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kritik der wertkritik kritik der kritik der wertkritik herrschaft, befreiung ...

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Kuh immer wie<strong>der</strong>zukäuen. Hier spricht er<br />

sich für ein aktives Vergessen aus, in dem <strong>der</strong><br />

Mensch bewusst versucht, Perioden und<br />

Ideen aus seinem Gedächtnis zu streichen:<br />

„Mitunter aber verlangt eben dasselbe<br />

Leben, das die Vergangenheit braucht, die<br />

zeitweilige Vernichtung dieser Vergessenheit;<br />

dann soll es eben gerade klarwerden,<br />

wie ungerecht die Existenz irgendeines<br />

Dinges, eines Privilegiums, einer Kaste, einer<br />

Dynastie zum Beispiel ist, wie sehr dieses<br />

Ding den Untergang verdient. Dann wird<br />

die Vergangenheit kritisch behandelt, dann<br />

greift man mit dem Messer an seine Wurzel,<br />

dann schreitet man grausam über alle<br />

Pietäten hinweg“ (Nietzsche 2000: S.119).<br />

Dieser Prozess sei aber für die Menschen<br />

nicht ungefährlich, da sie selbst Produkte<br />

dieser Vergangenheit sind. Die neue Natur,<br />

die die Menschen dadurch nehmen, könnte<br />

auch schwächer sein als die alte.<br />

Assmann kritisiert an Nietzsche, dass<br />

ihm die Möglichkeit eines rettenden<br />

Charakters von Erinnerungen entgangen sei<br />

(Assmann 1988: S.73). Gibt es einen staatlich<br />

festlegten verbindlichen Kanon, dann<br />

heißt erinnern gehorchen. Es gibt aber auch<br />

ein subversives und alternatives Gedächtnis<br />

von unten. Mit ihm kann Erinnerung einen<br />

befreienden Charakter haben, in dem sich<br />

das „Volk“ als geschichtliches Subjekt legitimiert.<br />

Assmann spielt hier auf die jüdische<br />

Erinnerungskultur an. Aber auch jede an<strong>der</strong>e<br />

Gruppe, die sich gegen existierende<br />

Herrschaftsverhältnisse stellt, schafft sich<br />

ihre Gegenerinnerung, sucht in <strong>der</strong><br />

Geschichte Alternativen und stellt sich in<br />

Traditionen. Nietzsche könnte mensch auch<br />

entgegnen, dass gerade das Vergessen bestimmter<br />

schmerzhafter Ereignisse im<br />

Interesse <strong>der</strong> staatlichen Gewalt liegt. Auch<br />

Assmann weist darauf hin, dass es im Falle<br />

von Verbrechen gegen die Menschlichkeit,<br />

wie den Holocaust, nicht von <strong>der</strong> heilenden<br />

Kraft des Vergessens gesprochen werden<br />

kann. Das Schweigen ist in diesen Fällen eines<br />

von TäterInnen gegenüber ihren<br />

Opfern, die versuchen den Genozid durch<br />

einen „Memozid“ dem Vergessen preis zu<br />

geben.<br />

Der Zusammenhang zwischen<br />

Gedächtnis und (staatlicher) Gewalt sei<br />

Halbwachs, <strong>der</strong> Nietzsche nie rezitierte, entgangen,<br />

lautet ein Kritikpunkt von Assmann.<br />

Ein gemachtes o<strong>der</strong> angezüchtetes<br />

Gedächtnis, das durch Fremdeinwirkung<br />

geschaffen wurde, kommt bei Halbwachs<br />

nicht vor. Bei ihm entsteht das Gedächtnis<br />

vielmehr „autopoietisch“ durch die<br />

Kommunikation <strong>der</strong> Gruppe (ebenda: S.59).<br />

In seinem theoretischen Konzept gäbe es<br />

deshalb kein kulturelles Gedächtnis. Assmann<br />

weist hier sicherlich auf einen zentralen<br />

Schwachpunkt in Halbwachs’ Theorie<br />

hin: Den Staat, <strong>der</strong> mit Denkmälern,<br />

Feiertagen o<strong>der</strong> Schulbüchern versucht, das<br />

historische Gedächtnis seiner BürgerInnen<br />

zu formen, ignoriert Halbwachs weitgehend.<br />

Er macht dabei keinen Unterschied<br />

zwischen <strong>der</strong> rekonstruierten Vergangenheit<br />

einer Familie und einer Religionsgemeinschaft<br />

wie dem Christentum. Da Halbwachs<br />

Staat und Herrschaft in seiner<br />

Theorie <strong>der</strong> kollektiven Erinnerungen ignoriert<br />

hat, wurde ihm die politische Brisanz<br />

des Themas nicht deutlich.<br />

B. Befreiung und Erinnern<br />

Der Post-Operaist Antonio Negri empfahl<br />

1981 <strong>der</strong> Linken das Vergessen. Mit dem<br />

Vergessen ihrer schmerzhaften Nie<strong>der</strong>lagen,<br />

vor allem in Italien, bekäme die Linke wie<strong>der</strong><br />

eine gesunde Psyche und Kraft für neue<br />

Kämpfe. Ewiges Kopfzerbrechen und<br />

Wie<strong>der</strong>käuen <strong>der</strong> Vergangenheit sei kontraproduktiv.<br />

Das Proletariat könne sein<br />

Verhältnis zur Vergangenheit nur über die<br />

Arbeit herstellen, deshalb erinnere es sich in<br />

erster Linie an Entfremdung. Bezogen auf<br />

die revolutionäre Jugendbewegung <strong>der</strong> damaligen<br />

Zeit glaubte Negri, dass eine<br />

Generation ohne Gedächtnis revolutionärer<br />

wäre. „Die bestehenden Erinnerungen an<br />

1968 und an die zehn Jahre danach sind heute<br />

nur noch die Erinnerungen des Totengräbers<br />

(…). Die Jugendlichen von Zürich,<br />

die Proletarier von Neapel und die Arbeiter<br />

von Danzig brauchen keine Erinnerung<br />

(…), kommunistischer Übergang bedeutet<br />

die Abwesenheit <strong>der</strong> Erinnerung“ (zitiert<br />

nach Wright 2005: S.188). Negri warf damals<br />

seinen ehemaligen GenossInnen vor: „Euer<br />

Gedächtnis ist eurer Gefängnis geworden“<br />

(ebenda: S.188).<br />

So versuchen Negri und Hardt im<br />

„Empire“ auch die ganze Welt zu erklären,<br />

nicht aber die Gründe für die Nie<strong>der</strong>lagen<br />

<strong>der</strong> KommunistInnen aller Facetten im<br />

20.Jahrhun<strong>der</strong>t. Ganz ohne geschichtlichen<br />

Bezug kommen sie dann aber doch nicht<br />

aus, wenn sie im letzten Kapitel den<br />

Heiligen Franz von Assisi, die antifaschisti-<br />

Kollektives Gedächtnis, Herrschaft und Befreiung<br />

Nemo Klee<br />

grundrisse_16_2005 seite_35<br />

6

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