern und<br />
Aalen der unteren Saale aus den Jahren 1997<br />
und April/Mai <strong>2002</strong> ............................................ 50<br />
Abb. 5-5 Rückstände der Lindanproduktion (β-HCH) in<br />
Brassen der unteren Mulde und bei Barby an<br />
der <strong>Elbe</strong>............................................................. 50<br />
Abb. 5-6 Toxizitätsäquivalente von Dioxinen und Furanen<br />
sowie dioxinähnlichen PCB in Aalen bei Gorleben<br />
..................................................................... 51<br />
Abb. 5-7 Regelmäßig überschwemmte Auenlandschaft<br />
an der Mittelelbe .............................. 52<br />
Abb. 5-8 Kunstrasenfalle zur Gewinnung von<br />
Sedimenten bei <strong>Hochwasser</strong> ............................ 52<br />
Abb. 5-9 Überströmte Aue............................................ 52<br />
Abb. 5-10 Lage der Untersuchungsstandorte auf der<br />
Untersuchungsfläche Glinde bei km 301 .......... 53<br />
Abb. 5-11 Quecksilberbelastung von Böden entlang<br />
der deutschen <strong>Elbe</strong> ........................................... 53<br />
Abb. 5-12 Cadmiumbelastung von Böden entlang<br />
der deutschen <strong>Elbe</strong> ........................................... 54<br />
Abb. 5-13 Flusstypische Elementverhältnisse.............. 54<br />
Abb. 5-14 Blei-Konzentration in vom <strong>Hochwasser</strong><br />
abgelagerten Sedimenten................................. 54<br />
Abb. 5-15 Cadmiummobilität von Auenböden in<br />
Abhängigkeit der Bodenreaktion....................... 55<br />
Abb. 5-16 Dioxine in den Böden und Sedimenten der<br />
<strong>Elbe</strong> und den Böden der unteren Mulde ........... 55<br />
Abb. 5-17 Sedimentschleier auf der Vegetation <strong>nach</strong><br />
<strong>dem</strong> <strong>Hochwasser</strong> .............................................. 56<br />
Abb. 5-18 Quecksilberbelastung der Grünlandvegetation<br />
...................................................................... 56<br />
Abb. 5-19 Weidevieh im Restwasser einer Flutrinne an<br />
der Mittelelbe..................................................... 58<br />
Abb. 5-20 Dioxingehalte in der Milch von Weidevieh ... 58<br />
Abb. 5-21 Verlauf der Dioxingehalte in der Milch<br />
<strong>nach</strong> der Kalbung.............................................. 58<br />
Abb. 6-1 Mikroskopische Abbildung von Biofilm<br />
bildenden Bakterien .......................................... 60<br />
Abb. 6-2 Kadaver als Infektionsquelle.......................... 61<br />
Abb. 6-3 Anzahl (n) des Bakteriums Clostridium<br />
perfringens in Bodenproben entlang der <strong>Elbe</strong>... 62<br />
Abb. 6-4 Escherichia coli, das Darmbakterium............. 62<br />
Abb. 6-5 Verteilung von Coliformen/E-Coli in der <strong>Elbe</strong>. 63<br />
Abb. 6-6 Antibiotika-Resistenz von Bakterienstämmen 64<br />
Abb. 6-7 Verschlammter Obstgarten............................ 64<br />
Abb. 6-8 Schimmelbildung <strong>nach</strong> <strong>dem</strong> Rückgang<br />
des Wassers ..................................................... 65<br />
Abb. 7-1 Überschwemmter Getreideacker bei Dessau<br />
am 20.8.<strong>2002</strong> .................................................... 67<br />
99<br />
Abb. 7-2 Probenahme des <strong>UFZ</strong> ................................... 67<br />
Abb. 7-3 Tagesgang der Sauerstoff-Konzentration...... 68<br />
Abb. 7-4 Sauerstoff-Konzentration an Meßstationen<br />
entlang der <strong>Elbe</strong>................................................ 69<br />
Abb. 7-5 Die überschwemmten Gebiete entlang der <strong>Elbe</strong><br />
...................................................................... 70<br />
Abb. 7-6 Tote Fische im ausgestickten Wasser der<br />
überfluteten Aue................................................ 70<br />
Abb. 7-7 Sprengung am Polder "Flöthgraben" ............. 70<br />
Abb. 7-8 Flutung der Havelpolder am 21.08.<strong>2002</strong> ....... 71<br />
