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kritik der wertkritik kritik der kritik der wertkritik herrschaft, befreiung ...

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8<br />

Slave Cubela<br />

Arbeiterstolzes und <strong>der</strong> Wi<strong>der</strong>ständigkeit herausbildete<br />

und verdichtete. Das gegenwärtige System, die<br />

„schulische Flucht nach vorne“, bringt völlig an<strong>der</strong>e<br />

Kulturmuster hervor. Aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Familien,<br />

insbeson<strong>der</strong>e aus <strong>der</strong> Sicht <strong>der</strong> Arbeiterfamilien,<br />

verän<strong>der</strong>t die unbestimmte Verlängerung <strong>der</strong><br />

Schulzeit das Verhältnis <strong>der</strong> Generationen tiefgreifend.“<br />

(S. 29)<br />

Um dies zu verdeutlichen und zu präzisieren, erzählen<br />

Beaud und Pialoux im weiteren Verlauf erneut<br />

„Geschichten“, diesmal Schul- und Familiengeschichten.<br />

Ihr Ergebnis lautet komprimiert: Jene<br />

Arbeiterkin<strong>der</strong>, die trotz Bildungsreform niedrige<br />

Facharbeiterschlüsse o<strong>der</strong> das Fachabitur anstreben,<br />

wissen sehr früh und sehr genau, wie wenig ihnen<br />

diese Abschlüsse für einen erfolgreichen Berufsweg<br />

bringen. Dementsprechend demoralisiert, „stößt alles,<br />

was auf das industrielle Leben, auf den beschwerlichen<br />

und monotonen Arbeitsalltag hinweist,<br />

bei den Schülern auf großes Misstrauen. Ein<br />

Elektrotechnikschüler sagte angewi<strong>der</strong>t: ‘Das ist<br />

Peugeot!’ Damit bringt er die ganze diffuse Ablehnung<br />

gegen all das zum Ausdruck, was mit <strong>der</strong><br />

Fabrik zusammenhängt: das Gefangensein, <strong>der</strong><br />

Lärm, <strong>der</strong> Gestank, <strong>der</strong> Schmutz, das Düstere. (...)<br />