Abb. 7-9 Ausmaß der Wasserflächen .......................... 72<br />
Abb. 7-10 Massenhaftes Fischsterben <strong>nach</strong> <strong>dem</strong><br />
<strong>Elbe</strong>hochwasser im Havelgebiet....................... 73<br />
Abb. 8-1 Wisconsin River, USA.................................... 74<br />
Abb. 8-2 Aufbau eines Schreibpegels .......................... 75<br />
Abb. 8-3 Pegel am Wehr Neuwerben bei Havelberg,<br />
kurz vor <strong>dem</strong> Anschlag ..................................... 75<br />
Abb. 8-4 Schlüsselkurven für den Pegel Dresden........ 75<br />
Abb. 8-5 Große Überschwemmungen gibt es jedes<br />
Jahr auf fast allen Kontinenten, hier als<br />
Beispiel das Jahr <strong>2002</strong>...................................... 76<br />
Abb. 8-6 Häufigkeit der maximalen jährlichen Durchflüsse<br />
am Pegel Dresden ............................................ 77<br />
Abb. 8-7 Wiederkehrintervall (T) der Scheitelabflüsse<br />
am Pegel Dresden ............................................ 78<br />
Abb. 8-8 Zugbahn des Vb-Tiefs “Ilse” .......................... 78<br />
Abb. 8-9 Relative Häufigkeiten ausgewählter<br />
Großwetterlagen in Europa............................... 79<br />
Abb. 8-10 Gegenüberstellung gemessener und mittels<br />
des Modelles SEROS simulierter Durchflussganglinien<br />
für den Oderpegel Gozdowice für<br />
das große Oder-<strong>Hochwasser</strong> 1997................... 80<br />
Abb. 8-11 Pegel Dresden/<strong>Elbe</strong> Durchfluss vom 11.08.02 -<br />
7.00 Uhr bis 22.08.02 - 7.00 Uhr....................... 81<br />
Abb. 8-12 <strong>Hochwasser</strong>marken der <strong>Elbe</strong> in der<br />
Sächsischen Schweiz. ...................................... 82<br />
Abb. 8-13 Die Flutrinnen Ostragehege und Kaditz ...... 82<br />
Abb. 8-14 Jahres-Höchstabflüsse am Pegel Dresden/<br />
<strong>Elbe</strong>................................................................... 83<br />
Abb. 8-15 Ein Fernseh-Team bereitet sich am 20.08.<strong>2002</strong><br />
im Überschwemmungsgebiet bei Klein Gübs<br />
auf eine Direktsendung vor ............................... 83<br />
Abb. 8-16 <strong>Hochwasser</strong>risikomanagement - eine Querschnittsaufgabe,<br />
die nicht sektoral bewältigt<br />
werden kann. .................................................... 85<br />
Abb. 8-17 Das Einzugsgebiet der <strong>Elbe</strong> wird in sogenannte<br />
Koordinierungsräume unterteilt......................... 86<br />
Abb. 8-18 Auftrittshäufigkeit von schweren<br />
Hochwässern an <strong>Elbe</strong> und Oder ....................... 88
Verzeichnis der Tabellen<br />
Tab. 2-1 Schwermetall- und Arseneinträge in<br />
Oberflächengewässer des deutschen<br />
<strong>Elbe</strong>einzugsgebietes..........................................13<br />
Tab. 2-2 Übersicht über die gewonnenen Mengen<br />
verschiedener Wertelemente und ihre noch<br />
vorhandenen Vorräte im sächsischen Teil<br />
des Erzgebirges.................................................15<br />
Tab. 2-3 Wichtige Wertelemente, ihre Erzminerale und<br />
umweltrelevante Begleitminerale des Bergbaus<br />
im Erzgebirge und ihre Belastungen für den<br />
Wasser- und Luftpfad.........................................15<br />
Tab. 2-4 Staubemission der Freiberger Hüttenbetriebe<br />
vor 1990.............................................................17<br />
Tab. 2-5 Elementbilanz für den Muldestausee ..............18<br />
Tab. 2-6 Produktionsschwerpunkte der Chemischen<br />
Betriebe vor 1945 .............................................21<br />
Tab. 2-7 Aufschluss, Ende und umweltrelevante<br />
Folgenutzung einiger Braunkohlengruben<br />
um Bitterfeld und Wolfen ...................................23<br />
Tab. 3-1 Zielvorgaben der IKSE für unterschiedliche<br />
Schutzgüter und durchschnittliche<br />
Schadstoffgehalte im Wasser ...........................35<br />
Tab. 4-1 Zielvorgaben der IKSE für unterschiedliche<br />
Schutzgüter und durchschnittliche Schadstoffgehalte<br />
in schwebstoffbürtigen<br />
Sedimenten ......................................................47<br />
Tab. 5-1 Quecksilbergehalte von Hochflutsedimenten<br />
aus Kunstrasenfallen .........................................51<br />
Tab. 8-1 Beispiele für differenzierte Maßnahmen zur<br />
<strong>Hochwasser</strong>vorsorge bei unterschiedlichen<br />
<strong>Hochwasser</strong>-Wiederkehrintervallen ...................87<br />
VERZEICHNIS DER TABELLEN<br />
100
BÖHME M, KRÜGER F, OCKENFELD K, GELLER, W (HRSG, 2005) SCHADSTOFFBELASTUNG NACH DEM ELBE-HOCHWASSER <strong>2002</strong><br />
Verzeichnis der Autoren und Herausgeber<br />
Dr. Wolf-Rainer Abraham ,<br />
GBF - Gesellschaft für Biotechnologische Forschung<br />
mbH, Umweltmikrobiologie, Mascheroder Weg 1, 38124<br />
Braunschweig, Tel 0531-6181 419, Fax -411,<br />
wab@gbf.de<br />
Michael Böhme<br />
Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH, Dept.<br />
Fließgewässerökologie, Brückstr. 3a, 39114 Magdeburg,<br />
Tel. 0391/810-9449, Fax -9150, michael.boehme@ufz.de<br />
Prof. Dr. Walter Geller<br />
Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH, Dept.<br />
Fließgewässerökologie, Brückstr. 3a, 39114 Magdeburg,<br />
Tel. 0391/810-9101, Fax -9111, walter.geller@ufz.de<br />
Prof. Dr. Uwe Grünewald<br />
Brandenburgische Technische Universität Cottbus (BTU),<br />
Lehrstuhl für Hydrologie und Wasserwirtschaft, Postfach<br />
1013144, 03013 Cottbus, Tel. 0355/6942-34, Fax -35,<br />
uwe.gruenewald@tu-cottbus.de<br />
Prof. Dr. Werner Klemm<br />
TU Bergaka<strong>dem</strong>ie Freiberg, Institut für Mineralogie,<br />
Brennhausgasse 14, 09599 Freiberg, Tel. 03731/39-<br />
2600, Fax -3129, wklemm@mineral.tu-freiberg.de<br />
Frank Krüger<br />
ELANA Boden Wasser Monitoring, Dorfstraße 55, 39615<br />
Falkenberg, Tel. 039386/97121, Fax -97116, frank.krueger@ufz.de<br />
Dank<br />
Die Autoren bedanken sich ganz herzlich bei Burkhardt<br />
Stachel und René Schwartz für die kritische<br />
und konstruktive Durchsicht der Broschüre sowie<br />
der Wassergütestelle <strong>Elbe</strong> sowie bei zahlreichen<br />
weiteren Kollegen für die Bereitstellung von Daten<br />
und vielen hilfreichen Anmerkungen.<br />
Ebenso gilt unser Dank Lutz Hennig, Dagmar<br />
Haase, Lars Stukenbrock, Thomas Egli (Egli Engineering),<br />
Andreas Prange, Olaf Büttner, Brigitte<br />
Garske, Marc Zebisch, Gerd Schumann, Emily<br />
Stanley, Ute Hirsch (Unicepta) und Robert<br />
Schwarze (Lehrstuhl für Hydrologie TU Dresden)<br />
für die unkomplizierte Bereitstellung von Fotos.<br />
101<br />
Dr. Klaus Ockenfeld<br />
Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH, Dept.<br />
Fließgewässerökologie, jetzt Deutsches Kupferinstitut,<br />
Am Bonneshof 5, 40474 Düsseldorf, Tel. 0211-47 96 324,<br />
Fax -310, kockenfeld@kupferinstitut.de<br />
Dr. Heike Petzoldt<br />
DVGW-Technologiezentrum Wasser Karlsruhe, AS Dresden,<br />
Scharfenberger Straße 152, 01139 Dresden, Tel.<br />
0351/85211-33, Fax -10, petzoldt@tzw-dresden.de<br />
Dr. Gerhard Strauch<br />
Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, Dept.Hydrogeologie,<br />
Theodor-Lieser-Str. 4, 06120 Halle/Saale, Tel.<br />
0345/5585-206, Fax -559, gerhard.strauch@ufz.de<br />
Dr. Annegret Thieken<br />
aktuell: GeoForschungsZentrum Potsdam, Sektion 5.4<br />
Ingenieurhydrologie, Telegrafenberg F227, 14473 Potsdam,<br />
Tel. 0331 / 288 1513, Fax: -1570, thieken@gfzpotsdam.de<br />
Dr. Holger Weiß<br />
Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle, Dept.Grundwassersanierung,<br />
Permoserstr. 15, 04138 Leipzig, Tel.<br />
0341/235-2060, holger.weiss@ufz.de<br />
Prof. Dr. Peter Wycisk<br />
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Institut für<br />
Geologische Wissenschaften, FG Umwelt- und Hydrogeologie,<br />
Von-Seckendorff-Platz 3, 06120 Halle / Saale, Tel.<br />
0345/55-26134, Fax -27177, wycisk@geologie.unihalle.de