Früher war es einem Schüler möglich, stolz darauf<br />

zu sein, einmal ein guter Industriearbeiter zu sein.<br />

Diese Möglichkeit hat er heute allem Anschein nach<br />

nicht mehr.“ (S. 144) Fügt man dem dann noch die<br />

interessante Beobachtung <strong>der</strong> Autoren hinzu, dass<br />

die Lehrer sich ,,weitgehend die Sichtweise <strong>der</strong><br />

Industrie zu eigen machen“ (S. 161) und deshalb darum<br />

bemüht sind, aus ihren Schülern selbständige<br />

„Innovatoren“ (S. 159) zu machen, so ergibt sich ein<br />

erstes wichtiges Element, um die Entstehung <strong>der</strong><br />

,,jungen“ Arbeitergeneration bei Peugeot verstehen<br />

zu können.<br />

Das an<strong>der</strong>e wichtige Element bilden jene<br />

Arbeiterkin<strong>der</strong>, denen es gelingt, sich auf den<br />

Gymnasien zu platzieren, die also, wie die Autoren<br />

es nennen, nach vorne flüchten. Deren Werdegang<br />

ist geprägt von zwei zentralen Ambivalenzen.<br />

Erstens: Sie sind zwar gut genug, um ein<br />

Gymnasium zu besuchen, doch dort fallen sie nicht<br />

nur durch ihre Ausdruckweise, ihre Kleidung und<br />

ihre Wohngegend als Arbeiterkin<strong>der</strong> auf, es fällt ihnen<br />

infolge des fehlenden kulturellen Kapitals ihrer<br />

Klasse häufig schwer mitzuhalten, so dass sie „trkcksen“<br />

(S. 207), sich ihr Wissen auf jede erdenkliche<br />

Art und Weise „zusammenbasteln“ (S. 203), letztlich<br />

ein bloß ,,instrumentelles Verhältnis zur<br />

Schule“ (ebd.) entwickeln. Zweitens: Ihr Werdegang<br />

wird von ihren Eltern zwar auf jede erdenkliche Art<br />

und Weise unterstützt und ist <strong>der</strong>en ganzer Stolz,<br />

doch zugleich entfremdet sie das Gymnasium<br />

schleichend von ihrem Herkunftsmilieu, so dass sie<br />

Bonjour, Tristesse...<br />

dieses zu belächeln beginnen, ja sich für dieses schämen,<br />

während umgekehrt die Eltern den<br />

,,Gymnasiasten-Snobs“ (S. 214) nur noch mit<br />

Kopfschütteln o<strong>der</strong> Spott begegnen können. Indem<br />

nun diese doppelte Ambivalenz, wie Beaud und<br />

Pialoux zeigen, zu einer doppelten Distanzierung<br />

dieser Schüler führt, und zwar einerseits gegen die<br />

etablierte Schulkultur, an<strong>der</strong>erseits gegen ihre<br />

Familie und ihre soziale Klasse, überrascht es nicht,<br />

dass ihnen häufig doch <strong>der</strong> soziale Aufstieg verwehrt<br />

bleibt, sie also in die Fabrik müssen, dabei jedoch<br />

auf Distanz zu den überkommenen Wi<strong>der</strong>stands-<br />

und Protestformen ihrer Eltern gehen. Und<br />

deshalb verwun<strong>der</strong>t auch kaum, was am 17. März<br />

1994 in Montbéliard am landesweiten Protesttag gegen<br />

die aktuelle Bildungspolitik geschieht: ,,An<strong>der</strong>s<br />

als an<strong>der</strong>e Städte erlebt Montbéliard zwei getrennte<br />

Demonstrationszüge: Als sich <strong>der</strong> Zug <strong>der</strong><br />

Gymnasiasten an einem Ende <strong>der</strong> Stadt auflöst., beginnt<br />

am an<strong>der</strong>en Ende <strong>der</strong> Stadt die Demonstration<br />

<strong>der</strong> Fabrikarbeiter. Das Koordinationskomitee <strong>der</strong><br />

Gymnasiasten hatte das Angebot <strong>der</strong> Gewerkschaften,<br />

gemeinsame Aktionen durchzuführen, kategorisch<br />

abgelehnt. Die Gymnasiasten schlagen also<br />

die ausgestreckte Hand <strong>der</strong> alten Arbeiter aus,<br />

obwohl die meisten Teilnehmer an <strong>der</strong> Schüler-<br />

Demonstration aus den unteren Schichten stammen.<br />

Der Bruch zwischen <strong>der</strong> Arbeiter-Generation<br />

und <strong>der</strong> Gymnasiasten-Generation ist an diesem Tag<br />

symbolisch vollzogen worden.“ (S. 225)<br />

Krise <strong>der</strong> Gewerkschaftsaktivisten und Arbeiter-<br />

Rassismus<br />

Nachdem so eine Antwort für die Genese des<br />

Generationenbruchs innerhalb <strong>der</strong> Peugeot-<br />

Arbeiterschaft gefunden ist, suchen Beaud und<br />

Pialoux im letzten Teil das „Zusammenspiel dieser<br />

Verän<strong>der</strong>ungen auf die Entwicklung <strong>der</strong> Arbeiterschaft“<br />

(S. 33) zu erhellen. Obgleich dieser synthetisierende<br />

Schluss ihrer Arbeit nicht ohne Wie<strong>der</strong>holungen<br />

auskommt, fällt er analytisch nicht ab, da<br />

hier zwei weitere, bislang kaum beachtete Aspekte<br />

<strong>der</strong> Entwicklung bei Peugeot ausführlich beschrieben<br />

und diskutiert werden: zum einen ,,die Krise <strong>der</strong><br />

politischen Arbeiterschaft im Betrieb“ (S.33) bzw.<br />

,,die Ratlosigkeit und Verzweiflung <strong>der</strong> Gewerkschaftsvertreter“<br />

(ebd.) und zum an<strong>der</strong>en die wachsende<br />

Anziehungskraft, die <strong>der</strong> rassistische Front<br />

National um Jean-Marie Le Pen auf das Arbeitermilieu<br />

ausübt.<br />

Die Krise <strong>der</strong> Gewerkschaftsaktivisten, die in<br />

den beschriebenen tiefgreifenden Verän<strong>der</strong>ungen in<br />

<strong>der</strong> Fabrik fußt, führt, wie die Autoren zeigen, sukzessive<br />

auch bei ihnen zur Verzerrung <strong>der</strong> innerbetrieblichen<br />

Konfliktlinien, d.h. auch viele Aktivisten<br />

haben immer mehr das Gefühl, „dass die alten<br />

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